Bundespatentgericht, Urteil vom 01.02.2011, Az. 1 Ni 11/09 (EU)

1. Senat | REWIS RS 2011, 9919

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Gegenstand

Patentnichtigkeitsklageverfahren – "Aufzugsystem (europäisches Patent)" – zur objektiven Aufgabe und naheliegenden Aggregation bekannter Komponenten


Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent 1 023 236

([X.])

hat der 1. Senat (Nichtigkeitssenat) des [X.] auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 1. Februar 2011 durch den Richter [X.] als Vorsitzender sowie [X.], [X.], [X.]. Baumgart und [X.]. Krüger

für Recht erkannt:

1. Das [X.] Patent 1 023 236 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] für nichtig erklärt.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für die [X.] erteilten [X.] Patents 1 023 236 ([X.]), das am 19. Februar 1999 (internationaler Anmeldetag) unter Inanspruchnahme der Prioritäten dreier [X.] Patentanmeldungen vom 26. Februar 1998 ([X.] 31108), 9. Oktober 1998 ([X.] 169415) und 22. Dezember 1998 ([X.] 218990) angemeldet worden ist.

2

Das in der [X.] veröffentlichte [X.] trägt die Bezeichnung „Traction elevator system using a flexible, flat rope and a permanent magnet machine“ ([X.]naufzugsystem mit flexiblem Flachseil und Permanentmagnet-Antrieb) und umfasste in der erteilten, mit [X.] 023 236 [X.] veröffentlichten Fassung 18 Patentansprüche.

3

Im rechtskräftig durch die Entscheidung [X.] des [X.] Patentamts vom 29. Mai 2008abgeschlossenen Einspruchsverfahren vor dem [X.] ist das [X.] beschränkt aufrechterhalten worden und umfasst in der geltenden Fassung noch 7 Patentansprüche, die sämtlich mit der Klage angegriffen sind und wegen deren Fassung auf die [X.]schrift [X.] 023 236 [X.] Bezug genommen wird.

4

Patentanspruch 1 lautet in seiner als [X.] veröffentlichten [X.] Übersetzung wie folgt:

Abbildung

5

Die Beklagte hat das [X.] zuletzt im Umfang einer demgegenüber geänderten Fassung des Patentanspruchs 1 verteidigt. An diesen Anspruch schließen sich direkt oder indirekt rückbezogene Ansprüche 2 bis 7 in der geltenden Fassung an, für deren Wortlaut auf die [X.]schrift [X.] 023 236 [X.] und die [X.] Übersetzung [X.] verwiesen wird.

6

Der verteidigte Patentanspruch 1 - wesentliche Änderungen gegenüber der mit [X.] 023 236 [X.] veröffentlichten Fassung sind durch Unterstreichung hervorgehoben - hat in der [X.] Übersetzung folgenden Wortlaut:

7

Aufzugsystem (10) mit einer Kabine (12) und einem Gegengewicht (16), die in einem [X.] (23) angeordnet sind, der durch Schachtwände (30) gebildet ist, wobei das Aufzugsystem aufweist:

8

ein Seil (20), das mit der Kabine (12) und dem Gegengewicht derart zusammenwirkt, dass die Kabine und das Gegengewicht aufgehängt sind,

9

] mehrere Last tragende Elemente (52) aufweist, wobei die Last tragenden Elemente (52) aus Stahldrähten gebildet sind,

wobei die Stahldrähte einen Durchmesser von 0,25 mm oder weniger aufweisen,

eine Ummantelung (54), wobei die Ummantelung aus einem nicht-metallischen Material gebildet ist, und

mit horizontaler Achse in dem [X.] angeordnet ist und die eine [X.] (36) und einen Motor aufweist,

mit zylindrischer Form und einen Stator (42) aufweist,

radialen Luftspalt (50) zwischen dem Rotor (44) und dem Stator (42) aufweist,

wobei die [X.] (36) für eine gleichlaufende Rotation direkt mit dem Rotor (44) verbunden ist,

wobei die [X.] (36) mit dem Seil (20) zusammenwirkt, um das Seil durch Traktion zwischen dem Seil und der [X.] anzutreiben und so die Kabine (12) im [X.] (23) zu verfahren,

wobei der Rotor (44) teilweise aus Permanentmagneten (48) gebildet ist, und

wobei das Seil (20) eine Breite w, eine in der Biegerichtung gemessene Dicke t und ein Seitenverhältnis, das als das Verhältnis der Breite w relativ zu der Dicke t definiert ist, größer als 1 aufweist.

