Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.05.2012, Az. VIII ZR 245/11

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 6457

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VIII ZR 245/11
Verkündet am:

15. Mai 2012

Vorusso

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

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Der VIII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche
Verhandlung vom 18. April 2012 durch den Vorsitzenden [X.], [X.]
Frellesen, die Richterinnen Dr.
Milger und Dr.
Fetzer sowie [X.]
Bünger
für Recht erkannt:
Die Revision des [X.] gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des [X.] vom 22. Juli 2011 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Beklagte
zu 1 ist
seit 1986 Mieterin
einer
77 qm großen
Wohnung in [X.]

, die sie zusammen mit ihrem Ehemann, dem Beklagten zu 2,
bewohnt. Der Kläger ist durch Erwerb des Anwesens
im Jahr 2003
in den Mietvertrag eingetreten. Mit Schreiben vom 15. August 1991 hatte
der damalige Vermieter gegenüber der
Beklagten eine Erklärung nach der [X.] abgegeben, mit der eine Umlage der Betriebskosten eingeführt und als Umlegungsmaßstab die Wohnfläche bestimmt wurde.
Die Grundmiete beträgt seit 1.
Januar

Spätestens mit der Betriebskostenabrechnung für das [X.] erhöhte
der Kläger die [X.].
Die Beklagte
wendete ein, dass die Abrechnung un-richtig sei, weil auch die Kosten der leerstehenden Wohnungen auf die Mieter 1
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umgelegt worden seien, obwohl der Vermieter das [X.] zu tragen habe; deshalb sei sie lediglich bereit,

mo-natlich zu zahlen. Jedenfalls ab Mai 2006 entrichtete
die Beklagte neben der b-e-genstand eines [X.], in dem diese Forderung durch rechtskräftiges Versäumnisurteil abgewiesen wurde. Die
Betriebskostenabrechnung vom 1.
September 2008 für das [X.] weist für die Wohnung der Beklagten [X.] von
2.000,20

und einen
Nachzahlungsbetrag von

aus; Die Beklagte beanstandete mit Schreiben vom 15. September 2009
die Abrechnung hinsicht-lich der Positionen Wasser, Hausmeister und Hausreinigung. Sie wies unter anderem darauf hin, dass die Wasserkosten fehlerhaft nach dem Personen-maßstab abgerechnet seien, weil nach dem Mietvertrag die Wohnfläche maß-geblich sei. Die Hausreinigung werde von den Mietparteien entsprechend der Vereinbarung im Mietvertrag und der Hausordnung selbst erledigt.
In der Betriebskostenabrechnung vom 28. Juni 2009 für das [X.] rechnete der Kläger die Wasserkosten erneut nach Personen ab und stellte wiederum Kosten des Hauswarts und der Hausreinigung ein. Die Abrechnung endet mit von der
Beklagten zu tragenden Gesamtkosten von
1.350einer Nachforderung in Höhe von

; die neuen
Vorauszahlungen sind gesetzt. Die Beklagte beanstandete mit Schreiben vom 19.
Juli 2009 erneut die Umlage der Wasserkosten nach Personen
sowie die Kosten der Hausreinigung und des Hauswarts.
Die Hausverwaltung des [X.] kündigte das Mietverhältnis mit [X.] vom 11. November 2009 wegen eines behaupteten [X.] für den [X.]raum Januar bis November 2009 in Höhe 1.628,85 3
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fristgemäß. Mit Schreiben vom 2. März 2010 wiederholte der Kläger die Kündi-diese errechneten sich dadurch, dass die Beklagte in der [X.] von Januar 2009 bis F

Außerdem stützte der Kläger
die Kündigung vom 2. März 2010 darauf, dass die Beklagte auch in der [X.] von 2006 bis 2008
die erhöhten Vorauszahlungen nicht entrichtet habe.
Das Amtsgericht hat die Räumungsklage abgewiesen, das [X.] hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
Das Mietverhältnis zwischen den Parteien bestehe fort, weil der Kläger zur fristlosen oder fristgerechten Kündigung nicht berechtigt gewesen sei.
Der
Wirksamkeit der Kündigung wegen nicht gezahlter [X.] stehe
bereits
die [X.] des §
569 Abs. 3 Nr. 3 BGB entgegen, weil der Vermieter danach wegen derartiger Rückstände erst dann kündigen könne, 5
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wenn er den Mieter deswegen auf Zahlung verklagt habe und seit der rechts-kräftigen Verurteilung zwei Monate abgelaufen seien.
Die Kündigung vom 11. November 2009, die
lediglich auf die bis zu die-sem [X.]punkt im Jahr 2009 aufgelaufenen Rückstände gestützt sei, sei zudem auch deswegen unwirksam, weil dem
Kläger
die von ihm
beanspruchten erhöh-ten Vorauszahlungen
nicht zugestanden
hätten. §
560 Abs. 4 BGB erlaube dem Vermieter nur eine Anpassung der Vorauszahlungen auf eine angemessene Höhe. Dies verbiete es, eine Abrechnung mit groben inhaltlichen Fehlern zu-grunde zu legen, die den Abrechnungssaldo deutlich zu Lasten des Mieters verschieben würden.
Die falsche Abrechnung der Wasserkosten nach dem Personenmaßstab führe zu einer erheblichen Mehrbelastung der Beklagten. Im [X.] seien bei Frischwasser

