Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.03.2018, Az. XII ZR 129/16

12. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 12762

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Grundstücksmiete: Wahrung der Schriftform durch Unterzeichnung mehrerer gleichlautender Urkunden


Leitsatz

1. Dem Schriftformerfordernis des § 550 Satz 1 BGB kann auch gemäß § 126 Abs. 2 Satz 2 BGB entsprochen werden, wonach es genügt, wenn über den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen werden und jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet.

2. Für die Einhaltung der Schriftform des § 550 Satz 1 BGB ist es dann ausreichend, wenn die Vertragsparteien gleichlautende Vertragsurkunden unterzeichnen. Eines Zugangs dieser Urkunden beim jeweiligen Vertragspartner bedarf es insoweit nicht (Fortführung von Senatsurteilen vom 7. Mai 2008, XII ZR 69/06, BGHZ 176, 301 = NJW 2008, 2178 und vom 18. Oktober 2000, XII ZR 179/98, NJW 2001, 221).

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird der Beschluss des 23. Zivilsenats des [X.] vom 6. Dezember 2016 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um den Fortbestand eines über die Errichtung und den Betrieb einer Photovoltaikanlage geschlossenen [X.] und über Ansprüche hieraus.

2

Am 5. März 2012 schloss der Kläger mit dem damaligen Grundstückseigentümer, [X.] (im Folgenden: [X.]), einen "Nutzungsvertrag" über die gesamten Dach- und Freiflächen auf dem Außenbereich eines ehemaligen Kasernengeländes. Nach dem Vertrag sollten dem Kläger diese Flächen zur Verfügung gestellt werden, um dort auf eigene Kosten eine Photovoltaikanlage zu errichten, zu betreiben und zu unterhalten. Der Kläger verpflichtete sich, die zur Vorbereitung notwendigen Maßnahmen wie etwa Gutachten oder Bebauungspläne auf seine Kosten zu veranlassen, sowie zur Zahlung eines Nutzungsentgelts von einem Euro für die gesamte Vertragslaufzeit von 30 Jahren. Von den Einnahmen aus dem Betrieb der Photovoltaikanlage sollten dem Kläger die Einnahmen für das erste Megawatt Peak zustehen, dem Grundstückseigentümer die darüber hinausgehenden Einnahmen. Die Vertragsparteien gingen dabei von einer Gesamtleistung der zu installierenden Photovoltaikanlage von etwa fünf Megawatt Peak aus. Der schriftliche Vertragsentwurf des [X.] wurde von [X.] unterschrieben und sodann dem Kläger per Telefax übermittelt. Der Kläger unterschrieb seinerseits dieses Telefax und faxte es an [X.] zurück. Die im Original unterschriebenen Exemplare verblieben bei den jeweiligen Unterzeichnern.

3

Am 4. Oktober 2012 kündigte [X.] den Vertrag außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Termin. In der Folge verkaufte er das Grundstück an [X.], der am 11. März 2013 als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen wurde. Die Beklagte erwarb von diesem das Grundstück am 27. Februar 2013 und wurde am 10. Juni 2013 als Eigentümerin eingetragen.

4

Ab dem 15. März 2013 verweigerte die Beklagte dem Kläger den Zutritt zum Grundstück. Sie überließ das Grundstück einer anderen Gesellschaft, die dort eine Photovoltaikanlage errichtete und betreibt.

5

Der Kläger will zum einen festgestellt wissen, dass das Vertragsverhältnis durch die Kündigung vom 4. Oktober 2012 nicht beendet wurde, sondern weiter fortbesteht, und zum anderen, dass die Beklagte ihm gegenüber schadensersatzpflichtig ist, weil sie ihm den Zutritt zum Gelände verweigert hat und eine Besitzeinräumung nicht mehr möglich ist. Außerdem hat er vorgerichtliche Anwaltskosten von 12.419,91 € geltend gemacht.

