Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.04.2014, Az. X ZR 74/11

X. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 6337

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
X ZR 74/11
Verkündet am:

10. April 2014

Wermes

Justizamtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache

-
2
-
Der X.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 10.
April 2014 durch [X.],
Dr.
Grabinski, Dr.
Bacher und [X.] sowie die Richterin Schuster

für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 1.
Februar 2011 [X.] Urteil des 1.
[X.]s ([X.]) des Bundespa-tentgerichts teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Das [X.] Patent 1
023
236 wird mit Wirkung für die Bun-desrepublik [X.] dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass Patentanspruch
1 die nachfolgende Fassung erhält, auf die sich die übrigen Patentansprüche rückbeziehen:
1.
An elevator system (10) having a car (12) and a counterweight (16) disposed within [X.] (23) defined [X.] (30), [X.] including:

a rope (20) engaged with the car
(12) and the coun-terweight (16) so [X.] in a 2:1 roping arrangement with un-derslung car,

[X.] (53) arranged side by side, [X.] (52) are
formed from steel wires,

[X.] diameter of 0.25 mm or less,

a sheath (54), wherein the sheath (54) is formed from a non-metallic material, and

a single machine (22) including a traction sheave (36) and a motor (32), [X.] (22) being ar-ranged within the hoistway (23) in [X.] axial dimension of the motor (32) including [X.] (36) extends horizontally and alongside the hoistway wall (30) adjacent to the -
3
-
counterweight (16),

the motor having a rotor (44)
and a stator (42)
wherein the rotor (44) is spaced radially inward of the stator (42) and wherein the motor includes a ra-dial air gap (50) between the rotor (44) and the sta-tor (42),

[X.] (36) [X.] (44) for concurrent rotation,

[X.] (36) being engaged with the rope (20) to drive the rope through traction between the rope and [X.], [X.] (12) [X.] (23),

wherein the rotor (44) is formed in part from perma-nent magnets (48), and

wherein the rope (20) has a width w, a thickness t measured in the bending direction, and an aspect ratio, defined as the ratio of width w relative to thickness t, greater than one, [X.] (20) is thinner and [X.] (36) is [X.] in diameter compared to the situation where a round rope having the same cross section as the rope (20) engages a traction sheave.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagte ist Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik [X.] erteilten [X.]n Patents 1
023
236 (Streitpatents), das am 19.
Februar 1999 unter Inanspruchnahme der Priorität
dreier amerikanischer
1
-
4
-
Voranmeldungen vom 26.
Februar, 9.
Oktober bzw. 22.
Dezember 1998
inter-national
angemeldet worden
ist. Es umfasst in der im Beschwerdeverfahren erhaltenen Fassung 7 Ansprüche, deren erster in der Verfahrenssprache
lautet:
"An elevator system having a car and a counterweight (16) [X.] within [X.] (23) defined [X.] (30), [X.] including:
a rope (20) engaged with the car (12) and the
counterweight (16) so as to suspend the car and
counter-weight, the rope including one or more
load-carrying members (52), [X.] (52) are formed from steel
wires having a diameter of 0.25 mm or less, and
a sheath (54), wherein the sheath is formed from
a non-metallic material; and
a machine (22) arranged within the hoistway and
including a
traction sheave (36) and a motor (44)
and a stator (42), wherein the rotor (44) is
spaced radially inward of the stator (42), and
fur-ther including an air
gap (50) between the rotor (44) and stator (42), [X.] (36)
being directly connected with the ro-tor (44) for
concurrent rotation and engaged with the rope
(20) to drive the rope through traction between
the rope and traction sheave, and thereby drive
the car
(12) [X.] (23), wherein
the rotor
(44) is formed in part from permanent
magnets (48);
wherein the rope (20) has a width
w, a
thickness
t measured in the bending direction, and an aspect ratio, defined as the ratio of width w relative
to thickness t, greater than one."
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig und gehe über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus; auch sei der Schutzbereich des Streitpatents erweitert worden.
Das Patentgericht hat das Streitpatent, das die Beklagte in beschränkter Fassung verteidigt hat,
für nichtig erklärt.
2
3
-
5
-
Mit ihrer Berufung, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, vertei-digt die Beklagte das Streitpatent beschränkt in der aus dem Tenor ersichtli-chen Fassung.
Im Auftrag des [X.]s hat Prof. Dr.-Ing.

K.

ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen
Verhandlung erläutert und ergänzt hat.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Streitpatent betrifft
ein Aufzugsystem.
1.
Ein solches System umfasst, wie in der Beschreibung des Streit-patents erläutert wird,
typischerweise eine Kabine und ein Gegengewicht, die in einem [X.] angeordnet sind, eine Mehrzahl von Seilen, die die [X.] und das Gegengewicht miteinander verbinden, und eine in einem Maschi-nenraum über dem [X.] angeordnete Maschine mit einer Treibschei-be, die mit den Seilen zusammenwirkt. Im Stand der Technik habe es einem
neuen
Trend in der Aufzugindustrie
entsprochen, den Maschinenraum einzu-sparen und alle Aufzugkomponenten
im
[X.] anzuordnen.
Die bisherigen Lösungen im Stand der Technik hätten jedoch den Nach-teil, dass die Motoren nur geringe Traglasten mit niedrigen Geschwindigkeiten verfahren konnten oder zu groß ausfielen, um vollständig im [X.] untergebracht zu werden.
4
5
6
7
8
-
6
-
Vor diesem Hintergrund liegt dem Gegenstand des Streitpatents das Problem zugrunde, [X.] zu entwickeln, die den verfügbaren Platz effektiv nutzen und die Last-
und Geschwindigkeitsanforderungen über einen breiten Anwendungsbereich erfüllen (Streitpatent, Sp.
2 Abs.
9).
2.
Zur Lösung schlägt Patentanspruch
1 in der von der Beklagten zu-letzt verteidigten Fassung (im Folgenden nur: Patentanspruch
1) ein Aufzugsys-tem vor, dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen (kursiv
die erstmals in der Berufungsinstanz hinzugefügten Ergänzungen, in eckigen Klammern die Merkmalsbezeichnungen des Patentgerichts):
Aufzugsystem (10),
1.
das in einem durch Schachtwände (30) gebildeten Aufzug-schacht
(23) angeordnet ist
[[X.]], mit
2.
einer Kabine (12)
[[X.]],
3.
einem Seil (20)
[M2], das
aufweist
3.1
mehrere nebeneinander angeordnete
lasttragende Elemente
(52)
[[X.]],
3.1.1
die
aus Stahldrähten gebildet sind
[[X.]],
3.1.2
mit einem
Durchmesser von 0,25
mm oder weni-ger
[[X.]],
3.2
eine Breite
w, eine in der Biegerichtung gemessene Dicke
t
und ein Seitenverhältnis, das als Verhältnis der Breite
w relativ zu der Dicke
t definiert ist, größer als
1 [[X.]2],
3.3
eine Ummantelung
(54)
aus einem nicht-metallischen Material [M5],
und das
9
10
-
7
-
3.4
dünner ist,
als im Falle eines mit einer [X.] zu-sammenwirkenden runden Seils mit gleichem Quer-schnitt,
[[X.]2]
4.
einer
einzigen
Maschine
(22) [[X.]]
mit
4.1
einem Motor, der einen Rotor (44) und einen Stator (42) aufweist, [[X.]] wobei
4.1.1
der Rotor (44) von dem Stator (42) radial nach innen beabstandet ist und der Motor einen radia-len Luftspalt
(50) zwischen dem Rotor (44) und dem Stator (42) aufweist, [[X.]]
und
4.1.2
der Rotor
(44)
teilweise aus Permanentmagneten
(48) gebildet ist,
[[X.]1]
sowie
4.2
einer [X.] (36) [[X.]], die
4.2.1
für eine gleichlaufende Rotation direkt mit dem Rotor (44) verbunden ist
[[X.]],
4.2.2
mit dem Seil (20) zusammenwirkt, um es durch Traktion zwischen Seil und [X.] anzu-treiben und so die Kabine (12) im
[X.] (23) zu verfahren
[[X.]0],
und
4.2.3
im Durchmesser kleiner ist als im Falle eines mit einer [X.] zusammenwirkenden runden Seils mit gleichem Querschnitt
[[X.]2],
5.
einem Gegengewicht (16)
[[X.]].
-
8
-
6.
Die Maschine (22) ist im [X.]
(23) derart angeord-net, dass sich die axiale Richtung des [X.] (32) und der [X.] (36)
6.1
horizontal und
