Bundesfinanzhof, Urteil vom 18.04.2023, Az. VII R 59/20

7. Senat | REWIS RS 2023, 4183

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Gegenstand

Keine Nacherhebung von Schaumweinsteuer


Leitsatz

Ein Steuerbescheid ist wegen fehlender hinreichender Bestimmtheit nichtig, wenn er für einen Veranlagungszeitraum ergeht, für den bereits ein --wirksamer-- Steuerbescheid (hier: Steueranmeldungen) gegenüber demselben Adressaten besteht, ohne dass sich nach dem Wortlaut des Bescheids oder im Wege der Auslegung ergibt, in welchem Verhältnis der zuletzt ergangene zu dem zuvor ergangenen Bescheid steht.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 17.11.2020 - 3 K 1069/17 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Beteiligten streiten über die "Nacherhebung" von [X.] durch einen [X.]bescheid nach Durchführung einer [X.]ußenprüfung, wenn die für den betreffenden Zeitraum abgegebenen [X.] von der Finanzbehörde nicht ausdrücklich geändert wurden.

2

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), die eine Sektkellerei betreibt, ist eine GmbH & [X.]o. KG und wurde 2014 durch den mittlerweile verstorbenen [X.] gegründet. [X.] hatte sein zuvor bestehendes Einzelunternehmen, dessen Gegenstand ebenfalls der Betrieb einer Sektkellerei war, in die Klägerin eingebracht und war zunächst Kommanditist mit einer Haftungseinlage von 1.000 €. Im zeitlichen Zusammenhang mit der Eintragung der Klägerin in das Handelsregister schied [X.] 2015 als Kommanditist aus. Neue Kommanditisten wurden B und [X.] mit einer Haftungseinlage von je 500 €. Weitere Gesellschafterin der Klägerin ist die [X.] GmbH als Komplementärin, die zuvor unter dem Namen [X.] firmiert hatte und deren Firma sowie deren Unternehmensgegenstand 2014 im Zuge der Umstrukturierung geändert worden waren. Das Erlöschen der Firma des Einzelunternehmens wurde 2014 zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet und dort 2015 eingetragen.

3

[X.] war für sein Einzelunternehmen die Erlaubnis erteilt worden, ein [X.]lager zu führen. Das Steuerlager wurde nach der Einbringung von der Klägerin ohne tatsächliche Änderungen fortgeführt. Eine gesonderte [X.]nzeige gegenüber dem Beklagten und Revisionskläger (Hauptzollamt --HZ[X.]--) erfolgte nicht.

4

Für die Monate Januar bis Juni 2015 gab die Klägerin [X.]-[X.]nmeldungen unter ihrer Firma, jedoch unter Verwendung der dem Einzelunternehmen [X.] erteilten [X.] ab. Die angemeldeten Steuern beliefen sich auf insgesamt 145.968,73 €. Die [X.] wurden vom HZ[X.], mit [X.]usnahme der Steueranmeldung für Mai 2015, nicht beanstandet. Die von der Klägerin vorgelegten Steueranmeldungsvordrucke enthalten im Feld "sachlich richtig" jeweils eine handschriftlich angebrachte Kennzeichnung. Das HZ[X.] hatte nicht beanstandet, dass die [X.] unter einem neuen Namen, der Firma der Klägerin, eingereicht wurden.

5

[X.]uf [X.]ntrag der Klägerin vom 30.07.2015 erteilte das HZ[X.] am 10.08.2015 eine --zunächst befristete-- Erlaubnis zum Betrieb eines Steuerlagers mit Wirkung vom 30.07.2015, die mit Verfügung vom 19.08.2016 entfristet wurde.

