Bundesfinanzhof, Urteil vom 10.10.2012, Az. VIII R 42/10

8. Senat | REWIS RS 2012, 2492

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Gegenstand

Abgrenzung gewerbliche Einkünfte - freiberufliche Einkünfte - Mitunternehmerstellung der Komplementär-GmbH in einer Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungs-KG


Leitsatz

1. Eine Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungs-KG mit einer GmbH als alleiniger Komplementärin erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb .

2. Das gilt auch dann, wenn die GmbH lediglich eine Haftungsvergütung erhält und am Vermögen und Gewinn der KG nicht teilhat .

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten um den Gewerbesteuermessbescheid 2008; im Einzelnen geht es um die Frage, ob eine in der Rechtsform der GmbH & Co. [X.]mit Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung befasste Gesellschaft Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit i.S. des § 18 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bezieht oder Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG).

2

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, übte ihre Tätigkeit bis einschließlich 2007 in der Rechtsform einer aus drei Komplementären und neun Kommanditisten bestehenden [X.]aus. Ihren Gewinn ermittelte sie nach § 4 Abs. 3 EStG. Bis einschließlich 2007 wurden die Einkünfte der Gesellschaft stets als Einkünfte aus freiberuflicher Mitunternehmerschaft i.S. von § 18 EStG festgestellt.

3

Nachdem durch Änderung des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) und der Wirtschaftsprüferordnung (WPO) die rechtlichen Voraussetzungen hierfür geschaffen worden waren, firmierte die Klägerin ab 2008 in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG. Die Gesellschafterstruktur änderte sich insoweit, als die bislang persönlich haftenden Gesellschafter in die Rechtsstellung eines Kommanditisten wechselten, während die [X.]mit einem Stammkapital von 25.000 € als persönlich haftende Gesellschafterin eintrat.

4

Nach dem Gesellschaftsvertrag sind die Kommanditisten der Klägerin zur Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft berechtigt und verpflichtet; die [X.]als persönlich haftende Gesellschafterin ist von der Geschäftsführung ausgeschlossen. Die [X.]ist weder am Kapital noch am Vermögen noch am erwirtschafteten Ergebnis der [X.]beteiligt; ihre Anteile werden zu 100 % von der [X.]gehalten. Die [X.]erhält lediglich eine Haftungsprämie, tätigt keine Umsätze, tritt am Markt nicht als werbende Gesellschaft auf und hat in der Gesellschafterversammlung der [X.]kein Stimmrecht.

5

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) beurteilte die Tätigkeit der Klägerin im Hinblick darauf, dass seit 2008 eine Kapitalgesellschaft persönlich haftende Gesellschafterin der Klägerin ist, im ursprünglich angefochtenen Vorauszahlungsbescheid ab 2008 über den [X.]als gewerblich. Dieser Bescheid ist mittlerweile durch die Jahressteuerfestsetzung über den [X.]ersetzt worden; darin wird für das Streitjahr 2008 ein [X.]von 89.089 € ausgewiesen.

6

Mit der mit Zustimmung des [X.]erhobenen Sprungklage machte die Klägerin geltend, sie sei nach der Art ihrer Tätigkeit wie in den Jahren zuvor auch im Streitjahr freiberuflich tätig gewesen. Ihre Tätigkeit sei weder gewerblich geprägt (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG) noch werde sie durch Abfärbung (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG) aufgrund teilweiser gewerblicher Tätigkeit oder aufgrund mitunternehmerischer Beteiligung einer berufsfremden Person in eine gewerbliche Tätigkeit umqualifiziert. Zwar könne die Beteiligung eines Gewerbebetriebs kraft Rechtsform an einer [X.]in bestimmten Fallkonstellationen dazu führen, dass die Mitunternehmerschaft insgesamt gewerbliche Einkünfte erziele. Diese Rechtsprechung sei indes auf den Streitfall nicht übertragbar. Zum einen beträfen alle Urteile Sachverhalte, die sich ereignet hätten, bevor der Gesetzgeber durch die Änderung des StBerG und der [X.]die Rechtsform der GmbH & Co. [X.]für Wirtschaftsprüfer und Steuerberater zugelassen habe; außerdem seien die bisherigen Fälle so gelagert gewesen, dass der Komplementär-GmbH zumindest in gewissem Umfang eine aktive Rolle durch die Beteiligung am Gewinn oder Vermögen oder der Geschäftsführung bzw. durch die Wahrnehmung von nicht unerheblichen Stimmrechten der GmbH zugekommen sei. Da im Streitfall aber die Vertretung der Gesellschaft faktisch nur von den Kommanditisten wahrgenommen werde, fehle es an der Mitunternehmerinitiative und daher an der Mitunternehmerstellung der Komplementär-GmbH.

