Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 20.08.2014, Az. 3 B 72/13

3. Senat | REWIS RS 2014, 3425

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Gegenstand

Verfahrensmangel; anderweitige Rechtshängigkeit; Begründungspflicht


Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs [X.] vom 20. November 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 1 529 730 € festgesetzt.

Gründe

1

Die Klägerin begehrt von dem beklagten Land die Gewährung erhöhter [X.] für Investitionskosten nach § 16 Abs. 2 des [X.] ([X.]). In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat die Klägerin ihr [X.]egehren auf den Förderzeitraum vom 25. September 2006 (Inbetriebnahme der Klinik) bis 31. Dezember 2009 beschränkt. Die Klage ist mit Urteil vom 3. Mai 2010 abgewiesen worden ([X.]). Im [X.]erufungsverfahren hat die Klägerin den Klageantrag geändert und die unbefristete Gewährung einer [X.] in Höhe von jährlich 509 910 € ab dem 25. September 2006 beansprucht. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 19. Dezember 2012 (9 S 1181/10) das Verfahren abgetrennt, soweit die Klägerin [X.] nach § 16 Abs. 2 [X.] über den 31. Dezember 2009 hinaus erstrebt, und die [X.]erufung im Übrigen zurückgewiesen. Die [X.]eschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Senat mit [X.]eschluss vom heutigen Tag zurückgewiesen ([X.]VerwG 3 [X.] 50.13).

2

In dem abgetrennten, unter dem Aktenzeichen - 9 S 2474/12 - fortgeführten Verfahren hat der Verwaltungsgerichtshof durch [X.]eschluss gemäß § 130a VwGO die [X.]erufung der Klägerin zurückgewiesen. Zur [X.]egründung hat er ausgeführt, die Klage auf [X.]ewilligung von [X.] nach § 16 Abs. 2 [X.] ab dem 1. Januar 2010 sei wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig. Als die Klägerin durch die Antragstellung in der [X.]erufungsverhandlung (9 S 1181/10) am 5. Dezember 2012 die Klage konkludent erweitert habe, sei der Anspruch bereits beim Verwaltungsgericht anhängig gewesen.

3

Die [X.]eschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem [X.]eschluss hat Erfolg. Zwar weist die Rechtssache nicht die geltend gemachte grundsätzliche [X.]edeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf (1.). Die angegriffene Entscheidung beruht jedoch auf einem Verfahrensmangel, der gemäß § 133 Abs. 6 VwGO zur Zurückverweisung des Rechtsstreits führt (2.).

4

1. Die von der Klägerin als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnete Frage,

"ob es mit dem Wesen der [X.] (nach § 16 Abs. 2 S. 2 [X.]) vereinbar ist, dass die ([X.] nach neuen [X.]edarfskriterien zu berechnen ist",

rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die [X.]eschwerde bezeichnet keine Frage des revisiblen Rechts, die dem Revisionsgericht Gelegenheit zu einer weitergehenden Klärung bieten könnte. [X.]ei § 16 Abs. 2 [X.] handelt es sich um eine Norm des irrevisiblen Landesrechts, auf deren Verletzung die Revision nicht gestützt werden kann (§ 137 Abs. 1 VwGO). [X.] Klärungsbedarf lässt sich dem [X.]eschwerdevorbringen auch nicht entnehmen, soweit die Klägerin unter Anknüpfung an ihren Vortrag im [X.]eschwerdeverfahren - [X.]VerwG 3 [X.] 50.13 - beanstandet, dass die berufungsgerichtliche Auslegung des Landesrechts mit § 9 Abs. 3 [X.] unvereinbar sei. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat zur weiteren [X.]egründung [X.]ezug auf seine Ausführungen im [X.]eschluss vom heutigen Tag im Verfahren - [X.]VerwG 3 [X.] 50.13 -, die hier entsprechend gelten.

5

2. Es liegt aber ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vor, auf dem der angegriffene [X.]eschluss beruht.

6

a) Der Verfahrensmangel besteht allerdings nicht in einer Verletzung von § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Zu Unrecht sieht die Klägerin einen Verstoß gegen die [X.]egründungspflicht darin, dass der [X.]eschluss weder erkennen lasse, welches verwaltungsgerichtliche Urteil [X.]erufungsgegenstand sei, noch darlege, weshalb die dagegen eingelegte [X.]erufung keinen Erfolg habe. Nach § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind in dem Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Das verlangt, dass in den Entscheidungsgründen die tatsächlichen Umstände und rechtlichen Erwägungen wiedergegeben werden, die das Gericht bestimmt haben, die Voraussetzungen für seine Entscheidung als erfüllt anzusehen. Das Urteil muss erkennen lassen, dass das Gericht den ermittelten Tatsachenstoff wertend gesichtet und in welchen konkreten [X.]ezug es ihn zu den angewandten Rechtsnormen gesetzt hat. Ein rügefähiger Verfahrensmangel liegt vor, wenn das Gericht auf ein zentrales und entscheidungserhebliches Vorbringen in den Urteilsgründen nicht eingeht und auch nicht angibt, weshalb es dem Vortrag nicht folgt. Die [X.]egründungspflicht ist überdies immer dann verletzt, wenn die Entscheidungsgründe rational nicht nachvollziehbar, sachlich inhaltslos oder sonst unbrauchbar sind (stRspr; vgl. [X.]eschlüsse vom 1. Juni 2010 - [X.]VerwG 6 [X.] 77.09 - juris Rn. 15 und vom 22. Oktober 2009 - [X.]VerwG 5 [X.] 51.09 - [X.] 2010, 31 = juris Rn. 24 m.w.[X.]). Danach verstößt die angegriffene Entscheidung nicht gegen § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Ihr ist ohne Weiteres zu entnehmen, auf welche Gesichtspunkte das [X.]erufungsgericht die Klageabweisung gestützt hat. In den Gründen zu [X.] ist auch die Prozessgeschichte ausführlich dargelegt, die erhellt, welches erstinstanzliche Urteil dem [X.]erufungsverfahren zugrunde liegt. Dass sich der angefochtene [X.]eschluss nicht weiter mit den Entscheidungsgründen des Urteils vom 3. Mai 2010 auseinandersetzt, begründet keinen Verfahrensmangel. Über den im abgetrennten Teil des [X.]erufungsverfahrens inmitten stehenden Klaganspruch hatte das Verwaltungsgericht nicht zu entscheiden, weil er nicht Gegenstand des in der mündlichen Verhandlung gestellten [X.] war. Demzufolge verhält sich das erstinstanzliche Urteil dazu nicht. Soweit die Klägerin das Fehlen eines Urteils beanstandet, "gegen das sich ihre [X.]erufung richte", ist dies eine prozessuale Folge der (zulässigen) Klageänderung und der (zulässigen) Verfahrenstrennung.

