Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.04.2010, Az. I ZR 31/08

I. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 7321

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[X.] DES VOLKES URTEIL I ZR 31/08 Verkündet am: 22. April 2010 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja HGB § 439 Abs. 1 Satz 2 Die dreijährige Verjährungsfrist des § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB ist auch auf Primärleis-tungsansprüche und vertragliche Aufwendungsersatzansprüche aus Frachtverträgen an-zuwenden. [X.], Urteil vom 22. April 2010 - I ZR 31/08 - [X.] - Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 14. Januar 2010 durch [X.] [X.] und [X.], Dr. Bergmann und [X.] für Recht erkannt: Die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des [X.] vom 23. Januar 2008 wird auf Kosten der [X.] zurückgewiesen. Von Rechts wegen Tatbestand: Der Kläger nimmt die Beklagte wegen Nichterfüllung einer Vereinbarung über den Einsatz von Transportfahrzeugen im Februar 2004 auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch. Die Parteien standen seit April 2003 in [X.] zueinander. Ab 15. Oktober 2003 führte der Kläger für die Beklagte mit bis zu neun Fahrzeugen Transporte im Nahverkehr durch. Die Vergütung der Fahrten erfolgte in der Weise, dass nicht der Kläger Rechnungen stellte, sondern die Beklagte dem Kläger Gutschriften erteilte. 1 Die Beklagte erklärte mit Schreiben vom 29. Januar 2004 die Kündigung des zwischen den Parteien bestehenden Vertragsverhältnisses "zum [X.]". Der Kläger steht auf dem Standpunkt, dass das Vertragsverhältnis erst zum 29. Februar 2004 beendet worden sei. Er hat behauptet, zwischen ihm und der [X.] sei eine Kündigungsfrist von einem Monat (jeweils zum [X.]) vereinbart worden. 2 - 3 - Mit der am 9. Mai 2006 bei Gericht eingegangenen Klage macht der Klä-ger Zahlung in Höhe von 52.077,88 • nebst Zinsen geltend, und zwar den [X.] für den Monat Februar 2004 (51.266 •) und die Kosten des vorpro-zessualen [X.] vom 8. Juli 2005 (811,88 •). 3 4 Die Beklagte hat die geltend gemachten Ansprüche nach Grund und [X.] bestritten und zudem die Einrede der Verjährung erhoben. Sie hat die [X.] vertreten, das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien sei nach den frachtrechtlichen Vorschriften zu beurteilen. Demzufolge gelte hinsichtlich der für Februar 2004 geltend gemachten [X.] die einjährige Verjährungsfrist des § 439 Abs. 1 Satz 1 HGB. Ein qualifiziertes Verschulden i.S. von § 439 Abs. 1 Satz 2 i.V. mit § 435 HGB könne ihr nicht angelastet wer-den, da sie von der Wirksamkeit ihrer Kündigung zum 31. Januar 2004 habe ausgehen dürfen. Das [X.] hat die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an den Kläger für Februar 2004 eine Vergütung in Höhe von 30.985,27 • und 649,02 • für außergerichtliche Anwaltskosten zu zahlen. Die dagegen gerichtete Berufung der [X.] ist erfolglos geblieben. 5 Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die [X.] ihren Antrag auf Klageabweisung weiter. Der Kläger beantragt, das [X.] zurückzuweisen. 