Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.05.2012, Az. VIII ZR 246/11

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 6407

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BUND[X.]SG[X.]RICHTSHOF

IM NAM[X.]N D[X.]S VOLK[X.]S

URT[X.]IL
VIII ZR 246/11
Verkündet am:

15. Mai 2012

Vorusso

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 560 Abs. 4
Die Anpassung von Vorauszahlungen setzt eine formell und inhaltlich korrekte [X.] voraus (Änderung der bisherigen [X.]rechtsprechung, zuletzt [X.]ur-teil vom 16.
Juni 2010 -
VIII
ZR 258/09, [X.], 736 Rn.
26).
BGH, Urteil vom 15. Mai 2012 -
VIII ZR 246/11 -
LG [X.]

[X.]

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2
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Der VIII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. April 2012
durch den Vorsitzenden [X.], den Richter Dr.
Frellesen, die Richterinnen Dr.
Milger und Dr.
Fetzer sowie den Richter
Dr.
Bünger
für Recht erkannt:
Die Revision des [X.] gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des [X.] vom 22. Juli 2011 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Der Beklagte ist seit 1993 Mieter einer 85,68 qm großen Wohnung in [X.].

. Der Kläger ist durch [X.]rwerb des Anwesens in den Mietvertrag einge-treten.

Vorauszahlungen auf die Betriebskosten vereinbart, die o-natlich betrugen. Jeweils im [X.] an die Abrechnung
von Betriebskosten
erhöhte der Kläger die Vorauszahlungen

sowie

;
mit der Abrechnung für 2008 passte er sie ab 1. Januar 2010

monatlich
an.
Der
Beklagte
entrich-1
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tete durchgehend

und
erhob jeweils konkrete [X.]inwendungen gegen die Abrechnungen. Bezüglich der nach Wohnfläche abzurechnenden Kosten für Wasser und Abwasser
fehle es schon an einer formell ordnungsgemäßen Abrechnung, weil ein Teil der [X.] als "Festbetrag"
in Rechnung gestellt worden sei, ohne einen [X.] zu benennen. Hausmeisterkosten seien nicht umlagefähig, weil die Mieter die Reinigung von Treppenhaus und Hof sowie die Pflege der Park-flächen entsprechend der mietvertraglichen Regelung selbst vornähmen und nicht ersichtlich sei, dass
der Hausmeister überhaupt umlagefähige Arbeiten ausführe.
Die Nachforderung des [X.] aus der Betriebskostenabrechnung für 2005 wurde in einem Vorprozess mit Urteil vom 19. Januar 2010 (rechtskräftig) mit der Begründung abgewiesen,
die Wasserkosten
seien
mit einem unzulässi-gen "Festbetrag"
berechnet und der Kläger
habe im Übrigen nicht dargelegt, wofür die angesetzten Hausmeisterkosten angefallen seien; bei Streichung die-ser Kostenpositionen ergebe sich keine Nachforderung des [X.].
Die Hausverwaltung des [X.] kündigte das Mietverhältnis mit [X.] vom 11. November 2009 wegen eines behaupteten [X.] für den [X.]raum Januar bis November 2009 in Höhe 2.881,72

fristgemäß.
Mit Schreiben vom 26. März 2010 wiederholte der Kläger die Kün-digung, wobei er sich auf Rückstände in Höhe von (nur noch) insgesamt 1.040

für den [X.]raum Juni 2008 bis März 2010
berief. Außerdem stützte der Kläger die Kündigung vom 26. März 2010 darauf, dass der
Beklagte in der [X.] von 2006 bis 2008 die erhöhten Vorauszahlungen nicht entrichtet habe.

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Das
Amtsgericht hat die Räumungsklage abgewiesen, das [X.] hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

[X.]ntscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen [X.]rfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner [X.]ntscheidung, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
Das Mietverhältnis zwischen den Parteien bestehe fort, weil der Kläger zur fristlosen oder fristgerechten Kündigung nicht berechtigt gewesen sei.
Der
Wirksamkeit der Kündigung wegen nicht gezahlter [X.]rhöhungsbeträge stehe bereits die [X.] des § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB entgegen, weil der Vermieter danach wegen derartiger Rückstände erst dann kündigen könne, wenn er den Mieter deswegen auf Zahlung verklagt habe und seit der rechts-kräftigen Verurteilung zwei Monate abgelaufen seien.
Die Kündigung vom 11. November 2009 sei lediglich auf die bis zu die-sem [X.]punkt im Jahr 2009 aufgelaufenen Rückstände gestützt. Die vom Klä-ger beanspruchten erhöhten Vorauszahlungen hätten ihm jedoch nicht [X.]. Hinsichtlich der Kosten für Wasser und Abwasser seien die Abrech-nungen des [X.] bereits aus formellen Gründen unwirksam. Hinsichtlich der Hausmeisterkosten seien die Abrechnungen inhaltlich unrichtig, weil der Kläger trotz eines entsprechenden gerichtlichen Hinweises nichts dazu vorgetragen habe, welche umlagefähigen Arbeiten der Hausmeister überhaupt ausgeführt 5
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habe. §
560 Abs. 4 BGB
erlaube dem Vermieter nur eine Anpassung der [X.] auf eine angemessene Höhe. Dies verbiete es, eine Abrechnung mit groben inhaltlichen Fehlern zugrunde zu legen, die den Abrechnungssaldo deutlich zu Lasten des Mieters verschieben würden.
Bei Abzug der Hausmeis-terkosten und Korrektur der Wasserkosten verbleibe in den Abrechnungen für 2007 und 2008 kein Saldo zum Nachteil der Beklagten, so dass für eine [X.] der Vorauszahlungen auch kein Raum gewesen sei.

