Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.07.2006, Az. IX ZR 226/03

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 2497

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] ZR 226/03 Verkündet am: 20. Juli 2006 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja [X.] § 134; BGB § 117; [X.] § 16 Vereinbart der Schuldner mit seinem Vertragspartner, dass eine Belohnung für ein bestimmtes Verhalten zur Hälfte an dessen Ehegatten gezahlt wird, um insoweit den [X.] auszunutzen, und wird anschließend entsprechend ver-fahren, so ist die Zahlung an den Ehegatten auch dann als unentgeltliche, ohne Ge-genleistung erbrachte Zuwendung anfechtbar, wenn der beabsichtigte steuerliche Erfolg aus Rechtsgründen nicht eingetreten ist. [X.], Urteil vom 20. Juli 2006 - [X.] [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 6. April 2006 durch den Vorsitzenden [X.] Dr. [X.], die [X.] Rae-bel, [X.], [X.] und die [X.]in [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 1. Zivilsenats des [X.] vom 17. September 2003 im Kos-tenpunkt mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des [X.] zu 2. sowie insoweit aufgehoben, als die Berufung des [X.] in Höhe eines Anspruchs auf Zahlung von 255.645,94 • nebst Zinsen gegen die Beklagte zu 1. zurückgewiesen worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des [X.] - an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand: Der Kläger ist Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen des

[X.]

(fortan: Schuldner). Der frühere Beklagte zu 2, der Ehemann der Beklagten zu 1 (fortan: Beklagte), war alleiniger Vorstand der [X.]

(fortan: [X.]). Der Schuldner und sein Geschäftspartner S.

