Bundesfinanzhof, Urteil vom 04.05.2011, Az. I R 67/10

1. Senat | REWIS RS 2011, 7066

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Gegenstand

(Anfechtung eines Betragserrechnungsbescheids i.S.d. § 100 Abs. 2 Satz 3 2. Halbs. FGO - Rechtsschutz - Änderung von Steuerbescheiden nach § 173 Abs. 1 Nr. 2, § 174 Abs. 3 und 4 sowie § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO - Höhe einer Steuer als "Tatsache" - Ertragsteuerliche Behandlung von Vorsteuerbeträgen - Wirkung des § 351 Abs. 1 AO - Billigkeitserweis trotz fehlendem Bemühen um Abtrennung einer Streitsache)


Leitsatz

NV: Die Überprüfung eines mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Bescheids i.S.d. § 100 Abs. 2 Satz 3 2. Halbs. FGO ist angesichts der Rechtskraft des vorangegangenen Urteils grundsätzlich darauf beschränkt, ob das FA die in jenem Urteil enthaltenen Vorgaben rechnerisch zutreffend umgesetzt hat. Sie muss sich aber auch auf die Frage erstrecken, ob seit Ergehen des Urteils Umstände eingetreten sind, die nach den insoweit einschlägigen Vorschriften eine Änderung des Verwaltungsakts gebieten .

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob Steuerbescheide zu [X.]unsten der Klägerin und [X.] (Klägerin) geändert werden dürfen oder ob dem die Rechtskraft eines finanzgerichtlichen [X.]rteils entgegensteht.

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Die Klägerin, eine [X.]mbH, hatte in den Streitjahren (1990 bis 1994) Honorare an einen [X.]irtschaftsprüfer ([X.]) gezahlt und die Zahlungen als Betriebsausgaben sowie die in den Rechnungen des [X.] ausgewiesene [X.]msatzsteuer als Vorsteuer abgezogen. Der Beklagte und Revisionskläger (das [X.]inanzamt --[X.]A--) hatte im [X.] an eine Außenprüfung angenommen, dass sowohl der Betriebsausgabenabzug als auch der Vorsteuerabzug zu versagen seien. Daraufhin waren Steuerbescheide ergangen, in denen das zu versteuernde Einkommen der Klägerin um die Nettobeträge erhöht und --im [X.]msatzsteuerbescheid-- die von der Klägerin abgezogene Vorsteuer gekürzt war.

3

Die Klägerin griff diese Steuerbescheide mit Einspruch und nachfolgender Klage an. Im Klageverfahren kam es zu einem [X.]rteil des [X.]inanzgerichts ([X.][X.]) mit dem Tenor: "Die Körperschaftsteuer und die [X.]ewerbesteuermessbeträge werden in der [X.]eise festgesetzt, dass (unter Korrektur der [X.]ewerbesteuerrückstellung) die Hinzurechnung außerhalb der Bilanz der gezahlten Beraterhonorare als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben rückgängig gemacht wird und die Honorare in Höhe von netto 422.013,00 DM (1990), 75.234,00 DM (1991), 679.859,00 DM (1992), 420.000 DM (1993) und 284.450,00 DM (1994) als abzugsfähige Betriebsausgaben berücksichtigt werden und die [X.]msatzsteuer in der [X.]eise festgesetzt wird, dass die auf die Beratungsleistungen entfallende [X.]msatzsteuer in Höhe von 59.081,00 DM (1990), 10.532,00 DM (1991), 185.180,00 DM (1992), 63.000,00 DM (1993) und 42.667,00 DM (1994) als Vorsteuer abgezogen werden. Die Berechnung der Körperschaftsteuer, [X.]msatzsteuer und [X.]ewerbesteuermeßbeträge sowie der gemäß § 47 Abs. 2 [X.] festzustellenden Beträge und der geänderten Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals wird dem Beklagten übertragen." Das [X.]rteil vom 10. Dezember 2002 (6 K 3593/99 K,[X.],[X.],[X.]) wurde, soweit es die Ertragsteuern betrifft, nicht angefochten.