Die Klägerin macht gegen den Rechtsbestand des Patents - unverändert auch gegenüber der zuletzt in der mündlichen Verhandlung verteidigten Fassung - geltend, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht patentfähig sei, zudem über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung - veröffentlicht in Gestalt der [X.] - hinaus gehe, und im Übrigen der Schutzbereich des Klagepatents erweitert worden sei.

Nach ihrer Auffassung kann für den Gegenstand des Anspruchs 1 zudem keine der drei angegebenen Prioritäten wirksam beansprucht werden, im Hinblick auf den Stand der Technik sei der Anmeldetag des [X.]s als maßgeblicher Zeitrang heranzuziehen.

Im Verfahren ist u. a. der folgende druckschriftliche Stand der Technik:

K15/K15a [X.] 07 117 957 / Übersetzung hierfür

K16/K16a [X.] 090 21 084 / Übersetzung hierfür

[X.]/[X.]a [X.] 091 42 761 / Übersetzung hierfür

[X.] [X.] 5 461 850

K22 Messe-Prospekt ([X.]) „[X.]“, [X.], Seiten 14 bis 16, April 1998

[X.] GB 2 162 283 A

K35a Zeitschrift [X.], 24. Jahrgang (1998) Heft 5, S. 44 bis 48

[X.] European Standard EN 81-1 / Ausgabe Februar 1998.

Die Klägerin beantragt,

das [X.] Patent [X.] 023 236 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen das [X.] in der Fassung des in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentanspruchs 1 richtet, an den sich die Patentansprüche 2 und 7 in der Fassung der Entscheidung der Beschwerdekammer des [X.] Patentamts [X.] vom 29. Mai 2008 anschließen.

Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin in allen Punkten entgegen und ist der Auffassung, dass die geltend gemachten Nichtigkeitsgründe nicht gegeben seien.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die wechselseitigen Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage, mit der die Nichtigkeitsgründe mangelnder Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 [X.] [X.] Art. 138 Abs. 1 lit. a EPÜ, Art. 52, 56 a EPÜ), unzulässiger Erweiterung des Inhalts der Anmeldung (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 [X.] [X.] Art. 138 Abs. 1 lit. c EPÜ) und Erweiterung des Schutzbereichs (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 4 [X.] [X.] Art. 138 Abs. 1 lit. d EPÜ) geltend gemacht werden, ist begründet, da sich der Gegenstand des [X.] auch in der verteidigten Fassung als nicht patentfähig erweist.

Es bedurfte deshalb keiner Entscheidung, ob die weiter geltend gemachten Nichtigkeitsgründe der unzulässigen Erweiterung und der Erweiterung des Schutzbereichs (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 [X.] [X.] Art. 138 Abs. 1 lit. c und lit. d EPÜ) gleichfalls gegeben sind, insbesondere ob das Merkmal M9

Ebenso bedurfte es deshalb keiner näheren Prüfung, ob die gegenüber der geltenden Fassung zuletzt nach Hauptantrag verteidigte Fassung auf zulässigen Änderungen beruht, da die Patentinhaberin erstere auch nicht hilfsweise verteidigt ([X.], 145 - Fentanylpflaster), wobei der Senat im Übrigen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der insoweit vorgenommenen Änderung hat und auch hieraus keine abweichende Beurteilung der geltend gemachten Nichtigkeitsgründe resultiert.

Soweit das Streitpatent über die von der [X.] verteidigten Fassung hinausgeht, war es ohne Sachprüfung für nichtig zu erklären.

[X.]

1. Das Streitpatent betrifft ein Aufzugsystem mit den Bestandteilen Kabine, Gegengewicht, Seil mit zusammenwirkender [X.] und Antriebsmaschine.

