Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.03.2012, Az. 5 StR 28/12

5. Strafsenat | REWIS RS 2012, 8231

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5 StR 28/12

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

vom 14. März 2012
in der Strafsache
gegen

wegen besonders schwerer Vergewaltigung u.a.

-
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-

Der 5. Strafsenat des [X.] hat am 14. März 2012
beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 13. September 2011 ge-mäß § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen [X.] aufgehoben, soweit der Angeklagte in den Fällen 8 bis 10 der Urteilsgründe verurteilt worden ist,
ferner im Gesamtstraf-
und im Adhäsionsausspruch.

2.
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

3.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des Landge-richts zurückverwiesen.

[X.]e

Das [X.] hat den Angeklagten wegen besonders schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, wegen Ver-gewaltigung in zwei Fällen,
jeweils in Tateinheit mit Körperverletzung, wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tatein-heit mit Bedrohung, wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung und wegen Körperverletzung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt und im Adhäsionsausspruch auf eine Zahlung an die [X.] den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg.

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1. Das [X.] hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

a) Es kam zu
sieben gewaltsamen Übergriffen des unbestraften Ange-klagten zum Nachteil seiner Ehefrau, der Nebenklägerin:

Im [X.] 2007 schlug der Angeklagte der Nebenklägerin zweimal mit der flachen Hand ins Gesicht (Fälle
6 und 7

vorsätzliche Körperverletzung: je 60 Tagessätze Geldstrafe).
Anlässlich eines Streits um einen vom Ange-klagten vermuteten Liebhaber im August 2008 misshandelte
der Angeklagte die Nebenklägerin wiederholt erheblich
(Fälle
1
und 2

vorsätzliche Körper-verletzung: je 6 Monate Freiheitsstrafe).
Aus gleichem Anlass
warf er zwei Tage später einen Holzstuhl
in Richtung der
Nebenklägerin, dem sie
auswei-chen konnte (Fall 3

versuchte gefährliche Körperverletzung: 60 Tagessätze Geldstrafe).
Anschließend
prügelte er auf sie ein, würgte
sie und drohte, sie
umzubringen
(Fall 4

gefährliche Körperverletzung in Tateinheit mit Bedro-hung: 10 Monate Freiheitsstrafe).
Nach Schlichtungsversuchen Dritter
warf der Angeklagte der Nebenklägerin
ein
Schlüsselbund ins
Gesicht (Fall 5

gefährliche Körperverletzung: 6 Monate Freiheitsstrafe).

In allen Fällen dieser Tatserie hat das [X.] seine [X.] neben den Angaben der Nebenklägerin auf weitere Beweismittel stützen können.

b) Nach dem letzten Vorfall trennte sich die Nebenklägerin von dem Angeklagten. In dem gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren berief sie sich im August 2008 auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht.
Sie hatte sich während des Tatzeitraums zu den einzelnen Vorfällen Notizen gemacht und hieraus auf den Rat des sie damals behandelnden Psychologen Schriftstücke erstellt. Nachdem der Angeklagte die Nebenklägerin bei jedem Kontakt im Rahmen des von ihm wahrgenommenen Umgangsrechts mit der ehelichen Tochter beleidigt und bedroht hatte, erkundigte sie sich im [X.] bei der Polizei,
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.
Die Nebenklägerin entschloss sich, Angaben zu ma-chen,
und vereinbarte mit dem Vernehmungsbeamten, dass sie die Vorfälle aufschreiben werde. Die bei der Vernehmung schließlich verwendeten Schriftstücke hatte sie gemeinsam mit ihrem späteren Lebensgefährten unter Verwendung ihrer während des Tatzeitraums gefertigten Notizen erstellt.
Auf der Grundlage alleiniger Angaben der Nebenklägerin zum jeweiligen Kernge-schehen hat sich das [X.] insoweit von drei Vergewaltigungen durch den Angeklagten überzeugt:

Am Abend des [X.] 2004 oder 2005 oder 2006 weigerte sich die Nebenklägerin,
dem Angeklagten aus der Garage Bier zu holen. Der Angeklagte schubste sie zu Boden, trat und schlug mehrfach auf sie ein. Später riss ihr der mit einer Reitgerte ausgestattete Angeklagte im Schlaf-zimmer das Nachthemd auf und packte sie
schmerzhaft an den Brüsten. Er drang mit einem Finger

ihr Schmerzen verursachend

in ihre Scheide ein und verlangte Befriedigung mit der Hand. Aus Angst vor weiteren Schlägen kam sie dem nach. Der Angeklagte drückte sie an den Schultern auf den Rü-cken und vollzog den vaginalen Geschlechtsverkehr, unterbrochen von mehrfachem Oralverkehr. Nach vergeblichen Versuchen, den Geschlechts-verkehr von hinten auszuüben, drehte der Angeklagte seine Ehefrau auf den Rücken, spreizte ihre Beine und schob den Griff der Reitgerte in ihre [X.]. Er bewegte die Gerte vor und zurück und zog sie wieder heraus. Nach vom Angeklagten verlangtem Eincremen seines Gliedes und der Scheide seiner Frau mit [X.] vollzog er den vaginalen Geschlechtsverkehr von hinten und schlug mit der Reitgerte mehrfach auf den Rücken der Nebenklä-gerin (Fall 10

besonders schwere Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährli-cher Körperverletzung: 6 Jahre Freiheitsstrafe).

Am Abend des 9. März 2005 sagte der Angeklagte
nach einer [X.] tätlichen Auseinandersetzung
im Bett zu seiner Frau, er werde ihr zeigen, was passiere,
wenn sie aufmüpfig

sei. Er drehte sie gewaltsam auf den Rücken, zog ihr den Schlüpfer aus, spreizte ihre Beine und vollzog 7
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an ihr den vaginalen Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguss, obgleich sie immer wieder sagte, er solle aufhören. Anschließend schlug er ihr ins Ge-sicht (Fall 9

Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverlet-zung: 2 Jahre und 9 Monate Freiheitsstrafe).

Am 25. Juni 2006 verlangte der stark alkoholisierte Angeklagte
von seiner Frau,
mit der Hand befriedigt zu werden. Als sie sich weigerte, drohte er ihr Schläge an. Nach Ausbleiben
einer Erektion packte er sie an den [X.], zog ihren Kopf zwischen seine Beine und verlangte den
Oralverkehr. Er drückte sein Glied derart weit in ihren Mund, dass sie würgen musste. [X.] schlug er ihr unkontrolliert mit der Hand ins Gesicht. Er
fiel dann plötzlich um und schlief ein (Fall 8

Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätz-licher Körperverletzung: 2 Jahre Freiheitsstrafe).

2. Die Revision ist hinsichtlich der Körperverletzungsfälle (Fälle 1 bis 7 der Urteilsgründe) offensichtlich unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Die auf Verletzung der
§§
250,
256 StPO gestützte Verfahrensrüge (vgl.
[X.], Beschluss vom 23. November 2010

3 [X.]/10,
StV 2011,
715;
ferner
[X.], Beschluss vom 21. September 2011

1 StR 367/11,
NJW
2012, 694),
die der
Senat (gegen
[X.], Beschluss vom 5. März 1990

5
StR 63/90;
vgl. auch
[X.], Beschluss vom 12. August 1999

3 StR 277/99,
NStZ
2000, 49,
50)
für zulässig erachtet, greift aus den vom [X.] benannten Gründen in der Sache nicht durch.

3. In den [X.] ist der Schuldspruch schon aufgrund
der Sachrüge wegen durchgreifender Rechtsmängel aufzuheben (vgl. [X.], Urteile vom 16. November 2006

3 [X.], [X.], 384, 387,
inso-weit in [X.]St 51, 144 nicht abgedruckt,
und
vom 24. Januar 2012

5 [X.]).

a) Das [X.] hat es unterlassen, das sich nach
den
[X.] aufdrängende Falschbelastungsmotiv einer wahrheitswidrigen Mehrbe-9
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-
6
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lastung hinsichtlich der Vergewaltigungen

für die es keine weiteren Be-weismittel gab

in die Erörterung der Glaubhaftigkeit der Aussagen der Ne-benklägerin unter mehreren Aspekten einzubeziehen (vgl. Brause,
NStZ
2007, 505, 507).

Anlass der belastenden Angaben war das Bestreben der Nebenkläge-rin, Beleidigungen und Bedrohungen durch den Angeklagten im Zusammen-hang mit seinen Kontakten bei Ausübung des Besuchsrechts zu unterbinden. Diese Interessenlage barg ein erhöhtes Risiko einer fälschlichen Mehrbelas-tung. Die hierzu im weiteren Zusammenhang angestellte Erwägung des [X.]s, die Nebenklägerin habe ihre Aussage zu keinem Zeitpunkt zum Anlass genommen, den Umgang des Angeklagten mit seiner Tochter zu beschränken, so dass die Streitigkeiten bezüglich des Besuchsumfangs als Belastungsmotiv entfielen (UA S. 13),
entkräftet die Gefahr einer
interessen-geleiteten
Mehrbelastung nicht maßgeblich.