6

Das [X.] hat die Klage vollumfänglich abgewiesen, das [X.] die Berufung des [X.] durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

8

Dieses hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

9

Der streitgegenständliche Nutzungsvertrag sei durch die Kündigung vom 4. Oktober 2012 beendet worden, bevor die Beklagte das Eigentum an den Flächen erworben habe. Der Vertrag sei nicht als Pachtvertrag, sondern als Grundstücksmietvertrag in der Form der Gewerbemiete zu qualifizieren. Selbst wenn das vereinbarte Entgelt weit unter dem Marktpreis liegen sollte, handele es sich um eine entgeltliche Gebrauchsüberlassung, so dass kein Leihvertrag vorliege. Allein daraus, dass die Vertragsparteien mehrfach Begriffe des Pachtrechts verwendeten, wiewohl sie auch von der "vermieteten Dachfläche" sprächen, könne nicht automatisch auf die Rechtsnatur des Vertrags geschlossen werden. Die Abgrenzung zwischen Miete und Pacht sei vielmehr danach vorzunehmen, ob nach dem objektiven Inhalt aller Vertragsbestimmungen nur der Gebrauch der überlassenen Sache oder aber Gebrauch und Fruchtgenuss zu gewähren seien. Verträge, die die Überlassung von Flächen zur Installation und zum Betrieb von Photovoltaikanlagen regelten, seien in aller Regel als Grundstücksmietvertrag anzusehen. Eine Fruchtziehung aus dem verpachteten Gegenstand liege nicht vor. Die auf einem Grundstück erzeugte Elektrizität stelle weder eine Frucht im Sinne des § 99 Abs. 1 [X.] noch eine sonstige Ausbeute aus der Sache dar, da die Strahlungsenergie nicht aus der Substanz der überlassenen Fläche oder des Sonnenlichts gewonnen werde und auch keine Sache sei. Die vom Netzbetreiber erlangte Vergütung sei auch keine unmittelbare [X.] im Sinne von § 99 Abs. 2 [X.]. Das dem Betreiber einer Photovoltaikanlage eingeräumte grundstücksbezogene Nutzungsrecht könne nicht unmittelbar auf die Gewinnung der Einspeisevergütung abzielen. Es schaffe allein die technischen Grundbedingungen für die Errichtung, den Betrieb und den Rückbau einer Photovoltaikanlage. Die Förderung sei staatlicherseits vorgegeben und einer [X.]vereinbarung entzogen. Die genutzte [X.] führe für sich genommen nicht zur Ertragsziehung.

Der ursprüngliche Vermieter sei mangels Einhaltung der Schriftform gemäß §§ 550, 126 [X.] auch trotz der vereinbarten Vertragslaufzeit von 30 Jahren zur ordentlichen Kündigung berechtigt gewesen. Die Vertragsparteien hätten nicht dieselbe Urkunde eigenhändig handschriftlich unterzeichnet, so dass die Schriftform des § 126 Abs. 2 Satz 1 [X.] nicht gewahrt sei. Gleiches gelte für die Schriftform nach § 126 Abs. 2 Satz 2 [X.]. Denn der ursprüngliche Vermieter sei nicht in den Besitz des [X.] mit der Originalunterschrift des [X.] gelangt. Dies sei aber erforderlich, wie sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift ("für die andere [X.] bestimmte Urkunde") ergebe. Die höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach es nicht darauf ankomme, in wessen Besitz eine Vertragsurkunde nach der Unterschrift verbleibe, beziehe sich nur auf den Fall des § 126 Abs. 2 Satz 1 [X.]. Die mangelnde Schriftform sei auch nicht wirksam nachgeholt worden. Die Kündigungsfrist bestimme sich zwar nach § 580 a Abs. 1 Nr. 3 [X.]. Zugleich sei jedoch die Frist des § 550 Satz 2 [X.] zu berücksichtigen, so dass die Kündigung erst zum 5. März 2013 wirksam sei.

II.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Das Berufungsgericht hat das Vertragsverhältnis nicht als Pachtverhältnis, sondern als Mietvertrag eingestuft. Damit weicht es von der in der obergerichtlichen Rechtsprechung verbreiteten, dort aber nicht näher begründeten Beurteilung vergleichbarer [X.] als Pachtvertrag ab (vgl. [X.], 694, 695; [X.] Beschluss vom 4. November 2014 - 20 W 256/13 - juris Rn. 11 f.; OLG Saarbrücken NJW 2012, 3731 ff.; OLG München MittBayNot 2008, 320 f.; [X.] 2007, 107, 108; [X.], 1909, 1912; [X.] NJW-RR 1998, 644; Vergabekammer [X.] Beschluss vom 14. August 2007 - VK 5/07 - juris Rn. 20 f.; offen gelassen etwa von [X.] NJW-RR 2014, 571; [X.] Urteil vom 30. März 2011 - 3 [X.] - juris Rn. 29; [X.] Urteil vom 16. September 2009 - 3 [X.]/08 - juris Rn. 16; [X.] - Urteil vom 18. Dezember 2001 - 11 U 213/01 - juris Rn. 11).