Ein typisches [X.] umfasst eine Kabine und ein Gegengewicht, die in einem Aufzugsschacht angeordnet sind, eine Mehrzahl von Seilen, die die Kabine und das Gegengewicht miteinander verbinden, und eine in einem Maschinenraum über dem Aufzugsschacht angeordnete Maschine mit einer [X.], die mit den Seilen zusammenwirkt. Die Seile und dadurch die Kabine und das Gegengewicht werden durch die Drehung der [X.] angetrieben; vgl. Absatz 0002 in der [X.]. Absatz 0003 ist es ein neuer Trend in der Aufzugsindustrie, den Maschinenraum zu eliminieren und die [X.] in dem Aufzugsschacht anzuordnen.

2. Vor diesem Hintergrund ist nach den Angaben in der geänderten [X.]chrift die Aufgabe formuliert, [X.] zu entwickeln, die den zur Verfügung stehenden Platz effektiv nutzen und die Lastbeanspruchungs- und die Geschwindigkeitsanforderungen über einen breiten Bereich von Aufzugsanwendungen erfüllen; nach den ergänzenden Ausführungen der [X.] in der mündlichen Verhandlung soll sich ein nach der Lehre des geltenden Patentanspruchs 1 ausgeführtes Aufzugsystem durch eine besonders kompakte Gestaltung des Antriebs auszeichnen und wegen der so ermöglichten platzsparenden Anordnung der Bestandteile ohne gesonderten Maschinenraum oder Änderung des [X.] auskommen.

3. Gelöst werden soll diese Aufgabe nach Patentanspruch 1 in der verteidigten Fassung durch ein Aufzugsystem, das folgende Merkmale aufweist (Gliederung entsprechend den Komplexen [X.]

M1

M2

M3

M4

M5

M12

M6

M7

M8

M11

M9

M10

4. Als Fachmann beschäftigte sich mit dem Gebiet des [X.] im Anmeldezeitpunkt ein Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit langjähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet der Aufzugsanlagen - von daher mit einschlägigen Kenntnissen betreffend den Aufbau und die Gebrauchseigenschaften von [X.]. Dieser Fachmann arbeitete bei der Auslegung des Antriebs mit einem Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik - spezialisiert auf elektrische Antriebsmaschinen - im Team zusammen (vgl. [X.], 404 – [X.]) bzw. zog für Bereiche, in denen sein Fachwissen nicht ausreichte, [X.] zu Rate ([X.], 1039 - [X.] 18 - [X.]).

5. Nach dem maßgeblichen Verständnis dieses Fachmanns ist zu beurteilen, was Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der verteidigten Fassung und durch das Streitpatent unter Schutz gestellt ist, wobei trotz der maßgeblichen [X.] Verfahrenssprache eine Verteidigung auch in [X.] zulässig ist und für die Auslegung der Patentansprüche der übrige Inhalt der Patentschrift in der maßgeblichen Verfahrenssprache heranzuziehen ist ([X.], 904 - [X.]). Danach ist entscheidend, welcher technische Sinngehalt aus der Sicht des Fachmanns den Merkmalen des Patentanspruchs im Einzelnen und in ihrer Gesamtheit ([X.], 515, 517 - Schneidmesser I [X.] [X.] 2001, 232, 233 - Brieflocher, jeweils m. w. N.) aufgrund einer am Gesamtzusammenhang orientierten Betrachtung zukommt (st. Rspr. vgl [X.], 129 - [X.]; [X.], 845 – Drehzahlermittlung, m. w. N.). Begriffe in den Patentansprüchen sind deshalb so zu deuten, wie sie der angesprochene Fachmann nach dem Gesamtinhalt der Patentschrift unter Berücksichtigung der in ihr objektiv offenbarten Lösung bei unbefangener Erfassung der im Anspruch umschriebenen Lehre zum technischen Handeln versteht (st. Rspr., vgl. [X.], 311 - Baumscheibenabdeckung; [X.], 845 - Drehzahlermittlung), weshalb die Patentschrift im Hinblick auf die gebrauchten Begriffe ihr eigenes Lexikon darstellt ([X.], 909, 912 – Spannschraube; [X.] [X.]. 2000, 105, 106 - Extrusionskopf).