7

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit Urteil vom 12. August 2010  12 K 2384/08 G ab.

8

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

9

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des [X.]vom 12. August 2010  12 K 2384/08 G sowie den [X.]vom 5. Februar 2010 aufzuheben.

Das [X.]beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet. Sie ist gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Die Auffassung des FG, die von der Klägerin erzielten Einkünfte seien als gewerbliche zu qualifizieren, hält der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

Gemäß § 15 Abs. 2 EStG ist eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, Gewerbebetrieb, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen ist. Die für die Annahme eines Gewerbebetriebs erforderlichen positiven Voraussetzungen sind unstreitig erfüllt. Wie vom [X.]zutreffend erkannt, ist auch der Ausnahmefall der die Annahme eines Gewerbebetriebs ausschließenden Ausübung eines freien Berufs i.S. des § 18 EStG seitens der Klägerin nicht gegeben.

1. a) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.](BFH) entfaltet eine Personengesellschaft nur dann eine Tätigkeit, die die Ausübung eines freien Berufs i.S. von § 18 EStG darstellt, wenn sämtliche Gesellschafter die Merkmale eines freien Berufs erfüllen (BFH-Urteile vom 4. Juli 2007 VIII R 77/05, [X.]2008, 53; vom 8. April 2008 VIII R 73/05, BFHE 221, 238, [X.]2008, 681; vom 28. Oktober 2008 VIII R 69/06, BFHE 223, 206, [X.]2009, 642, jeweils m.w.N.), denn die tatbestandlichen Voraussetzungen der Freiberuflichkeit können nicht von der Personengesellschaft selbst, sondern nur von natürlichen Personen erfüllt werden. Das Handeln der Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit und damit das Handeln der [X.]darf kein Element einer nicht freiberuflichen Tätigkeit enthalten (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 11. Juni 1985 VIII R 254/80, BFHE 144, 62, [X.]1985, 584; in BFHE 221, 238, [X.]2008, 681).

Das bedeutet, dass jeder Gesellschafter als Steuerpflichtiger die Hauptmerkmale des freien Berufs in eigener Person positiv erfüllen muss; er muss über die persönliche Berufsqualifikation verfügen und eine freiberufliche Tätigkeit, zu deren Ausübung er persönlich qualifiziert ist, tatsächlich auch entfalten (vgl. Senatsurteil in BFHE 223, 206, [X.]2009, 642, unter II.3.b).

Erfüllt auch nur einer der Gesellschafter diese Voraussetzungen nicht, so erzielen alle Gesellschafter Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG (Senatsurteil in BFHE 221, 238, [X.]2008, 681, m.w.N.).

b) Der Beteiligung eines [X.]gleichgestellt ist die mitunternehmerische Beteiligung einer Kapitalgesellschaft, und zwar unabhängig von der Qualifikation der anderen Gesellschafter und ohne Rücksicht auf die Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG (vgl. [X.]vom 3. Dezember 2003 IV B 192/03, BFHE 204, 290, [X.]2004, 303; dazu Nichtannahmebeschluss des [X.]vom 19. April 2004  1 BvR 549/04).