4

Im Hinblick auf die [X.]msatzsteuer legte das [X.]A gegen das [X.]rteil Revision ein. Nachdem der [X.] (B[X.]H) das [X.]rteil aufgehoben und die Sache an das [X.][X.] zurückverwiesen hatte (Aktenzeichen des [X.][X.]: 5 K 3726/04), kam es im zweiten Rechtsgang zu einer tatsächlichen Verständigung des Inhalts, dass 4/13 der im Streit befindlichen Vorsteuerbeträge als abziehbar berücksichtigt werden können. Auf dieser Basis wurde das Verfahren wegen [X.]msatzsteuer abgeschlossen.

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Im [X.] an das ursprüngliche Klageverfahren (6 K 3593/99 K,[X.],[X.],[X.]) hatte das [X.]A im Jahr 2003 die vom [X.][X.] vorgenommene Änderung der [X.] und [X.]ewerbesteuermessbescheide umgesetzt. Die Klägerin hatte die entsprechenden Bescheide mit einem Einspruch angefochten. Nach Abschluss des Verfahrens wegen [X.]msatzsteuer beantragte sie, die [X.] und die [X.]ewerbesteuermessbescheide dahin zu ändern, dass die im Verfahren 5 K 3726/04 nicht als nach § 15 Abs. 1 des [X.]msatzsteuergesetzes abziehbar anerkannten [X.]msatzsteuern als Betriebsausgaben berücksichtigt würden. Diesen Antrag lehnte das [X.]A ab; es ging davon aus, dass die Steuerbescheide nicht geändert werden dürften, da sie auf einem rechtskräftigen [X.]rteil beruhten. Der deshalb erhobenen Klage hat das [X.][X.] mit der Begründung stattgegeben, dass die von der Klägerin begehrte Änderung der Steuerbescheide nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung ([X.]) geboten sei ([X.][X.] Düsseldorf, [X.]rteil vom 29. Juni 2010  6 [X.]/08 K,[X.]); sein [X.]rteil ist in Entscheidungen der [X.]inanzgerichte 2010, 1665 abgedruckt.

6

Mit seiner vom [X.][X.] zugelassenen Revision rügt das [X.]A eine Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, das [X.]rteil des [X.][X.] aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist begründet. Sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der [X.]inanzgerichtsordnung ([X.]O) zur Aufhebung des erstinstanzlichen [X.]rteils und zur Abweisung der Klage.

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1. Das [X.] ist zutreffend davon ausgegangen, dass über den von der Klägerin gestellten Antrag im Rahmen des an die Einspruchsentscheidung anschließenden Klageverfahrens zu befinden ist. Dem steht nicht entgegen, dass die Einspruchsentscheidung sich auf Steuerfestsetzungen bezieht, die das [X.] in seinem [X.]rteil 6 K 3593/99 K,[X.],[X.],[X.] vorgenommen hat.

a) Das [X.] hat in dem genannten [X.]rteil die Körperschaftsteuer und die [X.]ewerbesteuermessbeträge abweichend von den zuvor ergangenen Steuerbescheiden festgesetzt und gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 [X.]O dem [X.]A die Berechnung der festgesetzten Beträge übertragen. Das [X.]A musste daraufhin, nachdem das [X.]rteil insoweit rechtskräftig geworden war, die Steuerbescheide mit dem geänderten Inhalt neu bekannt geben (§ 100 Abs. 2 Satz 3, 2. Halbsatz [X.]O). So ist es im Streitfall verfahren.

