Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.07.2008, Az. IX ZR 150/05

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2008, 2748

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[X.][X.] [X.] vom 17. Juli 2008 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja ZPO §§ 240, 722; [X.] § 178 Abs. 1, § 179 Abs. 2, § 180 Abs. 2 Zur Unterbrechung des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde gegen ein Berufungsurteil, mit dem ein Urteil eines ausländischen Gerichts für voll-streckbar erklärt worden ist, das zur Zahlung aus einem Nachlass verurteilt hat, über den im Inland das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet worden ist. [X.], [X.]uss vom 17. Juli 2008 - [X.] - [X.]

LG Göttingen - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] Ganter, [X.] Dr. [X.] und [X.], die Richterin [X.] und [X.] [X.] am 17. Juli 2008 beschlossen: Der Senat weist darauf hin, dass das Verfahren durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens über den Nachlass des D. unterbrochen worden ist. Gründe: 1. [X.] unterbricht gemäß § 240 Satz 1 ZPO die [X.] der Erben, die diese als solche führen, d.h. im Falle eines Passivprozes-ses Klagen, mit denen Nachlassverbindlichkeiten im Sinne von § 1967 BGB geltend gemacht werden ([X.] 1883, 36 f; [X.] 1 (1900), 445, 446; OLG München NJW-RR 1996, 228, 229; [X.] NJW-RR 2003, 47 f, NJW-RR 2003, 264; Hk-ZPO/[X.], 2. Aufl. § 240 Rn. 4; [X.]/ [X.], 3. Aufl. § 240 Rn. 15 a. E.; Musielak/[X.], ZPO 6. Aufl. § 240 Rn. 2; [X.], ZPO 22. Aufl. § 240 Rn. 11; [X.]/[X.]/[X.], ZPO 28. Aufl. § 240 Rn. 5 f; [X.]/Schütze/[X.], ZPO 3. Aufl. § 240 Rn. 10; [X.]/[X.], ZPO 26. Aufl. § 240 Rn. 7; Jaeger/Windel, [X.] § 85 Rn. 24; MünchKomm-[X.]/[X.], 2. Aufl. Vor §§ 85 bis 87 Rn. 32). 1 - 3 - 2. Die Vollstreckbarerklärung ausländischer Urteile gemäß §§ 722 f ZPO ist als Verfahren im Sinne des § 240 Satz 1 ZPO anzusehen, das durch Eröff-nung des inländischen Insolvenzverfahrens unterbrochen wird, wenn es - wie hier - die Insolvenzmasse betrifft. 2 Diese Rechtsfrage ist in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten. Die Stellungnahmen hierzu beziehen sich allerdings überwiegend auf die Voll-streckbarerklärung nach Art. 31 ff des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 ([X.] 1972, 774 in der Fassung des [X.] vom 29. November 1996, [X.] 1998, 1412, fortan: EuGVÜ) bzw. Art. 38 ff, 43 der Verordnung ([X.]) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22. Dezember 2000 (ABl [X.] Nr. L 12 vom 16. Januar 2001, fortan: [X.]) und §§ 1, 3 ff, 11 ff [X.], nicht auf das Verfahren nach §§ 722 f ZPO. 3 a) Die Unterbrechung des inländischen Vollstreckbarkeitsverfahren wird von einem Teil der Rechtsprechung und des Schrifttums jedenfalls dann bejaht, soweit es nach Einlegung eines Rechtsbehelfs zweiseitig ausgestaltet ist ([X.] NJW-RR 2001, 985; [X.] 2001, 434; [X.]/[X.], aaO § 240 Rn. 3; [X.]/Schütze/[X.], aaO § 240 Rn. 1; [X.]/[X.], aaO § 722 Rn. 4; MünchKomm-[X.]/[X.], 1. Aufl. Art. 102 [X.][X.] Rn. 172; [X.], [X.] 12. Aufl. § 85 Rn. 21; [X.] [X.] 1995, 16, 18; [X.] ZIP 1994, 1577, 1579; [X.] 2007, 426, 428 f). 4 - 4 - b) Die [X.] nimmt an, das Verfahren der [X.] werde durch die Eröffnung des inländischen Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners nicht unterbrochen ([X.] NJW-RR 1994, 636, 637; [X.] [X.] 2002, 35, 36 mit zustimmender Anmer-kung von [X.]