Nach dem danach maßgeblichen Verständnis dieses Fachmanns enthält der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der verteidigten Fassung keine Merkmale, die das beanspruchte [X.] für eine effektive Nutzung des zur Verfügung stehenden Platzes und einen breiten Bereich von Aufzugsanwendungen oder als besonders kompakt gestaltet qualifizieren und die insoweit eine Abgrenzung gegenüber dem Stand der Technik erlauben. Dass in der [X.]chrift eine entsprechende Aufgabenstellung genannt ist, rechtfertigt keine andere Bewertung, auch wenn das als Aufgabe der Erfindung in der Patentschrift Bezeichnete einen Hinweis auf das richtige Verständnis der beanspruchten technischen Lehre geben ([X.], 602, 605, [X.]. 27 - Gelenkanordnung) und Hilfsmittel für die Ermittlung des objektiven technischen Problems sein kann ([X.] [X.] 2005, 141, 142 - Anbieten interaktiver Hilfe, m. w. N.). Denn auch insoweit gilt der Vorrang des Patentanspruchs gegenüber dem übrigen Inhalt der Patentschrift.

Welches technische Problem durch eine Erfindung gelöst wird (siehe dazu unten I[X.] 2.a.), ist allein objektiv danach zu bestimmen, was die in den Patentansprüchen beanspruchte Erfindung tatsächlich leistet ([X.], 602, 605, [X.]. 27 - Gelenkanordnung; [X.] 2010, 607, 608, [X.]. 18 – Fettsäurezusammensetzung). Insoweit haben jedenfalls der subjektiven Aufgabenstellung der [X.] entsprechende Maßnahmen keinen Niederschlag in den Merkmalen des Anspruchs 1 gefunden. Hierauf wurde die Patentinhaberin vom Senat in der mündlichen Verhandlung auch hingewiesen.

6. Im Einzelnen ist von folgendem Verständnis auszugehen:

a) Die Merkmale M1

Aus den Merkmalen M2

Der Begriff „Kabine“ im Merkmal M1

Allerdings muss der Antrieb in Form eines eine Rotationsbewegung bereitstellenden [X.] - wie aus den Merkmalen M6

Aus der Forderung des Merkmals M9

b) Der [X.] „Seil“ definiert selbiges durch die Merkmale M3

Wenngleich für den Fachmann die Abhängigkeit des Durchmessers einer [X.] von der konkreten Ausführung der „Last tragenden Elemente“ wegen der dem Seil aufgezwungenen Biegung offensichtlich ist, d. h. für ein Seil vorgegebener, innerer Struktur ein Mindestdurchmesser der [X.] nicht unterschritten werden darf, ergeben sich somit aus den Merkmalen dieser Gruppe weder definierte Belastungsgrenzen noch [X.]ndurchmesser. Mithin lassen die das Seil betreffenden Merkmale ebenfalls keinen zwangsläufigen Rückschluss auf die [X.] oder das Einsatzgebiet des gemäß Merkmal M1

Der aus dem Merkmal M12

c) Anhand des durch die Merkmale M7

Ein von gesteuert stromdurchflossenen Elektromagneten des [X.] im [X.] erzeugtes, umlaufendes Magnetfeld - was der Fachmann im Umkehrschluss zum Merkmal M11

Die zylindrische Form des Rotors (Merkmal M7

I[X.]

1. Der durch den Anspruch 1 in der verteidigten Fassung definierte Gegenstand ist gegenüber dem im Verfahren befindlichen Standes der Technik unbestritten neu, wobei dem Streitpatent jedenfalls die Priorität der [X.] 169 415 ([X.]) vom 9. Oktober 1998 zukommt. Denn dieses Dokument ist mit der dem Streitpatent zugrunde liegenden Anmeldung in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung - veröffentlicht als [X.] - inhaltsgleich. Dies wurde im Übrigen seitens der Klägerin zugestanden.