b) Der gemäß § 100 Abs. 2 Satz 3, 2. Halbsatz [X.]O bekannt gegebene Steuerbescheid ist Verwaltungsakt i.S. des § 118 Satz 1 [X.]. Er kann mit dem Einspruch (§ 347 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.]) und ggf. mit einer nachfolgenden Klage (§ 40 Abs. 1 [X.]O) angefochten werden (ebenso Lange in [X.]/ [X.]/[X.], Abgabenordnung, [X.]inanzgerichtsordnung, § 100 [X.]O Rz 97; Tipke in Tipke/[X.], Abgabenordnung, [X.]inanzgerichtsordnung, § 100 [X.]O Rz 34; [X.] in Beermann/ [X.]osch, Abgabenordnung, [X.]inanzgerichtsordnung, § 100 [X.]O Rz 77; vgl. auch B[X.]H-[X.]rteil vom 18. November 2004 [X.], B[X.]HE 208, 98, 103, [X.] 2005, 217, 219, m.w.N.). Das ist im Streitfall geschehen.

c) [X.]ird ein nach Maßgabe des § 100 Abs. 2 Satz 3, 2. Halbsatz [X.]O erlassener Verwaltungsakt mit einem Rechtsbehelf angefochten, so kann er im Rechtsbehelfsverfahren zwar nur insoweit überprüft werden, als die Rechtskraft des vorangegangenen [X.]rteils einer solchen Prüfung nicht entgegensteht ([X.] in Beermann/[X.]osch, a.a.[X.], § 100 [X.]O Rz 77). Das bedeutet aber nicht, dass die Prüfung sich auf die [X.]rage beschränken muss, ob das [X.]A die in jenem [X.]rteil enthaltenen Vorgaben rechnerisch zutreffend umgesetzt hat. Vielmehr muss sie sich auch auf die [X.]rage erstrecken, ob seit Ergehen des [X.]rteils [X.]mstände eingetreten sind, die nach den insoweit einschlägigen Vorschriften eine Änderung des Verwaltungsakts gebieten. Ist Letzteres der [X.]all, so ist die gebotene Änderung im Rahmen des Einspruchs- oder Klageverfahrens zu berücksichtigen, soweit dem nicht wiederum besondere [X.]ründe entgegenstehen.

Vor diesem Hintergrund darf die Klägerin im Streitfall geltend machen, dass die vom [X.]A erlassenen Änderungsbescheide nach den einschlägigen verfahrensrechtlichen Bestimmungen zu ändern sind; sie kann nicht darauf verwiesen werden, diesen Einwand in einem weiteren Verfahren geltend zu machen und ggf. mit einer Verpflichtungsklage durchzusetzen. Zugleich folgt daraus, dass das [X.] das Bestehen einer Änderungsmöglichkeit zu Recht geprüft hat.

2. In der Sache kann der Beurteilung durch das [X.] aber nicht beigepflichtet werden. Vielmehr hat das [X.]A zu Recht angenommen, dass die vom [X.] im Ausgangsverfahren geänderten Steuerbescheide nicht erneut geändert werden dürfen, soweit das seinerzeit ergangene [X.]-[X.]rteil rechtskräftig geworden ist.

a) Die Klägerin ermittelt ihren [X.]ewinn nach § 4 Abs. 1 und § 5 des Einkommensteuergesetzes (ESt[X.]), jeweils [X.]. § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes sowie § 7 des [X.]ewerbesteuergesetzes. Im Rahmen einer solchen [X.]ewinnermittlung ist ein nicht abziehbarer [X.] als den [X.]ewinn mindernd zu erfassen, während eine abziehbare Vorsteuer im Hinblick auf den zu aktivierenden Erstattungsanspruch gegen die [X.]inanzbehörde erfolgsneutral bleibt. Davon gehen sowohl das [X.] als auch die Beteiligten aus.

