Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.04.2000, Az. 1 StR 280/99

1. Strafsenat | REWIS RS 2000, 2577

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Nachschlagewerk: ja[X.]St: jaVeröffentlichung: ja_____________________StGB § 266 Abs. 1Die Wertung des Tatrichters, eine Kreditvergabe sei pflichtwidrig im Sinne des § 266StGB, setzt eine umfassende Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Kredit-nehmers, der beabsichtigten Verwendung des Kredits und der Einschätzung der Ri-siken durch die Entscheidungsträger voraus.[X.], [X.]. vom 6. April 2000 - 1 StR 280/99 - [X.] NAMEN DES VOLKESURTEIL1 StR 280/99vom6. April 2000in der [X.] Untreue- 3 -Der 1. Strafsenat des [X.] hat auf Grund der Verhandlung vom4. April 2000 in der Sitzung am 6. April 2000, an denen teilgenommen haben:[X.] am [X.]. [X.] [X.] am [X.]. [X.],[X.],[X.],[X.],Oberstaatsanwalt beim [X.]als Vertreter der [X.],Rechtsanwalt ,Rechtsanwalt und als Verteidiger des Angeklagten [X.], - in der Verhandlung vom 4. April 2000 -Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten [X.], - in der Verhandlung vom 4. April 2000 -Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,für Recht erkannt:- 4 -Auf die Revisionen der Angeklagten wird das [X.]eil des [X.] vom 29. September 1998 mit den Feststellungenaufgehoben, soweit die Angeklagten [X.] , [X.]und der frü-here Mitangeklagte [X.]verurteilt sind.Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlungund Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an ei-ne andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.Von Rechts wegenGründe:Das [X.] hat die Angeklagten wegen Untreue schuldig gespro-chen; [X.] wurde unter Vorbehalt der Verurteilung zu einer Geldstrafe ver-warnt, [X.] zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten bei [X.] Bewährung verurteilt. Ihre Revisionen haben mit der Sachrüge Erfolg; [X.] vom Angeklagten [X.]erhobenen Verfahrensrügen kommt es nicht an.1. a) Die Angeklagten [X.] , [X.]und der frühere Mitangeklagte[X.] waren Vorstände der [X.], [X.] Vorstandsvorsit-zender. Durch [X.] vom 18. Juni 1991 erhöhten sie das Kredit-limit der Firma [X.] und ihres alleinigen Gesellschafters,des Kaufmanns [X.], die eine Kreditnehmereinheit nach § 19Abs. 2 KWG bildeten, um 2.980.000 DM. Die Mittel dienten dem Erwerb einesLagers nicht mehr aktueller Textilien, das die Kreditnehmer weiterverkaufen- 5 -wollten. Der Blankoanteil der Kreditgewährung betrug 1.779.900 DM, bei Be-rücksichtigung einer Zusatzsicherheit aus dem [X.]lager 1.046.000 DM. [X.] gegenüber den Kreditnehmern belief sichdamit auf 4.281.600 DM; dem standen Sicherheiten von maximal 2.501.700 [X.]. Den Kreditnehmern gelang es in der Folgezeit nicht, das [X.]la-ger zu verkaufen. Letztlich wurden die sicherungsübereigneten [X.] zu ei-nem Erlös von lediglich 406.500 DM veräußert.b) Zu den Sicherheiten hat das [X.] ausgeführt, daß gemäß § [X.]. 