6.2
entlang der dem Gegengewicht (16) benachbarten [X.] (30) erstreckt
[[X.]].
7.
Das Seil (20) wirkt mit der Kabine (12) und dem Gegenge-wicht (16) derart zusammen, dass die Kabine und das Ge-gengewicht in einer 2:1
Seilanordnung mit unterschlungener Kabine
aufgehängt sind [M2].
3.
Dazu sind folgende Erläuterungen angezeigt:
a)
Unter einer direkten Verbindung zwischen der [X.] und dem Rotor des [X.] gemäß M
9
ist aus fachlicher Sicht, wie die Diskussion mit dem gerichtlichen Sachverständigen bestätigt hat, zu verstehen, dass zwi-schen diesen Bauteilen kein Getriebe vorgesehen ist, sowie, dass die [X.] linear auf der Welle sitzt und nicht umgelenkt wird.
Beides wird, wie der Sachverständige bestätigt hat, durch die Umschreibung als "gearless" erfasst, die sich bereits in [X.] findet (Beschreibung S. 8 Z. 21
f., Anspruch
13).
b)
Die Anordnung der Maschine entlang der dem Gegengewicht be-nachbarten [X.] gemäß M
6 bedeutet, dass die Maschine axial
hori-zontal und parallel zu der [X.] ausgerichtet ist,
der das -
aus Platz-gründen regelmäßig möglichst flach gehaltene -
Gegengewicht (vgl. insoweit auch die Prinzipskizze auf [X.] der Berufungserwiderung) mit seiner breiten Seite gegenüberliegt, um nach oben und unten verfahren zu werden. Auch wenn das Gegengewicht als dreidimensionaler Körper durchaus noch zu zwei 11
12
13
-
9
-
weiteren Schachtwänden benachbart liegt, ist diese Wand, von der Patentan-spruch
1 dementsprechend auch im Singular spricht, aus fachlicher Sicht [X.] als die zu identifizieren, die [X.] als die dem Gegengewicht gegenüberlie-gende bezeichnet, zumal dies auch aus den Darstellungen in Figuren 1 und 2 hervorgeht.
Dass die entsprechende [X.] dort aufgebrochen gezeigt ist, erklärt sich durch das Bedürfnis, die Sicht auf die dahinter liegenden Teile des Aufzugsystems frei zu geben und ändert nichts daran, dass der Fachmann diese Wand nicht nur als solche unmittelbar und eindeutig als die in Merkmal
[X.] gemeinte erkennt, sondern auch ihren Verlauf fluchtend mit der ebenfalls gezeigten Bodenplatte, mit der die Wand ersichtlich bündig abschließen soll.
Unerheblich ist im Übrigen, dass sich im Stand der Technik Lösungen finden, bei denen die Zuordnung zu der "dem Gegengewicht benachbarten [X.]" unter Umständen deshalb nicht oder nicht ohne Weiteres getrof-fen werden kann, weil etwa ein oder gar mehrere zylindrisch geformte Gegen-gewichte etwa mittig gegenüber einer oder zwei Aufzugswänden aufgehängt sind, wie bei dem in [X.] gezeigten modularen Aufzug. Dem Patentinhaber kann nicht vorgeschrieben werden, wie der Gegenstand festzulegen ist, den er unter Schutz gestellt haben möchte, sondern er kann die Gewährung des [X.] grundsätzlich in jeder Ausgestaltung verlangen, die der gegebenen tech-nischen Lehre entspricht und patentfähig ist ([X.], Urteil vom 27. Februar 2007 -
X [X.], [X.]Z 171, 167 Rn. 21 mwN -
Pipettensystem). Dass Gegenge-wichte gegebenenfalls auch in einer Weise ausgestaltet werden können, die einer
eindeutigen Zuordnung i.
S.
von Merkmal
6 entgegenstehen, ändert nichts daran, dass die i.
S. des Streitpatents dem Gegengewicht benachbarte Wand identifiziert werden kann, weil insoweit ausreicht, dass sich aus ihr mittelbar die Anforderungen an die beanspruchte Gestaltung der Gegengewichte ergeben (vgl. [X.], Urteil vom 30. August 2011 -
X [X.], [X.]. 2012, 344 Rn. 28