/Sejas [X.] 2002, 28, 29; [X.] Z[X.] 2002, 33, 35; OLG Dresden [X.] 2005 Nr. 171, 467, 469; FK-[X.]/[X.], 4. Aufl. § 89 Rn. 11). 5 c) Die zuerst genannte Auffassung trifft für das Verfahren gemäß §§ 722 f ZPO zu. 6 aa) Dieser Ansicht, nach der § 240 ZPO seinem Wortlaut gemäß auch auf das Verfahren der Vollstreckbarerklärung Anwendung findet, steht die sys-tematische Stellung der §§ 722 f ZPO im achten Buch der Zivilprozessordnung über die Zwangsvollstreckung nicht entgegen. 7 Nach der Rechtsprechung des [X.]. Zivilsenats des [X.] wird zwar das Zwangsvollstreckungsverfahren in Bezug auf [X.] nicht nach § 240 ZPO wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners unterbrochen ([X.] 172, 16, 18 Rn. 8; a.A. [X.] OLGR 1997, 203). Gleiches gilt demnach für die die Zwangsvollstreckung vorbereitenden und sie erst ermöglichenden Maßnahmen wie die Erteilung der Vollstreckungsklausel ([X.], [X.]. v. 12. Dezember 2007 - [X.] ZB 108/06, [X.], 527, 528 Rn. 7 a.E.). Allerdings ist dann jeweils der Insolvenzverwalter anstelle des Insolvenzschuldners Beteiligter des [X.] ([X.] 172, 16, 18 Rn. 7; [X.], [X.]. v. 12. Dezember 2007 aaO Rn. 7). 8 - 5 - [X.]) Bei dem Rechtsstreit nach § 722 ZPO handelt es sich jedoch um ei-nen ordentlichen Zivilprozess und nicht um ein Verfahren der Zwangsvollstre-ckung ([X.] 118, 312, 316; [X.], [X.]. v. 8. Oktober 1955 - [X.], ZZP 70 (1957), 234, 235; [X.] ZIP 2007, 2287, 2288; [X.] [X.] 1991 Nr. 200d; Schütze in [X.]/Schütze, Internationale Urteilsaner-kennung Bd. I 2. Hal[X.]d. § 237 I; [X.] 1986, 728, 730; [X.] ZIP 1994, 1577, 1578). [X.] Titel für die Zwangsvollstreckung im Inland ist allein die Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung ([X.], Urt. v. 6. No-vember 1985 - [X.], NJW 1986, 1440; [X.] NJW-RR 2001, 985). Das [X.] Vollstreckbarerklärungsverfahren schafft als Er-kenntnisverfahren - wie schon aus dem Begriff Vollstreckungsurteil hervorgeht - erst diesen Titel und kann deswegen in seiner Ausgestaltung und Funktion nicht mit dem Klauselerteilungsverfahren nach §§ 724 ff ZPO verglichen werden ([X.] ZIP 1994, 1577, 1578 f). 9 Streitgegenstand des Verfahrens auf Vollstreckbarerklärung eines aus-ländischen Urteils ist zwar nicht der dem ausländischen Titel zu Grunde [X.] Anspruch des Klägers, sondern die Herstellung der Vollstreckbarkeit der ausländischen Entscheidung im Inland durch rechtsgestaltendes Urteil ([X.], aaO § 723 Rn. 5; [X.]/[X.], aaO § 722 Rn. 2; [X.]/[X.]/[X.], aaO § 723 Rn. 9; [X.]/Schütze, aaO § 722 Rn. 25; [X.]/[X.], aaO § 722 Rn. 6). Auch Gestaltungsprozesse werden indessen unterbrochen, wenn sie unmittelbar oder mittelbar den Bestand der Insolvenzmasse berühren ([X.], [X.] § 85 Rn. 18; Münch-Komm-[X.]/[X.], aaO Vor §§ 85 bis 87 Rn. 31). 10 - 6 - cc) Auch der Zweck des § 240 ZPO erfordert die Anwendung auf das Verfahren nach § 722 ZPO. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, gemäß § 80 Abs. 1 [X.] auf den Insolvenz-verwalter über. Diesem Wechsel in der Prozessführungsbefugnis trägt § 240 Satz 1 ZPO Rechnung, indem er die Unterbrechung der die Insolvenzmasse betreffenden anhängigen Verfahren anordnet. Der Insolvenzverwalter soll ge-nügend Zeit haben, sich mit dem [X.] zu befassen und zu [X.], ob die Fortführung des Prozesses sinnvoll erscheint ([X.] ZIP 1994, 1577, 1579 f; [X.]