7

b) Die Klägerin rügt aber im Ergebnis zu Recht, dass der Verwaltungsgerichtshof die Klage nicht als unzulässig ansehen und jedenfalls deswegen nicht die [X.]erufung zurückweisen durfte. Entgegen der Auffassung des [X.]erufungsgerichts scheitert die Zulässigkeit des Klagebegehrens nicht daran, dass beim Verwaltungsgericht ein identischer prozessualer Anspruch rechtshängig ist (§ 17 Abs. 1 Satz 2 GVG), sodass der Zurückweisung der [X.]erufung ein Verfahrensmangel zugrunde liegt.

8

Es ist schon zweifelhaft, ob der Streitgegenstand der von der Klägerin beim [X.] geführten Klagen - 2 K 1711/10, 2 K 2022/11 und 2 K 1664/12 - mit dem beim [X.]erufungsgericht verfolgten Anspruch (teil-)identisch ist. Jene Klagen richten sich gegen die [X.]escheide des [X.]eklagten vom 29. Juni 2010, 29. Juni 2011 und 29. Juni 2012, mit denen der Klägerin [X.] nach § 15 [X.] für die Jahre 2010 bis 2012 gewährt worden ist. Die [X.]escheide enthalten keine Ausführungen zur Frage der [X.]ewilligung von [X.] nach § 16 Abs. 2 [X.]. Soweit die Klägerin bei Erhebung der Klagen darauf verwiesen hat, diese richteten sich dagegen, dass dem im November 2007 gestellten Antrag auf (Ausnahme-)[X.] nach § 16 Abs. 2 [X.] für das [X.] nicht entsprochen worden sei, lässt auch dies nicht ohne Weiteres auf einen identischen Streitgegenstand schließen. Die Klägerin hat erklärt, die Klagen seien "vorsorglich" erhoben worden, um zu verhindern, dass die angefochtenen [X.]escheide bestandskräftig würden; denn wie das [X.]eispiel des [X.] vom 21. September 2009 zeige, sei nicht auszuschließen gewesen, dass der [X.]eklagte später geltend machen könnte, mit den [X.]escheiden sei konkludent die [X.]ewilligung von [X.] nach § 16 Abs. 2 [X.] abgelehnt worden. Zu diesen Erwägungen passt, dass die Klägerin in den drei Verfahren von der Formulierung eines Klageantrags abgesehen sowie unter Hinweis auf das beim Verwaltungsgerichtshof anhängige [X.]erufungsverfahren - 9 S 1181/10 - beantragt hat, die Verfahren zum Ruhen zu bringen.

9

Jedenfalls steht der Gesichtspunkt der anderweitigen Rechtshängigkeit der Zulässigkeit des im [X.]erufungsverfahren verfolgten Anspruchs nicht entgegen, weil er zeitlich vor Erhebung der Klagen beim Verwaltungsgericht anhängig gemacht worden ist. Die Klägerin weist zutreffend darauf hin, dass sie den Anspruch bereits mit dem [X.]erufungsschriftsatz vom 23. Juni 2010 (eingegangen bei Gericht am 24. Juni 2010) auf den Förderzeitraum ab dem 1. Januar 2010 erstreckt hat. Mit dieser Prozesserklärung ist der erweiterte Streitgegenstand rechtshängig geworden (vgl. [X.], in: [X.], VwGO, 13. Aufl., § 91 Rn. 25, 35, 39; [X.]/Riese, in: [X.]/[X.]/[X.]ier, VwGO, [X.]and II, Stand März 2014, § 91 Rn. 79). Somit ist allenfalls den drei zeitlich später beim Verwaltungsgericht erhobenen Klagen der Einwand der doppelten Rechtshängigkeit entgegen zu halten.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG (509 910 € x 3 [2010-2012]).

Meta

3 B 72/13

20.08.2014

Bundesverwaltungsgericht 3. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 20. November 2013, Az: 9 S 2474/12, Beschluss

§ 108 Abs 1 S 2 VwGO, § 17 Abs 1 S 2 GVG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 20.08.2014, Az. 3 B 72/13 (REWIS RS 2014, 3425)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 3425

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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