3 [X.] ein Sicherheitsansatz von nur maximal 66 2/3 % des Ein-kaufspreises der [X.] erlaubt gewesen wäre. Hinsichtlich der davon [X.], höheren Sicherheitsbewertung des [X.]lagers wird den Angeklag-ten jedoch nicht angelastet, daß sie eine Gefährdung des Sparkassenvermö-gens billigend in Kauf genommen hätten.2. Den strafrechtlichen Vorwurf der Untreue leitet die [X.] [X.] her, daß die drei Angeklagten gegen die Pflicht gemäß § 18 Satz 1 [X.] hätten, nach der sich die Bank von Kreditnehmern, denen [X.] insgesamt mehr als 500.000 DM gewährt werden, die wirtschaftlichen [X.] offenlegen lassen muß.a) Ein Verstoß gegen § 18 Satz 1 KWG kommt hier jedoch nur insoweitin Frage, als den Angeklagten der Jahresabschluß 1989 des Einzelkaufmanns[X.]bei ihrer Entscheidung nicht vorlag. Für das [X.] fand sich jedoch in der umfangreichen Beschlußvorlage für die [X.] vom 18. Juni 1991, die das [X.]eil wörtlich mitteilt, die Informati-on, daß [X.]mit Schreiben seines Steuerberaters vom 6. Juli 1990 für das[X.] Provisionserlöse in Höhe von 230.000 DM attestiert [X.] 6 -Eine Verpflichtung, auch für das [X.] die Jahresabschlüsse derHR-Einzelhandels GmbH und der Einzelfirma beizuziehen, bestand [X.], wenn diese tatsächlich bereits erstellt waren. Feststellungen dazu hat das[X.] nicht getroffen. Zum [X.]punkt der Entscheidung des [X.] mußten diese von den Kreditnehmern noch nicht erstellt sein (§ 264Abs. 1 Satz 3 HGB; § 243 Abs. 2 HGB - zu letzteren [X.]/[X.], HGB 29.Aufl. § 242 Rdn. 10); noch darüber hinausgehend hat das Bundesaufsichtsamtfür das Kreditwesen in seinem - freilich späteren - Rundschreiben vom [X.] den Hinweis gegeben, daß für kleine Kapitalgesellschaften im Sinne von§ 267 Abs. 1 HGB und sonstige nichtprüfungspflichtige, aber bilanzierungs-pflichtige Kreditnehmer eine Frist zur Vorlage der Jahresabschlüsse von [X.] gilt (mitgeteilt bei [X.] in [X.]/Bieneck, Wirtschafts-strafrecht 3. Aufl. S. 1821, 1823).b) Unabhängig davon trägt die - hier allenfalls geringfügige - Verletzungder sich aus § 18 Satz 1 KWG ergebenden Informationspflicht für sich die An-nahme einer Pflichtverletzung im Sinne des § 266 StGB nicht (vgl. [X.], [X.].vom 31. Mai 1960 - 1 StR 106/60). Entscheidend dafür ist vielmehr, ob die [X.] ihrer Prüfungs- und Informationspflicht bezüglich der Vermö-gensverhältnisse des Kreditnehmers insgesamt ausreichend [X.]. Aus der Nichtbeachtung oder Verletzung der Vorschrift des § 18 Satz 1KWG können sich freilich Anhaltspunkte dafür ergeben, daß dieser Pflicht nichtausreichend Genüge getan wurde. Wird jedoch eine fehlende Information wiehier der fehlende Jahresabschluß 1989 durch andere, gleichwertige [X.] ersetzt, liegt im Ergebnis eine Pflichtwidrigkeit nicht vor.c) Hier enthielt die sehr umfangreiche Beschlußvorlage für die Kredi-tentscheidung eine Vielzahl von Informationen zu den Einkommens- und Ver-- 7 -mögensverhältnissen der Kreditnehmer. Danach war [X.]alleiniger Gesell-schafter der [X.] mit einem eingezahlten [X.] 300.000 DM. Wie bereits erwähnt, wurden ihm in einem Schreiben [X.] vom 6. Juli 1990 für das [X.] Provisionserlöse in [X.] 230.000 DM und für die [X.] vom 1. Januar bis 31. Mai 1990 in Höhe von331.000 DM attestiert. Nach eigenen Angaben hat er im Jahre 1990 aus [X.] von 7,2 Mio. DM eine Provision von 10 % erzielt. Seinen bisherigenVerpflichtungen aus Bankverbindlichkeiten von über 2 Mio. DM war er bis da-hin ordnungsgemäß nachgekommen; einen Teil seiner Erlöse aus dem [X.] hatte er in [X.] angelegt oder zur Erhöhung der Stam-meinlage der GmbH verwendet. Das sicherungsübereignete [X.]lager [X.] und von dem Angeklagten [X.] besichtigt worden.Neben diesen Informationen aus der Beschlußvorlage hat das [X.] weiter festgestellt, es habe ein von einem Steuerberater