Jedenfalls für den vorliegenden Fall dürfte die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts zutreffend sein (vgl. auch [X.]/Mohr ZfIR 2009, 8, 10; [X.], 105, 106 f.; [X.]/[X.] WM 2000, 1309 [X.]. 2; [X.] 2012, 264, 265; [X.] ZfIR 2015, 635, 639 f.). Ob ein Vertrag, mit dem eine [X.] der anderen ein Grundstück zur Nutzung überlässt, als Miet- oder Pachtvertrag einzustufen ist, hängt nach § 581 [X.] davon ab, ob dem Nutzer neben dem Gebrauch des Grundstücks auch der Genuss der Früchte (§ 99 [X.]), soweit sie nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft als Ertrag anzusehen sind, zusteht.

Bei der Überlassung eines Grundstücks zum Zwecke der Errichtung und des Betriebs einer Photovoltaikanlage kommt die Annahme einer [X.] im Sinne des § 99 Abs. 2 [X.] oder eines Falls der mittelbaren Fruchtziehung (§ 99 Abs. 3 [X.]) ohnehin nicht in Betracht. Aber auch § 99 Abs. 1 [X.] greift nicht ein, weil es sich bei der Elektrizität, die mittels der vom Nutzungsberechtigten selbst zu errichtenden Photovoltaikanlage gewonnen werden soll, um keine unmittelbare Sachfrucht des Grundstücks im Sinne des § 99 Abs. 1 [X.] handelt (vgl. [X.]/[X.] [Stand: 1. September 2017] [X.] § 99 Rn. 10.1; [X.]/[X.] [X.] 15. Aufl. § 99 Rn. 4; [X.]/[X.] [Stand: 24. Mai 2017] § 99 Rn. 7; [X.]/[X.] 7. Aufl. § 99 Rn. 5; [X.]/[X.] Aufl. § 99 Rn. 2; Soergel/[X.]. § 99 Rn. 9; [X.]/[X.] [X.] [2017] § 99 Rn. 10; zweifelnd [X.] [X.]/[X.] [Stand: 15. Juni 2017] § 99 Rn. 7). Die Revision erkennt dies letztlich selbst, wenn sie ausführt, die Elektrizität solle aus der Substanz des auf die überlassene Fläche einstrahlenden Sonnenlichts gewonnen werden, mithin nicht aus der Substanz des Grundstücks selbst. Soweit sich die Revision darauf beruft, dass das [X.] die vertragliche Einräumung des Rechts, das in einem Graben fließende Wasser zum Betrieb einer [X.] zu benutzen, als Grundstückspacht eingeordnet hat (vgl. [X.]), betrifft das unabhängig davon, ob dieser rechtlichen Einschätzung beizutreten ist (vgl. insoweit [X.]/[X.] [X.] [2017] § 99 Rn. 10), eine andere Fallgestaltung.

Die rechtliche Qualifizierung des "Nutzungsvertrags" kann jedoch schon deshalb dahinstehen, weil sie Bedeutung nur für den Zeitpunkt einer eventuell durch die Kündigung bewirkten Vertragsbeendigung erlangen kann. Während bei Vorliegen eines Mietvertrags eine am 4. Oktober 2012 ausgesprochene, auf § 550 [X.] gestützte ordentliche Kündigung zur Vertragsbeendigung mit Ablauf des ersten Jahres nach Überlassung des Grundstücks führen konnte (nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zum 5. März 2013; § 550 Satz 2 [X.]), wäre sie bei Annahme eines Pachtvertrags und daraus folgender Anwendbarkeit der Kündigungsfrist des § 584 Abs. 1 [X.] erst zum Schluss des folgenden Pachtjahres und damit zum 5. März 2014 wirksam geworden. Der Klageantrag, mit dem der Kläger die Feststellung begehrt, dass das Vertragsverhältnis durch die Kündigung vom 4. Oktober 2012 nicht beendet wurde, ist aber nicht davon abhängig, ob die Kündigung im Jahre 2013 oder im Jahre 2014 Wirksamkeit erlangte. Gleiches gilt für das auf Schadensersatz gerichtete Feststellungsbegehren. Zwar wäre dann die Zutrittsverweigerung von März 2013 bis März 2014 unberechtigt erfolgt. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass der Kläger mit der noch in der Planung befindlichen Photovoltaikanlage in diesem Zeitraum bereits Erträge oder gar Gewinne hätte erzielen können.