b) Nach den [X.]eststellungen des [X.] haben die Beteiligten sich im Klageverfahren wegen [X.]msatzsteuer (5 K 3726/04) dahin verständigt, dass die Klägerin nur 4/13 der von [X.] in Rechnung gestellten [X.]msatzsteuer als Vorsteuer abziehen könne. Diese Verständigung beruht erkennbar auf einer --vom [X.] nicht näher festgestellten-- tatsächlichen [X.]ürdigung des Verhältnisses zwischen der Klägerin und [X.] und ist deshalb bindend. Aus ihr folgt für den Streitfall in materiell-rechtlicher Hinsicht, dass bei der Besteuerung der Klägerin für das Streitjahr 9/13 des von [X.] in Rechnung gestellten [X.]msatzsteuerbetrags als gewinnmindernder Posten in Ansatz hätte gebracht werden müssen. Dagegen hat das [X.] in seinem insoweit rechtskräftig gewordenen [X.]rteil 6 K 3593/99 K,[X.],[X.],[X.] die von [X.] berechneten Beträge nur "netto" berücksichtigt; die von [X.] ausgewiesene [X.]msatzsteuer ist damit insgesamt unberücksichtigt geblieben. Die nunmehr bestehenden Ertragsteuerbescheide beruhen folglich auf dem Ansatz eines [X.]ewinns, der zu [X.]ngunsten der Klägerin um 9/13 des [X.]msatzsteuerbetrags von dem zutreffenden [X.]ewinnbetrag abweicht.

c) Das [X.] hat angenommen, dass die genannten Bescheide nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] geändert werden dürfen und auf diese [X.]eise der ihnen anhaftende [X.]ehler beseitigt werden kann. Dem ist nicht zu folgen.

aa) Nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] ist ein Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Rückwirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis). Ob ein Ereignis in diesem Sinne Rückwirkung entfaltet, ist nach Maßgabe des jeweils einschlägigen materiellen Rechts zu beurteilen (B[X.]H-[X.]rteile vom 21. Dezember 1993 [X.], B[X.]HE 174, 324, [X.] 1994, 648; vom 12. Januar 1994 II R 72/91, B[X.]HE 173, 226, [X.] 1994, 302). § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] verlangt jedoch allgemein, dass ein bestimmtes nach dem Erlass eines Bescheids eingetretenes tatsächliches Ereignis den für die Besteuerung maßgeblichen Sachverhalt verändert (B[X.]H-Beschluss vom 19. Juli 1993 [X.]rS 2/92, B[X.]HE 172, 66, [X.] 1993, 897). Die Vorschrift greift deshalb nicht ein, wenn ein schon vor Erlass des Bescheids eingetretenes Ereignis im weiteren Verlauf rechtlich anders als beim Erlass des Bescheids beurteilt wird (B[X.]H-[X.]rteile vom 26. Oktober 1988 [X.]/86, B[X.]HE 154, 493, [X.] 1989, 75; vom 23. November 2006 [X.], B[X.]H/NV 2007, 872; von [X.]edelstädt in Beermann/[X.]osch, a.a.[X.], § 175 [X.] Rz 48.2, m.w.N.). Deshalb wird z.B. ein Vergleich i.S. des § 779 des Bürgerlichen [X.]esetzbuchs von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] nicht erfasst (B[X.]H-[X.]rteil vom 26. [X.]ebruar 2008 II R 82/05, B[X.]HE 220, 526, [X.] 2008, 629, m.w.N.).

bb) Im Streitfall liegt hiernach kein rückwirkendes Ereignis vor. Denn die Leistungsbeziehung zwischen der Klägerin und [X.] war, soweit es um die für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Punkte geht, schon vor dem Erlass der hier in Rede stehenden Bescheide abgewickelt. Insbesondere hatte [X.] seine Leistungen erbracht und der Klägerin in Rechnung gestellt und dabei die [X.]msatzsteuer gesondert ausgewiesen. Darauf beruhte die im Verfahren 6 K 3593/99 K,[X.],[X.],[X.] getroffene Entscheidung des [X.], die zuvor ergangenen Steuerbescheide nach Maßgabe des Antrags der Klägerin zu ändern. Dass sich die seinerzeit vorliegende Einschätzung im weiteren Verlauf geändert hat, berührt nur die rechtliche Beurteilung jener Beziehung und kann daher eine erneute Änderung der Bescheide nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] nicht rechtfertigen.