Soweit das [X.] festgestellt hat, die Nebenklägerin habe ein regelrechtes Martyrium erleiden müssen ([X.]), wäre
zudem

mögliches Motiv für eine wahrheitswidrige Mehrbelastung in den Blick zu nehmen gewesen (vgl. [X.], Urteil vom 24. Januar 2012

5 [X.]).

b) Das [X.] hat es ferner unterlassen, einen Qualitätsmangel argumentativ zu entkräften, der sich nach der Genese der Anzeige aufdrängt.

Die Nebenklägerin war
unmittelbar nach ihrem Entschluss, den Ange-klagten zu belasten, keinen
Nachfragen in
einer [X.]. Vielmehr hat sie das Geschehen zunächst in einer häuslichen schriftlichen Ausarbeitung sogar unter Hilfestellung
ihres neuen Lebensge-fährten dargelegt. Wie sich
die gefertigten Schriftstücke zu den Notizen der Nebenklägerin und zu den von ihr auf Anraten ihres Psychologen erstellten Aufzeichnungen verhalten, wird genauso wenig dargestellt wie die Art der 13
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7
-

Verarbeitung der nach Absprache mit der Polizei erstellten Ausarbeitungen in der Anzeige.

c) Die Bewertung der Erinnerungslücken der Nebenklägerin hinsicht-lich des Verbrechens der besonders schweren Vergewaltigung weist nach den Erwägungen des [X.]s ein nicht aufgelöstes
Spannungsverhält-nis auf, das Anlass hätte geben müssen zu prüfen, ob hierdurch die belas-tende Aussage nicht insgesamt entwertet wird (vgl. Brause,
aaO, S.
511 mwN). Die [X.] hat einerseits die Erklärung der Nebenklägerin für ihre grundsätzlich gute Erinnerung an die einzelnen Vorfälle, die Fertigung von Notizen während des Tatzeitraums und die spätere Erstellung der Schriftstücke, akzeptiert. Andererseits hat sie die weitgehend fehlende Erin-nerung der Nebenklägerin an den Zeitpunkt der Haupttat, des einzigen quali-fizierten Verbrechens,
als nachvollziehbare Erinnerungslücke in Anbetracht des langen Zeitablaufs bewertet. Dies ist angesichts des mit einer solchen Tat verbundenen schwerwiegenden Eingriffs in die Persönlichkeit der Ne-benklägerin und der
hierdurch zwangsläufig aufkommenden Belastungen für das Familienleben schwer nachvollziehbar (vgl. [X.], Beschlüsse vom 16.
Mai 2002

5 [X.]

und vom 12. Juli
2006

5 StR 236/06,

StraFo
2006, 411).

Im Zusammenhang damit
hätte dieses die Nebenklägerin besonders erniedrigende Verbrechen dem [X.] Anlass geben müssen, im Rah-men der Glaubhaftigkeitsprüfung zu erwägen, warum sie nach dieser Tat die Beziehung zum Angeklagten nicht beendet hat (vgl. [X.], Urteil vom 24. Ja-nuar 2012

5 [X.]). Auch vor dem Hintergrund der später vollzoge-nen Trennung aus weitaus geringerem Anlass wird die

vom [X.] im
Zusammenhang mit der Offenbarung sexueller
Übergriffe nachvollzogene

Erklärung der Nebenklägerin, sie habe sich geschämt und nicht gewollt, dass die Kinder etwas erfahren, dem Gewicht des sich infolge
eines derart [X.] Verbrechens entstehenden Impulses
zum Verlassen des [X.] kaum gerecht (vgl. [X.] aaO).
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4.
Die Sache bedarf demnach hinsichtlich der [X.] neuer Aufklärung und Bewertung. Wie der [X.] zutref-fend ausgeführt hat, wird im Fall 9 einer erneuten Verurteilung wegen Kör-perverletzung das Verfolgungshindernis der Verjährung entgegenstehen.

[X.]Schaal

Schneider König

19

Meta

5 StR 28/12

14.03.2012

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.03.2012, Az. 5 StR 28/12 (REWIS RS 2012, 8231)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8231

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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