6 Entscheidungsgründe: [X.] Das Berufungsgericht hat angenommen, dem Kläger stehe gegen die Beklagte ein Vergütungsanspruch für die im Februar 2004 entgangenen [X.] wegen Annahmeverzugs der [X.] aus den zwischen den Parteien 7 - 4 - abgeschlossenen "Lohnfuhrverträgen" i.V. mit § 615 BGB analog in Höhe von 30.985,27 • zu, der nicht verjährt sei. Dazu hat es ausgeführt: 8 Zwischen den Parteien seien in Bezug auf einzelne Tagestouren (Dau-er-)[X.] geschlossen worden. Der Vergütungsanspruch des [X.] ergebe sich aus der Nichtannahme der in den Rahmenverträgen fest-gelegten Leistungen durch die Beklagte. Dementsprechend sei § 615 BGB ana-log Anspruchsgrundlage für das Zahlungsbegehren des [X.], weil die [X.] wegen ihrer weitgehenden Festlegungen hinsichtlich der [X.] durchzuführenden Touren eine starke dienstvertragliche Komponente auf-wiesen. Die Kündigung zum 31. Januar 2004, die die Beklagte am 29. Januar 2004 ausgesprochen habe, sei unwirksam gewesen. Ein Recht zur fristlosen Kündigung der [X.] wegen einer Schlechtleistung des [X.] habe nicht bestanden. Bei einem frachtvertraglichen Dauerschuldverhält-nis beurteile sich die Kündigungsfrist zwar nach § 621 BGB analog, wenn an-derweitige Abreden fehlten; die gesetzliche Kündigungsfrist habe somit gemäß § 621 Nr. 1 BGB an sich einen Tag betragen, weil die Touren nach Tagen [X.] worden seien. Im Streitfall hätten die Parteien jedoch eine § 621 BGB verdrängende Abrede getroffen. Das [X.] sei aufgrund von [X.] rechtsfehlerfrei zu der Überzeugung gelangt, dass die Beklagte bei der Kündigung der [X.] eine Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende habe einhalten müssen. Dementsprechend habe die Kündigung vom 29. Januar 2004 die [X.] erst zum 29. Februar 2004 beendet. Die Darlegungen des [X.]s zur Höhe des dem Kläger zustehenden Anspruchs seien ebenfalls zutreffend. 9 - 5 - Die Vergütungsforderung des [X.] sei nicht verjährt, weil der geltend gemachte Anspruch einer dreijährigen Verjährungsfrist unterliege und die Klage am 12. Mai 2006 zugestellt worden sei. Bei dem Vergütungsanspruch des [X.] aus § 615 BGB analog handele es sich um einen übergreifenden [X.], der über die einzelnen Transportfahrten hinausgehe und daher gemäß § 195 BGB in drei Jahren verjähre. Aber auch dann, wenn der streitgegenständ-liche Anspruch dem Anwendungsbereich des § 439 Abs. 1 HGB unterfalle, sei keine Verjährung eingetreten, weil die Voraussetzungen des § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB erfüllt seien. Die Beklagte habe den Ausfall der Transportfahrten im Februar 2004 [X.] von § 435 HGB herbeigeführt. 10 I[X.] Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat die von der [X.] erhobene [X.] der Verjährung mit Recht nicht durchgreifen lassen. 11 1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Parteien im Jahre 2003 für einzelne vom Kläger zu bedienende Touren (bei-spielsweise für die Touren [X.]und [X.]-Stadt) auf Dauer angelegte Rahmenverträge mit frachtrechtlichem Inhalt geschlossen haben. In den [X.] dem Kläger und der [X.] zustande gekommenen Dauerschuldver-hältnissen sind bereits alle wesentlichen Vertragsbedingungen, insbesondere konkrete Touren und die Höhe der von der [X.] zu zahlenden Vergütung - entweder eine Tagespauschale oder Abrechnung nach Leistung -, festgelegt worden. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sollte der Kläger als Subunternehmer für die Beklagte Transportfahrten im Nahverkehr durchführen. Mithin stand die Beförderung von Frachtgut und nicht die Überlassung von Transportmitteln und [X.] im Vordergrund der rechtlichen Beziehun-gen der Parteien zueinander. Die Revisionserwiderung wendet sich auch nicht gegen die Annahme eines frachtrechtlichen Rahmenvertrags. 