Antriebseinheit für [X.]).
14
-
10
-
II.
Das Patentgericht hat seine Annahme, dass der Gegenstand von Patentanspruch
1 in der von ihm zu beurteilenden verteidigten Fassung nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe, im Wesentlichen wie folgt begründet:
Ausgehend von dem Aufsatz "[X.] Direktantrieb für Aufzüge ohne Triebwerksraum" in der Zeitschrift [X.], Heft 5/98 Seite
44 ([X.].
[X.]5), sei dem Fachmann, einem Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Ma-schinenbau mit langjähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet der [X.], der mit einem auf elektrische Antriebsmaschinen spezialisierten Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik
zusammenarbeite, ein Aufzugsystem mit einer Kabine, einem Gegengewicht und einem axial horizontal angeordne-ten Motor
bekannt gewesen, mit dessen Rotor eine [X.] direkt verbun-den sei. Während das Streitpatent einen Innenläufer beanspruche, zeige [X.]5 einen Außenläufermotor, allerdings auch mit einem radialen Luftspalt und am Rotor befestigten Permanentmagneten. Die gezeigte Seilführung entspreche
Merkmal [X.]0. Die hierfür verwendeten lasttragenden Elemente wiesen jedoch keine Ummantelung auf. Vielmehr würden vier Seile mit einem Durchmesser von 8
mm oder drei Seile mit einem Durchmesser von 10
mm verwendet.
Dem Fachmann sei überdies bereits in der [X.] Patentanmeldung 2
162
283 ([X.].
[X.]1) die Verwendung von jeweils mehreren
von einer [X.] umgebenen
Stahlseilen vorgeschlagen worden, wobei lediglich der Durchmesser der verseilten Stahldrähte ([X.]) nicht angegeben
sei.
Die [X.] Patentanmeldung Hei
7-171100 ([X.].
[X.]) befasse sich mit dem Aufbau derartiger Flachseile, bei denen die zusammengefassten Seile selbst aus Stahldrähten gebildet würden. Auch diese Entgegenhaltung sehe -
wie [X.]1
-
die Vorteile solcher Seile in dem Schutz vor Abnützung und der möglichen Verringerung des [X.]ndurchmessers zur Ausbildung kom-15
16
17
18
-
11
-
pakter Antriebseinheiten. [X.] beschreibe die verwendeten Stränge als jeweils aus Strahldrähten mit 0,3
mm Durchmesser gebildet, wobei dieser Durchmes-ser auch kleiner sein könne. Mithin lehre [X.] die Ausbildung eines Flachseils mit einem Durchmesser entsprechend [X.] und [X.].
Es habe für den Fachmann auf der Hand gelegen, die in [X.]1 und [X.] gezeigten Lösungen auf ein Aufzugsystem entsprechend [X.]5 zu übertragen und die dort gezeigten [X.]e durch ein Flachseil zu ersetzen.
Auch die Auswahl des [X.] als Innen-
statt als Außenläufer erfolge in Anpassung an den praktischen Bedarfsfall. Diese beiden äquivalenten Motor-bauformen seien dem Wissen des Fachmanns zuzurechnen, denn das Ver-ständnis des in [X.]5 angeführten Fachbegriffs "Außenläufer" setze die Kenntnis hierdurch bedingter
Unterscheidungsmerkmale voraus. Der Austausch eines Außenläufers gegen einen Innenläufer gehöre zum handwerklichen Können des Fachmanns, zu dem er durch den praktischen Bedarfsfall veranlasst gewesen sei. Damit könne bei gleichen Bauabmessungen eine andere Drehmo-ment-/Drehzahlcharakteristik bereitgestellt werden, die vom [X.]n-durchmesser abhänge.
Die Kombination dieser Eigenschaften aus den Merkmalsgruppen "Seil" und "Maschine" habe für den Fachmann auch insgesamt als eine Optimierung eines Aufzugsystems nahegelegen.
III.
Soweit das Streitpatent nicht mehr verteidigt wird, verbleibt es oh-ne Weiteres bei der vom Patentgericht ausgesprochenen Nichtigerklärung.
Im Übrigen hat das Rechtsmittel Erfolg.
1.
Die Verteidigung des Streitpatents mit der aus dem Tenor ersicht-lichen beschränkten Fassung von Patentanspruch
1 ist zulässig. Sein Gegen-19
20
21
22
23
-
12
-
stand geht nicht über den Inhalt der Patentanmeldung in der ursprünglich einge-reichten Fassung (internationale Patentanmeldung 99/43590, [X.].
[X.]) hinaus
(Art.
138 Abs.
1 Buchst.
c EPÜ).