2. Die gemäß Patentanspruch 1 beanspruchte technische Lehre beruht jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, sondern ist dem Fachmann durch den Stand der Technik - hier belegt durch die Fundstellen [X.], [X.] und [X.] – nahegelegt.

a. Den Ausgangspunkt der Überlegungen des Fachmanns bildet hier der durch die Literaturstelle [X.] bekannte „Direktantrieb für Aufzüge ohne Triebwerksraum“ (vgl. Bezeichnung). Denn der um eine Lösung der technischen Problemstellung bemühte und mit Weiterentwicklung betraute Fachmann, der naturgemäß bei der Fehleranalyse vorhandener Lösungen ansetzt (vgl. [X.], 814, 816, TZ. 24 – [X.]), findet dort bereits beispielhaft ein Aufzugsystem beschrieben, dem eine platzsparende Unterbringung des kompakt bauenden Antriebs zugeschrieben ist, vgl. Seite 44, mittlere Spalte, dritter Absatz und Seite 46, mittlere Spalte, vorletzter Absatz, wobei die Erfüllung der Lastbeanspruchungs- und Geschwindigkeitsanforderungen für den Anwendungsbereich als selbstverständlich zu unterstellen ist. Der in der Druckschrift [X.] dokumentierte Stand der Technik ist deshalb als Ausgangspunkt in Betracht zu ziehen ([X.], 1039 - [X.]; [X.], 382 – [X.]; B[X.] [X.], 317 - Programmartmitteilung).

Wie im Folgenden weiter ausgeführt wird, vermag ein Aufzugsystem mit den Merkmalen des geltenden Patentanspruchs 1 demgegenüber tatsächlich lediglich eine verbesserte Haltbarkeit des Seils durch dessen Ausführung nach den Merkmalen des entsprechenden [X.]es zu leisten. Unerheblich ist, ob die Anwendung eines erfindungsgemäßen Seils in der beanspruchten Kombination mit der kompakten Gestaltung des Antriebs ggf. weitere Verbesserungsmöglichkeiten bietet, weil diese nach der technischen Lehre gemäß Anspruch 1 noch nicht gegenständlich durch die Merkmale des Patentanspruchs angesprochen sind. Ausgehend davon, dass das technische Problem aus dem zu entwickeln ist, was die beanspruchte Erfindung tatsächlich gegenüber dem Stand der Technik leistet ([X.], 607, [X.]. 18 - Fettsäurezusammensetzung; [X.], 602, [X.]. 27 - Gelenkanordnung; [X.], 814 - [X.]), erschöpft sich die Lehre nach Patentanspruch 1 in einer nahegelegten Optimierung des [X.]s. Denn tatsächlich vermag die hier beanspruchte Lösung lediglich das Problem der Abnutzung bei unmittelbar auf der [X.] aufliegenden Stahlseilen gegenüber dem Stand der Technik gemäß [X.] zu lösen.

Die Literaturstelle [X.], die jedenfalls seit dem 6. Oktober 1998 - wie seitens der Klägerin anhand der Eingangsstempelung eines vom [X.] bezogenen Exemplars belegt wurde - und somit vor dem maßgeblichen Zeitrang des [X.] öffentlich zugänglich war, beschreibt ein dem Merkmal M1

Die [X.] schlägt für den Direktantrieb einen permanenterregten Außenläufermotor vor, bei dem die Permanentmagneten am Rotor jedenfalls entsprechend dem gebotenen Verständnis des Merkmal M11

Bei dieser Bauart läuft der Rotor unter Einhaltung des funktionsnotwendigen, radialen Luftspalts entsprechend diesem Teil des Merkmals M8