cc) Die genannte Vorschrift kann auch nicht, wie die Klägerin meint, zwecks [X.]ewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt entsprechend angewendet werden. Zwar hat der [X.] des B[X.]H eine analoge Anwendung des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] in einem [X.]all befürwortet, in dem in der [X.] zwischen dem Erlass und dem Eintritt der [X.]nanfechtbarkeit eines Steuerbescheids ein [X.]ahlrecht anders als zuvor ausgeübt worden war (B[X.]H-[X.]rteil vom 30. August 2001 IV R 30/99, B[X.]HE 196, 507, [X.] 2002, 49), und dazu auf den [X.]rundsatz der rechtsschutzgewährenden Auslegung verwiesen. Dieser [X.]rundsatz ist aber im Streitfall nicht berührt. [X.]ährend es nämlich in der Entscheidung des [X.]s darum ging, dass dem [X.]ewinn aus der Veräußerung von [X.]rundstücken die Bildung einer Rücklage nach § 6c ESt[X.] [X.] werden sollte, geht es im Streitfall um die bloße zeitliche Verlagerung des [X.]. Im [X.]all des [X.]s stand die endgültige und später nicht mehr rückgängig zu machende Besteuerung der Veräußerungsgewinne in Rede, während die bei der Klägerin eingetretene [X.]ewinnminderung nach dem [X.]rundsatz des "formellen [X.]" (dazu Senatsbeschluss vom 13. Juni 2006 [X.], B[X.]HE 213, 559, [X.] 2006, 928) im nächsten nachfolgenden Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen ist, für den die Steuerfestsetzungen nach den allgemeinen Regeln vorzunehmen sind oder geändert werden können. Angesichts dessen muss der [X.]rage, ob der Entscheidung des [X.]s zuzustimmen ist (kritisch dazu z.B. von [X.]edelstädt in Beermann/[X.]osch, a.a.[X.], Vor §§ 172-177 [X.] Rz 40.1 f.) oder ob richtigerweise dort § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] sogar unmittelbar anwendbar war (vgl. dazu von [X.]edelstädt, a.a.[X.], § 175 [X.] Rz 47), im Streitfall nicht nachgegangen werden. Die vom [X.] zitierte Entscheidung des [X.]. Senats des B[X.]H (B[X.]H-Beschluss vom 30. August 1995 [X.] [X.]/95, B[X.]H/NV 1996, 41) betrifft nicht die Änderung von Steuerbescheiden und ist daher im Streitfall nicht einschlägig.

3. Eine Änderung der gegenwärtig bestehenden Bescheide kann entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht auf andere Vorschriften gestützt werden.

a) Das gilt zunächst im Hinblick auf § 173 Abs. 1 Nr. 2 [X.]. Danach sind --vorbehaltlich einer Einschränkung bei grobem Verschulden des [X.] Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen. Dabei ist "Tatsache" jeder Lebensvorgang, der insgesamt oder teilweise den gesetzlichen Steuerbestand oder ein einzelnes Merkmal dieses Tatbestands erfüllt; "nachträglich" wird eine Tatsache bekannt, wenn sie der [X.]inanzbehörde nach dem Erlass des ggf. zu ändernden Steuerbescheides bekannt wird (B[X.]H-[X.]rteil vom 26. [X.]ebruar 2009 II R 4/08, B[X.]H/NV 2009, 1599). Im Streitfall scheidet eine Änderung nach diesen Maßgaben aus.