a)
Merkmal [X.] ist nicht dadurch unzulässig erweitert, dass die [X.] Elemente als "nebeneinander angeordnet" vorgesehen sind.
Für die Beurteilung der identischen [X.] gelten die Prinzipien der Neuheitsprüfung. Das dafür geltende Erfordernis einer unmittelbaren und [X.]en [X.] muss dabei in einer Weise angewendet werden, die [X.], dass die Ermittlung dessen, was dem Fachmann als Erfindung und was als Ausführungsbeispiel der Erfindung offenbart wird, wertenden Charakter hat, und eine unangemessene Beschränkung des Anmelders bei der Ausschöp-fung des [X.]sgehalts der Voranmeldung vermeidet. Insoweit ist zu-grunde zu legen, dass das Interesse des Anmelders regelmäßig erkennbar [X.] gerichtet ist, möglichst breiten Schutz zu erlangen, also die Erfindung in möglichst allgemeiner Weise vorzustellen und nicht auf aufgezeigte [X.] zu beschränken.
Dieser Gesichtspunkt liegt der Rechtspre-chung des [X.]s zugrunde, wonach bei der Ausschöpfung des [X.]s-gehalts auch Verallgemeinerungen ursprungsoffenbarter Ausführungsbeispiele zugelassen werden. Danach ist ein "breit" formulierter Anspruch unter dem Ge-sichtspunkt der unzulässigen Erweiterung jedenfalls dann unbedenklich, wenn sich ein in der Anmeldung beschriebenes Ausführungsbeispiel der Erfindung für den Fachmann als Ausgestaltung der im Anspruch umschriebenen allgemeine-ren technischen Lehre darstellt und diese Lehre in der beanspruchten Allge-meinheit für ihn bereits der Anmeldung -
sei es in Gestalt eines in der Anmel-dung formulierten Anspruchs, sei es nach dem Gesamtzusammenhang der [X.] -
als zu der angemeldeten Erfindung gehörend entnehmbar ist ([X.], Urteil vom 11. Februar 2014 -
X [X.], GRUR 2014, 542
-
Kommunikati-24
25
-
13
-
onskanal, zur Veröff. in [X.]Z vorgesehen;
Urteil vom 17.
Juli 2012