Motor lediglich hinsichtlich des von Merkmal M8

Seil betreffenden Merkmale ist festzustellen, dass die einzelnen Seile dort - denen der Fachmann einen Aufbau aus Stahldrähten und einen runden Querschnitt unterstellt - zwar Last tragende Elemente, wie vom Merkmal M3

b. Dem Fachmann wurde bereits mit [X.] die Verwendung von Flachseilen („flat ropes“) vorgeschlagen - deren Breite größer als deren Dicke entsprechend der Forderung des Merkmals M12

c. Die Druckschrift [X.], siehe die Übersetzung [X.]a, befasst sich mit dem Aufbau derartiger Flachseile mit einer Mehrzahl einzelner, in einer nicht-metallischen Umhüllung - weil diese aus Kunstharz („synthetic resin“) besteht - zusammengefassten Seilen („multiple unit ropes“), die selbst aus Stahldrähten gebildet sind, vgl. Absätze 0013 bis 0015 in Zusammenhang mit den Figuren 1, 2 und 5. Auch diese Entgegenhaltung sieht die Vorteile - ähnlich [X.] - im Schutz vor Abnützung der eingelagerten Seile (vgl. Absatz 0022) und der möglichen Verringerung des [X.]ndurchmessers zur Ausbildung kompakter Antriebseinheiten in Folge (vgl. Absatz 0018), wenn anstelle eines (einzigen) Rundseils eine der Tragfähigkeit entsprechende Anzahl dünnerer Seile in Gestalt eines Flachseils mit Ummantelung verwendet wird (vgl. Absatz 0017 und Seite 1 unten: „to enable a decrease in the sheave diameter while maintaining a prescribed tensile strength“).

Die [X.] beschreibt die mögliche Substitution (vgl. Absatz 0002 in Verbindung mit Absatz 0006) eines aus mehreren, im Speziellen jeweils aus Stahldrähten mit 0,3mm Ø gebildeten Strängen („strands 102“) geschlagenen, unter anderem für Aufzugsanwendungen („elevator suspension“, „mine cables“) vorgesehenen Rundseils („wire rope 100“) durch ein Flachseil, bei dem die gleichen Stränge in einer Umhüllung aneinander grenzend nebeneinander liegend zusammengefasst sind, wodurch beim Beispiel dort ein Flachseil mit einer gegenüber dem Rundseil verringerten Dicke von 1,5mm resultiert (vgl. Absatz 0025 im Zusammenhang mit Absatz 0003). [X.] unterstellt hierbei bereits die dem Fachmann offensichtliche Abhängigkeit der notwendigen Anzahl der Stränge vom konkreten Anwendungsfall (vgl. Absatz 0005 „even more strands [,,,] according to various applications“), während der Durchmesser der Stahldrähte selbst keiner Beschränkung unterliegen soll und gemäß Absatz 0026 ausdrücklich auch kleiner als 0,3 mm sein kann („there are no restrictions on the diameter of wires, and a diameter of less than 0,3 mm may be used“).

Mithin lehrt diese Druckschrift die Ausbildung eines Flachseils auch für Aufzugsanwendungen (entsprechend den Merkmalen M3

d. Ausgehend von der [X.], die bereits alle wesentlichen Maßnahmen zum Aufbau eines kompakten Aufzugsystems entsprechend dem geltenden Anspruch 1 lehrt, lag es für den Fachmann, der stets bestrebt ist, für einen bestimmten Zweck eine bessere - oder auch nur eine andere - Lösung zu finden, als sie der Stand der Technik zur Verfügung stellt (vgl. [X.], 1039 - [X.]. 20 – [X.]), und der bei [X.]n insbesondere die Haltbarkeit der Last tragenden Seile zu verbessern sucht, auf der Hand, diese Lösung auf die Anlage gemäß der [X.] zu übertragen und die dort noch in einer Mehrzahl vorgesehenen Maschinenelemente „Rundseil“ durch ein Flachseil zu substituieren, welches die Last tragenden Elemente in einer nicht-metallischen Umhüllung zusammenfasst, zumal bereits die [X.] diesem Aufbau inhärenten Vorteile einer Lebensdauererhöhung zuschreibt. Im Übrigen ließe sich eine erfinderischen Tätigkeit auch nicht damit begründen, dass der Stand der Technik für eine mit der nahegelegten Problemlösung zugleich erreichte Verbesserung der Lösung einer weiteren Problemstellung keine hinreichende Anregung vermittelt hat (vgl. [X.] [X.] 2003, 693 - Hochdruckreiniger).