Zwar ist nach der Rechtsprechung des II. Senats des B[X.]H aus vermögensteuerrechtlicher Sicht die Höhe der Einkommensteuer eine Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 [X.]. Deshalb kann, wenn im [X.] an den Erlass eines [X.]s eine Einkommensteuer festgesetzt wird und der festgesetzte Betrag von dem im [X.] berücksichtigten abweicht, der [X.] nach § 173 Abs. 1 [X.] geändert werden, und zwar unabhängig davon, ob innerhalb der [X.]inanzbehörde für die [X.]estsetzung der Einkommensteuer und der Vermögensteuer unterschiedliche Stellen zuständig sind oder nicht (B[X.]H-[X.]rteil vom 13. Januar 2005 [X.], B[X.]HE 208, 392, [X.] 2005, 451). Ob dieser Rechtsprechung uneingeschränkt (und auch für das Verhältnis von Einkommensteuer- und [X.]msatzsteuerbescheid) beizupflichten ist, kann für den Streitfall indessen dahinstehen. Der dort entwickelte [X.]rundsatz bleibt hier bereits deswegen unanwendbar, weil einer Änderung der Steuerbescheide die sog. Änderungssperre des § 173 Abs. 2 [X.] entgegensteht. Denn die in Rede stehenden Bescheide sind aufgrund einer Außenprüfung ergangen und deswegen der in § 173 Abs. 1 [X.] angeordneten Änderungspflicht grundsätzlich und auch im Streitfall entzogen.

b) Ebenso kann die von der Klägerin begehrte Bescheidänderung nicht auf § 174 Abs. 3 [X.] gestützt werden. Denn diese Norm greift nur dann ein, wenn ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden ist, dass der Sachverhalt in einem anderen Steuerbescheid berücksichtigt werden muss. [X.]m eine solche Situation geht es im Streitfall nicht. § 174 Abs. 3 [X.] erfasst ausschließlich [X.]älle, in denen ein Sachverhalt alternativ entweder in dem einen oder in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen ist; er betrifft Situationen, in denen die Berücksichtigung eines Vorgangs in einem Steuerbescheid die Berücksichtigung desselben Vorgangs in einem anderen Steuerbescheid denkgesetzlich ausschließt (B[X.]H-[X.]rteil vom 2. August 1994 VIII R 65/93, B[X.]HE 175, 500, [X.] 1995, 264, m.w.N.). Die von [X.] an die Klägerin erbrachten Leistungen und speziell die darauf bezogenen [X.]ragen zum Vorsteuerabzug waren jedoch sowohl im [X.]msatzsteuerbescheid als auch in den Ertragsteuerbescheiden zu berücksichtigen. Die Berücksichtigung hat zwar letztlich in ertragsteuerrechtlicher Hinsicht einerseits und in umsatzsteuerrechtlicher Hinsicht andererseits zu unterschiedlichen Ergebnissen geführt. Eine solche schlicht abweichende Behandlung in mehreren Steuerbescheiden erfasst § 174 Abs. 3 [X.] aber nicht.

Dem steht nicht entgegen, dass nach Ansicht der [X.]inanzverwaltung § 174 Abs. 4 [X.] eingreifen kann, wenn ein [X.]msatzsteuerbescheid aufgrund eines Rechtsbehelfs zu [X.]unsten des Steuerpflichtigen geändert worden ist und es daraufhin um die Anpassung eines Ertragsteuerbescheids an die geänderte umsatzsteuerrechtliche Beurteilung geht (Oberfinanzdirektion [X.], Verfügung vom 10. Dezember 2004, nicht veröffentlicht): Denn einerseits greift § 174 Abs. 4 [X.] im Streitfall nicht ein; die Vorschrift setzt die Änderung eines anderen Steuerbescheids zu [X.]unsten des Steuerpflichtigen voraus, und hier sind im [X.] an die "tatsächliche Verständigung" die zuvor bestehenden --im [X.] an das [X.]-[X.]rteil 6 K 3593/99 K,[X.],[X.],[X.] ergangenen-- [X.]msatzsteuerbescheide zum Nachteil der Klägerin geändert worden. Andererseits kann der Klägerin nicht darin gefolgt werden, dass sich die genannte verwaltungsseitige Handhabung --ihre Richtigkeit unterstellt-- auf die vorliegend zu beurteilende Problematik des § 174 Abs. 3 [X.] übertragen lasse. § 174 Abs. 4 [X.] ist nämlich eine gegenüber Abs. 1 bis 3 der Vorschrift eigenständige Änderungsnorm (B[X.]H-[X.]rteil vom 23. April 2008 [X.], B[X.]H/NV 2008, 1493; Rüsken in [X.], Abgabenordnung, 10. Aufl., § 174 Rz 52; von [X.]edelstädt in Beermann/[X.]osch, a.a.[X.], § 174 [X.] Rz 91, m.w.N.), die im [X.]egensatz zu jenen nicht auf die [X.]älle alternativ zu berücksichtigender Sachverhalte beschränkt ist (B[X.]H-[X.]rteil vom 10. März 1999 [X.], B[X.]HE 188, 409, [X.] 1999, 475). Sein Anwendungsbereich geht mithin insoweit über den des § 174 Abs. 3 [X.] hinaus. Die in § 174 Abs. 4 [X.] getroffene Regelung, die letztlich den [X.]rundsätzen von Treu und [X.]lauben zur [X.]eltung verhelfen soll (von [X.]edelstädt in Beermann/[X.]osch, a.a.[X.], § 174 [X.] Rz 92), hat der [X.]esetzgeber erkennbar bewusst auf die Situation des erfolgreichen Vorgehens gegen einen anderen Bescheid begrenzt. Das schließt es aus, sie auf den im Streitfall vorliegenden gegenteiligen Sachverhalt zu übertragen.

