Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.07.2014, Az. 3 StR 140/14

3. Strafsenat | REWIS RS 2014, 4157

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Gegenstand

Beweisaufnahme im Strafverfahren: Ablehnung eines Beweisantrags wegen Bestehens eines Beweisverwertungsverbots; erforderliche Darlegung der Fehlerhaftigkeit der Beweisablehnung in der Revisionsbegründung


Tenor

Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des [X.] vom 28. Oktober 2013 wird verworfen.

Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Erwerbs von Betäubungsmitteln in dreizehn Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 30 € verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit einer Verfahrensrüge gegen den Teilfreispruch. Daneben beanstandet sie mit der Sachrüge die Strafzumessungserwägungen des [X.]s. Das vom [X.] bezüglich des Angriffs gegen den Teilfreispruch vertretene Rechtsmittel bleibt insgesamt ohne Erfolg.

2

Nach den Feststellungen kaufte der Angeklagte von Januar bis März 2013 bei dem früheren Mitangeklagten [X.] in insgesamt dreizehn Fällen zwischen zwei und fünfzehn Gramm Marihuana überwiegend zum Eigenkonsum.

3

Mit der Anklage war ihm darüber hinaus zur Last gelegt worden, dem [X.] zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln Beihilfe geleistet zu haben, indem er diesem die von ihm selbst angemietete Wohnung im [X.] in M. als Drogenbunker zur Verfügung gestellt habe. Von diesem Vorwurf hat das [X.] den Angeklagten freigesprochen und zur Begründung ausgeführt, zu den in der genannten Wohnung sichergestellten Betäubungsmitteln und sonstigen Gegenständen hätten keine Feststellungen getroffen werden können. Insoweit bestehe ein Beweisverwertungsverbot, das auch die polizeilichen Einlassungen des Angeklagten und [X.]     s umfasse.

4

I. Die Staatsanwaltschaft wendet sich gegen den freisprechenden Teil des Urteils mit der Beanstandung, das [X.] habe mehrere Beweisanträge zu Unrecht zurückgewiesen (§ 244 Abs. 3 [X.]). Die Rüge dringt nicht durch, denn sie ist nicht in zulässiger Weise erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 [X.]).

5

1. Folgendes Verfahrensgeschehen liegt zugrunde:

6

Die Staatsanwaltschaft hat die Vernehmung mehrerer Polizeibeamter, welche die Wohnung des Angeklagten durchsucht und danach den Angeklagten sowie [X.] vernommen haben, und die Verlesung eines Wirkstoffgutachtens des [X.] zum Beweis dessen beantragt, was bei der Durchsuchung sichergestellt und in den anschließenden Vernehmungen angegeben wurde. Das [X.] hat diese Anträge durch Beschluss mit der Begründung abgelehnt, die begehrte Beweiserhebung sei unzulässig (§ 244 Abs. 3 Satz 1 [X.]).

7

2. Die Beschwerdeführerin hat mit ihrer Revisionsbegründung lediglich die Beweisanträge und den diese zurückweisenden Beschluss des [X.]s mitgeteilt. Dies genügt hier den sich aus § 344 Abs. 2 Satz 2 [X.] ergebenden Anforderungen nicht.

8

a) Die Fehlerhaftigkeit des die Beweisanträge zurückweisenden Beschlusses ergibt sich nicht bereits allein aus dessen Begründung, so dass die Vorlage weiteren Verfahrensstoffes durch den [X.] nicht bereits aus diesem Grunde entbehrlich ist.

9

aa) Das [X.] hat ein Beweisverwertungsverbot angenommen und auf dieser Grundlage zutreffend die beantragte Beweiserhebung als unzulässig im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 1 [X.] bewertet ([X.], Urteil vom 29. April 2010 - 3 [X.]/10 juris Rn. 10).

bb) Der Umfang der Beschlussbegründung ist nicht zu beanstanden.

Die Begründung des Beschlusses, mit dem ein Beweisantrag zurückgewiesen wird, soll zum einen den Antragsteller davon unterrichten, wie das Gericht das Begehren beurteilt, damit er in der Lage ist, sich auf die Verfahrenslage einzustellen, die durch die Antragsablehnung entstanden ist. Zum anderen soll dem Revisionsgericht die rechtliche Überprüfung der Ablehnung ermöglicht werden (st. Rspr.; vgl. etwa [X.]/[X.], [X.], 57. Aufl., § 244 Rn. 41a mwN). Dies gilt auch im Rahmen des § 244 Abs. 3 Satz 1 [X.] (aA möglicherweise noch [X.]/[X.], [X.] im Strafprozess, 5. Aufl., [X.], wonach ein "kurzer Hinweis" genüge; vgl. hierzu [X.]/[X.], [X.], 26. Aufl., § 244 Rn. 201).