erstellter Zwi-schenabschluß der GmbH für den [X.]raum vom 1. Juli bis 30. September 1990vorgelegen, der bei Umsatzerlösen von 243.000 DM einen Überschuß von151.000 DM ausweise. Bei einer Bilanzsumme von 541.000 DM betrug dasEigenkapital 100.000 DM, jedoch waren Forderungen gegen den [X.] in Höhe von 90.000 DM ausgewiesen. Das, was das [X.] zu diesemAbschluß mitteilt, steht jedoch im Widerspruch zu der anderweitigen Feststel-lung des [X.]eils, daß die GmbH erst am 23. August 1990 gegründet wurde [X.] laut Beschlußvorlage das eingezahlte Stammkapital 300.000 DM betrug.Das [X.] geht auf diese zusätzlichen Informationen nicht ein.Das wäre jedoch in doppelter Hinsicht geboten gewesen. Einmal hätte sich ausdieser Prüfung ergeben können, daß der Vorstand der Sparkasse seiner Infor-mationspflicht ausreichend nachgekommen ist. Zum anderen erschienen die- 8 -Informationen grundsätzlich geeignet, den Eindruck zu vermitteln, [X.] undseine H. R. Handels GmbH arbeiteten durchgehend mit Gewinn und kämenihren Verpflichtungen ordnungsgemäß nach. Insbesondere die zuletzt ge-nannte Aussage hatte dabei Gewicht; sie stammte aus dem Wissen der [X.] selbst und belegte, daß die erforderlichen Erlöse erzielt wurden, die be-reits bestehenden erheblichen Verbindlichkeiten zu bedienen. Demgegenüberführt das [X.] Gründe, warum die Vorstandsmitglieder an der [X.] zusammengetragenen [X.] und dessen Beurteilung hätten zweifeln müssen, nicht an, auch wennsich solche aus der Beschlußvorlage ergaben. Danach war es zu Kontoüber-ziehungen gekommen und der Weiterverkauf des [X.]lagers konnte [X.] als gesichert angesehen werden.Der Schluß, eine Kreditbewilligung sei pflichtwidrig gewesen, setzt [X.], daß sich das Tatgericht eingehend mit allen dafür maßgeblichen Um-ständen, insbesondere den Vermögensverhältnissen des Kreditnehmers, derbeabsichtigten Verwendung des Kredits und den Aussichten des geplantenGeschäftes, auseinandersetzt. Daran fehlt es hier.Schon aus diesem Grunde kann das landgerichtliche [X.]eil daher keinenBestand [X.] Die [X.]eilsgründe geben Anlaß zu folgenden Hinweisen:a) Jede Kreditbewilligung ist ihrer Natur nach ein mit einem Risiko be-haftetes Geschäft ([X.] wistra 1985, 190, 191). Bei einer Kreditvergabe sindauf der Grundlage umfassender Information diese Risiken gegen die sich [X.] ergebenden Chancen abzuwägen. Ist diese Abwägung sorgfältig vorge-- 9 -nommen worden, kann eine Pflichtverletzung nicht deshalb angenommen wer-den, weil das Engagement später notleidend wird.Tatsächliche Anhaltspunkte dafür, daß die Risikoprüfung nicht ausrei-chend vorgenommen worden ist, können sich nach der Erfahrung des [X.] daraus ergeben, daß- die Informationspflichten vernachlässigt [X.] die Entscheidungsträger nicht die erforderliche Befugnis besaßen;- im Zusammenhang mit der Kreditgewährung unrichtige oder unvoll-ständige Angaben gegenüber [X.] oder zur Aufsichtbefugten oder berechtigten Personen gemacht werden;- die vorgegebenen Zwecke nicht eingehalten [X.] die Höchstkreditgrenzen überschritten [X.] die Entscheidungsträger eigennützig handelten.b) Auch wenn eine Pflichtverletzung vorliegt und der Kredit später [X.] wird, führt dies allein noch nicht zur Annahme einer Untreue. Voraus-setzung wäre, daß ein bei Vertragsschluß oder bei [X.] inGestalt einer Vermögensgefährdung eingetretener Vermögensnachteil auf diePflichtwidrigkeit zurückzuführen ist. Ist danach etwa die erforderliche Befugnisder Entscheidungsträger nicht vorhanden, steht die Bonität des Kreditnehmersaber außer Zweifel, fehlt es an diesem Zusammenhang ([X.] wistra 1989,142).