Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.11.2011, Az. 4 StR 516/11

4. Strafsenat | REWIS RS 2011, 1167

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Gegenstand

Anordnung von Wertersatzverfall: Ausspruch über die gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Täter


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten [X.]wird das Urteil des [X.] vom 15. Juni 2011 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit

a) hinsichtlich dieses Angeklagten der Verfall von Wertersatz in Höhe eines Betrages von 40.000 € angeordnet wurde und

b) hinsichtlich des früheren Mitangeklagten [X.]wegen der Taten [X.] bis 12. der Urteilsgründe der Verfall von Wertersatz angeordnet wurde.

2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten [X.]wird verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in jeweils mehreren Fällen verurteilt und beim Angeklagten [X.]den Verfall von Wertersatz in Höhe eines Betrages von 40.000 € und beim früheren Mitangeklagten [X.]in Höhe von 30.000 € angeordnet. Gegen das Urteil wendet sich der Angeklagte [X.] mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der Verfallsanordnungen.

2

1. Die Revision des Angeklagten [X.]ist aus den vom [X.] in der Antragsschrift vom 12. Oktober 2011 dargelegten Gründen erfolglos, soweit sie sich gegen den Schuld- und den Strafausspruch richtet (§ 349 Abs. 2 [X.]).

3

2. Jedoch hat die Anordnung von [X.] keinen Bestand.

4

Insofern bestehen zwar keine Bedenken dagegen, dass die [X.] nach § 73a StGB die von den Angeklagten durch den Verkauf der Drogen erzielten Erlöse abschöpfen wollte. Die [X.] hat es aber versäumt darzulegen, warum sie insofern nicht von einer - zumindest teilweisen - gesamtschuldnerischen Haftung der beiden Angeklagten ausgeht. Dies war vorliegend unerlässlich, da sie beim Angeklagten [X.]23 Taten und beim Angeklagten [X.]13 Taten festgestellt und abgeurteilt hat, wobei die Angeklagten 12 Taten gemeinsam begangen haben. Dem Hinweis der [X.] im Rahmen der Ausführungen zu § 73c StGB auf den Verkauf des mit den Drogengeldern von den Angeklagten zunächst gemeinsam gekauften Pkw [X.] entnimmt der Senat, dass das [X.] die Verfallsanordnung zumindest auch auf die von beiden Angeklagten gemeinsam begangenen Taten [X.] 1. bis 12. der Urteilsgründe bezogen hat, in denen die Angeklagten die durch die Drogengeschäfte erzielten Erlöse in einen "gemeinsamen Topf" einbezahlt haben und - nahe liegend - als Mittäter (Mit-)Verfügungsmacht an dem Geld hatten. In einem solchen Fall haften die Angeklagten beim Verfall (von Wertersatz) für diesen (Teil-)Betrag aber nur als Gesamtschuldner (vgl. [X.], Urteil vom 28. Oktober 2010 - 4 [X.], [X.]St 56, 39, 52).

5

Anders als bei einer Anordnung nach § 111i Abs. 2 [X.], bei der insbesondere wegen des erst erhebliche [X.] später gegebenenfalls eintretenden Auffangrechtserwerbs des Staates und der während dieses [X.]raums möglicherweise eintretenden Veränderungen (etwa durch Teilzahlungen oder das Bekanntwerden eines Mittäters) eine gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Täter oder Teilnehmer nicht in den [X.] aufgenommen, sondern erst in der Entscheidung nach § 111i Abs. 6 [X.] ausgesprochen werden muss ([X.] aaO), bedarf es bei der Anordnung von [X.] nach § 73a StGB des Ausspruchs über die gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Täter oder Teilnehmer schon im tatrichterlichen Urteil. Denn der Staat erwirbt bei der Anordnung von [X.] nicht nur einen Zahlungsanspruch (vgl. [X.]/[X.], § 73e Rn. 2), er kann diesen vielmehr nach § 459g Abs. 2 [X.] wie eine Verurteilung, die zu einer Geldzahlung verpflichtet, also nach den §§ 459 ff. [X.], vollstrecken. Dies erfordert - nicht anders als in einem zivilgerichtlichen Urteil und entsprechend den dort verwendeten Formulierungen - die Aufnahme einer (im Urteilszeitpunkt bekannten) gesamtschuldnerischen Haftung schon in den "Titel" (vgl. auch [X.], Beschluss vom 6. Juli 2007 - 2 StR 189/07).

6

3. Da dem [X.] bei der Anordnung des [X.]s mithin ein nicht auf "individuellen" Erwägungen beruhender sachlich-rechtlicher Fehler unterlaufen ist, der den nicht Revision führenden Angeklagten [X.]ebenso betrifft, ist die [X.] auf diesen zu erstrecken (vgl. [X.], Beschlüsse vom 12. Mai 2009 - 4 [X.], [X.], 19; vom 27. April 2010 - 3 [X.], [X.], 568, 569 m. Anm. [X.]). Die Erstreckung erfasst allerdings nicht eine (etwaige) Anordnung eines [X.]s im Fall [X.]13. der Urteilsgründe. Diese Tat wurde vom Angeklagten [X.]alleine begangen und bezieht sich auf eine beim Angeklagten [X.]weder angeklagte noch abgeurteilte prozessuale Tat, so dass insofern eine Erstreckung nach § 357 [X.] ausscheidet (vgl. [X.], [X.], 54. Aufl., § 357 Rn. 13 mwN).

Mutzbauer                                   Roggenbuck                                    Cierniak

                          Franke                                            [X.]

Meta

4 StR 516/11

23.11.2011

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Essen, 15. Juni 2011, Az: 25 KLs 10/11

§ 73a StGB, § 111i Abs 2 StPO, § 111i Abs 6 StPO, § 459 StPO, §§ 459ff StPO, § 459g Abs 2 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.11.2011, Az. 4 StR 516/11 (REWIS RS 2011, 1167)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1167

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