Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30.08.2018, Az. III ZR 363/17

3. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 4271

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Haftung des gerichtlichen Sachverständigen: Haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität; Schaden aufgrund des unrichtigen Gutachtens


Leitsatz

1. Für den Anspruch nach § 839a BGB ist danach zu unterscheiden, ob das unrichtige Gutachten für den Inhalt der gerichtlichen Entscheidung (mit-)ursächlich geworden ist ("beruhen auf"; haftungsbegründende Kausalität) und ob der geltend gemachte Schaden durch die von dem unrichtigen Gutachten beeinflusste Gerichtsentscheidung herbeigeführt worden ist (haftungsausfüllende Kausalität).

2. Bei der Frage, ob der geltend gemachte Schaden auf die vom unrichtigen Gutachten beeinflusste Gerichtsentscheidung zurückzuführen ist, ist maßgebend, wie der Ausgangsprozess bei Vorlage eines richtigen Gutachtens des Sachverständigen richtigerweise hätte entschieden werden müssen.

Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 4. Zivilsenats des [X.] vom 23. November 2017 - 4 U 26/15 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen mit Ausnahme der Kosten ihrer Streithelfer, die diese selbst zu tragen haben.

Streitwert: 116.455,61 €

Gründe

I.

1

Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadenersatz und Schmerzensgeld unter dem Vorwurf, sie habe ein unrichtiges aussagepsychologisches Gutachten in einem gegen ihn geführten Strafverfahren wegen angeblichen sexuellen Missbrauchs seiner damaligen Pflegetochter erstellt. Das [X.] hat die materiellen Schadensersatzansprüche des [X.] (Zahlungsanspruch gemäß Klageantrag zu 1) gemäß § 839a [X.] dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und die Beklagte - unter Abweisung des diesbezüglich weitergehenden Klageantrags - zur Zahlung eines Schmerzensgelds von 50.000 € verurteilt. Des Weiteren hat es den [X.] (bezogen auf künftige und weitere Schäden) stattgegeben. Das [X.] hat die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten zurückgewiesen und sie auf die Anschlussberufung des [X.] - unter gleichzeitiger Zurückweisung seines weitergehenden Rechtsmittels - zur Zahlung eines weiteren Schmerzensgelds von 10.000 € (also: insgesamt 60.000 €) verurteilt. Die Revision hat es nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde.

II.

2

1. Die Beschwerde der Beklagten ist unbegründet, weil die Zulassungsvoraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht erfüllt sind.

3

a) [X.], das Berufungsgericht habe für die Beurteilung des Kausalzusammenhangs zwischen dem fehlerhaften Gutachten der Beklagten und dem Strafurteil gegen den Kläger einen fehlerhaften Maßstab angelegt, greift nicht durch.

4

b) Für den Anspruch nach § 839a [X.] ist danach zu unterscheiden, ob das unrichtige Gutachten für den Inhalt der gerichtlichen Entscheidung (mit-) ursächlich geworden ist ("beruhen auf"; haftungsbegründende Kausalität) und ob der entstandene Schaden durch die von dem unrichtigen Gutachten beeinflusste Gerichtsentscheidung herbeigeführt worden ist (haftungsausfüllende Kausalität).

5

aa) Die (Mit-)Ursächlichkeit des Gutachtens der Beklagten für die strafgerichtliche Verurteilung des [X.] kommt hinreichend deutlich darin zum Ausdruck, dass sich die [X.] ausdrücklich auf dieses Gutachten gestützt hat.

6

bb) Die darüber hinausgehenden Ausführungen des Berufungsgerichts betreffen die Frage, ob der geltend gemachte Schaden auf das vom unrichtigen Gutachten der Beklagten beeinflusste Strafurteil zurückzuführen ist, und somit die haftungsausfüllende Kausalität. Hierfür ist maßgebend, wie der [X.] bei Vorlage eines richtigen Gutachtens des Sachverständigen richtigerweise hätte entschieden werden müssen. Dies entspricht wohl allgemeiner Auffassung (s. etwa [X.]/[X.], [X.], § 839a Rn. 58 [Stand 1. April 2018]; [X.]/Knerr, [X.], 27. Aufl., 35. Kapitel Nr. 7 Rn. 11; MüKo[X.]/Wagner, 7. Aufl., § 839a Rn. 31 und 41). In seinem Urteil vom 11. März 2010 ([X.], [X.], 811) hat der erkennende Senat zugrunde gelegt, dass, wenn es für die Frage der Ursächlichkeit einer Amtspflichtverletzung für den eingetretenen Schaden darauf ankomme, wie die Entscheidung eines Gerichts ausgefallen wäre, darauf abzustellen sei, wie nach Ansicht des über den Schadensersatzanspruch erkennenden Gerichts richtigerweise hätte entschieden werden müssen (aaO S. 813 Rn. 11). Für die an § 839 [X.] angelehnte Haftung nach § 839a [X.] kann insoweit nichts anderes gelten. Die abweichende Einschätzung von [X.] ([X.], 855, 858) ist, soweit ersichtlich, vereinzelt geblieben.

7

2. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

[X.]     

      

Tombrink     

      

Remmert

      

Reiter     

      

Böttcher     

      

Meta

III ZR 363/17

30.08.2018

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, 23. November 2017, Az: 4 U 26/15, Urteil

§ 839a BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30.08.2018, Az. III ZR 363/17 (REWIS RS 2018, 4271)

Papier­fundstellen: MDR 2019, 226 REWIS RS 2018, 4271

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

III ZR 119/19 (Bundesgerichtshof)

Haftung des gerichtlichen Sachverständigen wegen eines unrichtigen Gutachtens bei Verfahrenserledigung durch Vergleich


III ZR 119/19 (Bundesgerichtshof)


7 U 59/18 (Oberlandesgericht Hamm)


12 O 401/18 (Landgericht Münster)


III ZR 141/18 (Bundesgerichtshof)

Anspruch auf Schmerzensgeld bei Erstattung eines unrichtigen Gutachtens in Missbrauchsverfahren


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.