Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.11.2018, Az. AnwZ (Brfg) 51/18

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2018, 1919

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Gegenstand

Anforderungen an den Praxisnachweis für den Insolvenzrechtsfachanwalt


Tenor

Der Antrag des [X.] auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 4. Senats des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs vom 2. Juli 2018 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 12.500 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Kläger ist seit dem 10. Januar 2000 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Er beantragte am 21. Juni 2015 bei der beklagten Rechtsanwaltskammer die Gestattung der Führung der [X.]ezeichnung "Fachanwalt für Insolvenzrecht". Die [X.]eklagte lehnte mit [X.] vom 31. August 2017 den Antrag des [X.] ab, da es ihm nicht gelungen sei, die nach § 5 Abs. 1 [X.]uchst. g [X.] erforderlichen besonderen praktischen Erfahrungen nachzuweisen. Die hiergegen gerichtete Klage des [X.] hat der [X.] abgewiesen. Der Kläger beantragt die Zulassung der [X.]erufung gegen das Urteil des [X.]s.

II.

2

Der Antrag ist nach § 112e Satz 2 [X.], § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt jedoch ohne Erfolg.

3

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e Satz 2, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht.

4

a) Dies gilt zunächst im Hinblick auf die Rüge des [X.], der [X.] akzeptiere zu Unrecht im Rahmen der Ersetzung gemäß § 5 Abs. 1 [X.]uchst. g Nr. 3 [X.] (in der bis zum 30. Juni 2017 geltenden Fassung) nur solche Verfahren, in denen der Kläger einen Schuldner in einem bereits eröffneten Verbraucherinsolvenzverfahren gegenüber einem Gericht vertreten habe.

5

Der [X.] hat ausgeführt, der Wortlaut von § 5 Abs. 1 [X.]uchst. g Nr. 3 [X.] weise darauf hin, dass eine Tätigkeit in einem Gerichtsverfahren erforderlich sei. Für die "Vertretung" des Schuldners genüge nicht jede Tätigkeit für den Schuldner während eines laufenden Verfahrens. Vielmehr sei ein Auftreten für ihn gegenüber dem Insolvenzgericht erforderlich. Nur die nach außen hin wirkende Übernahme der Verantwortung, das heißt die gegenüber dem Gericht angezeigte Vertretung des Schuldners im eröffneten Verfahren genüge den Erfordernissen der vorgenannten Norm. Dies trifft zu.

6

aa) Nach dem Wortlaut von § 5 Abs. 1 [X.]uchst. g Nr. 3a [X.] a.F. können die in § 5 Abs. 1 [X.]uchst. g Nr. 1 [X.] bezeichneten Verfahren durch Verfahren als Vertreter des Schuldners in der Verbraucherinsolvenz ersetzt werden. [X.]ereits die Verwendung der Worte "Verfahren" und "Verbraucherinsolvenz" weist darauf hin, dass die Vertretung in einem (gerichtlichen) Verbraucherinsolvenzverfahren gemeint ist (so im Ergebnis auch die [X.]egründung des in der 6. Satzungsversammlung der [X.]undesrechtsanwaltskammer vom 21. November 2016 gestellten Antrages zur Neufassung von § 5 Abs. 1 [X.]uchst. g Nr. 3a [X.]: " ..., wobei die Vertretung des Schuldners im Verbraucherinsolvenzverfahren ... erfolgt sein musste."). Dies folgt zudem aus der gleichförmigen Verwendung des Verfahrensbegriffs in § 5 Abs. 1 [X.]uchst. g Nr. 1 und Nr. 3 [X.] a.F.. [X.]ei den "in Nr. 1 bezeichneten Verfahren" (§ 5 Abs. 1 [X.]uchst. g Nr. 3 [X.] a.F.) handelt es sich um "eröffnete" gerichtliche Insolvenzverfahren, in denen der Rechtsanwalt als Insolvenzverwalter gegenüber dem Gericht auftritt. Daraus ist zu schließen, dass auch die - die eröffneten Insolvenzverfahren im Sinne von § 5 [X.]uchst. g Nr. 1 [X.] a.F. ersetzenden - Verfahren nach § 5 Abs. 1 [X.]uchst. g Nr. 3 [X.] a.F. gerichtliche (Verbraucher-)Insolvenzverfahren sind, in denen der Rechtsanwalt - als Vertreter des Schuldners - gegenüber dem Gericht auftritt.