6

Nach einer [X.]ußenprüfung erließ das HZ[X.] am 04.08.2016 gegenüber der Klägerin einen [X.]bescheid, dessen [X.] wörtlich lautete: "Ich setze die [X.] in Höhe von 10.016,67 € ([X.] [X.]) fest". Unter "II. Berechnung" enthielt der Steuerbescheid eine Steuerberechnung in Tabellenform, die sich im Einzelnen auf Textziffern des Berichts über die [X.]ußenprüfung bezog. Hierbei stellte das HZ[X.] eine bereits gezahlte [X.] in Höhe von 102.735,33 € und eine zu gewährende Steuerentlastung in Höhe von 108.678,76 € den nach seiner [X.]uffassung tatsächlich geschuldeten Steuerbeträgen (insgesamt 221.430,76 €) gegenüber und wies den Differenzbetrag von 10.016,67 € mit der Bezeichnung "Nacherhebung" aus. Zusätzlich enthielt der Steuerbescheid unter "[X.] Begründung" die Formulierung: "Zu den Steuerbeträgen/[X.]/Zahlungen der vorstehenden Tabelle erkläre ich nach § 226 [X.] die [X.]ufrechnung".

7

Nach erfolglosem Einspruch hatte die Klage Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, der Steuerbescheid sei wegen fehlender hinreichender Bestimmtheit nichtig und aus Gründen der Rechtssicherheit aufzuheben. Der Steuerbescheid gebe in seinem [X.] (Tenor) entgegen § 157 [X.]bs. 1 Satz 2 der [X.]bgabenordnung ([X.]) nicht die gesamte, nach dem Willen des HZ[X.] für die im Zeitraum 14.04.2015 bis 29.07.2015 erfolgte Schaumweinherstellung festzusetzende [X.] dem Betrag nach an, sondern trete neben die Steuerfestsetzungen in Form der [X.]. Der erklärte Wille des HZ[X.] habe darin bestanden, letztlich den insgesamt entstandenen [X.]betrag von der Klägerin zu erheben, was sich aus der in dem angefochtenen Steuerbescheid vorgenommenen Berechnung ergebe. [X.]llerdings habe es dazu wegen der zuvor von der Klägerin abgegebenen [X.]anmeldungen eines Änderungsbescheids bedurft. [X.]us objektiver Empfängersicht sei eine [X.]festsetzung in Höhe von lediglich 10.016,67 € erfolgt. [X.]ufgrund dieses [X.]uslegungsergebnisses sei der [X.]bescheid nicht hinreichend bestimmt. Ein Steuerbescheid sei wegen fehlender hinreichender Bestimmtheit nichtig, wenn er für einen Veranlagungszeitraum ergehe, für den bereits ein --wirksamer-- Steuerbescheid gegenüber demselben [X.]dressaten erlassen worden sei, ohne dass sich nach dem Wortlaut des Bescheids oder im Wege der [X.]uslegung ergebe, in welchem Verhältnis der zuletzt ergangene zu dem zuvor ergangenen Bescheid stehe. Dem [X.] sei nicht durch die Bezugnahme auf den [X.]ußenprüfungsbericht Genüge getan. Der Steuerbescheid sei nicht als Änderungsbescheid gekennzeichnet und lasse das Verhältnis zu den ergangenen Steuerfestsetzungen offen.

8

Hiergegen richtet sich die Revision des HZ[X.].

9

Die Klägerin habe keine wirksamen [X.] abgegeben, weil dies unter der [X.] des [X.] erfolgte und weil die Klägerin für den Zeitraum vom 14.04.2015 bis zum 29.07.2015 nicht im Besitz einer Steuerlagererlaubnis gewesen sei. Die [X.] der Klägerin seien nicht zuordenbar gewesen und wegen widersprüchlicher [X.]ngaben nicht wirksam.