12 - 6 - 2. Die weitere Annahme des Berufungsgerichts, die als Dauerschuldver-hältnisse ausgestalteten Rahmenverträge seien aufgrund der Kündigung der [X.] vom 29. Januar 2004 nicht - wie von der [X.] angestrebt - be-reits zum 31. Januar, sondern erst zum 29. Februar 2004 beendet worden, [X.] ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. 13 14 a) Die Beklagte hat ihre Kündigung zwar auf ein außerordentliches Kün-digungsrecht gestützt, da sie zur Begründung angeführt hat, die Qualität der Fahrer des [X.] entspreche nicht ihrem Niveau, so dass die Kündigung "[X.] unumgänglich" sei. Mit Recht hat das Berufungsgericht jedoch angenom-men, dass das Vorbringen der [X.] für eine sofortige Beendigung der [X.] durch eine außerordentliche Kündigung nicht ausreicht. [X.] hat die Beklagte nicht dargelegt, dass sie dem Kläger zuvor eine gemäß § 314 Abs. 2 Satz 1 BGB erforderliche angemessene Frist zur Abhilfe von konkret erhobenen Beanstandungen gesetzt hatte. b) Bei einem Dauerschuldverhältnis mit frachtrechtlichem Inhalt richtet sich die Kündigungsfrist grundsätzlich nach § 621 BGB analog (vgl. [X.], Transportrecht, 6. Aufl., § 415 HGB [X.]. 33; [X.]/[X.], HGB, 2. Aufl., § 415 [X.]. 14). Da die einzelnen Touren tageweise abgerechnet werden soll-ten, hätte die Frist für eine ordentliche Kündigung nach § 621 Nr. 1 BGB analog einen Tag betragen mit der Folge, dass die Kündigung vom 29. Januar zum 31. Januar 2004 wirksam gewesen wäre. Die Anwendung des § 621 BGB kommt jedoch nur in Betracht, wenn die Parteien keine anderweitige Abrede hinsichtlich der Kündigungsfrist getroffen haben. Nach den Feststellungen des [X.]s, auf die das Berufungsgericht Bezug genommen hat, haben die Parteien in einer Besprechung am 12. Dezember 2003 vereinbart, dass die [X.] die mit dem Kläger geschlossenen [X.] - abgesehen von einer Kündigung aus wichtigem Grund - nur unter Einhaltung einer Kündi-15 - 7 - gungsfrist von einem Monat zum Monatsende kündigen können sollte. Danach hat die Kündigung der [X.] vom 29. Januar 2004 die Rahmenverträge - wie vom Berufungsgericht angenommen - erst zum 29. Februar 2004 beendet. Die Revision nimmt diese Beurteilung auch hin. 16 3. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der vom Kläger geltend gemachte Anspruch allerdings nicht aus § 615 BGB analog, sondern gemäß § 280 Abs. 1 Satz 1 i.V. mit § 241 Abs. 2 BGB gerechtfertigt. Da die aus den Rahmenverträgen resultierenden Einzelansprüche der Höhe nach nicht feststehen, kommt nur die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs in Betracht. Dem Kläger steht für Februar 2004 dem Grunde nach ein [X.] aus positiver Vertragsverletzung zu, weil die zwischen den [X.] geschlossenen Rahmenverträge nicht bereits zum 31. Ja-nuar, sondern erst zum 29. Februar 2004 beendet worden sind und die [X.] sich ab dem 1. Februar 2004 unstreitig geweigert hat, dem Kläger weiterhin Transportaufträge zu erteilen. a) Schadensersatzansprüche aus positiver Vertragsverletzung kommen grundsätzlich auch bei Verletzung der aus einem Rahmenvertrag resultierenden Pflichten in Betracht (vgl. [X.], Urt. v. 30.4.1992 - VII ZR 159/91, NJW-RR 1992, 977, 978; Urt. v. 3.11.1999 - I ZR 145/97, [X.] 2000, 214, 217). Es ist zudem anerkannt, dass die Voraussetzungen eines solchen Anspruchs bei Dauerschuldverhältnissen dann gegeben sind, wenn eine Kündigung schuldhaft ohne Grund erfolgt (vgl. [X.] 89, 296, 302 f. zur Kündigung eines Mietverhält-nisses; [X.], Urt. v. 14.1.1988 - [X.], NJW 1988, 1268, 1269 zur Kün-digung eines Pachtvertrages; [X.] [X.] 2000, 214, 217 f.). 