- 10 -c) Für die Feststellung des subjektiven Tatbestandes sind gleichfallseingehende Erörterungen erforderlich. Ohne sie sind Rückschlüsse auf [X.] nicht möglich ([X.] NJW 1979, 1512). Dabei ist zu beachten, daß [X.] eine über das allgemeine Risiko bei [X.] der [X.] gebilligt haben muß. Bei [X.] und [X.] verstehtsich das auch bei problematischen Kreditvergaben jedoch nicht von selbst (vgl.[X.] wistra 2000, 60), wenn nicht die bereits angeführten Anhaltspunkte füreine Pflichtverletzung vorliegen. Vielmehr ist eine sorgfältige und strenge Prü-fung der Frage erforderlich, ob - zumindest - bedingt vorsätzliches [X.] vorliegt. Zu unterscheiden ist zwischen den begrifflichen Vorausset-zungen des dolus eventualis und den Anforderungen, die an seinen Beweis zustellen sind (vgl. [X.] in [X.]/[X.], 26. Aufl. § 15 Rdn. 87). [X.] nach den dazu entwickelten Grundsätzen die Annahme einer Billigung [X.] beweisrechtlich naheliegen, wenn der Täter ein Vorhaben trotz äußer-ster Gefährlichkeit durchführt; in solchen Fällen soll er sich nicht auf die vageHoffnung berufen können, jene Gefahr werde sich wider Erwarten doch nichtverwirklichen (st. Rspr.; vgl. z.B. [X.] NStZ 1984, 19; 1986, 550). Doch könnenderartige Umschreibungen, die weitgehend für den Bereich der Tötungsdelikteentwickelt worden sind, nicht formelhaft auf Fälle offener, mehrdeutiger [X.] angewendet werden ([X.]R StGB § 15 Vorsatz, bedingter 8; vgl. auch[X.]St 36, 1, 9). Der Grad der Wahrscheinlichkeit eines Erfolgseintritts alleinkann kein Kriterium für die Entscheidung der Frage sein, ob der Angeklagte mitdem Erfolg auch einverstanden war. Es kommt vielmehr immer auf die [X.] des Einzelfalles an, bei denen insbesondere die Motive und die Interessen-lage des Angeklagten zu beachten sind ([X.]R StGB § 15 Vorsatz, bedingter1; StPO § 127 Festnahme 1).- 11 -d) Wird die Entscheidung über eine Kreditvergabe wie hier von einemmehrköpfigen Gremium getroffen, kommen auch für den Fall des Einstimmig-keitsprinzips unterschiedliche Verantwortlichkeiten der Beteiligten in Frage. [X.] sich der Vorstandsvorsitzende, es sei denn, es gehe um besonders hoheRisiken, auf den Bericht des [X.] und des Kreditvorstandesverlassen dürfen. Nur wenn sich daraus Zweifel oder Unstimmigkeiten erge-ben, ist Rückfrage oder eigene Nachprüfung geboten. Das gleiche gilt für wei-tere Beteiligte wie die Mitglieder eines Kreditausschusses.4. Gemäß § 357 StPO war die Aufhebung des [X.]eils auf den [X.] [X.] zu erstrecken, der keine Revision eingelegt hatte.In Anbetracht der Tatsache, daß die den Angeklagten vorgeworfene [X.] neun Jahre zurückliegt und schon das [X.] die Schuld der Ange-klagten im einzelnen zwar unterschiedlich, aber insgesamt eher gering einge-stuft hat, liegt eine Sachbehandlung nach § 153 oder § 153a StPO nahe.Schäfer [X.] [X.]Boetticher [X.]

Meta

1 StR 280/99

06.04.2000

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.04.2000, Az. 1 StR 280/99 (REWIS RS 2000, 2577)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 2577

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