Eine GmbH erzielt gemäß § 8 Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes in vollem Umfang Einkünfte aus Gewerbebetrieb (vgl. auch § 2 Abs. 2 des Gewerbesteuergesetzes). Sie kann daher keine freiberuflichen Einkünfte beziehen, selbst wenn sie durch ihre Organe, insbesondere durch ihre Geschäftsführer, der Art nach ausschließlich freiberuflich tätig ist und sowohl diese als auch sämtliche Gesellschafter die persönliche Qualifikation für eine freiberufliche Tätigkeit besitzen (Senatsurteil in BFHE 221, 238, [X.]2008, 681, m.w.N.; [X.]in Herrmann/Heuer/Raupach, § 18 EStG Rz 5, m.w.N.). Einkommensteuer- und gewerbesteuerrechtlich ist eine GmbH deshalb bei der Qualifikation der Tätigkeit einer Personengesellschaft als "berufsfremde Person" zu werten. Da eine GmbH als juristische Person des Privatrechts ein eigenständiges Rechtssubjekt ist, kann bei der Besteuerung einer GmbH als solcher durch die GmbH nicht hindurchgegriffen werden; ebenso scheidet ein derartiger Durchgriff bei der Beurteilung der Tätigkeit einer Personengesellschaft aus, an der eine GmbH mitunternehmerisch beteiligt ist (Senatsurteile in BFHE 221, 238, [X.]2008, 681; vom 27. März 2007 VIII R 64/05, BFHE 217, 497, [X.]2007, 639; vom 1. August 1996 VIII R 12/94, BFHE 181, 423, [X.]1997, 272; BFH-Urteile vom 18. März 2004 III R 25/02, BFHE 205, 470, [X.]2004, 787; vom 23. April 2009 IV R 73/06, BFHE 225, 343, [X.]2010, 40; Senatsbeschluss vom 9. April 1987 VIII B 94/86, [X.]1987, 509).

2. Da die [X.][X.]der Klägerin und selbst gewerblich und nicht freiberuflich tätig war, ist auch die Klägerin insgesamt gewerbesteuerpflichtig geworden.

a) Allerdings ist nach ständiger Rechtsprechung des [X.]nicht jeder zivilrechtliche Gesellschafter einer Personengesellschaft auch Mitunternehmer i.S. von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, sondern nur dann, wenn er aufgrund seiner gesellschaftsrechtlichen (oder einer wirtschaftlich vergleichbaren) Stellung [X.]ausüben kann und ein [X.]trägt.

Die Kriterien für die Annahme einer freiberuflichen Mitunternehmerschaft unterscheiden sich nicht von denen einer gewerblichen Mitunternehmerschaft (vgl. Senatsurteil in BFHE 221, 238, [X.]2008, 681, m.w.N.).

[X.]bedeutet gesellschaftsrechtliche oder wirtschaftlich vergleichbare Teilnahme am Erfolg oder Misserfolg eines gewerblichen Unternehmens. Dieses Risiko wird im Regelfall durch Beteiligung am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven des Anlagevermögens einschließlich eines Geschäftswerts vermittelt. [X.]bedeutet vor allem Teilnahme an unternehmerischen Entscheidungen. Ausreichend ist bereits die Möglichkeit zur Ausübung von Gesellschafterrechten, die wenigstens den Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechten angenähert sind, die z.B. den gesellschaftsrechtlichen Kontrollrechten nach § 716 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) bzw. denjenigen eines Kommanditisten entsprechen. Da der gesetzlich nicht näher erläuterte Begriff des Mitunternehmers einer abschließenden Definition nicht zugänglich ist, können die Merkmale der [X.]und des Mitunternehmerrisikos im Einzelfall mehr oder weniger ausgeprägt sein (sog. Typusbegriff; BFH-Urteil in BFHE 181, 423, [X.]1997, 272). Deshalb kann z.B. ein geringeres Initiativrecht durch ein beson[X.]stark ausgeprägtes [X.]ausgeglichen werden. Allerdings müssen beide Merkmale vorliegen. Ob das zutrifft, ist unter Berücksichtigung aller die rechtliche und wirtschaftliche Stellung einer Person insgesamt bestimmenden Umstände zu würdigen (BFH-Urteile vom 25. April 2006 VIII R 74/03, BFHE 213, 358, [X.]2006, 595; vom 17. Mai 2006 VIII R 21/04, [X.]2006, 1839, jeweils m.w.N.).

b) Nach den vorstehend genannten Kriterien ist das [X.]zu Recht von einer Mitunternehmerstellung der [X.]ausgegangen.