Demzufolge handele es sich bei dem angefochtenen Steuerbescheid um eine Steuerneufestsetzung und nicht um einen Steueränderungsbescheid. Dieser sei hinreichend bestimmt. Insbesondere verweise er nicht pauschal auf den Prüfungsbericht, sondern bezeichne konkrete Textstellen. Deshalb sei der Prüfungsbericht bei der [X.]uslegung des Steuerbescheids heranzuziehen. Das [X.], wenn es meine, dass der Steuerbescheid vom 04.08.2016 die vorangegangenen Steuerfestsetzungen offen lasse und neben den bereits festgesetzten [X.]forderungen für denselben Lebenssachverhalt eine weitere [X.] festsetze. Es handele sich um unterschiedliche Lebenssachverhalte, die jeweils durch eine Steuerneufestsetzung mit dem angefochtenen Steuerbescheid gewürdigt worden seien.

Das HZ[X.] beantragt sinngemäß,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen, hilfsweise, die Sache an das [X.] zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen.

Sie hält die [X.] für wirksam und meint, der angefochtene Steuerbescheid hätte sich mit den als Steuerfestsetzungen geltenden [X.] auseinandersetzen müssen. Dies gelte insbesondere, weil die [X.] --anders als der Steuerbescheid-- von einer Fortführung des Steuerlagers ausgingen. Im Übrigen habe das HZ[X.] mit Schreiben vom 03.08.2016 den Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben, sodass die [X.] bestandskräftig geworden seien.

Selbst wenn der Steuerbescheid nicht nichtig sein sollte, so sei er doch rechtswidrig und deshalb aufzuheben.

Die Beteiligten haben übereinstimmend erklärt, dass sie mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden sind.

Entscheidungsgründe

[X.]

Die Revision ist zurückzuweisen (§ 126 [X.]bs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Die Vorentscheidung entspricht Bundesrecht (§ 118 [X.]bs. 1 Satz 1 [X.]O).

1. Der Senat entscheidet gemäß §§ 121 Satz 1, 90 [X.]bs. 2 [X.]O mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.

2. Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass der streitgegenständliche Steuerbescheid nicht hinreichend bestimmt (§ 119 [X.]bs. 1 [X.]) und deshalb nichtig ist.

a) Nach § 119 [X.]bs. 1 [X.] muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein, d.h. ihm muss der [X.] eindeutig zu entnehmen sein.

aa) Der Verwaltungsakt ist nichtig und damit nach § 124 [X.]bs. 3 [X.] unwirksam, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist (§ 125 [X.]bs. 1 [X.]). Ein Verwaltungsakt leidet an schweren und offenkundigen Mängeln und ist deshalb nichtig, wenn er inhaltlich nicht so bestimmt ist, dass ihm hinreichend sicher entnommen werden kann, was von wem verlangt wird (vgl. Urteil des [X.] --[X.]-- vom 13.10.2016 - IV R 20/14, [X.], 475, Rz 42, m.w.N.).

bb) Erforderlich ist u.a. die Bezeichnung der festgesetzten Steuer nach [X.]rt und Betrag (§ 157 [X.]bs. 1 Satz 2 [X.]). Ein Änderungsbescheid muss zudem grundsätzlich den geänderten Bescheid erkennen lassen (vgl. [X.]-Urteile vom 06.07.1994 - II R 126/91, [X.] 1995, 178; vom 24.04.2013 - II R 53/10, [X.], 63, [X.], 755, Rz 34, und vom 17.12.2014 - II R 2/13, [X.], 238, [X.], 557, Rz 13). Hierzu genügt es, dass aus dem gesamten Inhalt des Bescheids, aus dem Zusammenhang, aus der von der Behörde gegebenen Begründung oder aus den den Beteiligten bekannten näheren Umständen des Erlasses im Wege einer am Grundsatz von [X.] und Glauben orientierten [X.]uslegung hinreichende Klarheit gewonnen werden kann ([X.]-Urteil in [X.], 63, [X.], 755, Rz 34, m.w.N.).

cc) Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist über den bloßen Wortlaut hinaus im Wege der [X.]uslegung zu ermitteln, wobei die §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auch für öffentlich-rechtliche Willensbekundungen geltende [X.]uslegungsregeln enthalten ([X.]-Urteil vom 10.05.2012 - IV R 34/09, [X.], 485, [X.], 471).