Auch die Kündigung vom 26. März 2010 sei unwirksam. Soweit sich der Kläger darin auf rückständige Vorauszahlungen aus den Jahren 2006 bis 2008 berufen habe, fehle es schon deshalb an einem Verzug im [X.]punkt der Kündi-gung, weil der Anspruch auf Vorauszahlungen mit dem
[X.]intritt der [X.] erloschen sei. Zwar könne eine ordentliche Kündigung auch auf in der Vergangenheit liegende abgeschlossene Vertragsverletzungen wie verspä-tete Mietzahlungen gestützt werden. [X.]ine
Vertragsverletzung in Form nicht rechtzeitig entrichteter Vorauszahlungen liege indes nicht vor, denn auch die vom Kläger mit den Abrechnungen für 2005 und 2006 vorgenommenen [X.] seien wegen der inhaltlichen Fehler bei den Kosten für Wasser und Hausmeister unwirksam.

II.

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung
jedenfalls insoweit stand, als das Berufungsgericht eine Verpflichtung der Beklagten zur Leistung [X.] verneint hat. Die Revision ist daher [X.]. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Räumung der
vom Beklagten gemieteten Wohnung nicht zu, weil die Kündigungen vom 11. November 2009 und vom 26. März 2010 mangels Pflichtverletzung des Beklagten das Mietver-10
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hältnis der Parteien nicht beendet haben.
Der Beklagte war nicht verpflichtet, die vom Kläger verlangten erhöhten [X.] zu entrich-ten.
Die vom Kläger vorgenommenen [X.]rhöhungen
sind von vornherein [X.], soweit sie auf Positionen (Frisch-
und Abwasser) gestützt sind, die schon wegen formeller Mängel nicht ordnungsgemäß abgerechnet worden sind.

Im Übrigen ist dem Berufungsgericht auch darin beizupflichten, dass der Vermieter auch nach einer formell ordnungsgemäßen
Abrechnung zur [X.]rhö-hung von Vorauszahlungen insoweit nicht berechtigt ist, als die zugrunde geleg-te Abrechnung inhaltliche Fehler aufweist, die das Abrechnungsergebnis zu Lasten des Mieters verschieben und bei deren Korrektur sich ergibt, dass die bisherigen Vorauszahlungen weiterhin angemessen sind.

1. Gemäß § 560 Abs. 4 BGB kann jede Partei nach einer Abrechnung der
Betriebskosten durch [X.]rklärung in Textform eine Anpassung
der [X.]
auf eine angemessene Höhe vornehmen. Hierfür genügte
nach der (bisherigen)
Rechtsprechung des [X.] allerdings eine formell ordnungsge-mäße Abrechnung; auf die inhaltliche Richtigkeit kam
es nicht an ([X.]urteile vom 28. November 2007

[X.], [X.], 121 Rn. 15, 18; vom 25.
November 2009

VIII ZR 322/08, [X.], 315 Rn. 16 sowie vom 16.
Juni 2010

VIII ZR 258/09, [X.], 736 Rn. 26). Hieran hält der [X.] nicht fest.
Die
bisherige Rechtsprechung des [X.] beruhte auf der Überlegung, dass über die Anpassung der Vorauszahlungen alsbald nach einer Abrechnung Klarheit herrschen sollte und deshalb möglicherweise aufwendige Streitigkeiten über die Richtigkeit der
Abrechnung nicht in diesem Rahmen ausgetragen wer-den sollten,
zumal es lediglich um vorläufige Zahlungen geht, über die im Rah-men der späteren Jahresrechnung ohnehin noch Rechenschaft abzulegen ist.
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Allerdings wird bei dieser Sichtweise der mit der Anpassung der [X.] verfolgte Zweck nicht hinreichend berücksichtigt. Durch die [X.] soll eine möglichst realistische Bemessung der Vorauszahlungen erreicht werden, so dass bei der späteren Abrechnung weder ein großes Guthaben des Mieters noch
eine hohe Nachforderung des Vermieters entstehen. Aus diesem Grund dürfen nach der Rechtsprechung des [X.] bereits absehbare Kosten-steigerungen bei der Anpassung berücksichtigt werden, während ein abstrakter Sicherheitszuschlag nicht zulässig ist ([X.]urteil vom 28. September 2011