17 b) Das Verschulden der [X.] wird gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermutet und ist demzufolge von ihr zu widerlegen. Die Beklagte kann sich nicht 18 - 8 - mit Erfolg darauf berufen, sie habe sich für berechtigt gehalten, die Vertragsbe-ziehungen zum Kläger durch eine Kündigung sofort beenden zu können. [X.] befand sie sich hierbei in einem Rechtsirrtum, wobei sie das Risiko einer unzutreffenden Beurteilung zu tragen hätte (vgl. [X.] 89, 296, 303; [X.] [X.] 2000, 214, 218), oder handelte gar - wie das Berufungsgericht ange-nommen hat - vorsätzlich (dazu unten unter II 5 c). 4. Das [X.], dessen Ausführungen sich das Berufungsgericht auch insoweit zu eigen gemacht hat, hat für Februar 2004 einen Umsatzverlust des [X.] aufgrund der unterbliebenen Erteilung von Frachtaufträgen in Höhe von 30.985,27 • netto festgestellt. Darüber hinaus hat es einen Anspruch des [X.] gegen die Beklagte auf Erstattung von außergerichtlichen [X.] in Höhe von 649,02 • für begründet erachtet. Dagegen wird von der Revision ebenfalls nichts erinnert. 19 5. Ohne Erfolg bleiben die Angriffe der Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die von der [X.] erhobene Einrede der Verjährung greife nicht durch. 20 a) Der vom Kläger geltend gemachte Schadensersatzanspruch wegen [X.] unterliegt allerdings nicht - wie das Berufungsgericht in erster Linie angenommen hat - der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren nach § 195 BGB. Maßgeblich ist vielmehr die spezielle frachtrechtliche Verjäh-rungsvorschrift des § 439 Abs. 1 HGB. Die zwischen den Parteien [X.] enthalten konkrete frachtvertragliche [X.] und unterfallen damit § 407 HGB. Der Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 Satz 1 i.V. mit § 241 Abs. 2 BGB beruht darauf, dass die Beklagte den Kläger trotz bestehender Vertragsbeziehungen im Februar 2004 nicht wie in den [X.] vorgesehen mit der Durchführung von Transporten beauftragt 21 - 9 - hat. Damit resultieren die vom Kläger geltend gemachten [X.] aus den - den §§ 407 bis 452 HGB unterliegenden - Beförderungen (vgl. [X.] [X.] 2000, 214, 217 f.; [X.], Urt. v. 15.1.2009 - I ZR 164/06, [X.] 2009, 132 [X.]. 16). 22 b) Gemäß § 439 Abs. 1 Satz 1 HGB beträgt die Verjährungsfrist für [X.] aus einer den §§ 407 bis 452 HGB unterliegenden Beförderung grund-sätzlich ein Jahr. Danach wäre hinsichtlich des vom Kläger geltend gemachten Schadensersatzanspruches Verjährung eingetreten, da der Lauf der [X.] gemäß § 439 Abs. 2 Satz 2 HGB spätestens am 1. März 2004 einge-setzt hat und die Klage erst am 9. Mai 2006 beim [X.] Stuttgart einge-reicht worden ist. Nach § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB verlängert sich die [X.] bei Vorsatz oder einem dem Vorsatz gemäß § 435 HGB gleichste-henden Verschulden allerdings auf drei Jahre. Für die im Streitfall erhobene Forderung gilt diese dreijährige Verjährungsfrist. aa) Der Kläger verlangt der Sache nach eine Frachtvergütung für die im Februar 2004 nicht erteilten Einzelaufträge, wie auch seine Berechnung der geltend gemachten Schadensersatzforderung zeigt, die sich an den im Januar 2004 erzielten Umsätzen orientiert. Wirtschaftlich gesehen macht der Kläger mithin einen sekundären Erfüllungsanspruch für Februar 2004 geltend. In einem solchen Fall verjährt der Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 Satz 1 i.V. mit § 241 Abs. 2 BGB in [X.]elben [X.] wie der ursprüngliche Erfüllungsan-spruch (vgl. [X.], Urt. v. 21.3.1968 - [X.], NJW 1968, 1234; Urt. [X.], NJW 2004, 1161, 1162). 