Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.09.2012, Az. 5 AZR 727/11

5. Senat | REWIS RS 2012, 3077

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Gegenstand

Anspruch auf Zeitgutschrift bei Feiertagsarbeit nach dem MTV Groß- und Außenhandel BY - Tarifauslegung - Ersatzruhetag


Tenor

1. Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 24. Februar 2011 - 1 [X.]/10 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über eine Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto des [X.].

2

Der Kläger ist seit 1989 bei der [X.] als Angestellter im Verkauf beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet [X.] der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in den [X.] Betrieben des Groß- und Außenhandels vom 23. Juni 1997 (im Folgenden: [X.]) Anwendung. Dessen § 9 lautet auszugsweise:

        

„§ 9   

        

Mehr-, Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit

        

...     

        

8.    

Sonntagsarbeit bei Tage (6.00 bis 20.00 Uhr) wird mit einem Zuschlag von 50 % vergütet. [X.] von 0.00 bis 6.00 Uhr und von 20.00 bis 24.00 Uhr wird mit einem Zuschlag von 100 % vergütet.

                 

Arbeit an gesetzlichen Feiertagen wird mit einem Zuschlag von 150 % vergütet.

        

...     

        
        

10.     

Im beiderseitigen Einvernehmen kann die Vergütung für Mehr-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit einschließlich der Zuschläge durch Freizeit abgegolten werden.“

3

Der Kläger arbeitete am 6. Januar 2010, der im [X.] ein gesetzlicher Feiertag ist, von 12:00 bis 16:00 Uhr. Im Arbeitszeitkonto des [X.] hielt die Beklagte für diesen Tag bei einer Sollzeit von acht Stunden eine „gewichtete Zeit“ von 14 Stunden fest, schrieb ihm also sechs Stunden gut.

4

Mit Schreiben vom 11. Januar 2010 baten der Kläger und drei weitere Beschäftigte für die am 6. Januar 2010 geleistete Arbeit unter Berufung auf § 11 Abs. 3 [X.] um die Gutschrift von vier weiteren Stunden auf ihren Arbeitszeitkonten. Das lehnte die Beklagte ab.

5

Mit der am 24. Februar 2010 eingereichten Klage hat der Kläger geltend gemacht, nach § 9 Nr. 8 und Nr. 10 [X.] stehe ihm für die Feiertagsarbeit ein Zuschlag von 150 % zu, der nicht dazu verwendet werden dürfe, die geleistete Arbeit selbst zu vergüten. Er wäre sonst gegenüber Arbeitnehmern, die nicht an einem Feiertag arbeiteten und gleichwohl Feiertagsvergütung erhielten, benachteiligt. Er könne deshalb für den 6. Januar 2010 neben der Erfassung der „regulären“ acht Stunden die Gutschrift der vier geleisteten Stunden sowie von sechs Stunden Freizeitausgleich nach § 9 Nr. 8 und Nr. 10 [X.] beanspruchen.

6

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger vier Stunden auf seinem Arbeitszeitkonto bei der [X.] gutzuschreiben.

7

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, den Anspruch auf tariflichen Feiertagszuschlag mit der Gutschrift von sechs Stunden erfüllt zu haben.

8

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der [X.] hat das [X.] die Klage abgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des [X.] ist unbegründet. Das [X.] hat die Klage zu Recht abgewiesen.

I. Die Klage ist mit der gebotenen Auslegung des Leistungsantrags zulässig.

1. Der Antrag, einem Arbeitszeitkonto Stunden „gutzuschreiben“, ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 [X.]. 2 ZPO, wenn der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer ein Zeitkonto führt, auf dem zu erfassende Arbeitszeiten nicht aufgenommen wurden und noch gutgeschrieben werden können. Allerdings ist dafür grundsätzlich eine Konkretisierung des Leistungsbegehrens dahingehend erforderlich, an welcher Stelle des [X.] die Gutschrift erfolgen soll ([X.] 10. November 2010 - 5 [X.] - Rn. 11, [X.]E 136, 152; 21. März 2012 - 5 [X.] - Rn. 16, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto [X.]. 7 - jeweils mwN).

2. Diesem Erfordernis entspricht der Wortlaut des Antrags nicht. Doch steht zwischen den Parteien außer Streit, dass die Beklagte für den Kläger ein Arbeitszeitkonto führt, auf dem in der Spalte „gewichtete Zeiten“ auch Zeitzuschläge aufgenommen werden. Nach dem gesamten Klagevorbringen geht es dem Kläger darum, für die Feiertagsarbeit am 6. Januar 2010 auf dem Arbeitszeitkonto weitere vier Stunden in der Spalte „gewichtete Zeiten“ verbucht und damit den Saldo (Spalte „Diff.“) entsprechend erhöht zu erhalten. In dieser Auslegung ist das Leistungsbegehren des [X.] hinreichend bestimmt.

II. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine weitere Zeitgutschrift von vier Stunden für die am 6. Januar 2010 geleistete Feiertagsarbeit.

1. Der Kläger hat mit dem Gehalt für Januar 2010 unstreitig auch den 6. Januar 2010 vergütet erhalten. Rechtsgrundlage hierfür war für die Feiertagsarbeit von vier Stunden § 611 Abs. 1 BGB, für die wegen des Feiertags ausgefallenen vier Stunden § 2 Abs. 1 [X.].

Daneben kann der Kläger nach § 9 [X.]. 8 Satz 3 iVm. [X.]. 10 [X.] für die Feiertagsarbeit einen (Zeit-)Zuschlag von 150 % beanspruchen. Insoweit besteht zwischen den Parteien kein Streit. Diesen Anspruch hat die Beklagte erfüllt, § 362 Abs. 1 BGB. Für vier Stunden Feiertagsarbeit beträgt der Zuschlag nach § 9 [X.]. 8 Satz 3 iVm. [X.]. 10 [X.] sechs Stunden. Diese hat die Beklagte unstreitig auf dem Arbeitszeitkonto des [X.] gutgeschrieben.

2. Dass der tarifliche [X.] - so die Revision - nicht für den Ausgleich des „Verlustes“ der Entgeltzahlung an [X.] „verbraucht“ werden dürfte, ergibt sich weder aus dem Wortlaut der Tarifnorm noch dem tariflichen Gesamtzusammenhang.

a) Nach dem Wortlaut des § 9 [X.]. 8 Satz 3 [X.] wird Arbeit an gesetzlichen [X.] mit einem Zuschlag vergütet. Auch die anderen Zuschlagstatbestände des § 9 knüpfen an „Arbeit“ an - nämlich an Mehrarbeit, Nachtarbeit, Sonntagsarbeit - und machen damit deutlich, dass die Zuschlagspflicht, wenn schon nicht tatsächlich geleistete Arbeit, so zumindest eine Arbeitspflicht an den betreffenden Tagen bzw. Tageszeiten voraussetzt. Das bestätigt § 15 [X.]. 2 [X.], der bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nur Mehrarbeitszuschläge von dem trotz Wegfall der Arbeitspflicht fortzuzahlenden Arbeitsentgelt ausnimmt (vgl. zur Fortzahlung von [X.] im Krankheitsfall, [X.] 1. Dezember 2004 - 5 [X.] - zu II 4 b der Gründe, [X.] EntgeltFG § 4 [X.]. 68 = EzA EntgeltfortzG § 4 Tarifvertrag [X.]. 52). Eine entsprechende Regelung zur Entgeltfortzahlung an [X.] enthält der [X.] nicht. Es fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, die Tarifvertragsparteien hätten auch die Nichtarbeit wegen eines Feiertags zuschlagspflichtig machen und über § 2 Abs. 1 [X.] hinaus den tariflichen [X.] in die Entgeltzahlung an [X.] einbeziehen wollen.

b) Darüber hinaus spricht die Höhe des tariflichen Zuschlags für Arbeit an [X.] sogar dafür, dass die Tarifvertragsparteien den „Verlust“ der Entgeltzahlung an [X.] „eingerechnet“ haben. Anderenfalls wäre, gemessen an dem Zweck, durch einen Zuschlag die Lästigkeit von Arbeit an den für die Mehrheit der Arbeitnehmer - immer noch - arbeitsfreien Sonn- und [X.] auszugleichen (und für den Arbeitgeber zu verteuern), nicht recht verständlich, warum die Tarifvertragsparteien für Arbeit an einem [X.] einen Zuschlag von 150 %, für die Arbeit an einem Sonntag aber nur einen solchen von 50 % gewähren. Ein anderer [X.] als die Berücksichtigung des Umstands, dass der Feiertagsarbeit leistende Arbeitnehmer auch ohne Feiertagsarbeit nach § 2 Abs. 1 [X.] die auf den Feiertag entfallende Vergütung erhalten hätte, ist nicht ersichtlich und vom Kläger auch nicht aufgezeigt.