von
etzt. Im [X.] sei-

Außerdem seien die Hausmeisterkosten abzusetzen; nachdem die [X.] bereits außergerichtlich nachvollziehbare und substantiierte Einwendun-gen vorgebracht habe, habe der Kläger trotz richterlichen Hinweises in der [X.] Instanz nicht konkret vorgetragen, welche Tätigkeiten des Hausmeisters den angesetzten Kosten zugrunde gelegen hätten und inwieweit diese notwen-dig gewesen seien. Bei Abzug der Hausmeisterkosten und
Korrektur der [X.] verbleibe in den Abrechnungen für 2007 und 2008 kein Saldo zum Nachteil der Beklagten, so dass für eine Anpassung der Vorauszahlungen auch kein Raum gewesen sei.
Auch die Kündigung vom 2. März 2010 sei unwirksam. Soweit sich der Kläger darin auf rückständige Vorauszahlungen aus den Jahren 2006 bis 2008 berufen habe, fehle es schon deshalb an einem Verzug im [X.]punkt der Kündi-9
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gung, weil der Anspruch auf Vorauszahlungen mit dem
Eintritt der [X.] erloschen sei. Zwar könne eine ordentliche Kündigung auch auf in der Vergangenheit liegende abgeschlossene Vertragsverletzungen wie verspä-tete Mietzahlungen gestützt werden. Eine
Vertragsverletzung in Form nicht rechtzeitig entrichteter Vorauszahlungen liege indes nicht vor, denn auch die vom Kläger mit den Abrechnungen für 2005 und 2006 vorgenommenen [X.] seien wegen der inhaltlichen Fehler bei den Kosten für Wasser und Hausmeister unwirksam.

II.

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung
jedenfalls insoweit stand,
als das Berufungsgericht eine Verpflichtung der Beklagten zur Leistung [X.] verneint hat. Die Revision ist daher [X.]. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Räumung der von der
Beklagten gemieteten Wohnung zu,
weil seine
Kündigungen vom 11. November 2009 und vom 2. März 2010 das Mietverhältnis
mangels Zahlungsverzugs der Beklagten
nicht beendet haben. Die
Beklagte
schuldete
über die von ihr monatlich gezahl-hinaus
keine weiteren [X.]. Dem [X.] ist darin beizupflichten, dass der Vermieter nach einer Abrechnung zur Erhöhung von Vorauszahlungen
nicht berechtigt ist, wenn die zugrunde ge-legte Abrechnung inhaltliche Fehler aufweist, die das Abrechnungsergebnis zu Lasten
des Mieters verschieben und bei deren Korrektur sich ergibt, dass die bisherigen Vorauszahlungen weiterhin angemessen sind.

1. Gemäß § 560 Abs. 4 BGB kann jede Partei nach einer Abrechnung der Betriebskosten durch Erklärung in Textform eine Anpassung
der [X.]
auf
eine angemessene Höhe vornehmen. Hierfür genügte
nach der 12
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(bisherigen)
Rechtsprechung des [X.]s allerdings eine formell ordnungsge-mäße Abrechnung; auf die inhaltliche Richtigkeit kam es danach nicht an (Se-natsurteile vom 28. November 2007

[X.], [X.], 121 Rn. 15, 18; vom 25. November 2009

VIII ZR 322/08, [X.], 315 Rn. 16 sowie vom 16. Juni 2010

VIII ZR 258/09, [X.], 736 Rn. 26). Hieran hält der [X.] nicht fest.
Die
bisherige Rechtsprechung des [X.]s
beruhte
auf
der Überlegung, dass über die Anpassung der Vorauszahlungen alsbald nach einer Abrechnung Klarheit herrschen sollte und deshalb möglicherweise aufwendige Streitigkeiten
über die Richtigkeit der Abrechnung nicht in diesem Rahmen ausgetragen wer-den sollten

zumal es lediglich um vorläufige Zahlungen geht

über die im Rahmen der späteren Jahresrechnung noch Rechenschaft abzulegen ist.
Allerdings wird bei dieser Sichtweise der mit der Anpassung der [X.] verfolgte Zweck nicht hinreichend berücksichtigt. Durch die [X.] soll eine möglichst realistische Bemessung der Vorauszahlungen erreicht werden, so dass bei der späteren Abrechnung weder ein großes Guthaben des Mieters noch eine hohe Nachforderung des Vermieters entstehen. Aus diesem Grund dürfen nach der Rechtsprechung des [X.]s bereits absehbare Kosten-steigerungen bei der Anpassung berücksichtigt werden, während ein abstrakter Sicherheitszuschlag nicht zulässig ist ([X.]surteil vom 28. September 2011