c) Schließlich kann die von der Klägerin begehrte Rechtsfolge auch nicht auf § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a [X.] gestützt werden. Nach dieser Vorschrift kann zwar ein Steuerbescheid geändert werden, soweit der Steuerpflichtige zustimmt oder seinem Antrag der Sache nach entsprochen wird. Eine solche Änderung ist aber zu [X.]unsten des Steuerpflichtigen nur dann zulässig, wenn entweder der Steuerpflichtige vor Ablauf der Einspruchsfrist zugestimmt hat oder einen entsprechenden Antrag gestellt hat oder die [X.]inanzbehörde einem Einspruch oder einer Klage abhilft. Beide Varianten greifen im Streitfall nicht durch.

aa) Eine Zustimmung oder ein Antrag i.S. des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a [X.] liegt nur dann vor, wenn der Steuerpflichtige eine vom Betrag her bestimmte oder zumindest in groben [X.]mrissen konkretisierte Änderung der Steuerfestsetzung begehrt (B[X.]H-[X.]rteile vom 7. Juli 2004 [X.], B[X.]HE 206, 303, [X.] 2004, 911; vom 20. Dezember 2006 [X.], B[X.]HE 216, 31, [X.] 2007, 503). Dementsprechend können sowohl die Zustimmung als auch der Antrag nur zu einer "punktuellen [X.]ehlerkorrektur" führen (B[X.]H in B[X.]HE 206, 303, [X.] 2004, 911); darin unterscheiden sich beide Varianten von dem ebenfalls in § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a [X.] genannten Einspruch, der eine umfassende Überprüfung des Steuerbescheids zur [X.]olge hat (§ 367 Abs. 2 Satz 1 [X.]). Antrag oder Zustimmung einerseits und Einspruch andererseits sind daher streng auseinanderzuhalten. Im Streitfall hat jedoch nach den bindenden [X.]eststellungen des [X.] (§ 118 Abs. 2 [X.]O) die Klägerin die Verwaltungsakte, die das [X.]A im [X.] an das [X.]-[X.]rteil 6 K 3593/99 K,[X.],[X.],[X.] erlassen hat, mit einem Einspruch angegriffen. Sie hat mithin insoweit bis zum Ablauf der Einspruchsfrist keinen Änderungsantrag i.S. des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a [X.] gestellt, weshalb auf diese Variante der Regelung die nunmehr begehrte Änderung der Bescheide nicht gestützt werden kann.

bb) Im Ergebnis dasselbe gilt im Hinblick auf die in § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a [X.] genannte Abhilfe im Rahmen eines [X.]. Denn diese Möglichkeit wird durch § 351 Abs. 1 [X.] begrenzt. Danach können Verwaltungsakte, die unanfechtbare Verwaltungsakte ändern, vorbehaltlich der Vorschriften über die Aufhebung oder Änderung von Verwaltungsakten nur im [X.]mfang der Änderung angegriffen werden. Diese Einschränkung beschränkt zugleich die Möglichkeit einer Änderung von Verwaltungsakten im Rahmen eines [X.] (B[X.]H-[X.]rteil vom 14. Mai 2003 [X.], B[X.]HE 202, 228, [X.] 2003, 888). Sie greift im Streitfall ein.