2. Rechtsfehlerhaft ist die Annahme des Berufungsgerichts, der streitgegenständliche Nutzungsvertrag habe nicht die - nach §§ 578 Abs. 1, 581 Abs. 2 [X.] unbeschadet der Einordnung als Miet- oder Pachtvertrag erforderliche - Schriftform des § 550 Satz 1 [X.] eingehalten und sei daher gemäß § 550 Satz 2 [X.] mit Ablauf eines Jahres nach der Überlassung des Grundstücks ordentlich kündbar gewesen. Auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen kann ein Schriftformmangel nicht bejaht werden. Indem die Vertragsparteien jeweils gleichlautende Vertragsurkunden unterzeichnet haben, ist die Schriftform des § 550 [X.] vielmehr unabhängig davon gewahrt, ob diese Vertragsurkunden nach Unterzeichnung in den Herrschaftsbereich der jeweils anderen Vertragspartei gelangt sind.

a) Das Berufungsgericht führt allerdings zutreffend aus, dass die materiell-rechtlichen Anforderungen des § 126 Abs. 2 [X.] für das Zustandekommen eines Vertrags, der einer gesetzlich vorgesehenen Schriftform genügen muss, nicht erfüllt wären. Ein Vertrag, für den die gesetzliche Schriftform vorgeschrieben ist, kommt grundsätzlich nur dann rechtswirksam zustande, wenn sowohl der Antrag als auch die Annahme (§§ 145 ff. [X.]) in der Form des § 126 [X.] erklärt werden und in dieser Form dem anderen Vertragspartner zugehen (Senatsurteil vom 17. Juni 2015 - [X.]/13 - NJW 2015, 2648 Rn. 30).

Das ist hier nicht der Fall. Eine Urkunde, auf der beide Vertragsparteien im Original unterschrieben haben, existiert nicht, so dass § 126 Abs. 2 Satz 1 [X.] - der die Unterzeichnung auf derselben Urkunde erfordert - nicht genügt ist. Die beiden gleichlautenden, von den Vertragsparteien im Original unterschriebenen Vertragsurkunden sind der jeweils anderen Vertragspartei nicht zugegangen. Vielmehr wurden jeweils nur Telefaxkopien übersandt, was auch für einen der Schriftform des § 126 Abs. 2 Satz 2 [X.] entsprechenden Vertragsschluss nicht ausreicht (vgl. [X.] Urteil vom 30. Juli 1997 - [X.] - NJW 1997, 3169, 3170 mwN).

b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht jedoch die Übersendung der beiden unterzeichneten gleichlautenden Vertragsurkunden jeweils (nur) per Telefaxkopie trotz Nichteinhaltung der materiell-rechtlichen Anforderungen des § 126 Abs. 2 [X.] nicht der Wahrung des Schriftformerfordernisses des § 550 Satz 1 [X.] für Mietverträge mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr entgegen.

aa) Die von § 550 Satz 1 [X.] geforderte Schriftform kann nicht nur eingehalten werden, indem die Vertragsparteien dieselbe Urkunde unterzeichnen (§ 126 Abs. 2 Satz 1 [X.]). Vielmehr besteht zur Erfüllung des Schriftformerfordernisses auch die Möglichkeit des § 126 Abs. 2 Satz 2 [X.], wonach es genügt, wenn über den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen werden und jede [X.] die für die andere [X.] bestimmte Urkunde unterzeichnet (vgl. Senatsurteile [X.]Z 176, 301 = NJW 2008, 2178 Rn. 34 und vom 18. Oktober 2000 - [X.] - NJW 2001, 221, 222 f.).