23 [X.]) Ob die dreijährige Verjährungsfrist gemäß § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB auf primäre Erfüllungs- und vertragliche Aufwendungsersatzansprüche aus Frachtverträgen anwendbar ist, ist umstritten. Die eine Anwendbarkeit [X.] - 10 - nende Auffassung weist vor allem darauf hin, dass andernfalls jede Zahlungs-verweigerung zu einer Verlängerung der einjährigen Verjährungsfrist führe, weil diese praktisch immer vorsätzlich erfolge. Auch der Wortlaut des Gesetzes spreche gegen eine Anwendung des § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB auf primäre [X.] oder Aufwendungsersatzansprüche. Der Begriff des Vorsatzes sei im [X.] Recht wie im internationalen Transportrecht ein [X.] Begriff. Er beziehe sich auf die Verletzung von Verhaltensnormen die zu einer Schädigung von Rechtsgütern oder Vermögenspositionen Dritter führten ([X.], [X.] 2005, 405 f.; [X.].HGB/[X.]/[X.], 2. Aufl., § 439 [X.]. 12; Köper [X.] 2006, 191 ff.). Die eine Anwendung befürwortende Auffassung verweist demgegenüber darauf, dass der Wortlaut des § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB sowohl Primär- als auch Sekundärleistungsansprüche erfasse. Die objektive ratio legis des § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB passe für beide Anspruchsformen. Eine Differenzierung nach Primär- und Sekundärleistungspflichten führe auch zu [X.], weil die Schlechterstellung des Erfüllungs- gegenüber dem [X.] nicht zu begründen sei (vgl. [X.], [X.], 1581 ff.; [X.]., Transportrecht, 6. Aufl., § 439 HGB [X.]. 27; [X.] in [X.]/Boujong/[X.]/Strohn, HGB, 2. Aufl., § 439 [X.]. 18; [X.] in [X.]/Valder, Speditions-, Fracht- und Lagerrecht, § 439 HGB [X.]. 19; [X.] in Ge-dächtnisschrift für [X.], 2001, 301, 303). 25 cc) Der [X.] schließt sich der Ansicht an, die eine Anwendung des § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB auf [X.] bejaht. 26 Die Verjährungsvorschrift des § 439 Abs. 1 HGB orientiert sich nach der Begründung zum Regierungsentwurf des [X.] in ihren Grundentscheidungen allerdings weitgehend an Art. 32 Abs. 1 CMR 27 - 11 - (BT-Drucks. 13/8445, [X.]). Für die dreijährige Verjährungsfrist gemäß Art. 32 Abs. 1 Satz 2 CMR hat der [X.] im Jahre 1981 eher beiläufig entschieden, dass diese Regelung auf den vertraglichen Erfüllungsanspruch des [X.] nicht anwendbar ist, sondern sich lediglich auf Schadensersatzansprüche und gegebenenfalls auf gesetzliche Ansprüche ähnlichen Inhalts bezieht ([X.], Urt. v. 11.12.1981 - I ZR 178/78, [X.], 649, 650). Hieran hält der [X.] nicht mehr fest. (1) Weder die Bestimmung des Art. 32 Abs. 1 CMR noch die des § 439 Abs. 1 HGB differenzieren nach der Art der Ansprüche. Nach ihrem Wortlaut erfassen beide Bestimmungen alle Leistungs- und sonstigen Verhaltenspflich-ten, die vorsätzlich oder qualifiziert vorwerfbar missachtet werden können. 