Entscheidend ist danach, wie der Betroffene nach den ihm bekannten Umständen --seinem "objektiven [X.]" (vgl. [X.]-Urteil vom 08.11.1995 - V R 64/94, [X.], 211, [X.] 1996, 256)-- den materiellen Gehalt der Erklärung unter Berücksichtigung von [X.] und Glauben verstehen konnte ([X.]-Urteile vom 18.04.1991 - IV R 127/89, [X.], 185, [X.] 1991, 675 und vom 11.07.2006 - VIII R 10/05, [X.], 18, [X.] 2007, 96). Bei der [X.]uslegung ist nicht allein auf den Tenor des Bescheids abzustellen, sondern auch auf den materiellen Regelungsgehalt einschließlich der für den Bescheid gegebenen Begründung (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. [X.]-Urteile in [X.], 18, [X.] 2007, 96, unter [X.] aa und vom 26.11.2009 - III R 87/07, [X.], 466, [X.] 2010, 429, unter [X.].; jeweils m.w.N.). Es kommt somit weder darauf an, was die Finanzbehörde mit ihrer Erklärung gewollt hat ([X.]-Urteil vom 11.05.1999 - IX R 72/96, [X.] 1999, 1446), noch darauf, wie ein außenstehender Dritter die Erklärung der Behörde auffassen konnte bzw. musste ([X.]-Urteil vom 30.09.1988 - III R 218/84, [X.] 1989, 749). Da der Verwaltungsakt nur mit dem bekanntgegebenen Inhalt wirksam wird, muss aber die [X.]uslegung zumindest einen [X.]nhalt in der bekanntgegebenen Regelung haben ([X.]-Urteil vom 28.11.1985 - IV R 178/83, [X.], 226, [X.] 1986, 293, m.w.N.; [X.] vom 16.03.2001 - IV B 17/00, [X.] 2001, 1103 und vom 12.05.2022 - V R 31/20, [X.] 2022, 1153, Rz 29, jeweils m.w.N.). Im Zweifel ist das den Betroffenen weniger belastende [X.]uslegungsergebnis vorzuziehen, da er als Empfänger einer auslegungsbedürftigen Willenserklärung der Verwaltung durch etwaige Unklarheiten aus deren Sphäre nicht benachteiligt werden darf ([X.]-Urteil in [X.], 18, [X.] 2007, 96).

dd) [X.]n die [X.]uslegung des [X.] ist der Senat nicht gemäß § 118 [X.]bs. 2 [X.]O gebunden. Denn die Frage, welchen Inhalt ein Verwaltungsakt hat, ist vom Revisionsgericht in eigener Zuständigkeit zu beantworten und ggf. zu korrigieren, wenn die tatsächlichen Feststellungen des [X.] hierzu ausreichen (ständige Rechtsprechung, vgl. [X.]-Urteile in [X.], 485, [X.], 471, Rz 38, m.w.N.; in [X.], 475, Rz 50; vom 21.06.2017 - V R 3/17, [X.]E 259, 140, [X.] 2018, 372, Rz 18 und vom 11.11.2020 - XI R 11/18, [X.]E 271, 41, [X.] 2021, 415, Rz 26, m.w.N.).

b) Der angefochtene Steuerbescheid vom 04.08.2016 ist nach diesen Grundsätzen inhaltlich nicht hinreichend bestimmt, weil er nicht deutlich erkennen lässt, in welchem Verhältnis er zu den genannten [X.] der Klägerin für die Monate Januar bis Juni 2015 steht.

aa) Nach § 15 [X.]bs. 1 (und § 29 [X.]bs. 3) des [X.] und Zwischenerzeugnissteuergesetzes hat der Steuerschuldner in der Regel am zehnten Tag des auf die Entstehung der Steuer folgenden Monats eine Steueranmeldung abzugeben und die Steuerschuld spätestens am fünften Tag des zweiten auf die Steuerentstehung folgenden Monats zu entrichten. Die Einzelheiten der Steueranmeldung ergeben sich aus § 30 der Verordnung zur Durchführung des [X.] und Zwischenerzeugnissteuergesetzes. Eine Steueranmeldung steht nach § 168 Satz 1 [X.] einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich.