aa) Zum einen besitzt die [X.]entgegen der Auffassung der Klägerin Mitunternehmerinitiative, auch wenn diese aufgrund der vertraglichen Gestaltungen --Ausschluss der [X.]von der Geschäftsführung der Klägerin und kein Stimmrecht in der [X.]nur schwach ausgeprägt war. Die [X.]war zumindest Vertreterin der Klägerin. Nach der Rechtsprechung des [X.](BGH) kann dem einzigen persönlich haftenden Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft zwar die Geschäftsführungsbefugnis, nicht aber die Vertretungsbefugnis entzogen werden (vgl. [X.]vom 9. Dezember 1968 II ZR 33/67, BGHZ 51, 198). In einer Kommanditgesellschaft, die nur einen persönlich haftenden Gesellschafter hat, ist die Regelung der gesetzlichen Vertretungsverhältnisse nur in der Weise möglich, dass dieser Gesellschafter die alleinige Vertretungsbefugnis erhält. Die (organschaftliche) Vertretung der [X.]kann weder einem Kommanditisten noch einem [X.]übertragen werden ([X.]in BGHZ 51, 198). Demgegenüber sind die Kommanditisten nach der zwingenden Grundentscheidung des Gesetzgebers in § 170 des Handelsgesetzbuchs (HGB) nicht zur Vertretung ermächtigt (vgl. Baumbach/Hopt, HGB, 35. Aufl., § 170 Rz 1; Schlegelberger/ Martens, Handelsgesetzbuch, 5. Aufl., § 170 Rz 8; MünchKommHGB/Grunewald, 3. Aufl., § 170 Rz 12).

Darüber hinaus hatte die [X.]auch die Möglichkeit zur Ausübung von Gesellschaftsrechten, die den in § 716 Abs. 1 BGB geregelten Kontrollrechten bzw. den Rechten, die einem Kommanditisten nach dem HGB zustehen, angenähert sind (vgl. dazu Senatsurteil in BFHE 213, 358, [X.]2006, 595, m.w.N.). Zu Recht weist das [X.]in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die [X.]gemäß § 161 Abs. 2 i.V.m. § 118 Abs. 1 HGB befugt war, sich in gleicher Weise, wie es § 716 BGB für die GbR vorsieht, über die Angelegenheiten der [X.]zu unterrichten. Zwar ist dieses Kontrollrecht abdingbar (vgl. § 118 Abs. 2 HGB), der Gesellschaftsvertrag der Klägerin enthält jedoch --worauf das [X.]zutreffend hinweist-- keine dahingehende Bestimmung. Das Kontrollrecht ist auch nicht bereits deshalb abbedungen, weil die Komplementärin von der Geschäftsführung ausgeschlossen war. Denn die aus § 118 Abs. 1 HGB folgenden Befugnisse beschränken sich jedenfalls dann nicht auf die isolierte Wahrnehmung von Kontrollrechten, wenn klärungsbedürftige Auffälligkeiten oder Unregelmäßigkeiten zutage treten, die vielleicht sogar die Existenz der [X.]gefährden können. Ein persönlich haftender Gesellschafter, der allein das unbegrenzte Haftungsrisiko trägt, muss in einem solchen Fall sogar ohne ausdrückliche gesetzliche Bestimmung die Möglichkeit haben, vom [X.](vgl. § 8 des Gesellschaftsvertrags) Aufklärung zu verlangen oder einen Beschluss der Gesellschafterversammlung herbeizuführen.