bb) Nach der Rechtsprechung des Senats reicht die Einhaltung der bloßen Schriftlichkeit der Erklärungen (sog. äußere Form) zur Wahrung der Schriftform des § 550 [X.] aus. Ein Mietvertrag genügt danach auch dann der Schriftform des § 550 [X.], wenn er inhaltsgleich mit den in der äußeren Form des § 126 [X.] niedergelegten Vertragsbedingungen nur mündlich oder konkludent abgeschlossen worden ist. Die Auslegung von § 550 [X.] führt unter Berücksichtigung seines Schutzzwecks und seiner Rechtsfolge zu dem Ergebnis, dass § 550 [X.] über die Einhaltung der äußeren Form hinaus nicht das Zustandekommen des Vertrags durch die schriftlich abgegebenen Erklärungen voraussetzt. § 550 [X.] dient in erster Linie dem Informationsbedürfnis des Erwerbers, dem durch die Schriftform die Möglichkeit eingeräumt werden soll, sich von Umfang und Inhalt der auf ihn übergehenden Rechte und Pflichten zuverlässig zu unterrichten. Diesen Schutzzweck erfüllt selbst eine nur der äußeren Form genügende Mietvertragsurkunde, in der die von beiden [X.]en unterzeichneten Bedingungen des erst später konkludent abgeschlossenen Vertrags enthalten sind. Eine solche Urkunde informiert den Erwerber über die Bedingungen des Mietvertrags, in die er, wenn der Mietvertrag mit diesem Inhalt zustande gekommen ist und noch besteht, eintritt. Auch die zusätzlich mit der Schriftform des § 550 [X.] verfolgten Zwecke, die Beweisbarkeit langfristiger Abreden sicherzustellen und die Vertragsparteien vor der unbedachten Eingehung langfristiger Bindungen zu warnen, werden durch die bloße Einhaltung der äußeren Form erfüllt (Senatsurteile vom 17. Juni 2015 - [X.]/13 - NJW 2015, 2648 Rn. 33 mwN und vom 24. Februar 2010 - [X.]/06 - NJW 2010, 1518 Rn. 22 ff.).

cc) Mit Blick hierauf ist für die Einhaltung der Schriftform des § 550 Satz 1 [X.] ausreichend, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Vertragsparteien gleichlautende Vertragsurkunden unterzeichnen. Eines Zugangs dieser Urkunden beim jeweiligen Vertragspartner bedarf es hingegen nicht.

(1) Allerdings verlangt der Wortlaut des § 126 Abs. 2 Satz 2 [X.], dass das jeweils unterzeichnete (gleichlautende) Vertragsexemplar für die andere Vertragspartei bestimmt sein muss. Der vom Berufungsgericht daraus gezogene Schluss, auch im Rahmen des § 550 Satz 1 [X.] müssten die gleichlautenden Urkunden in den Besitz des jeweiligen Vertragspartners gelangt sein, ist jedoch nicht zwingend. Denn er lässt unberücksichtigt, dass die Vorschrift des § 126 Abs. 2 [X.] den der Schriftform genügenden Vertragsschluss und mithin die Form empfangsbedürftiger Willenserklärungen regelt. Für einen wirksamen Vertragsschluss im Sinne des § 126 Abs. 2 [X.] ist der Zugang der schriftlich abgegebenen Willenserklärungen beim Erklärungsempfänger erforderlich, so dass durch das Tatbestandsmerkmal "für die andere [X.] bestimmt" in § 126 Abs. 2 Satz 2 [X.] die Form der dann auch zugehenden Willenserklärung umschrieben wird.

(2) Demgegenüber ist es für die Einhaltung der Schriftform des § 550 Satz 1 [X.] ohne Bedeutung, ob die beurkundeten Erklärungen den Vertragsparteien zugegangen sind, weil es bereits nicht darauf ankommt, ob es durch sie oder auf andere Weise zum Vertragsschluss gekommen ist. Da es allein auf die äußere Form ankommt, ist nur die Existenz der die vertraglichen Regelungen dokumentierenden und unterzeichneten Urkunde entscheidend. Im Fall des § 126 Abs. 2 Satz 1 [X.] ist dies eine von allen Vertragsparteien unterschriebene Urkunde, während es nach § 126 Abs. 2 Satz 2 [X.] zwei gleichlautende, aber jeweils nur von einer Vertragspartei im Original unterzeichnete Urkunden sind. Der Zugang dieser Urkunden ist für das Schriftformerfordernis des § 550 Satz 1 [X.] ebenso ohne Belang wie die Frage, wo die Urkunden sich befinden (vgl. Senatsurteil [X.]Z 160, 97 = NJW 2004, 2962, 2963) oder ob sie im Zeitpunkt der gerichtlichen Prüfung der Formgemäßheit des Mietvertrags noch existieren (vgl. Senatsurteil [X.] 176, 301 = NJW 2008, 2178 Rn. 23).