/[X.], aaO § 240 Rn. 1). Laufende Prozesse dürfen das Insolvenzverfahren nicht stören und die Rechte der Insolvenzgläubiger nicht beeinträchtigen. Dieser Zweck ist betroffen, wenn der Gläubiger eines ausländi-schen Titels im Rahmen eines ordentlichen Zivilprozesses ein Gestaltungsurteil begehrt, auf Grund dessen die Forderung im Inland vollstreckt werden könnte. Im Unterschied zum formalen Verfahren der Zwangsvollstreckung aus einem inländischen Titel ([X.] 172, 16, 19 Rn. 11) bedarf es bei der Klage auf Voll-streckbarerklärung eines ausländischen Titels einer eingehenden Auseinander-setzung mit der Sach- und Rechtslage und daher einer Überlegungsfrist für Gläubiger und Insolvenzverwalter, um das weitere Vorgehen zu klären. Es [X.] nicht, dass die §§ 88 ff [X.] zur Unwirksamkeit bzw. Unzulässigkeit späte-rer Vollstreckungsmaßnahmen führen, was mit dem statthaften Rechtsbehelf geltend gemacht werden kann (vgl. [X.] 172, 16, 20 Rn. 12). Außerdem führt die [X.] zu einer nicht zu rechtfertigenden unterschiedlichen Be-handlung inländischer Gläubiger und ausländischer Titelgläubiger; denn der inländische Forderungsprozess wird gemäß § 240 Satz 1 ZPO vor Erlass eines Titels unterbrochen, wohingegen nach jener Auffassung der ausländische Titel im Inland für vollstreckbar erklärt werden könnte (vgl. [X.] ZIP 1994, 1577, 1582). 11 - 7 - [X.]) Schließlich bestehen keine schutzwürdigen Interessen des [X.] daran, dass das Verfahren der Vollstreckbarerklärung nicht unterbrochen wird. Vielmehr wird sich das Rechtsschutzziel des Gläubigers in die Feststel-lung der Forderung zur Tabelle verwandeln ([X.]/[X.], aaO § 240 Rn. 1, 14). Der Gläubiger kann seine Forderung unmittelbar zur Insolvenztabelle [X.]. Die Forderung gilt als festgestellt, soweit nicht gemäß § 178 Abs. 1 [X.] ein Widerspruch vom Insolvenzverwalter oder einem Insolvenzgläubiger erhoben wird. Widersprechen sie der Feststellung, ist es ihre Aufgabe, den [X.] gemäß § 179 Abs. 2 [X.] zu verfolgen. Hier liegt für den Kläger be-reits ein vollstreckbarer Schuldtitel in Form des angegriffenen Berufungsurteils vor, mit dem das Urteil des [X.] der [X.] vom 15. Februar 2001 für vollstreckbar (und diese Vollstreckbarerklärung für vorläu-fig vollstreckbar) erklärt wurde. Der Widerspruch ist gemäß § 180 Abs. 2 [X.] durch Aufnahme des Rechtsstreits zu betreiben. Wenn der Widersprechende den Rechtsstreit nicht aufnimmt, ist dazu gegebenenfalls auch der Gläubiger befugt (vgl. MünchKomm-[X.]/[X.], aaO § 179 Rn. 43). An den Vor-aussetzungen für die Zulassung der Revision ändert sich dadurch nichts. 12 ee) Die Vollstreckbarerklärung bezieht sich hier auf die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung aus dem Nachlass und somit auf eine Nachlassverbind-lichkeit (§ 325 [X.]). Der Kläger könnte auf Grund eines Titels gegen die [X.] als Erben in den Nachlass vollstrecken (vgl. § 747, § 780, § 784 Abs. 1 13 - 8 - ZPO). Deshalb wird der Prozess von der Unterbrechungswirkung der Eröffnung des inländischen [X.] erfasst. Ganter [X.] [X.] [X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 12.02.2004 - 6 O 39/01 - [X.], Entscheidung vom 21.07.2005 - 8 U 52/04 -

Meta

IX ZR 150/05

17.07.2008

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.07.2008, Az. IX ZR 150/05 (REWIS RS 2008, 2748)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 2748

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