Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.07.2020, Az. 6 StR 76/20

6. Strafsenat | REWIS RS 2020, 11439

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[X.]:[X.]:[X.]:2020:150720B6STR76.20.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
BESCHLUSS

6
StR 76/20

vom
15. Juli 2020
in der Strafsache
gegen

wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung
u.a.

-
2
-
Der 6.
Strafsenat des [X.] hat am 15. Juli 2020 auf Antrag des [X.] und nach Anhörung des Beschwerdeführers gemäß §
349 Abs.
2 und 4 [X.] beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 29. Oktober 2019 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a)
in den Fällen [X.] und 4 der Urteilsgründe;
b)
im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache
zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels und die dem Nebenkläger insoweit entstandenen not-wendigen Auslagen, an eine andere [X.] des Land-gerichts zurückverwiesen.
2.
Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen besonders schwerer [X.] Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, wegen [X.] besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit schwe-rer Körperverletzung und wegen
vorsätzlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Seine auf eine nicht
ausgeführte und damit nicht in zulässiger Weise erhobene Verfahrensrüge
(§ 344 Abs.
2 Satz 2 [X.]) sowie die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts 1
-
3
-
gestützte Revision hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen [X.]; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des §
349 Abs.
2 [X.].
1. Hinsichtlich der Fälle [X.] und 4 der Urteilsgründe besteht ein Verfah-renshindernis. Insoweit hat das [X.] als sachlich unzuständiges Gericht entschieden.
a) Folgendes Verfahrensgeschehen liegt zugrunde:
Die Staatsanwaltschaft hatte wegen dieser beiden Taten zunächst [X.] zum [X.] erhoben. Am ersten Hauptverhandlungstag hat das Amtsgericht das Verfahren ausgesetzt, weil es nach vorläufiger Beweisauf-nahme auch eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen räuberischer Erpressung für möglich gehalten und deshalb seine Strafgewalt als nicht ausreichend er-achtet hat. Mit [X.] Abs. 2, 225a Abs.

die Übernahme und Verbindung zu dem dort gegen den Angeklagten [X.] unter Verweis auf das beim [X.] anhängige Verfahren (Fälle II. 1 und 2 der Urteilsgründe)

Mit Beschluss vom 10. April 2019 ha
Wirkung eines Eröffnungsbeschlusses für das [X.] [X.]

[X.]

hat und dass das Verfahren beim [X.] [X.]

[X.]

unmit-

16. April 2019 hat es beide Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Ent-2
3
4
5
-
4
-
scheidung verbunden. Am ersten Hauptverhandlungstag hat es ausweislich der Sitzungsniederschrift neben

[X.] zur Entscheidung über die Übernahme und Verbindung zu dem anhängi-

b)
Der [X.] hat hierzu in seiner Antragsschrift vom 18.
Juni 2020 ausgeführt:

ses des [X.]) vom 14. März 2019 zustän-dig geworden, war rechtsfehlerhaft. Nach der verfahrensrechtli-chen Situation handelte es sich um einen Vorlagebeschluss ge-mäß § 225a Abs.
1 Satz 1 Halbsatz 1 [X.]. Einen die Zustän-digkeit des Gerichts höherer Ordnung erst begründenden aus-drücklichen Übernahmebeschluss gemäß § 225a Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 [X.] hat das [X.] nicht erlassen. Ein konkluden-ter Übernahmebeschluss scheidet hier deshalb aus, weil die [X.] sich, wie der Wortlaut ihres Beschlusses vom 10. April 2019 ([X.]) deutlich macht, an die Abgabeent-scheidung des Amtsgerichts gebunden glaubte. Sie ist fehlerhaft davon ausgegangen, dass sie nur eine eingeschränkte Willkür-prüfung
gemäß § 270 [X.] vornehmen kann und sah sich [X.], da sie das Vorliegen von Willkür verneint hat, an die Verwei-sung des Amtsgerichts gebunden. Aus dem gleichen Grunde kommt eine schlüssige Übernahme der Sache in der von der [X.] durchgeführten Hauptverhandlung von vornherein nicht in Betracht, zumal darin ausweislich der [X.] wurde.
Der Feststellung der Unzuständigkeit des [X.]s steht schließlich die Vorschrift des § 269 [X.] nicht entgegen. Zwar liegt dieser Norm der Gedanke zugrunde, dass die Verhandlung vor einem Gericht höherer Ordnung den Angeklagten generell nicht benachteiligen kann; die Anwendbarkeit der Bestimmung setzt jedoch voraus, dass die Sache nicht mehr beim Gericht 6
-
5
-
niederer Ordnung anhängig ist, sondern die Zuständigkeit des Gerichts höhere Ordnung prozessordnungsgemäß begründet wurde. Daran fehlt es hier, weshalb das [X.] überhaupt nicht zur Sache verhandeln durfte.
Die mangelnde sachliche Zuständigkeit führt nicht zu einer
Einstellung des Verfahrens, sondern zu einer Verweisung der
Sache an das zuständige Gericht (vgl. [X.], Beschluss vom
28. Juni 2011

3 [X.], [X.], 46).
Die Verurteilung des Angeklagten wegen vorsätzlicher Körper-verletzung in zwei Fällen zum Nachteil des Geschädigten M.

ist daher aufzuheben. Der [X.] wird die Sache an eine andere [X.] des [X.]s zurückverweisen können. Zwar ist das Verfahren, soweit es die Verstöße gegen § 223 Abs. 1 StGB betrifft, bei dem [X.] (Saale) anhängig ge-blieben. Dieses Gericht hat aber nicht nur das Hauptverfahren eröffnet, sondern die Sache auch wirksam gemäß § 225a Abs.
1
Satz 1 [X.] dem [X.] zur Übernahme vorgelegt. In
die-sem Stadium befindet sich das Verfahren erneut nach einer
([X.] durch den [X.]. Die nunmehr zur Entscheidung berufene [X.] (§ 354 Abs. 2 [X.]) wird daher zunächst gemäß § 225a Abs. 1 Satz 2 [X.] über die Übernahme der Sache in den [X.] haben (vgl. [X.], Urteil vom 23. April 2015

4 [X.],
NStZ-

Dem schließt sich der [X.] an und bemerkt ergänzend, dass aus den dargelegten Gründen auch nicht von einem die Zuständigkeit
des [X.]s begründenden (vgl. [X.], Beschluss vom 27. April 1989

1 StR 632/88,
[X.]St 36, 175, 188 f.; [X.] in Löwe/[X.], [X.], 27. Aufl. § 4 Rn. 28) Verbindungsbeschluss nach § 4 Abs. 2 [X.] ausgegangen werden kann; inso-weit fehlt es jedenfalls an einer Ausübung des ihr eingeräumten Ermessens durch die [X.] (vgl. [X.], Urteile vom 8. Dezember 1999

5 StR 32/99,
7
-
6
-
[X.]St 45, 342, 351; vom 5. Februar 1963

1 [X.], [X.]St 18, 238, 239).
2. Die Aufhebung der Fälle [X.] und 4 der Urteilsgründe zieht die Aufhe-bung der Gesamtstrafe nach sich. Der [X.] kann trotz der verbleibenden [X.] Einzelstrafen nicht gänzlich ausschließen, dass die [X.] oh-ne die Einzelstrafen für die Fälle [X.] und 4 auf eine niedrigere Gesamtfreiheits-strafe erkannt hätte.
Sander

Schneider

Feilcke

Tiemann

Fritsche
Vorinstanz:
[X.], [X.], [X.] -
373 [X.]/18 10a KLs 6/19
8

Meta

6 StR 76/20

15.07.2020

Bundesgerichtshof 6. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.07.2020, Az. 6 StR 76/20 (REWIS RS 2020, 11439)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 11439

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