[X.], [X.], 880 Rn. 25). Blieben inhaltliche Fehler, die das Abrechnungsergebnis zu Lasten des Mieters verändern, bei der Anpassung unberücksichtigt, hätte
das zur Folge, dass die Vorauszahlungen nicht mehr

wie geboten

nach dem
voraussichtlichen Abrechnungsergebnis für die nächste Abrechnungsperiode bemessen würden. Vielmehr eröffnete
eine sol-che Verfahrensweise dem Vermieter
die Möglichkeit, aufgrund einer fehlerhaf-14
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ten Abrechnung Vorauszahlungen in einer Höhe zu erheben, die ihm
bei korrek-ter Abrechnung nicht zustünden.
Hinzu kommt, dass der Vermieter zur Erteilung
einer korrekten [X.] vertraglich verpflichtet ist
und es nicht hingenommen werden kann, dass eine Vertragspartei
aus der Verletzung eigener Vertragspflichten Vorteile zieht. Dies wäre aber der Fall, wenn
der
Vermieter die Anpassung
jeweils
auf der Ba-sis der letzten Abrechnung
auch dann vornehmen dürfte, wenn inhaltliche Feh-ler das Abrechnungsergebnis zum Nachteil des Mieters verschieben. [X.] gravierende Konsequenzen für den Mieter könnten sich ergeben, wenn sich aus den Erhöhungen der Vorauszahlungen ein Mietrückstand in [X.] aufbaut. In letzter Konsequenz könnte dies bedeuten, dass der Vermieter das Mietverhältnis wegen [X.] beenden könnte, zu denen es überhaupt nur kommen konnte, weil er selbst eine fehlerhafte [X.] erstellt hatte, die den Mieter unberechtigt mit zu hohen Betriebskos-ten belastete. Ein solches Ergebnis wäre mit dem durch Artikel 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Besitzrecht des Mieters an der von ihm gemieteten
Wohnung
als dem Mittelpunkt
seiner privaten Existenz (vgl. [X.] 89, 1, 5
ff.;
BVerfG,
[X.], 2658,
2659,
sowie NZM 2004, 186) nicht vereinbar. Eine [X.] der Vorauszahlungen gemäß § 560 Abs. 4 BGB ist daher nur insoweit [X.], als sie auf einer auch inhaltlich korrekten Abrechnung beruht; an der
bisherigen gegenteiligen Auffassung hält der [X.], wie bereits ausgeführt, nicht fest. Die damit verbundene Konsequenz, dass der Streit über die [X.] Richtigkeit einer Abrechnung auch in einem Rechtsstreit über eine
Klage auf Zahlung erhöhter
Vorauszahlungen oder eine auf Nichtzahlung derartiger Beträge gestützte Räumungsklage geklärt werden muss und diesen gegebe-nenfalls verlängert, ist hinzunehmen.

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2. Im vorliegenden Fall waren die Abrechnungen des [X.] für die [X.] 2007 und 2008 nach den insoweit von der Revision nicht angegriffenen Fest-stellungen des Berufungsgerichts bezüglich der Positionen Wasser, Abwasser und Hausmeister unrichtig und verblieb nach Korrektur dieser Fehler kein Saldo zum Nachteil der Beklagten. Eine Erhöhung der Vorauszahlungen wäre daher nur insoweit möglich gewesen, als dies durch bereits absehbare [X.] geboten gewesen war. Dies wird vom Kläger nicht geltend gemacht und ist auch nicht ersichtlich.
3. Die weitere vom Berufungsgericht erörterte Frage, ob der Wirksamkeit der vom Kläger erklärten Kündigungen außerdem die
Vorschrift
des § 569 Abs.
3 Nr. 3 BGB entgegensteht, bedarf deshalb keiner Entscheidung.
Ball

Dr. Frellesen

Dr. Milger

Dr. Fetzer

Dr. Bünger

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 21.10.2010 -
1 [X.] -

LG [X.], Entscheidung vom 22.07.2011 -
1 [X.]/10 -

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Meta

VIII ZR 245/11

15.05.2012

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.05.2012, Az. VIII ZR 245/11 (REWIS RS 2012, 6457)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6457

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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9 S 123/22 (Landgericht Bochum)


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VIII ZR 245/11

VIII ZR 258/09

VIII ZR 294/10

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