7

Die Notwendigkeit einer Vertretung des Schuldners im gerichtlichen Verfahren ergibt sich weiterhin aus dem in § 5 Abs. 1 [X.]uchst. g Nr. 3a [X.] a.F. bestimmten Erfordernis, dass der Rechtsanwalt den Schuldner in der Verbraucherinsolvenz "bis zum Abschluss des Gerichtsverfahrens" vertreten haben muss. Der Kläger kann sich insoweit nicht im Sinne einer "Rosinentheorie" teilweise auf die bis zum 30. Juni 2017 und teilweise - soweit danach die Vertretung des Schuldners nicht mehr bis zum Abschluss des Gerichtsverfahrens erfolgt sein muss - auf die ab dem 1. Juli 2017 geltende Fassung von § 5 Abs. 1 [X.]uchst. g Nr. 3a [X.] berufen. Gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 [X.] sind Anträge nach dem zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Recht zu entscheiden, wenn dies für den Antragsteller günstiger ist. Dementsprechend beruft sich der Kläger - jedenfalls überwiegend - auf die zum Zeitpunkt seines Antrags vom 21. Juni 2015 geltende Fassung von § 5 Abs. 1 [X.]uchst. g Nr. 3a [X.], die wesentlich weniger Ersetzungsfälle fordert als die neue Fassung. Dann aber ist die alte Fassung insgesamt anzuwenden und nicht eine "Mischform" von altem und neuem Recht, das in dieser Gestalt zu keinem Zeitpunkt geltendes Recht war.

8

Entgegen der Auffassung des [X.] kann nicht allein auf den [X.]egriff der "Verbraucherinsolvenz" abgestellt werden. Letztere besteht zwar aus drei Stufen, von denen die erste außergerichtlich abgewickelt wird. Nach § 5 Abs. 1 [X.]uchst. g Nr. 3a [X.] a.F. ist indes die Vertretung des Schuldners in "Verfahren" der "Verbraucherinsolvenz" erforderlich. Ein solches Verbraucherinsolvenzverfahren wird erst auf der letzten Stufe der Verbraucherinsolvenz durch [X.]eschluss des Insolvenzgerichts eröffnet und ist ein gerichtliches Verfahren (vgl. im Einzelnen Waltenberger in [X.], [X.], 9. Aufl., Vor §§ 304 ff. Rn. 1 ff.).

9

bb) Zutreffend hat der [X.] das Erfordernis einer Vertretung des Schuldners in einem bei Gericht anhängigen Verfahren auch aus Sinn und Zweck der Ersetzungsregelung in § 5 Abs. 1 [X.]uchst. g Nr. 3 [X.] a.F. abgeleitet. Die dort genannten Verfahren sollen in [X.]ezug auf die vom Rechtsanwalt nachzuweisenden praktischen Erfahrungen die in § 5 Abs. 1 [X.]uchst. g Nr. 1 [X.] a.F. bezeichneten Verfahren ersetzen. [X.]ei letzteren handelt es sich um eröffnete Insolvenzverfahren und mithin um solche, in denen der Rechtsanwalt - als Insolvenzverwalter - gegenüber dem Insolvenzgericht auftritt und praktische Erfahrungen in dem gerichtlichen Insolvenzverfahren erwirbt. Vergleichbare, wenn auch fallbezogen nicht immer gleichwertige (daher das Erfordernis der höheren Anzahl der ersetzenden Fälle) prozessuale Erfahrungen kann der Rechtsanwalt als Vertreter des Schuldners in der Verbraucherinsolvenz nur in einem eröffneten Verbraucherinsolvenzverfahren erwerben.

cc) Das Erfordernis einer Vertretung des Schuldners im gerichtlichen Verbraucherinsolvenzverfahren entspricht auch der Systematik der Fachanwaltsordnung. Die [X.]eklagte hat in dem angefochtenen [X.] zutreffend darauf hingewiesen, dass für sämtliche anderen, in § 5 Abs. 1 [X.] geregelten Fachgebiete ausnahmslos der Nachweis von Fallbearbeitungen aus dem [X.]ereich gerichtlicher oder rechtsförmlicher Verfahren notwendig ist. Dementsprechend setzt nach der Rechtsprechung des Senats eine Ersetzung im Sinne von § 5 Abs. 1 [X.]uchst. g Nr. 3 [X.] a.F. voraus, dass die Stellung des Rechtsanwalts der eines Vertreters des Schuldners im gerichtlichen Verfahren gleichwertig sein muss ([X.]eschluss vom 16. April 2007 - [X.] ([X.]) 31/06, NJW 2007, 2125 Rn. 8).