X
ZR
117/11, [X.]Z 194, 107
Rn. 52
-
Polymerschaum).
Solche Verallgemeinerungen sind vornehmlich dann zugelassen worden, wenn von mehreren Merkmalen eines Ausführungsbeispiels, die zusammenge-nommen, aber auch für sich betrachtet dem erfindungsgemäßen Erfolg förder-lich sind, nur eines oder nur einzelne in den Anspruch aufgenommen worden sind
(ständige Rechtsprechung seit [X.],
Beschluss vom 23. Januar 1990

X
ZB 9/89, [X.]Z 110, 123, 126
-
Spleißkammer; aus jüngerer Zeit [X.]Z 194, 107
Rn. 52
-
Polymerschaum; [X.], [X.], 1133
Rn. 31
f. -
UV-unempfindliche Druckplatte). Das gilt entsprechend
in Bezug auf das Merkmal
[X.]. Die darin aufgenommene Beschränkung auf "nebeneinander angeordnete"
lasttragende Elemente (52) im Seil ist von der [X.] der Erfindung in [X.] gedeckt. Dort sind die einzusetzenden Seile generell als flexible Flachseile (fle-xible flat ropes) charakterisiert (S. 5 Z. 21
ff. übergreifend) und in der [X.] mit Figur
3 in einer Weise beschrieben, die die Umschreibung "ne-beneinander angeordnet" abdeckt. Soweit die Klägerin dem die schematische Zeichnung eines zumindest im Wesentlichen runden Seilquerschnitts
mit ne-beneinander-übereinanderliegenden Elementen entgegenhält, ist dies schon deshalb nicht zielführend, weil nicht erkennbar ist, inwieweit darin aus fach-männischer Sicht die Darstellung eines Merkmal [X.] entsprechenden (Flach-)Seils zu sehen sein soll.
b) Das Streitpatent ist auch nicht im Merkmal [X.] unzulässig erweitert.
Die Anweisung, den Motor "entlang" der dem Gegengewicht benachbar-ten [X.]" anzuordnen, impliziert bereits vom Wortsinn
("entlang"), der mit dem fachmännischen Verständnis übereinstimmt, dass der Motor parallel zu dieser Wand ausgerichtet ist
(oben I
3
b).
26
27
28
-
14
-
Die Figuren 1 und 2 der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen offenba-ren entgegen den Behauptungen der Klägerin nicht nur einen Motor, sondern, in schematisierter Form entsprechend Figur 3,
die mittig aus dem Motor nach vorn heraustretende Achse,
auf der -
durch den im Vergleich mit der Achse größeren Durchmesser gut zu erkennen -
die [X.] sitzt, über die Seile laufen.
Die
Anordnung der Maschine "im Aufzugsschacht" stellt im Kontext des gesamten Merkmals [X.] gegenüber den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen keine unzulässige Erweiterung dar. Es ist in [X.] erklärtes [X.]iegen der Erfin-dung, ein
Aufzugsystem zu präsentieren, dessen Maschine nicht in einem sepa-raten Maschinenraum untergebracht werden muss, sondern dafür mit dem im [X.] verfügbaren Raum auskommt. In [X.] wird das unter anderem auf Seite 2
ab Zeile 23
mit den Erläuterungen:

very compact machine that can be fit within the space constraints of a hoist-way

zum Ausdruck gebracht. Diese generelle Anordnung im Schacht nimmt Merkmal [X.]
-
wie im Übrigen bereits der erteilte Anspruch
1 -
auf. In Anbetracht dieser umfassenden [X.] war die Beklagte nach allgemeinen [X.] (oben III
1
a) nicht gezwungen, sich mit Blick auf das Ausführungsbei-spiel
gemäß Figur 1 und den
in [X.] entworfenen Anspruch
15 auf einen
speziel-len Anbringungsort
für die Maschine zu beschränken.
2.
Der
Schutzbereich von Patentanspruch
1 ist im Beschwerdever-fahren vor dem Europäischen Patentamt
nicht im Merkmal [X.] im Sinne von Art.
138 Abs.
1 Buchst.
d EPÜ erweitert worden.
In den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen ist im Zusammenhang mit der Maschine erläutert, dass die [X.] am Ende der Welle
34 angeord-net ist ([X.] S. 5). Diese Erläuterungen beziehen sich auf das in Figur 1 darge-29
30
31
32
-
15
-
stellte Ausführungsbeispiel, wobei die Maschine in Figur 3 näher gezeigt wird ([X.] S. 5 Z.
12). Merkmal [X.]
legt demgegenüber ausschließlich die Antriebsart (linear, ohne Getriebe, vgl. oben I
3
a)
fest, ohne sich aus fachmännischer Sicht zugleich dazu
zu verhalten, wo die [X.] in axialer Richtung auf der Welle positioniert ist. Es besteht dementsprechend kein Raum dafür, diesen Aspekt, zu dem Patentanspruch
1 schweigt, und von dem die Klägerin auch nicht aufzeigt, dass er in der erteilten Fassung konkret beansprucht und im Ein-spruchsbeschwerdeverfahren wieder gestrichen
worden wäre, in das Merkmal hineinzulesen, um anschließend daraus eine Schutzbereichserweiterung herzu-leiten. Es ist im Übrigen von der Klägerin auch sonst nicht nachvollziehbar be-legt und auch nicht ersichtlich, inwieweit das Merkmal [X.] in der erteilten [X.] des Streitpatents aus fachmännischer Sicht ausschließlich
anderen Ge-genständen zuzuordnen war, als denjenigen, die das Streitpatent in der im Ein-spruchsbeschwerdeverfahren erhaltenen Fassung umfasst, und hieraus eine Schutzbereichserweiterung hergeleitet werden könnte. Soweit die Klägerin dem
Streitpatent in seiner erteilten Fassung zwei Schutzbereiche beilegt, und zwar einerseits denjenigen gemäß dem erteilten Patentanspruch
1 mit den dazu ge-hörigen abhängigen Ansprüchen,
und andererseits den unabhängigen An-spruch
8 mit den darauf bezogen abhängigen Ansprüchen, geht diese Auftei-lung an der Zielrichtung der Beschränkung des Streitpatents im [X.] vorbei und findet auch in den Ansprüchen selbst keinen Rückhalt.
3.
Die Fassung des Anspruchs
1 gemäß dem zuletzt gestellten Hauptantrag der Beklagten ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist [X.]2 in seinen die [X.] und den [X.]ndurchmesser betreffenden [X.] nicht unklar oder unbestimmt (vgl. insoweit [X.], Urteil vom 13.
November 2013 -
X
ZR
79/12; dazu nachstehend).
4.
Der Gegenstand von Patentanspruch
1 ist patentfähig.
33
34
-
16
-
a)
Für den Zeitrang ist die in Anspruch genommene
Priorität der [X.] Patentanmeldung 09/169415 vom 9.
Oktober 1998 ([X.].
[X.]) maßgeblich, die, wovon auch die Klägerin ausgeht, mit [X.] übereinstimmt. Nach dem vorstehend Ausgeführten kann die Priorität dieser Voranmeldung deshalb in Anspruch genommen werden.
b)
Der [X.] vermag hinsichtlich des Gegenstands
von Patentan-spruch
1, der unstreitig neu ist, nicht die Wertung zu treffen, dass er dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt war.
[X.])
Der Gegenstand von Patentanspruch
1 des Streitpatents ent-spricht -
abgesehen von den detaillierteren Festlegungen zur Beschaffenheit des [X.]
hier
(vgl. Merkmale [X.] bis [X.], [X.]1)
-
im Wesentlichen dem Ge-genstand des von der Beklagten am gleichen Tag angemeldeten [X.]n Patents 1
056
675, das ebenfalls ein Traktionsantriebs-Aufzugsystem betrifft und das der [X.] mit Urteil vom 13. November 2013 (X
ZR
79/12) in be-schränkter Fassung als patentfähig angesehen hat. Das Seil, das die Kabine (Fahrkorb) dort ebenfalls unterschlingt, wird ebenfalls in einer 2:1-Aufhängung geführt und dort als Aufzugseilsatz aus mindestens einem Flachseil oder Flach-gurt bezeichnet. Der Motor hat, wie in [X.], einen kleineren Durchmesser, als es eine herkömmliche, mit einem herkömmlichen [X.] zusammenwirkende [X.] erlauben würde. Dem [X.]n Patent 1
056
675 sind im Parallelverfahren unter anderem die [X.] Patentanmeldung
688
735 (hier: [X.], dort [X.]), die [X.] Offenlegungsschriften Hei-7-117957 (hier: [X.], dort [X.]) und [X.]-21084 (hier: [X.], dort [X.]) und der Prospekt von [X.] für die [X.] 1998 "[X.]" (hier: [X.], dort [X.]) entgegengehalten worden.
35
36
37
-
17
-
Für die Bejahung der Patentfähigkeit dort war ausschlaggebend, dass die Kombination aller Merkmale, auch wenn jedes für sich gesehen in einer Entgegenhaltung offenbart sein mag, für den Fachmann nicht nahegelegt war, weil es sich nicht um eine bloße Aneinanderreihung (Aggregation) handelt, sondern alle Merkmale in ihrer Gesamtheit dazu beitragen, eine besonders raumsparende Anordnung des [X.] im [X.] zu ermöglichen. Die erfindungsgemäße Ausgestaltung mit der Verwendung eines Flachseils, einer 2:1-Seilführung und einem unterschlungenen Fahrkorb dient