1 - 3 - hatten im Jahr 1996 insgesamt 94 % der Stammaktien der [X.] erworben. Ende 1997 planten sie den Verkauf von mindestens 85 % der von ihnen gehaltenen Aktien. Um den früheren Beklagten zu 2 zu bewegen, bis zum Verkauf im Un-ternehmen zu verbleiben, versprachen sie ihm einen Betrag von 4 Mio. DM, der nach dem Verkauf der Aktien schenkweise gezahlt werden sollte. Um schen-kungsteuerliche Freibeträge auszuschöpfen, sollten 3 Mio. DM an den früheren Beklagten zu 2 und 1 Mio. DM an die Beklagte gezahlt werden. Am 23. April 1998 wurde ein entsprechender Vertrag notariell beurkundet. Nach dem Verkauf der Aktien im Oktober 1998, am 4. November 1998, wurde der notarielle Vertrag dahingehend geändert, dass sich der Schuldner und [X.]je allein verpflichteten, an den früheren Beklagten zu 2 und an die Beklagte je 1 Mio. DM in zwei Raten zu zahlen. Der Schuldner zahlte die vereinbarten Raten am 11. November 1998 und am 21. April 1999 an den [X.] Beklagten zu 2 und an die Beklagte. 2 Am 1. Mai 2000 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet. Mit seiner am 29. April 2002 bei Gericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Beklagten auf Rückzahlung von je 511.291,88 Euro (= 1 Mio. DM) nebst Zinsen in Anspruch genommen. Die Klage ist in beiden Instanzen erfolglos geblieben. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den Anspruch auf Zahlung von 255.645,94 • wegen der am 21. April 1999 gezahlten 500.000 DM gegen die Beklagte weiter. 3 - 4 - Entscheidungsgründe: 4 Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Ur-teils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. [X.] Das Berufungsgericht hat die Zahlung der 500.000 DM an die Beklagte nicht für eine "unentgeltliche" Leistung des Schuldners im Sinne von § 134 Abs. 1 [X.] gehalten. Zwar habe die Beklagte selbst keine Gegenleistung er-bracht. Bei Zahlungsvorgängen, an denen mehrere Personen beteiligt seien, sei jedoch eine wertende Betrachtung geboten. Leistungsempfänger im [X.] sei nicht zwingend derjenige, der das Geld erhalten habe. Im vorliegenden Fall sei die Zahlung als "abgekürzter Zahlungsvorgang" zu werten, mit dem ei-nerseits eine Leistung des Schuldners an den früheren Beklagten zu 2 und an-dererseits dessen Leistung an die Beklagte abgewickelt worden sei. Die steuer-rechtlichen Vorstellungen der Beteiligten hätten außer Betracht zu bleiben, weil sie sachlich unzutreffend gewesen seien; tatsächlich habe keine Schenkung vorgelegen. 5 I[X.] Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. 6 1. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] zu §§ 32 KO, 134 [X.] ist eine Zuwendung dann als unentgeltlich anzusehen, wenn ihr nach 7 - 5 - dem Inhalt des Rechtsgeschäfts keine Leistung gegenüber steht, dem Leisten-den also keine dem von ihm aufgegebenen Vermögenswert entsprechende Gegenleistung zufließen soll ([X.] 113, 98, 101; 141, 96, 99 f; 162, 276, 279; [X.], Urt. v. 30. März 2006 - [X.] ZR 84/05, [X.], 1156, 1157). Diese [X.] erweist sich jedoch dann als zu eng, wenn eine dritte Person in den [X.] oder den [X.] eingeschaltet worden ist. In solchen Fällen kommt es nicht entscheidend darauf an, ob der Schuldner selbst einen Ausgleich für die von ihm erbrachte Leistung erhalten hat. Zu [X.] ist vielmehr, ob der Empfänger seinerseits eine Gegenleistung zu erbringen hatte. Dies entspricht der in § 134 Abs. 1 [X.] ebenso wie in § 32 Nr. 1 KO zum Ausdruck kommenden Wertung, dass der Empfänger der Leistung dann einen geringeren Schutz verdient, wenn er keine ausgleichende Gegenleistung zu erbringen hat ([X.] 41, 298, 302; 141, 96, 99 f; 162, 276, 279 f; Urt. v. 30. März 2006 - [X.] ZR 84/05, aaO). 2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts war die Beklagte unmit-telbare Empfängerin der am 21. April 1999 vom Schuldner an sie gezahlten 500.000 DM. 8 a) Der Schuldner hat am 21. April 1999 einen Betrag von 500.000 DM auf ein Konto des früheren Beklagten zu 2 überwiesen. Grundlage der [X.] war das notariell beurkundete "Schenkungsversprechen" vom 4. November 1998, in dem der Schuldner versprochen hatte, der Beklagten ei-nen Betrag von 1.000.000 DM zu schenken, und die Beklagte das [X.] angenommen hatte. Der Vertragsurkunde nach sollte der [X.] den genannten Betrag unmittelbar an die Beklagte zahlen. So ist auch ver-fahren worden. Das Konto, auf welches das Geld in zwei Raten von 500.000 DM gelangt ist, gehörte zwar dem früheren Beklagten zu 2. Dabei han-9 - 6 - delte es sich jedoch nur um die Zahlstelle. Eine nachträgliche Änderung des Vertrages dahingehend, dass nun doch der Gesamtbetrag von 2.000.000 DM an den früheren Beklagten zu 2 gezahlt werden sollte, hat die Beklagte nicht behauptet. 