Dem wird der Beschluss des [X.]s gerecht. Die [X.] hat ausgeführt, die Beweismittel beruhten auf dem Ergebnis der ohne die erforderliche richterliche Anordnung durchgeführten Wohnungsdurchsuchung. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme habe kein Grund zu der Annahme bestanden, es liege Gefahr im Verzug vor. Aufgrund der willkürlichen, bewussten und groben Missachtung des [X.] bestehe hinsichtlich der gewonnenen Beweismittel ein Verwertungsverbot. Dieses betreffe sowohl die bei der Durchsuchung gewonnenen Beweismittel als auch die auf Vorhalt der [X.] ohne "qualifizierte" Belehrung gegenüber den Vernehmungsbeamten gemachten Angaben. Damit war für die Verfahrensbeteiligten ausreichend erkennbar, aus welchen Gründen das Tatgericht die begehrte Beweiserhebung für unzulässig hielt. Sie konnten ihr weiteres Prozessverhalten darauf einstellen und insbesondere auch erwägen, weitere ([X.] zu den Umständen der Wohnungsdurchsuchung zu stellen. Zur angemessenen Wahrung ihrer Rechte war es insbesondere nicht erforderlich, dass das [X.] die nach seiner Auffassung zur Annahme eines Beweisverwertungsverbotes führende Würdigung des Verfahrensstoffes im Einzelnen darlegte. Dies war auch nicht nötig, um eine revisionsrechtliche Überprüfung zu ermöglichen, denn das Revisionsgericht hat zu der Frage, ob ein Beweisverwertungsverbot vorliegt, - anders als bei der revisionsrechtlichen Überprüfung der im Wege des [X.] gewonnenen Umstände, auf deren Grundlage das Tatgericht über den Schuldspruch und die daran anknüpfenden Rechtsfolgen zu entscheiden hat - nicht lediglich diese Würdigung auf Rechtsfehler zu überprüfen, sondern selbst im Wege des [X.] festzustellen, ob der behauptete Verfahrensfehler vorliegt (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 22. Februar 1978 - 2 StR 334/77, NJW 1978, 1390; [X.][X.], aaO, § 244 Rn. 32).

b) Gemäß den danach geltenden allgemeinen Grundsätzen des § 344 Abs. 2 Satz 2 [X.] muss der Beschwerdeführer im Rahmen einer Verfahrensrüge die den geltend gemachten Verstoß enthaltenden Tatsachen grundsätzlich so vollständig und genau darlegen, dass das Revisionsgericht allein an Hand der Revisionsbegründung in die Lage versetzt wird, über den geltend gemachten Mangel endgültig zu entscheiden. Für den [X.] wesentliche Schriftstücke oder Aktenstellen sind im Einzelnen zu bezeichnen und - in der Regel durch wörtliche Zitate oder eingefügte Abschriften oder Ablichtungen -zum Bestandteil der Revisionsbegründung zu machen. [X.] der Beschwerdeführer die rechtsfehlerhafte Ablehnung von Beweisanträgen, so muss er, sofern sich die Fehlerhaftigkeit des Beschlusses nicht schon aus dessen Begründung ergibt, neben der Mitteilung von [X.] und Ablehnungsbegründung diejenigen weiteren Tatsachen darlegen, aus denen die Fehlerhaftigkeit des Ablehnungsbeschlusses folgt. Zum notwendigen vollständigen [X.] kann es deshalb erforderlich sein, Einzelheiten des [X.] mitzuteilen (st. Rspr.; vgl. etwa [X.]/[X.], aaO, § 244 Rn. 372 ff.; KK-Gericke, 7. Aufl., § 344 Rn. 38 ff., jeweils m. zahlr. w. N.).

Diesen Vorgaben ist die Beschwerdeführerin mit der Vorlage allein der Beweisanträge und des diese zurückweisenden Gerichtsbeschlusses nicht nachgekommen. Dem [X.] ist es nicht möglich, auf dieser Grundlage die erforderliche eigene umfassende Überprüfung des Verfahrens im Hinblick auf den behaupteten Rechtsfehler vorzunehmen. Dies beruht auf folgenden Erwägungen:

Der beanstandete Beschluss ist dann rechtsfehlerfrei, wenn die Ergebnisse der Wohnungsdurchsuchung sowie die Angaben des Angeklagten und des [X.] einem Beweisverwertungsverbot unterlagen. Deshalb ist zunächst zu beurteilen, ob die [X.] rechtsfehlerhaft war. Dies erfordert hier die Prüfung, ob die Voraussetzungen für die Annahme von Gefahr im Verzug vorlagen mit der Folge, dass eine richterliche Anordnung der Ermittlungsmaßnahme entbehrlich war (§ 105 Abs. 1 [X.]). Das setzt voraus, dass die richterliche Anordnung nicht eingeholt werden konnte, ohne dass der Zweck der Maßnahme gefährdet wurde, etwa weil der Verlust der Beweismittel drohte ([X.], Beschluss vom 11. August 2005 - 5 [X.], [X.]R [X.] § 105 Abs. 1 Durchsuchung 6; Beschluss vom 19. Januar 2010-3 [X.], [X.]R [X.] § 105 Abs. 1 Gefahr im Verzug 1). War die [X.] rechtswidrig, ist sodann zu prüfen, ob hieraus im konkreten Fall ein Beweisverwertungsverbot folgt. Dies ist nach den Umständen des Einzelfalles unter Abwägung aller maßgeblichen Gesichtspunkte und der widerstreitenden Interessen zu entscheiden. Bedeutsam ist dabei vor allem das Gewicht des in Rede stehenden [X.] (vgl. im Einzelnen [X.], Beschluss vom 9. November 2010 - 2 BvR 2101/09, [X.], 103, 104 Rn. 42 ff.; [X.], Urteil vom 14. August 2009 - 3 [X.], [X.]St 54, 69, 87; Urteil vom 20. Dezember 2012 - 3 [X.], [X.]St 58, 84, 96; für den Fall einer rechtsfehlerhaften Durchsuchung vgl. [X.], Beschluss vom 18. November 2003 - 1 [X.], [X.]R [X.] § 105 Abs. 1 Durchsuchung 4; Urteil vom 18. April 2007 - 5 StR 546/06, [X.]R [X.] § 105 Abs. 1 Durchsuchung 7; Beschluss vom 30. August 2011 - 3 [X.], [X.]R [X.] § 105 Abs. 1 Durchsuchung 8). Schließlich ist gegebenenfalls zu entscheiden, wie weit das möglicherweise vorliegende Beweisverwertungsverbot reicht. Dafür könnte hier etwa von Bedeutung sein, ob die [X.] dem Angeklagten und dem [X.] bei deren polizeilichen Vernehmung vorgehalten worden sind und dieser Vorhalt im Zusammenhang mit ihren Einlassungen steht, diese mithin von der rechtswidrigen Maßnahme unmittelbar beeinflusst worden sind (vgl. [X.], Urteil vom 6. August 1987 - 4 [X.], [X.]St 35, 32, 34). In diesem Fall würde der Annahme eines Verwertungsverbots bezüglich der polizeilichen Einlassung der Beschluss des [X.]s vom 16. Oktober 2007 (3 [X.]) nicht entgegen stehen; denn dieser betraf die Verwertbarkeit einer geständigen Einlassung, die der Angeklagte in der Hauptverhandlung abgegeben hatte und damit einen sich von der hiesigen Fallgestaltung wesentlich unterscheidenden Sachverhalt.

All diese Gesichtspunkte können vom [X.] ohne Kenntnis des die durchgeführte Durchsuchung und die anschließenden Vernehmungen betreffenden Akteninhalts nicht bewertet werden. So ist etwa der Inhalt der anlässlich der Durchsuchung gefertigten polizeilichen Vermerke sowohl für die Annahme von Gefahr im Verzug als auch für die Beurteilung des Gewichts eines eventuellen [X.] von wesentlicher Bedeutung.

c) Der Vortrag des maßgebenden Verfahrensstoffs durch die Revisions-führerin war auch nicht deshalb entbehrlich, weil sie auch die Sachrüge erhoben und das [X.] im Rahmen seiner schriftlichen Urteilsgründe nähere Ausführungen zu dem nach seiner Ansicht bestehenden Beweisverwertungsverbot gemacht hat (vgl. [X.], Urteil vom 23. September 1999 - 4 StR 189/99, [X.]St 45, 203, 204 f.; KK-Gericke, aaO, § 344 Rn. 39 mwN). Denn den vorliegenden Urteilsgründen können die maßgebenden [X.] jedenfalls nicht mit der erforderlichen Klarheit entnommen werden. Das [X.] hat lediglich die von ihm für wesentlich erachteten Beweisergebnisse dargestellt und in erster Linie unter deren Würdigung seine Auffassung begründet, es liege ein Beweisverwertungsverbot vor. Der [X.] hat indes - wie dargelegt - als Revisionsgericht eine eigene freibeweisliche Würdigung vorzunehmen. Hierzu ist im vorliegenden Fall aus den dargelegten Gründen die Kenntnisnahme des maßgebenden Akteninhalts durch ihn selbst unerlässlich; diese kann nicht durch die Darstellung vom [X.] ausgewählter Teile ersetzt werden. Auch der [X.] hat in seiner Antragsschrift auf bestimmte, die Vernehmungen betreffende tatsächliche Umstände abgestellt, die dem [X.] weder im Revisionsverfahren zur Kenntnis gebracht worden sind noch sich aus den schriftlichen Urteilsgründen ergeben (s. etwa Antragsschrift S. 8).

II. Bezüglich der Sachrüge, mit der die Revision die Strafzumessung angreift und dabei eine Verletzung des § 46 StGB geltend macht, ist das Rechtsmittel aus den in der Antragsschrift des [X.]s zutreffend ausgeführten Erwägungen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 [X.].

[X.]    

      

    Schäfer    

      

Mayer

      

Ri[X.] Gericke befindet sich
im Urlaub und ist daher
gehindert zu unterschreiben.

      

Spaniol    

      

      

[X.]

      

      

      

Meta

3 StR 140/14

10.07.2014

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Mönchengladbach, 28. Oktober 2013, Az: 21 KLs 23/13

§ 105 Abs 1 StPO, § 244 Abs 3 S 1 StPO, § 344 Abs 2 S 2 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.07.2014, Az. 3 StR 140/14 (REWIS RS 2014, 4157)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 4157

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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