28 (2) Die Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 13/8445, [X.] f.) bieten für die Bestimmung des Anwendungsbereichs von § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB kein kla-res Bild. Zu § 439 Abs. 1 HGB heißt es, dass die Vorschrift gegenüber § 196 Abs. 1 Nr. 3 BGB (a.F.) lex specialis sei. Als Anwendungskriterium sei allein der Umstand maßgeblich, dass sich der geltend gemachte Anspruch "aus einer den Vorschriften dieses Unterabschnitts [damit sind die §§ 407 bis 452 HGB ge-meint] unterliegenden Beförderung" ergebe (BT-Drucks. 13/8445, [X.]). Die Verjährungsregelung gelte unabhängig davon, von welcher Seite der Anspruch geltend gemacht werde und auf welchem Rechtsgrund er beruhe. Erfasst [X.] alle vertraglichen Ansprüche, auch solche aus der Verletzung vertraglicher Nebenpflichten, soweit diese unmittelbar zur "Beförderung" gehörten und sich nicht etwa aus einer selbständigen vertraglichen Abrede ergäben. Ein Hinweis auf eine Beschränkung des Anwendungsbereichs von § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB auf Sekundärleistungsansprüche findet sich in den Gesetzesmaterialien nicht. 29 - 12 - Eine Beschränkung des Anwendungsbereichs von § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB auf reine Schadensersatzansprüche kann auch nicht daraus hergeleitet werden, dass es in der Gesetzesbegründung heißt, die Vorschrift entspreche in der Sache weitgehend dem geltenden Recht in Art. 32 Abs. 1 Satz 1 und 2 CMR, § 40 Abs. 1 Satz 1 und 2 lit. [X.], § 439 Satz 1 i.V. mit § 414 Abs. 1 und 2 HGB (a.F.), § 94 Abs. 1 Satz 1 und 2 lit. [X.] (a.F.) und Art. 58 § 1 Satz 1 und 2 lit. [X.] (1990). Es fällt zwar auf, dass Art. 58 § 1 Satz 2 lit. a und [X.], § 94 Abs. 1 Satz 2 lit. a und [X.] und § 40 Abs. 1 Satz 2 lit. a und b [X.], die die Ansprüche auf Auszahlung einer eingezogenen Nachnahme bzw. des Verkaufserlöses in die verlängerte Verjährungsfrist einbezogen hatten, in der Gesetzesbegründung nicht erwähnt werden. Über die hierfür maßgeblichen Gründe finden sich in den Materialien jedoch keinerlei Anhaltspunkte. Eine ver-jährungsrechtliche Schlechterstellung der [X.] gegenüber den Sekundäransprüchen kann auf diesen Umstand jedenfalls nicht gestützt werden. 30 In anderen Vertragsstaaten der CMR wird die Frage, ob die dreijährige Verjährungsfrist des Art. 32 Abs. 1 Satz 2 CMR auch für Erfüllungs- und erfül-lungsgleiche Ansprüche gilt, nicht einheitlich beurteilt (eine Anwendung beja-hend: [X.], CMR, 5. Aufl. [2009], [X.] [X.]. 134; vgl. auch [X.] 1989, 46, 47; verneinend [X.] [X.], Entscheidung v. 5.11.1980 - 6 Ob 740/80). 31 (3) Es ist auch kein plausibler Grund ersichtlich, der eine frühere Verjäh-rung von [X.]n gegenüber Schadensersatzansprüchen bei Vorliegen eines qualifizierten Verschuldens des Schuldners rechtfertigt. Es wäre vielmehr wi[X.]prüchlich, wenn Schadensersatzansprüche gegenüber sonstigen Leistungsansprüchen, die vorsätzlich nicht erfüllt werden, privilegiert würden ([X.] aaO § 439 HGB [X.]. 27; [X.]., [X.], 1581, 1583). 32 - 13 - Das vom [X.] ([X.] 2005, 405, 406) und [X.]/[X.] ([X.].HGB, 2. Aufl., § 439 [X.]. 