Die [X.] der Klägerin für die Monate Januar bis Juni 2015 stellen nach §§ 167, 168, 164 [X.] wirksame Verwaltungsakte dar. [X.]nders als das [X.] meint, sind die [X.] nicht unwirksam, weil sie unter der Verbrauchsteuernummer des [X.] abgegeben wurden und deshalb nicht zuordenbar und widersprüchlich gewesen seien oder weil die Klägerin für den Zeitraum vom 14.04.2015 bis 29.07.2015 nicht im Besitz einer Steuerlagererlaubnis gewesen sein soll.

(1) Nach § 125 [X.]bs. 1 [X.] ist ein Verwaltungsakt, dem die in der [X.]nmeldung liegende Festsetzung der Schaumweinsteuer gleichzuachten ist, nur dann nichtig, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Ist der [X.] im Verwaltungsakt nicht hinreichend bestimmt angegeben, ist der Verwaltungsakt nichtig, ohne dass er in der Einspruchsentscheidung geheilt werden könnte (vgl. [X.]-Urteil vom 06.05.2021 - II R 34/18, [X.]E 272, 521, [X.] 2022, 712, Rz 31, m.w.N.).

(2) Im Streitfall lässt sich den [X.] zweifelsfrei entnehmen, wer [X.] sein soll, denn als Steuerschuldner/[X.]ntragsteller ist in den Formularen die Klägerin angegeben. Dass die Verbrauchsteuernummer des [X.] angegeben wurde, ist dagegen unschädlich.

(3) Der Senat kann dahinstehen lassen, ob die Klägerin in dem vom [X.] benannten Zeitraum über eine Steuerlagererlaubnis verfügte, denn auch ein Fehlen derselben hätte keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der [X.], sondern allenfalls auf deren Rechtmäßigkeit.

bb) Der Steuerbescheid vom 04.08.2016 lässt nicht deutlich erkennen, in welchem Verhältnis er zu den genannten [X.] der Klägerin für die Monate Januar bis Juni 2015 steht. Dieser wesentliche Mangel führt zur Nichtigkeit des Steuerbescheids (vgl. [X.]-Urteil vom 23.08.2000 - X R 27/98, [X.]E 193, 19, [X.] 2001, 662, unter [X.], m.w.N.; [X.] in Tipke/[X.], § 125 [X.] Rz 7 und § 119 [X.] Rz 8; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 125 [X.] Rz 58).

(1) Die im Tenor zum [X.]usdruck kommende Festsetzung eines bestimmten Steuerbetrags und die unter [X.] hierzu aufgeführte Berechnung widersprechen sich. Diese offensichtliche Widersprüchlichkeit ist aus Sicht des Senats der wesentlichste Gesichtspunkt für die [X.]nnahme der Nichtigkeit des angefochtenen Bescheids. Das [X.] beabsichtigte möglicherweise eine Steuer in Höhe von 221.430,76 € festzusetzen, hat allerdings im Tenor eine Steuerfestsetzung in Höhe von lediglich 10.016,67 € ausgesprochen.

Zudem deutet die Verwendung der Formulierung "Nacherhebung" darauf hin, dass es sich aus Sicht des [X.] um einen Ergänzungs- oder Nachforderungsbescheid handeln sollte. Einen solchen Nachforderungsbescheid kennt die [X.] --im Gegensatz zum Zollkodex ([X.]) und zum [X.] jedoch nicht. Vielmehr hat die Finanzbehörde die jeweilige Steuer für einen Besteuerungszeitraum in einem einzigen Bescheid festzusetzen. Eine entsprechende [X.]nwendung von [X.]rt. 105 [X.]bs. 4 des Unionszollkodex (vorher [X.]rt. 220 [X.]) kommt nicht in Betracht, weil im Verbrauchsteuerrecht die [X.] anzuwenden ist und diese die Steuerfestsetzung abschließend regelt.