einem einheitlichen Ziel und erreicht
eine einheitliche Wirkung. Eine Anregung, zur Erzielung dieser Wirkung nicht nur einzelne Elemente, sondern die gesamte [X.]age
einschließlich der Möglichkeiten der Seilführung in den Blick zu nehmen und die Kräfte-
und Platzverhältnisse, die die erfindungsgemäße Kombination von Komponenten und Maßnahmen ermögliche, zu berechnen und zu prüfen, ergab sich aus dem Stand der Technik nicht
([X.], Urteil vom 13. November 2013 -
X [X.] Rn. 31
ff.).
bb)
Diese Erwägungen gelten für den Gegenstand des Streitpatents in gleicher Weise. Zusätzliche Gesichtspunkte, die zu einer abweichenden Beur-teilung führen könnten, ergeben sich aus dem
Vorbringen der Klägerin nicht.
Die Klägerin hat zwar Bedenken dagegen erhoben, die beiden Schutz-rechte als gleichgelagert anzusehen. Sie hat sich dafür aber in erster Linie auf die Abweichungen in den die Maschine betreffenden Merkmalen bezogen. Die Frage, ob darin eine patentfähige Ausgestaltung zu sehen sein könnte oder nicht, wäre indes nur dann relevant, wenn der Gegenstand von Patentan-spruch
1 nicht schon wegen seiner übrigen, Patentanspruch
1 im Parallelver-fahren entsprechenden Merkmale
patentfähig wäre. Letzteres ist indes der Fall, weil die
erfindungsgemäße Ausgestaltung die gleiche einheitliche, raumsparen-38
39
40
-
18
-
de Wirkung
ermöglicht, die im Parallelverfahren
für die Bejahung der Patentfä-higkeit ausschlaggebend war.
Hinzu kommt, dass der Fachmann sich bei den im Stand der Technik of-fenbarten Ausgestaltungen für die 2:1-Seilanordnung eines [X.]s bediente, das ihm ohne weiteres erlaubte, die hierfür erforderlichen mindestens vier Seil-bahnen im Aufzugsschacht in [X.] versetzt zueinander an-zuordnen, weil
ein [X.] ohne weiteres in verschiedene Richtungen gebo-gen werden
kann. Ein Flachseil lässt sich hingegen nur um die beiden flachen Seiten gut biegen, weshalb dessen Seilführung im [X.] in der Regel nur in [X.] erfolgt. Diese Seilanordnung führt grundsätzlich, wie der Sachverständige bestätigt hat, zu einem zusätzlichen Raumbedarf, was einer kompakten Raumanordnung entgegensteht. Dass dieser Nachteil wegen des
geringeren [X.]ndurchmessers, der mit einem Flachseil benötigt wird, letzten Endes kompensiert wird, macht die Erfindung des Streitpatents auch aus. Keine der [X.] nimmt insoweit das Aufzugsystem als Ganzes in den Blick und zeigt auf, dass ein Flachseil trotz der Einschränkungen für die Seilführung im Schacht sich gleichwohl für eine 2:1-Seilanordnung eignet und sich hieraus raumsparende [X.] realisieren lassen. Die Kombi-nation, für ein raumsparendes Aufzugsystem eine unterschlungene 2:1-Seilanordnung mit einem Flachseil zu realisieren, hat deshalb für den [X.] nicht nahegelegen.
Dass [X.], [X.] und [X.]
für sich eine abweichende Beurteilung geböten, hat die mündliche Verhandlung nicht ergeben. Danach könnte die [X.] Patentanspruch
1 nur verneint werden, wenn [X.]5 seinen Gegenstand nahelegte. Auch das ist indes nicht der Fall. Diese Entgegenhaltung zeigt -
wie [X.]
-
zwar eine 2:1-Seilführung und einen unterschlungenen Fahrkorb, löst das Problem, die [X.] möglichst platzsparend anzuordnen, jedoch wie 41
42
-
19
-
[X.] dadurch, dass die Achse der Traktionsaufzugmaschine senkrecht zu der dem Gegengewicht benachbarten [X.] und damit die [X.] parallel zu dieser Wand angeordnet ist. Die weiteren [X.] bele-gen vom [X.] ohnehin zu Gunsten der Klägerin zugrunde gelegte technische Gegebenheiten oder liegen vom Gegenstand des
Patentanspruchs
1 weiter ab.
5.
Aus der Rechtsbeständigkeit von Patentanspruch
1 in der zuletzt verteidigten Fassung folgt zugleich die Rechtsbeständigkeit der sich hierauf beziehenden Unteransprüche.
43
-
20
-
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
121 Abs.
2 [X.], §
92 Abs.
1 ZPO.

[X.]
Grabinski
Bacher

[X.]
Schuster
Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 01.02.2011 -
1 Ni 11/09 ([X.]) -

44

Meta

X ZR 74/11

10.04.2014

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.04.2014, Az. X ZR 74/11 (REWIS RS 2014, 6337)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6337

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

X ZR 79/12 (Bundesgerichtshof)

Patentrecht: Aufgabe einer Erfindung


X ZR 79/12 (Bundesgerichtshof)


1 Ni 11/09 (EU) (Bundespatentgericht)

Patentnichtigkeitsklageverfahren – "Aufzugsystem (europäisches Patent)" – zur objektiven Aufgabe und naheliegenden Aggregation bekannter Komponenten


1 Ni 9/10 (EP) (Bundespatentgericht)

Patentnichtigkeitsklageverfahren – Traktionsseilscheibe – keine erfinderische Tätigkeit – Fachmann – Zweckangabe -


I-2 U 131/06 (Oberlandesgericht Düsseldorf)


Referenzen
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.