bb) Zum anderen ist auch ein [X.]der [X.]zu bejahen. Bereits mit Urteil vom 11. Juni 1985 VIII R 252/80 (BFHE 144, 357, [X.]1987, 33) hat der Senat zum Ausdruck gebracht, dass der persönlich haftende Gesellschafter in einer kapitalistisch organisierten Kommanditgesellschaft schon wegen des [X.]als Mitunternehmer anzusehen ist und zwar selbst dann, wenn ihm kein Anteil am Kapital zusteht und er im Innenverhältnis von der Haftung freigestellt wird. Daran hält der Senat fest und zwar vor allem im Hinblick auf die nur im Innen- nicht aber im Außenverhältnis wirksame Haftungsfreistellung der [X.]Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Werthaltigkeit der Haftungsfreistellungserklärung im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung keine Rückschlüsse auf die Werthaltigkeit der Freistellungserklärung im Zeitpunkt des Eintritts eines etwaigen Haftungsfalls zulässt. Trotz Freistellungserklärung und unabhängig von etwaigen Streitigkeiten über die Wirksamkeit der Freistellungserklärung bei Eintritt eines Haftungsfalls lässt sich ein Eintritt der Haftung --u.U. nach Ausfall der im Innenverhältnis vorrangig haftenden [X.]weder ganz noch teilweise ausschließen (in diesem Sinne auch Senatsurteile in BFHE 213, 358, [X.]2006, 595; vom 17. November 1987 VIII R 83/84, BFHE 152, 230; kritisch dazu Karl, Betriebs-Berater --BB-- 2010, 1311; ders., Deutsches Steuerrecht 2011, 159; Paus, [X.]1989, 162; differenzierend Fischer, BB 1986, 779). Im Ergebnis könnte eine Inanspruchnahme der [X.]im Haftungsfall daher zur Überschuldung und letztlich zur Liquidation der [X.]führen.

Soweit die Klägerin dagegen einwendet, aufgrund der Beteiligungsverhältnisse an der [X.]seien die Kommanditisten der Klägerin diejenigen, die wirtschaftlich betrachtet mit dem Haftungsrisiko, d.h. mit dem Mitunternehmerrisiko, belastet sind, vermag der Senat diesem Argument kein Gewicht beizumessen. Zum einen ist die [X.]als juristische Person des Privatrechts auch steuerlich gesehen ein eigenständiges Rechtssubjekt und ein eigenständiger Rechtsträger; ferner kommt wegen des Trennungsprinzips zwischen [X.]der Kapitalgesellschaft und [X.]der Gesellschafter ein Durchgriff auf die Gesellschafter grundsätzlich nicht in Betracht. Das Haftungsrisiko als Ausprägung des Mitunternehmerrisikos ist daher allein aus der Sicht der [X.]zu bewerten, nicht aber aus der Sicht der Kommanditisten. Zum anderen kommt der [X.]der [X.]und der Beschränkung der Haftung aus der Sicht der übrigen Gesellschafter schon deshalb besondere Bedeutung zu, weil diese bewusst die Rechtsform der GmbH & Co. [X.]gewählt haben, um ihre eigene persönliche Haftung möglichst gering zu halten. Die mangelnde Teilhabe der [X.]am Gewinn und Verlust und an den stillen Reserven ist daher nicht geeignet, das [X.]der [X.]als gänzlich unbedeutend einzustufen.

cc) Von der Mitunternehmerstellung einer Komplementär-GmbH in vergleichbaren Konstellationen geht auch die Finanzverwaltung aus (vgl. Schreiben des [X.]vom 16. November 2007 IV B 2 – S 2246/0, abrufbar unter
www.wpk.de/pdf/BMF_Einkuenfte_Berufsgesellschaft_16-11-2007.pdf; kritisch dazu Karl, BB 2010, 1311 ff.), welche die Einkünfte einer Berufsgesellschaft aus Wirtschaftsprüfern oder Steuerberatern, die die Rechtsform einer GmbH & Co. [X.]wählen, nicht als freiberufliche, sondern insgesamt als gewerbliche Einkünfte qualifiziert.