(2) Neben dem aufgezeigten Mangel ist die Berechnung im Steuerbescheid unter [X.] nicht nachvollziehbar. Das [X.] hat unter Ziffer 2.c Zahlungen in Höhe von 102.735,33 € aufgeführt, ohne die [X.] der Klägerin für die Monate Januar bis Juni 2015 ausdrücklich zu erwähnen. Die Summe der angemeldeten Steuern beträgt ausweislich der in den [X.]kten des [X.] befindlichen [X.] jedoch insgesamt 145.968,73 € und nicht 102.735,33 €. Schließlich wird durch den Verweis auf die Textziffer 3.6 des Prüfungsberichts der Zeitraum vom 14.04.2015 bis zum 29.07.2015 in Bezug genommen, wohingegen die [X.] die Monate Januar bis Juni 2015 betreffen. [X.]us dem Steuerbescheid wird nicht deutlich, ob das [X.] die als Steuerfestsetzungen geltenden [X.] aufzuheben beabsichtigte. Hieraus resultiert insbesondere auch die Gefahr, dass aus verschiedenen Bescheiden vollstreckt wird.

(3) Schließlich hat das [X.] in seine Berechnung unter Ziffer 3.a auch einen Entlastungsbetrag in Höhe von 108.678,76 € aufgenommen. Diesbezüglich ist nicht klar, ob auch darüber entschieden worden ist. In dem streitgegenständlichen Steuerbescheid hatte das [X.] ausgeführt, es sei kein [X.] gestellt, sondern die Entlastung von [X.]mts wegen gewährt und entsprechend berücksichtigt worden (S. 4 am Ende). Der im Steuerbescheid in Bezug genommene Prüfungsbericht (unter 3.7.) enthält jedoch die [X.]ngabe, dass während der Prüfung formlos ein [X.]ntrag gestellt worden sei. In der Revisionsbegründung spricht das [X.] nunmehr davon, dieser Betrag sei durch die Klägerin entrichtet und gegengerechnet worden. Das ist für den Senat nicht nachvollziehbar.

(4) Der Tenor enthält letztlich nur den Endbetrag aus der in der Begründung vorgenommenen umfangreichen Berechnung. Das erklärt sich möglicherweise daraus, dass das [X.] im Steuerbescheid Festsetzung und [X.]brechnung vermischt. Die im [X.]brechnungsteil des Steuerbescheids erklärte [X.]ufrechnung nach § 226 [X.] (S. 4) betrifft das im [X.] der [X.] geregelte Erhebungsverfahren, wohingegen der Steuerbescheid das Steuerfestsetzungsverfahren betrifft. Zudem wird aus der Formulierung "Zu den Steuerbeträgen/[X.]/Zahlungen der vorstehenden Tabelle erkläre ich nach § 226 [X.] die [X.]ufrechnung" nicht hinreichend deutlich, mit welchen [X.]nsprüchen aufgerechnet werden sollte.

3. [X.] beruht auf § 135 [X.]bs. 2 [X.]O.

Meta

VII R 59/20

18.04.2023

Bundesfinanzhof 7. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht des Saarlandes, 17. November 2020, Az: 3 K 1069/17, Urteil

§ 119 AO, § 124 Abs 3 AO, § 125 Abs 1 AO, § 157 AO, § 168 AO, § 226 AO, § 133 BGB, § 157 BGB, § 15 SchaumwZwStG, Art 105 Abs 4 EUV 952/2013

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 18.04.2023, Az. VII R 59/20 (REWIS RS 2023, 4183)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 4183

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