Bundespatentgericht, Beschluss vom 02.10.2013, Az. 26 W (pat) 16/11

26. Senat | REWIS RS 2013, 2282

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "VRN" – Freihaltungsbedürfnis – keine Unterscheidungskraft


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2008 080 073.9

hat der 26. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 2. Oktober 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] [X.] sowie [X.] und Hermann

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 39 des [X.] vom 3. Dezember 2009 und 5. Januar 2011 aufgehoben.

Gründe

I

1

Die Markenstelle für Klasse 39 des [X.] hat die Anmeldung der für die Dienstleistungen

2

„Klasse 35: Marketing; Werbung; Öffentlichkeitsarbeit; betriebswirtschaftliche Beratung, Beratung bei der Organisation und Führung von Unternehmen;

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Klasse 39: Beförderung von Personen, vorzugsweise im öffentlichen Personennahverkehr; Veranstaltung von Reisen und Ausflugsfahrten; Dienstleistungen eines Verkehrs- und Reisebüros, ausgenommen Zimmerreservierung in Hotels und Pensionen“

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bestimmten Marke

5

[X.]

6

mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist,  gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 [X.] zurückgewiesen, weil es sich  bei der angemeldeten Marke um die Abkürzung der für die beanspruchten Dienstleistungen beschreibenden Angabe „[X.]“ handele, die ebenso wie die beschreibende Angabe selbst zur Bezeichnung der Art und der Bestimmung der beanspruchten Dienstleistungen geeignet sei und der deshalb auch jegliche Unterscheidungskraft fehle. Der Begriff „[X.]“ bezeichne gemäß [X.] einen Verbund verschiedener Verkehrsbetriebe und weise auf das Tätigkeitsfeld des Zeichenverwenders, nämlich Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Organisation und Leitung des Verkehrs, hin. Bei dem weiteren Markenbestandteil „[X.]“, der einen bedeutenden Wirtschaftsraum in [X.] bezeichne, handele es sich um eine geografische Herkunfts- bzw. Bestimmungsangabe. Die Kombination der schutzunfähigen Wortbestandteile führe zu keinem über die bloße Zusammenfügung der beschreibenden Einzelelemente hinausgehenden Gesamtbegriff und sei ebenfalls zur Beschreibung der beanspruchten Dienstleistungen geeignet. Gleiches gelte für die im [X.] der Abkürzungen als solche für den [X.] verzeichnete  Buchstabenfolge „[X.]“. Diese sei auch nicht zu ungenau, um als beschreibende Angabe dienen zu können. Die faktisch bestehende Monopolstellung der Anmelderin in der Region „[X.]“ sei angesichts der Liberalisierung der Märkte unerheblich, weil zukünftig weitere Anbieter von Verkehrsleistungen in dieser Region auf den Markt treten könnten, so dass jedenfalls ein zukünftiges Freihaltungsbedürfnis an der angemeldeten Abkürzung bestehe. Soweit die Anmelderin geltend mache, dass die Buchstabenfolge „[X.]“ zugleich auch die Abkürzung weiterer Begriffe sei, reiche diese Mehrdeutigkeit nicht aus, um das Allgemeininteresse an ihrer Freihaltung zu verneinen, weil ein Zeichen bereits dann von der Eintragung ausgeschlossen sei, wenn es zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der in Frage stehenden Dienstleistungen bezeichne. Auch eine schutzbegründende Ungenauigkeit liege nicht vor, weil die angemeldete Abkürzung für maßgebliche Teile des Verkehrs in Verbindung mit den beanspruchten Dienstleistungen in seiner beschreibenden Bedeutung eindeutig verständlich sei. Deshalb sei die angemeldete Buchstabenfolge auch nicht geeignet, die Funktion eines betrieblichen [X.] zu erfüllen. Letztlich könne auch die Berufung der Anmelderin auf ihrer Ansicht nach vergleichbare Voreintragungen der Marke nicht zur Eintragung verhelfen.

7

Dagegen wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde. Sie ist der Ansicht, der angemeldeten Marke könne in Verbindung mit den beanspruchten Dienstleistungen kein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsgehalt zugeordnet werden. Der bundesweite Durchschnittsverbraucher werde der angemeldeten Marke im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen keinen beschreibenden Hinweis entnehmen, da er die Buchstabenfolge „[X.]“ nicht als Abkürzung der Bezeichnung „[X.]“ kenne. Selbst die Fahrgäste des öffentlichen Personennahverkehrs im [X.]-Raum würden die Buchstabenfolge „[X.]“ nicht kennen, weil die Verkehrsmittel in diesem Raum nicht mit der angemeldeten Marke, sondern mit den Kürzeln der dort tätigen, zum [X.] gehörenden einzelnen [X.] versehen seien. Bei dieser Sachlage bestehe kein Freihaltungsbedürfnis an der angemeldeten Buchstabenfolge. Dies gelte insbesondere für die beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 35, zu denen die Buchstabenfolge „[X.]“ und die ihr zugrunde liegende Bezeichnung „[X.]“ keinen beschreibenden Bezug aufwiesen.

8

Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

9

die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 39 des [X.] vom 3. Dezember 2009 und 5. Januar 2011 aufzuheben.

II

Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist begründet. Bei der angemeldeten Marke handelt es sich weder um eine die beanspruchten Dienstleistungen beschreibende und deshalb freihaltungsbedürftige Angabe i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] noch fehlt ihr für die beanspruchten Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]).

Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] sind solche Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können, für die sie eingetragen werden sollen. Diese auf Art. 3 Abs. 1 Buchst. [X.] [X.] beruhende Vorschrift verfolgt das im Allgemeininteresse liegende Ziel, dass beschreibende Zeichen oder Angaben im Sinne der Bestimmung von jedermann frei verwendet werden können ([X.] GRUR 2004, 674 – Postkantoor; [X.], 278 – [X.]). Unerheblich ist dabei, ob das fragliche Zeichen oder die fragliche Angabe in ihrer beschreibenden Bedeutung bereits im Verkehr bekannt ist oder bereits beschreibend verwendet wird. Vielmehr ist die Eintragung eines Zeichens bzw. einer Angabe bereits dann zu versagen, wenn sie zur Beschreibung einer Ware oder Dienstleistung verwendet werden kann (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. [X.] GRUR 2010, 534 – Pranahaus).

Die Eignung zur Beschreibung ist bei Buchstabenverbindungen zu bejahen, sofern diese als unmittelbar beschreibende Angaben für die beanspruchten Waren/Dienstleistungen in Betracht kommen. Das gilt vor allem für Buchstaben als Abkürzungen beschreibender Angaben, aber nur insoweit, als sie aus sich heraus für die beteiligten Verkehrskreise verständlich sind und deshalb ebenso wie die betreffende vollständige beschreibende Angabe beschreibend eingesetzt werden können (ständige Rechtsprechung; vgl. z. B. [X.] GRUR 2006, 229 – BioID; [X.] PAVIS PROMA I ZR 082/08, Urteil vom 14.01.2010 – [X.][X.][X.]P; [X.], 242, 243 – ID; [X.]. 2004, 328 – TDI).

Hiervon ausgehend fehlt der angemeldeten Buchstabenfolge die [X.] § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.]. Die Markenstelle hat in den angegriffenen Beschlüssen lediglich festgestellt, dass die angemeldete Buchstabenfolge u. a. die Abkürzung der beschreibenden Angabe „[X.]“ darstellt und als solche in dem [X.] verzeichnet ist. Es fehlt jedoch an Feststellungen dazu, dass und in welchem Umfang die angemeldete Buchstabenfolge für die von den Dienstleistungen der Anmeldung angesprochenen inländischen Verkehrskreise, wobei es sich um die Endverbraucher und die Konkurrenten der Anmelderin im gesamten [X.] handelt, aus sich heraus – also ohne Zusatz der zugrundeliegenden beschreibenden Angabe – als beschreibende Angabe verständlich ist und sich deshalb ebenso wie die beschreibende Angabe selbst zur Bezeichnung von Eigenschaften der beanspruchten Dienstleistungen eignet. Die bloße Aufnahme einer Buchstabenfolge in ein Abkürzungsverzeichnis vermag diese Feststellung nicht zu ersetzen, da [X.], und insbesondere auch das [X.] der Abkürzungen, eine sehr große Zahl von Abkürzungen enthalten, von denen selbst dem Fachverkehr, aber erst recht dem Endabnehmer der Waren und Dienstleistungen nur ein Teil bekannt ist. Ohne die Feststellung der Bekanntheit oder Verständlichkeit der hier beanspruchten Buchstabenfolge als beschreibende Angabe für die in der Anmeldung aufgeführten Dienstleistungen kann deren Eignung als beschreibende Angabe und damit auch ein Allgemeininteresse an der Freihaltung dieser Buchstabenfolge nicht begründet werden. Eine Bekanntheit der Buchstabenfolge „[X.]“ lässt sich aber weder für das gesamte [X.] noch für einen überwiegenden oder großen, maßgeblichen Teil des [X.]s feststellen. Vielmehr eignet sich die Buchstabenfolge „[X.]“ in weiten Teilen [X.]s nicht als beschreibende Angabe für die beanspruchten Dienstleistungen. Auch im [X.]-Raum wird sie nicht als Abkürzung einer beschreibenden Angabe, sondern als Hinweis auf das Unternehmen der Anmelderin verstanden, das sie benutzt. Das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] steht der Eintragung der angemeldeten Marke daher nicht entgegen.

Der angemeldeten Marke fehlt für die beanspruchten Dienstleistungen auch nicht jegliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]).

Unterscheidungskraft im Sinne der genannten Vorschrift ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, die Waren und Dienstleistungen, für welche die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Waren und Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten. Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft ist auf die mutmaßliche Wahrnehmung eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ([X.]  GRUR 2006, 850 - [X.]). [X.] eine angemeldete Wortmarke einen beschreibenden Begriffsgehalt auf, der für die in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen ohne weiteres und ohne Unklarheiten als solcher erfasst wird, ist ihr die Eintragung als Marke wegen Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft zu versagen ([X.] GRUR 2004, 680 – [X.]; [X.] GRUR 2001, 1151, 1152 – marktfrisch).

Die Verbindung mehrerer Buchstaben kann schon deshalb unterscheidungskräftig sein, weil der Verkehr durch zahlreiche entsprechend gebildete Firmenbezeichnungen daran gewöhnt ist, solche Kombinationen als betriebskennzeichnend aufzufassen. Diese gebräuchliche Verwendung von Buchstabenverbindungen spricht daher eher für deren Unterscheidungskraft als dagegen ([X.] GRUR 2001, 344, 345 – [X.]; GRUR 2002, 1067, 1068 f. – [X.]/OKV).

Da die angemeldete Marke im Inland als Abkürzung der Bezeichnung „[X.]“ weitgehend unbekannt ist und – soweit sie bekannt ist – eher als Abkürzung des Unternehmens der Anmelderin und damit als Hinweis auf ein einzelnes Unternehmen verstanden wird, kann ihr nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden. Der Beschwerde ist daher stattzugeben.

Meta

26 W (pat) 16/11

02.10.2013

Bundespatentgericht 26. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 02.10.2013, Az. 26 W (pat) 16/11 (REWIS RS 2013, 2282)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2282

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