b) Die [X.]erufung ist entgegen der Auffassung des [X.] nach § 112e [X.] i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auch nicht deshalb zuzulassen, weil - nach seinem Vorbringen - die [X.]eklagte den [X.]egriff der "Vertretung" widersprüchlich gehandhabt haben soll. Der vorgenannte Zulassungsgrund erfordert ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils. Entscheidend ist daher allein, ob - was nach den vorstehenden Ausführungen der Fall ist - der [X.] den [X.]egriff der "Vertretung" vorliegend zutreffend ausgelegt hat.

c) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ergeben sich auch nicht daraus, dass im Rahmen von § 5 Abs. 1 [X.]uchst. g Nr. 3 [X.] a.F. nach Auffassung des [X.] bereits eine Tätigkeit des Rechtsanwalts als Vertreter des Schuldners "nach außen hin" - etwa gegenüber Gläubigern des Schuldners - ohne Vertretung gegenüber dem Gericht ausreichend sein soll. Letzteres ergibt sich - entgegen der [X.]egründung des Zulassungsantrags - nicht aus der Rechtsprechung des Senats. Dieser hat in seiner Entscheidung vom 16. April 2007 ausgeführt, im Falle eines "Verwalters hinter dem Verwalter" bleibe "nach außen hin" der förmlich bestellte Verwalter allein verantwortlich (aaO Rn. 6). Dabei ging es um eine Außenverantwortlichkeit der Tätigkeit in einem eröffneten Insolvenzverfahren im Sinne von § 5 Abs. 1 [X.]uchst. g Nr. 1 [X.] a.F.. In demselben [X.]eschluss hat der Senat die Tätigkeit eines Treuhänders im Verbraucherinsolvenzverfahren nicht als ersetzungsfähig gemäß § 5 Abs. 1 [X.]uchst. g Nr. 3 [X.] a.F. anerkannt, weil dessen Stellung nicht der eines Vertreters des Schuldners im gerichtlichen Verfahren gleichwertig sei (aaO Rn. 8). Stets war mithin eine Vertretung des Schuldners in einem gerichtlichen Insolvenzverfahren betroffen.

d) Es ist somit im Rahmen des § 5 Abs. 1 [X.]uchst. g Nr. 3 [X.] a.F. nicht ausreichend, dass der Rechtsanwalt - wie dies der Kläger für die Fälle [X.], [X.], [X.], [X.], [X.]0, [X.]1, [X.]3, [X.]6 und [X.]7 vorgetragen hat - gegenüber den Gläubigern der Schuldner "in der Verbraucherinsolvenz" tätig geworden ist. Erforderlich ist vielmehr eine Vertretung des Schuldners im gerichtlichen Verbraucherinsolvenzverfahren. Eine solche ergibt sich aus dem Vortrag des [X.] und den von ihm zu den vorgenannten Fällen eingereichten [X.]elegen nicht.

2. Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Der Sachverhalt ist übersichtlich; die Rechtslage ist eindeutig und nicht klärungsbedürftig.

3. Der Kläger hat auch keinen Verfahrensmangel dargelegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 112e [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Ein solcher Verfahrensmangel kann insbesondere nicht darin gesehen werden, dass der [X.] den Vortrag des [X.] zur Vertretung von Schuldnern "nach außen hin" gegenüber Gläubigern in der Verbraucherinsolvenz nicht berücksichtigt hat. Denn eine solche Tätigkeit ist, wie ausgeführt, nicht ersetzungsfähig im Sinne von § 5 [X.]uchst. g Nr. 3 [X.] a.F. Der entsprechende Klägervortrag ist damit nicht entscheidungserheblich.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.], § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 [X.], § 52 Abs. 1 GKG.

Limperg     

        

[X.]ünger     

        

Remmert

        

Kau     

        

Lauer     

        

Meta

AnwZ (Brfg) 51/18

09.11.2018

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend Anwaltsgerichtshof München, 2. Juli 2018, Az: BayAGH III - 4 - 13/17, Urteil

§ 5 Abs 1 Buchst g Nr 3 FAO, § 5 Abs 1 Buchst g Nr 3a FAO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.11.2018, Az. AnwZ (Brfg) 51/18 (REWIS RS 2018, 1919)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 1919

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