10 b) Der Schenkungsvertrag vom 4. November 1998 ist dem eigenen [X.] der Beklagten nach auch nicht nur zum Schein (§ 117 BGB) geschlos-sen worden. aa) Ob ein Rechtsgeschäft wirklich gewollt oder nur zum Schein [X.] wird, hängt nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung davon ab, ob die Parteien [X.] nur den äußeren Schein des Abschlusses eines Rechtsgeschäfts hervorrufen, dagegen die mit dem betreffenden Rechts-geschäft verbundenen Rechtswirkungen nicht eintreten lassen wollen, oder ob sie ein ernstlich gemeintes Rechtsgeschäft für notwendig erachten ([X.] 21, 378, 382; 36, 84, 87 f; 144, 331, 332; vgl. auch [X.]/Singer, BGB (Bearb. 2004) § 117 Rn. 10; [X.]/[X.], 4. Aufl. § 117 Rn. 12; [X.], [X.]. § 117 Rn. 12). Wollen die Parteien übereinstim-mend nur den äußeren Anschein eines Rechtsgeschäfts erzeugen, dessen Rechtswirkungen aber nicht eintreten sollen, sind die von ihnen abgegebenen Erklärungen wirkungslos. Setzt der von den Parteien angestrebte Zweck dage-gen die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts voraus, spricht dies umgekehrt gegen eine bloße Simulation. Ein bei seinem Abschluss tatsächlich gewollter Vertrag wird nicht allein deshalb zum Scheingeschäft, weil der mit ihm bezweckte Erfolg in der gewählten Rechtsform nicht erreicht werden kann ([X.] 1930, 2655; [X.] 36, 84, 87 f; Soergel/Hefermehl, [X.]. § 117 Rn. 4). Wählen die Parteien eine bestimmte Rechtsgestaltung lediglich aus steuerlichen Gründen, fehlt es in der Regel nicht am erforderlichen Rechtsbindungswillen, weil die 11 - 7 - steuerliche Anerkennung ein gültiges, ernstlich gewolltes Rechtsgeschäft vor-aussetzt. Erweist sich die gewählte Vertragsgestaltung nachträglich als zivil-rechtlich nachteilig, begründet das nicht den Einwand des [X.]. Eine bestimmte vertragliche Regelung kann nicht gleichzeitig steuerlich gewollt, zivilrechtlich aber nicht gewollt sein ([X.] 67, 334, 338; 76, 86, 89 f; [X.], Urt. v. 17. Januar 1990 - [X.], [X.], 856, 858; v. 5. Juli 1993 - [X.], [X.], 1158, 1159). Anderes gilt nur dann, wenn die Parteien eine Steuerhinterziehung begehen wollten; denn zur Täuschung der zuständigen Finanzbehörden reicht der äußere Anschein eines Rechtsgeschäfts aus (vgl. [X.] 67, 334, 338; [X.], Urt. v. 5. Juli 1993 - [X.], [X.], 1683, 1685; Urt. v. 17. Dezember 2002 - [X.], [X.]-Report 2003, 453, 454). [X.]) Grundlage aller Zahlungen des Schuldners war, dass der frühere Beklagte zu 2 seine Tätigkeit als Vorstand der [X.] bis zum Verkauf der [X.] fortsetzte. Der frühere Beklagte zu 2 wollte jedoch, dass der [X.] zwei Raten von je 500.000 DM unmittelbar an die Beklagte zahlte, damit auch deren [X.] ausgeschöpft wurde. Der Schuldner und die Beklagte waren damit einverstanden. Nach Vorstellung aller Beteiligten sollten damit die Steuerlasten vermindert werden, die den früheren Beklagten zu 2 als alleinigen Empfänger von 2.000.000 DM gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 [X.] getrof-fen hätten. Beide Eheleute sollten den persönlichen Freibetrag nach § 16 [X.] geltend machen können, nicht nur der frühere Beklagte zu 2. Dazu soll-ten die jeweiligen Beträge tatsächlich unmittelbar vom "[X.]" an die [X.] gezahlt werden, nicht nur zum Schein. Eine beabsichtigte [X.] hat die Beklagte nicht nur nicht behauptet, sondern mit Nachdruck in Abrede gestellt. Der notariell beurkundete Schenkungsvertrag war damit von allen Beteiligten - auch vom Schuldner und von der Beklagten - inhaltlich unein-geschränkt gewollt. Dass das Ziel, Steuern zu sparen, nicht erreicht werden 12 - 8 - konnte, weil der gesamte Vorgang der Einkommensteuer unterfiel, ändert daran ebenso wenig etwas wie die anfechtungsrechtlich schwache Stellung der [X.] in der Insolvenz des Schuldners. 13 c) Aus den gleichen Gründen lässt sich die Abwicklung des Vertrages nicht - wie das Berufungsgericht angenommen hat - in einen "abgekürzten [X.]" umdeuten, mit dem eine Verpflichtung des Schuldners gegen-über dem früheren Beklagten zu 2 erfüllt worden und zugleich eine Zuwendung des früheren Beklagten zu 2 an die Beklagte erfolgt ist. Nach dem notariellen Vertrag vom 4. November 1998 hatte der Schuldner insoweit allein an die [X.] zu zahlen, nicht an den früheren Beklagten zu 2.
3. Die übrigen Voraussetzungen des § 134 Abs. 1 [X.] sind ebenfalls erfüllt. Die Beklagte hat keinerlei Gegenleistung an den Schuldner erbracht. Die Zahlung erfolgte innerhalb der Frist von vier Jahren vor Eröffnung des [X.] am 1. Mai 2000. Sie hat zu einer Benachteiligung der Gesamt-heit der Insolvenzgläubiger geführt. Wäre sie nicht erfolgt, stünde der Betrag von 500.000 DM der Gesamtheit der Insolvenzgläubiger zur Verfügung. Ob die zwischen dem Schuldner und seinem Geschäftspartner [X.]