[X.], [X.], 880 Rn. 25). Blieben inhaltliche Fehler, die das Abrechnungsergebnis zu Lasten des Mieters verändern, bei der Anpassung unberücksichtigt, hätte
das zur Folge, dass die Vorauszahlungen nicht mehr

wie geboten

ausschließlich anhand des voraussichtlichen Abrechnungser-gebnisses
für die nächste Abrechnungsperiode bemessen würden. Vielmehr eröffnete
eine solche Verfahrensweise dem Vermieter die Möglichkeit, aufgrund einer fehlerhaften Abrechnung Vorauszahlungen in einer Höhe zu erheben, die ihm bei korrekter Abrechnung nicht zustünden.
Hinzu kommt, dass der Vermieter zur
[X.]rstellung einer korrekten Abrech-nung verpflichtet ist
und es nicht hingenommen werden kann, dass eine Ver-tragspartei
aus der Verletzung eigener Vertragspflichten Vorteile zieht. Dies wäre aber der Fall, wenn der Vermieter die Anpassung jeweils auf der Basis der letzten Abrechnung auch dann vornehmen dürfte, wenn inhaltliche Fehler das Abrechnungsergebnis zum Nachteil des Mieters verschieben. Besonders gra-vierende Konsequenzen für den Mieter könnten sich ergeben, wenn sich aus den [X.]rhöhungen der Vorauszahlungen ein kündigungsrelevanter Mietrückstand aufbaut. In letzter Konsequenz könnte dies bedeuten, dass der Vermieter das Mietverhältnis wegen [X.] beenden könnte, zu denen es überhaupt nur kommen konnte, weil er selbst eine fehlerhafte Abrechnung erstellt hatte, die den Mieter unberechtigt mit zu hohen Betriebskosten belastete. [X.]in solches 15
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[X.]rgebnis wäre mit dem durch Artikel 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Besitz-recht des Mieters an der von ihm gemieteten Wohnung als dem Mittelpunkt sei-ner privaten [X.]xistenz (vgl. [X.][X.] 89, 1, 5
ff.; [X.] NJW 2000, 2658, 2659 sowie [X.], 186) nicht vereinbar. [X.]ine Anpassung der Vorauszahlungen gemäß § 560 Abs. 4 BGB ist daher nur insoweit wirksam, als sie auf einer auch inhaltlich korrekten Abrechnung beruht; an der bisherigen gegenteiligen [X.] hält der [X.], wie bereits ausgeführt, nicht fest. Die damit verbundene Konsequenz, dass der Streit über die inhaltliche Richtigkeit einer Abrechnung auch in einem Rechtsstreit über eine Klage auf Zahlung erhöhter [X.] oder eine auf Nichtzahlung derartiger Beträge gestützte Räumungsklage geklärt werden muss
und diesen gegebenenfalls verlängert, ist hinzunehmen.
2. Im vorliegenden Fall waren die Abrechnungen des [X.] für die [X.] 2005 bis 2008 nach den insoweit von der Revision nicht angegriffenen Fest-stellungen des Berufungsgerichts bezüglich einzelner Positionen (Hausmeister) unrichtig und verblieb nach Korrektur dieser Fehler jeweils kein Saldo zum Nachteil des Beklagten. [X.]ine [X.]rhöhung der Vorauszahlungen wäre daher nur insoweit möglich gewesen, als dies durch bereits absehbare [X.] geboten war. Dies wird vom Kläger nicht geltend gemacht und ist auch nicht ersichtlich.
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3. Die weitere vom Berufungsgericht erörterte Frage, ob der Wirksamkeit der vom Kläger erklärten Kündigungen außerdem die Vorschrift
des § 569
Abs.
3 Nr. 3 BGB entgegensteht, bedarf deshalb keiner [X.]ntscheidung.

Ball

Dr. Frellesen

Dr. Milger

Dr. Fetzer

Dr. Bünger

Vorinstanzen:
[X.], [X.]ntscheidung vom 15.07.2010 -
1 C 144/10 -

LG [X.], [X.]ntscheidung vom 22.07.2011 -
1 [X.]/10 -

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Meta

VIII ZR 246/11

15.05.2012

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.05.2012, Az. VIII ZR 246/11 (REWIS RS 2012, 6407)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6407

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VIII ZR 246/11

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