Zu einer gegenüber dem Abnutzungsproblem bei unmittelbar auf der [X.] aufliegenden Stahlseilen weitergehenden Problemlösung, wie sie in der Aufgabenstellung in der Patentschrift genannt ist, trägt die in Kombination beanspruchte Hernahme eines Flachseils mit den Merkmalen M3

Im Ergebnis ist deshalb festzustellen, dass bereits die gemeinsame Anwendung der aus dem Stand der Technik für sich bekannten Merkmale betreffend die Anordnung der [X.] (Merkmalsgruppe A) wie auch der das Seil betreffenden Merkmale (Merkmalsgruppe S) dem Fachmann nahegelegt war. Auch die Beschwerdekammer des [X.] hatte in ihrer Begründung gemäß [X.]/07-3206 vom 3. Juli 2008 festgestellt (vgl. Seite 14, Abschnitt 5.5, erster und zweiter Absatz), dass die alternative Verwendung von Flachseilen - dort auf [X.] gestützt - anstelle einzelner Rundseil naheliegend war und in der Festlegung des Drahtdurchmessers darüber hinaus eine fachmännische Maßnahme gesehen.

e. Auch die Auswahl des [X.] - hier betreffend den durch die Merkmale M7

Die Hernahme eines [X.] mit radial nach innen beabstandetem Rotor (Innenläufer) anstelle eines [X.] mit nach außen beabstandetem Rotor (Außenläufer) bei ansonsten gegenüber [X.] unveränderten Maschinenkomponenten (Merkmalsgruppe M) betrifft den im handwerklichen Können liegenden, durch den praktischen Bedarfsfall veranlassten Austausch gleich wirkender [X.]el. So mag bei gleichen Bauabmessungen die eine gegenüber der anderen Bauart eine andere Drehmoment-/Drehzahlcharakteristik bereitstellen können, im Umfang der geltenden Merkmalskombination jedenfalls ergeben sich durch die beanspruchte Motorbauart „Innenläufer“ auch keine - zumal nicht offenbarten - Vorteile.

f. Der Senat verkennt nicht, dass die beanspruchte Lehre als Ganzes der Beurteilung erfinderischer Tätigkeit zugrunde zu legen ist und nach Maßgabe von „Teilaufgaben” in einzelne Merkmalsgruppen aufgesplitterter Gegenstand der Erfindung nicht in der Weise der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit zu Grunde gelegt werden kann, dass einzelne Merkmale oder Merkmalsgruppen daraufhin untersucht werden, ob sie dem Fachmann durch den Stand der Technik je für sich nahegelegt waren. Maßgeblich ist vielmehr der Gegenstand der Erfindung in der Gesamtheit seiner Lösungsmerkmale in ihrem technischen Zusammenhang zu Grunde zu legen ([X.], 1055 - [X.]. 28 - Papiermaschinengewebe). Dies gilt insbesondere im Falle einer Kombinationserfindung, bei der sich durch das funktionale Zusammenwirken der verschiedenen, sich gegenseitig beeinflussenden, fördernden und ergänzenden Merkmale eine über die bloße Addition hinausgehende Wirkung einstellt (vgl. [X.] BlPMZ 1979, 151 - [X.]; [X.] 1981, 732 - First- und Gratabdeckung; [X.]/[X.] in [X.], [X.], 10. Auflage, § 1 Rdnr. 78; [X.] in Busse, [X.], 6. Auflage, § 1 Rdnr. 101). Allerdings enthält die tatsächlich gegenüber dem Stand der Technik geleistete Lehre nach Patentanspruch 1 für das beanspruchte [X.] lediglich eine Aggregation bekannter Komponenten für die Komplexe „Aufzug“, „Seil“ und „Maschine“, deren Merkmalsgruppen sich auch in ihrer Gesamtheit nicht zu einem neuen Ganzen fügen, sondern die nur eine sich in naheliegender Weise ergebende Optimierung des Aufzugsystems durch Substitution des [X.]es „Seil“ aufweist. Das Auffinden der Merkmalskombination nach Anspruch 1 lag daher in ihrer Gesamtheit nahe.