3. Für die Auffassung, dass die Klägerin gewerbesteuerpflichtig ist, spricht auch die Entwicklungsgeschichte des § 50 StBerG. Mit dem 8. Gesetz zur Änderung des StBerG sollte das Berufsrecht der Steuerberater liberalisiert und die GmbH & Co. [X.]als Rechtsform für Steuerberatungsgesellschaften zugelassen werden (vgl. BTDrucks 16/7077, S. 1, S. 18). § 50 Abs. 1 StBerG wurde daher ein Satz 2 --heute Satz 3-- angefügt mit dem Wortlaut: "Persönlich haftender Gesellschafter kann auch eine Steuerberatungsgesellschaft sein, die die Voraussetzungen des § 50a erfüllt". Damit sollte aber keine steuerrechtliche Neubewertung von kapitalistisch strukturierten Kommanditgesellschaften einhergehen. In der Begründung zur Neufassung des Gesetzes heißt es ausdrücklich, dass eine Steuerberatungsgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co. [X.]aufgrund der "Abfärbetheorie" gewerbliche Einkünfte erziele; "die Tätigkeit einer Steuerberatungsgesellschaft, die in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft betrieben wird, gilt stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb und überträgt sich auf alle Mitunternehmer" (vgl. BTDrucks 16/7077, S. 30). Auch wenn die Formulierung "in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft betrieben" eher verworren ist, lässt sich doch dem vorhergehenden Satz unzweideutig entnehmen, dass die Rechtsform der GmbH & Co. [X.]in jedem Fall gewerbliche und keine freiberuflichen Einkünfte nach sich ziehen sollte.

Die Neufassung der [X.]durch das Gesetz zur Stärkung der [X.]und zur Reform berufsrechtlicher Regelungen in der [X.](Berufsaufsichtsreformgesetz) widerstreitet dem nicht, denn in der Begründung zur Neufassung von § 28 WPO heißt es: "Nach geltendem Recht kann die GmbH & Co. [X.]nicht als Wirtschaftsprüfungs- oder Buchprüfungsgesellschaft anerkannt werden. Aufgrund steuerrechtlicher und haftungsrechtlicher Vorteile der GmbH & Co. [X.]ist jedoch ein Bedarf im Berufsstand durchaus gegeben" (vgl. BTDrucks 16/2858, S. 24). Für die steuerliche Beurteilung von Einkünften aus einer derartigen GmbH & Co. [X.]lässt sich daraus nichts ableiten.

4. Die Klägerin hat demnach keine Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit, sondern Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt. Daher kann auch ihr Einwand nicht tragen, eine Abfärbung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG sei zu verneinen, weil die der [X.]in ihrem Sonderbereich zugeordneten geringen Einkünfte aus der Haftungsprämie steuerrechtlich die Einkünfte der Klägerin nicht tangierten. Soweit die bisherige BFH-Rechtsprechung § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG in Fällen einschränkend ausgelegt hat, in denen neben freiberuflichen in quantifizierbarer Weise geringe gewerbliche Tätigkeiten entfaltet wurden (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 11. August 1999 XI R 12/98, BFHE 189, 419, [X.]2000, 229), ist diese schon deshalb nicht einschlägig, weil es im Streitfall allein um die Frage geht, ob die Tätigkeit der Kommanditgesellschaft als solche abweichend vom Grundtatbestand des § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG angesichts der Beteiligung eines [X.](hier: GmbH) und seiner Mitwirkung in der [X.]noch als freiberuflich qualifiziert werden kann (vgl. Senatsurteil in BFHE 223, 206, [X.]2009, 642). Das ist wie vorstehend ausgeführt zu verneinen.

Der Senat kann offenlassen, ob bereits der bloße Umstand, dass eine Kapitalgesellschaft als alleinige Komplementärin einer Wirtschaftsprüfungs- und [X.]fungiert, stets dazu führt, dass die [X.]Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt. Denn auch eine nur tätigkeitsbezogene Betrachtung der [X.]kommt angesichts der von ihr verwirklichten Kriterien [X.]und [X.]zu dem Ergebnis, dass keine freiberuflichen Einkünfte, sondern Einkünfte aus Gewerbebetrieb vorliegen.

Meta

VIII R 42/10

10.10.2012

Bundesfinanzhof 8. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 12. August 2010, Az: 12 K 2384/08 G, Urteil

§ 15 Abs 2 EStG 2002, § 15 Abs 3 Nr 1 EStG 2002, § 15 Abs 3 Nr 2 EStG 2002, § 18 Abs 1 Nr 1 EStG 2002, § 2 Abs 2 GewStG 2002, EStG VZ 2008, GewStG VZ 2008, § 170 HGB, § 161 Abs 2 HGB

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 10.10.2012, Az. VIII R 42/10 (REWIS RS 2012, 2492)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2492

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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9 K 1415/14

12 K 374/19

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