12) gegen eine Anwendung von § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB auf [X.] ins Feld geführte Bedenken, es käme dann zu einer Umkehrung des im Gesetz bestimmten [X.] der [X.] Verjährungsfrist, weil praktisch betrachtet jede Nichterfüllung eines vertraglichen Vergütungs- oder Aufwendungsersatz-anspruches vorsätzlich geschehe, ist nicht begründet. Diese Sichtweise [X.] nicht genügend, dass im Zivilrecht - an[X.] als im Strafrecht - ein Rechtsirrtum entsprechend den jeweils maßgeblichen Verschuldensformen [X.] wirkt. Der Vorsatz entfällt, wenn der Schuldner - aus welchen Gründen auch immer - der Ansicht ist, nicht zu schulden, bereits aufgerechnet zu haben oder ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen zu können. Eine die [X.] des § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB auslösende vorsätzliche Nichtzahlung ist dem Schuldner erst dann vorzuwerfen, wenn er entgegen besserem Wissen die Existenz eines Anspruchs abstreitet oder wider besseres Wissen behauptet, dass der gegen ihn gerichtete Anspruch nicht in der geltend gemachten Höhe entstanden sei ([X.], [X.], 1581, 1583; Köper, [X.] 2006, 191, 194). Liegt auf der Hand, dass die vom Schuldner für die [X.] genannten Gründe nur vorgeschoben sind, gibt es keinen vernünftigen Grund, ihm die [X.] der beson[X.] kurzen Verjährung des § 439 Abs. 1 Satz 1 HGB zugute kommen zu lassen (vgl. [X.], [X.], 1581, 1583; ebenso zu Art. 32 Abs. 1 Satz 2 CMR [X.].HGB/[X.], 2. Aufl., Art. 32 CMR [X.]. 11). 33 c) Das qualifizierte Verschulden i.S. von § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB muss sich auf das den Schaden verursachende Verhalten des Schuldners beziehen. Dementsprechend kommt § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB zur Anwendung, wenn der Schuldner seine ihm dem Gläubiger gegenüber obliegenden Pflichten vorsätz-lich oder zumindest leichtfertig und rechtswidrig nicht erfüllt. Auf welcher [X.] - 14 - lage der Schadensersatzanspruch gestützt wird, ist grundsätzlich ohne Bedeu-tung, so dass § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB auch bei einem Schadensersatzan-spruch aus § 280 Abs. 1 Satz 1 HGB zum Tragen kommt ([X.] aaO § 439 HGB [X.]. 27; [X.]., [X.], 1581, 1583; [X.] aaO § 439 [X.]. 18; a.[X.], [X.] 2006, 191, 195 f.). 35 Das Berufungsgericht hat das qualifizierte Verschulden der [X.] darauf gestützt, dass sie die vom Kläger angebotene Durchführung der verein-barten Transporte wider besseres Wissen und damit leichtfertig i.S. von § 435 HGB abgelehnt hat. Die Beklagte habe bei Ausspruch der Kündigung am 29. Januar 2004 gewusst, dass eine ordentliche Kündigung zum 31. Januar 2004 nicht möglich gewesen sei. Daher habe sie eine "fristlose" Kündigung aus wichtigem Grund auszusprechen versucht. Diese sei jedoch wirkungslos gewe-sen, weil eine fristlose Kündigung gemäß § 314 Abs. 2 Satz 1 BGB - der bei der Kündigung von [X.]n Anwendung finde - nur nach erfolgloser Abmahnung oder angemessener Fristsetzung zur Abhilfe möglich sei. Dies sei der [X.] als im Geschäftsleben erfahrener Unternehmerin auch bewusst gewesen. Diese Beurteilung lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen und wird von der Revision auch nicht angegriffen. - 15 - II[X.] Danach ist die Revision der [X.] gegen das Berufungsurteil mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. 36 [X.] Pokrant Büscher
Bergmann [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom [X.]/06 - [X.], Entscheidung vom 23.01.2008 - 3 U 105/07 -

Meta

I ZR 31/08

22.04.2010

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.04.2010, Az. I ZR 31/08 (REWIS RS 2010, 7321)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 7321

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