Entgegen der Auffassung der Patentinhaberin bestand auch gegen die Befolgung der durch [X.] vermittelten Lehre, anstelle weniger vereinzelter Rundseile eine größerer Anzahl dünnerer Seile in Form eines Flachseils herzunehmen, weder ein Vorurteil noch war der Fachmann wegen etwaiger Bedenken hinsichtlich der technischen Realisierbarkeit von der Konzeption der Lehre des geltenden Anspruchs 1 abgehalten: Denn ein nur für bestimmte Märkte geltendes Regelwerk, wie die von der Patentinhaberin als Anlage [X.] eingeführte [X.] Norm [X.], die für Personenaufzüge Rundseile mit einem Mindestdurchmesser von 8 mm vorschreibt, schränkt den Fachmann in seinen Überlegungen zur Weiterentwicklung von [X.] nicht ein, zumal diese Anwendung im Anspruch 1 nicht spezifiziert und für die Annahme der Überwindung eines Vorurteils selbst die Abweichung von einer gängigen Praxis der Fachwelt nicht ausreichend ist, solange dieser keine allgemeine eingewurzelte technische Fehlvorstellung zugrunde liegt, die durch die Erfindung widerlegt wird ([X.] Urt. v. 6.9.2005, [X.]. [X.], unter Hinweis auf [X.]Z 133, 57, 67 - Rauchgasklappe). Tatsächlich wurde vorliegend jedoch die bereits mit [X.] oder [X.] angeregte Substitution von [X.] für Aufzugsanwendungen durch Flachseile in Form von nicht-metallisch ummantelten, zusammengefassten Stahlseilen mit der [X.] nahe dem Zeitrang des Patents erneut aufgegriffen, vgl. Seite 15, mittlere Spalte, erster Absatz.

Auch waren bei einer Übertragung der Lehre der [X.] auf ein Aufzugsystem entsprechend [X.] keine technologischen Grenzen zu überwinden, selbst wenn für das hier beanspruchte Aufzugsystem - zwanglos - die Ausbildung als Personenaufzug gleicher Tragfähigkeit unterstellt wird: Die dort vereinzelten Seile werden entsprechend ihrer runden Querschnittsform in angepassten Rillen der [X.] geführt, wie der Fachmann der Beschreibung der [X.], Seite 46, letzter Absatz im Zusammenhang mit der deutlichen Darstellung der [X.]nkontur in Abb. 1 entnimmt. Den in [X.] bereits angeregten Weg weiterverfolgend, anstelle von 3 [X.] 10mm Ø entsprechend mehr dünnere Seile herzunehmen (s. o.), kann die dort für die Verwendung von 4 Seilen mit 8mm Ø spezifizierte [X.]nbreite von 60mm auch für ein 10 Seile à 5,25mm Ø umfassendes Flachseil hergenommen werden. Bei Verwendung der lt. [X.]a für Aufzugsanwendungen üblichen, aus Stahldrähten mit einem Durchmesser entsprechend Merkmal M4

Eine derartige Auslegung ermöglicht auch kleinere [X.]ndurchmesser - in [X.] ist ein [X.]ndurchmesser von 400mm für das Führen von [X.] mit 8mm Ø spezifiziert, vgl. Seite 46, Tabelle 1 - und somit wiederum kleinere Motoren, was eine kompakte Gestaltung des Antriebs begünstigt.

Die Beschwerdekammer des [X.]n Patentamts hat in ihrer Entscheidung bei einer Zusammenschau von [X.] mit [X.] eine Veranlassung zur Auffindung des [X.] im Hinblick auf das Merkmal M9

4. Die [X.] bis 7 weisen gleichfalls keinen eigenständig erfinderischen Gehalt auf. Ein solcher wurde von der [X.] auch nicht geltend gemacht.

II[X.]

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 [X.] [X.] § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 [X.], § 709 Satz 1 und 2 ZPO.

Meta

1 Ni 11/09 (EU)

01.02.2011

Bundespatentgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: Ni

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Urteil vom 01.02.2011, Az. 1 Ni 11/09 (EU) (REWIS RS 2011, 9919)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 9919

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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