Denn soweit das [X.]-[X.]rteil 6 K 3593/99 K,[X.],[X.],[X.] rechtskräftig geworden ist, sind zugleich die ihm zu [X.]runde liegenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden. Die im [X.] an das [X.]rteil bekannt gegebenen Verwaltungsakte konnten daher grundsätzlich nur insoweit angefochten werden, als durch sie jene Bescheide zu Lasten der Klägerin geändert worden sind. Eine solche Änderung ist jedoch nach den [X.]eststellungen des [X.] nicht erfolgt; die neu bekannt gegebenen Verwaltungsakte entsprachen vielmehr den zuvor ergangenen Steuerfestsetzungen in deren vom [X.] angeordneter [X.]assung. Angesichts dessen hätte die Klägerin wegen § 351 Abs. 1 Satz 1 [X.] mit einem Einspruch nur dann bewirken lassen können, dass die an das [X.]rteil anschließenden Bescheide zu ihren [X.]unsten geändert werden, wenn eine solche Änderung auf anderweitige Vorschriften gestützt werden könnte. Daran fehlt es, weshalb das [X.]A die beantragte Änderung im Ergebnis zu Recht abgelehnt hat.

4. Es verbleibt deswegen dabei, dass die Rechtskraft des finanzgerichtlichen [X.]rteils hinsichtlich der [X.]estsetzung der Körperschaftsteuer sowie des [X.]ewerbesteuermessbetrags einer Berücksichtigung des Verfahrensausgangs in Sachen [X.]msatzsteuer entgegensteht. [X.]m dies zu verhindern, hätte die Klägerin vor dem [X.] auf eine Abtrennung der Streitsache wegen [X.]msatzsteuer hinwirken müssen (vgl. § 73 Abs. 1 [X.]O). Das ist unterblieben. Dennoch erscheint die mangelnde Berücksichtigung der nunmehrigen [X.]msatzsteuerfestsetzung möglicherweise --und wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch seitens des Vertreters des [X.]A konzediert-- als unbillig. Der Senat hatte deshalb den Beteiligten einen Verständigungsvorschlag gemacht, den das [X.]A abgelehnt hat. [X.]leichwohl könnte Anlass bestehen, nochmals die [X.]ewährung eines Billigkeitserweises (§ 227 [X.]) zu bedenken.

Meta

I R 67/10

04.05.2011

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 29. Juni 2010, Az: 6 K 360/08 K,G, Urteil

§ 100 Abs 2 S 2 FGO, § 100 Abs 2 S 3 FGO, § 172 Abs 1 S 1 Nr 2 Buchst a AO, § 173 Abs 1 Nr 2 AO, § 174 Abs 3 AO, § 174 Abs 4 AO, § 175 Abs 1 S 1 Nr 2 AO, § 4 Abs 1 EStG 1990, § 5 Abs 1 EStG 1990, § 8 Abs 1 KStG 1984, § 8 Abs 1 KStG 1991, § 7 GewStG 1984, § 7 GewStG 1991, § 15 Abs 1 Nr 1 UStG 1980, § 15 Abs 1 Nr 1 UStG 1991, § 779 BGB, § 73 Abs 1 FGO, § 118 S 1 AO, § 347 Abs 1 S 1 Nr 1 AO, § 40 Abs 1 FGO, § 227 AO, § 351 Abs 1 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 04.05.2011, Az. I R 67/10 (REWIS RS 2011, 7066)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 7066

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