Im Übrigen leidet die Argumentation des [X.] an der Vorstellung, Entgeltfortzahlung am Feiertag stünde auch dem Arbeitnehmer zu, der an einem gesetzlichen Feiertag arbeitet. Dem ist nicht so. Anspruch auf Entgeltzahlung nach § 2 Abs. 1 [X.] hat nur derjenige Arbeitnehmer, bei dem Arbeitszeit an einem gesetzlichen Feiertag ausfällt (so - zum Feiertagslohnzahlungsgesetz - schon [X.] 5. Februar 1965 - 3 [X.] - zu 2 der Gründe, [X.] FeiertagslohnzahlungsG § 1 [X.]. 17; im Übrigen allgemeine Ansicht, vgl. nur [X.] 12. Dezember 2001 - 5 [X.] 1 a der Gründe, [X.]E 100, 124; [X.]/[X.] 12. Aufl. § 2 [X.] Rn. 7; [X.]/[X.] 5. Aufl. § 2 [X.] Rn. 13; [X.] [X.] 7. Aufl. § 2 Rn. 34 - jeweils mwN). Ohne die Regelung des § 9 [X.] 8 Satz 3 [X.] hätte der Kläger für die geleistete Feiertagsarbeit nur Vergütung nach § 611 Abs. 1 BGB erhalten ohne Rücksicht darauf, dass er - wäre er nicht zur Arbeit herangezogen worden - nach § 2 Abs. 1 [X.] Entgeltzahlung in gleicher Höhe bekommen hätte.

3. Zu Recht weist das [X.] darauf hin, dass es der Sache nach dem Kläger, wie das Geltendmachungsschreiben vom 11. Januar 2010 zeigt, um einen in Form einer Zeitgutschrift bezahlten [X.] für die Feiertagsarbeit geht. Ein solcher Anspruch ergibt sich aber weder aus dem [X.] noch dem [X.].

a) Der [X.] iSd. § 11 Abs. 3 Satz 2 [X.] ist nicht notwendigerweise ein zusätzlicher bezahlter freier Tag. Der Arbeitnehmer muss lediglich im Ausgleichszeitraum für den gearbeiteten [X.] einen [X.], also einen Tag ohne Arbeit, erhalten. Das kann auch ein ohnehin arbeitsfreier Werktag sein, eine bezahlte Freistellung an einem Beschäftigungstag verlangt das Gesetz nicht ([X.] 12. Dezember 2001 - 5 [X.] 1 a der Gründe mwN, [X.]E 100, 124; 23. März 2006 - 6 AZR 497/05 - [X.] [X.] § 11 [X.]. 3 = EzA [X.] § 12 [X.]. 1; 13. Juli 2006 - 6 [X.] - [X.] MTArb § 15 [X.]. 1; ebenso die ganz herrschende Auffassung im Schrifttum, vgl. nur [X.]/[X.] 12. Aufl. § 11 [X.] Rn. 3; [X.]/[X.] 5. Aufl. § 2 [X.] Rn. 13; [X.]/[X.] [X.] 3. Aufl. § 11 Rn. 30 f.; [X.]/[X.] 7. Aufl. § 11 Rn. 6a). Dass er einen solchen [X.] nicht innerhalb des [X.] erhalten hätte, hat der Kläger nicht behauptet. Im Übrigen würde es sein Klagebegehren auch nicht tragen.

b) Der [X.] enthält weder eine Regelung noch Anhaltspunkte dafür, dass die an einem [X.] geleistete Arbeit neben dem - in Freizeit abgeltbaren - [X.] nach § 9 [X.]. 8 Satz 3 [X.] zusätzlich und über § 11 Abs. 3 Satz 2 [X.] hinausgehend mit einem bezahlten [X.] ausgeglichen werden soll. Das Fehlen eines entsprechenden Normsetzungswillens lässt zudem die ausdrückliche und abschließende Regelung der Tatbestände einer bezahlten Freistellung in § 14 [X.]. 2 [X.] deutlich erkennen.

III. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    Mandrossa    

        

    [X.]    

        

        

Meta

5 AZR 727/11

19.09.2012

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Bayreuth, 17. Juni 2010, Az: 2 Ca 251/10, Urteil

§ 1 Abs 1 TVG, § 11 Abs 3 S 2 ArbZG, § 2 Abs 1 EntgFG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.09.2012, Az. 5 AZR 727/11 (REWIS RS 2012, 3077)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 3077

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Referenzen
Wird zitiert von

2 Sa 391/17

5 Ca 363/16

9 Sa 715/16

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