einerseits, dem früheren Beklagten zu 2 und der Beklagten andererseits getroffene "Ge-samtvereinbarung" über den Verbleib des Beklagten zu 2 in der [X.] gegen Zah-lung von insgesamt 4.000.000 DM für den Schuldner günstig war, weil so ein Wertverlust der zu verkaufenden Aktien vermieden wurde, ist in diesem Zu-sammenhang nicht von Bedeutung. Mehrere Rechtshandlungen des [X.]s sind auch dann anfechtungsrechtlich selbstständig zu betrachten, wenn sie gleichzeitig vorgenommen worden sind oder sich wirtschaftlich ergänzen ([X.], Urt. v. 7. Februar 2002 - [X.] ZR 115/99, [X.], 489, 490; Urt. v. 9. Oktober 2003 - [X.] ZR 28/03, [X.], 2370, 2371; Urt. v. 2. Juni 2005 - [X.] ZR 263/03, 14 - 9 - ZIP 2005, 1521, 1523). Der Eintritt einer Gläubigerbenachteiligung ist deshalb isoliert mit Bezug auf die konkret angefochtene Minderung des Aktivvermögens oder die Vermehrung der Passiva des Schuldners zu beurteilen. Dabei sind le-diglich solche Folgen zu berücksichtigen, die an die anzufechtende Rechts-handlung selbst anknüpfen. Eine Vorteilsausgleichung findet grundsätzlich nicht statt ([X.], Urt. v. 2. Juni 2005, aaO). Der Zuwendung der jetzt noch streitigen 500.000 DM an die Beklagte stand keine den Verlust ausgleichende Gegenleis-tung gegenüber. II[X.] Das angefochtene Urteil kann damit nicht bestehen bleiben. Es ist [X.] (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Gemäß § 143 Abs. 2 Satz 1 [X.] hat der Empfänger einer unent-geltlichen Leistung diese nur zurückzugewähren, soweit er durch sie bereichert ist. Die Beklagte hat in den Vorinstanzen umfangreich zum Verbleib der ihr [X.] 500.000 DM - insbesondere zum Erwerb von Aktien und zu in der Folgezeit eingetretenen Verlusten - vorgetragen und Beweis angetreten. Mit diesem Vorbringen wird das Berufungsgericht sich nach der Zurückverweisung (§ 563 Abs. 1 ZPO) auseinanderzusetzen haben. Dabei wird auch zu prüfen 15 - 10 - sein, ob und von welchem Zeitpunkt an die Beklagte wusste oder den [X.] nach wissen musste, dass die unentgeltliche Leistung die Gläubiger [X.] (§ 143 Abs. 2 Satz 2 [X.]). [X.] Raebel [X.]

[X.] [X.]

Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 12.11.2002 - 4 O 48/02 - [X.], Entscheidung vom 17.09.2003 - 1 U 166/02 -

Meta

IX ZR 226/03

20.07.2006

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.07.2006, Az. IX ZR 226/03 (REWIS RS 2006, 2497)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 2497

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