(3) Anders als die Revisionserwiderung meint, wird der von § 550 [X.] verfolgte Schutzzweck auch durch zwei gleichlautende Vertragsurkunden erreicht, von denen die eine von der einen und die andere von der anderen Vertragspartei unterzeichnet worden ist, ohne dass diese Urkunden jedoch in den Besitz der jeweils anderen Vertragspartei gelangt sind.

Der mit der Beurkundung in erster Linie beabsichtigte [X.] kann sowohl mittels einer von beiden Vertragsparteien unterzeichneten Urkunde gewährleistet werden als auch durch zwei gleichlautende Urkunden, die in der Summe die erforderlichen Unterschriften tragen. In beiden Fällen besteht grundsätzlich die Möglichkeit, dass der Erwerber Einsicht in die schriftlich niedergelegten vertraglichen Regelungen nimmt, in die er bei Vorliegen eines wirksamen Vertrags eintritt. Zwar mag eine solche Einsichtnahme in der Praxis bei mehreren gleichlautenden, aber jeweils nur von einer Vertragspartei unterzeichneten Urkunden auf größere Schwierigkeiten stoßen als bei nur einer, von allen Vertragsparteien unterzeichneten Urkunde. Diese Problematik ist bereits darin angelegt, dass der Gesetzgeber zur Wahrung der Schriftform auch den Weg des § 126 Abs. 2 Satz 2 [X.] eröffnet hat, und besteht im Rahmen des Schriftformerfordernisses nach § 550 Satz 1 [X.] unabhängig davon, ob die einzelnen Urkunden auch der jeweils anderen Vertragspartei zugegangen sind.

Nichts anderes gilt für den mit § 550 [X.] ebenfalls beabsichtigten Schutz der vertragsschließenden [X.]en selbst. Langfristige Abreden können bei einem Vertragsschluss durch [X.] im Sinne des § 126 Abs. 2 Satz 2 [X.] urkundlich ohnedies nur durch Vorlage aller gleichlautenden Vertragsurkunden belegt werden, so dass der [X.] insoweit keine besondere Bedeutung erlangt. Soweit [X.] bestehen, sind diese vor allem dadurch begründet, dass es zweier gleichlautender Urkunden zur Wahrung der Schriftform bedarf, nicht aber durch ein - wie hier - Unterbleiben des [X.]es. Der zudem mit § 550 [X.] bezweckte Übereilungsschutz ist durch die Verschriftlichung der zu unterzeichnenden vertraglichen Abreden, mit der diese dem die Unterschrift Leistenden nochmals vor Augen geführt werden, hergestellt und vom Zugang der Urkunde bei der anderen Vertragspartei weitgehend unabhängig.

3. Die angefochtene Entscheidung ist daher gemäß § 562 Abs. 1 ZPO aufzuheben und die Sache ist nach § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird nun zu klären haben, ob die von der Beklagten geltend gemachten sonstigen Schriftformmängel vorliegen.

Dose     

      

Schilling     

      

[X.]

      

Botur     

      

Guhling     

      

Meta

XII ZR 129/16

07.03.2018

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG München, 6. Dezember 2016, Az: 23 U 928/16

§ 126 Abs 2 S 2 BGB, § 550 S 1 BGB, § 578 Abs 1 BGB, § 581 Abs 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.03.2018, Az. XII ZR 129/16 (REWIS RS 2018, 12762)

Papier­fundstellen: MDR 2018, 1053-1054 REWIS RS 2018, 12762


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. XII ZR 129/16

Bundesgerichtshof, XII ZR 129/16, 07.03.2018.


Az. 23 U 928/16

OLG München, 23 U 928/16, 06.12.2016.


Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

XII ZR 129/16 (Bundesgerichtshof)


23 U 928/16 (OLG München)

Nutzungsvertrag über Dach- und Freiflächen zur Errichtung und zum Unterhalt von Photovoltaikanlagen


1 HK O 905/14 (LG Traunstein)

Entgeltliche Überlassung von Flächen zur Installation einer Photovoltaikanlage ist Pacht


XII ZR 69/06 (Bundesgerichtshof)


XII ZR 120/06 (Bundesgerichtshof)

Gewerberaummiete: Schriftformerfordernis für die Verlängerung der Annahmefrist; Einhaltung der Schriftform bei einem konkludent abgeschlossenen Mietvertrag


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.