Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.12.2023, Az. 3 StR 304/23

3. Strafsenat | REWIS RS 2023, 9589

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Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 2. März 2023 aufgehoben,

a) soweit der Angeklagte wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung (Tat III. 1. der Urteilsgründe) und wegen bewaffneten Sichverschaffens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Tat III. 4. der Urteilsgründe) verurteilt worden ist; jedoch bleiben die jeweils zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten,

b) im [X.] und soweit die Aussprüche über die Maßregel und die Einziehung aus der Entscheidung des [X.] vom 25. Oktober 2022 aufrechterhalten worden sind; jedoch bleiben die jeweils zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten,

c) im [X.] mit den zugehörigen Feststellungen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und versuchter Nötigung (Tat [X.] 2. der Urteilsgründe; im Folgenden: Tat [X.] 2.), besonders schwerer räuberischer Erpressung (Tat [X.] 1.), bewaffneten [X.] von Betäubungsmitteln „in nicht geringer Menge“ (Tat [X.] 4.) und „unerlaubten“ Besitzes von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit „unerlaubtem“ Besitz von Munition (Tat [X.] 3.) unter Einbeziehung der Strafe aus einem Erkenntnis des Amtsgerichts [X.] vom 25. Oktober 2022 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und zehn Monaten verurteilt und in der dortigen Entscheidung getroffene [X.] und Einziehungsentscheidungen aufrechterhalten. Des Weiteren hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und zugleich den [X.] eines Teils der Strafe vor der Maßregel bestimmt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die ausgeführte Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Das [X.] hat - soweit für die Begründung der Revisionsentscheidung von Bedeutung - die nachfolgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:

3

a) Am 4. September 2022 bedrohte der Angeklagte die Geschädigte, seine Vermieterin, indem er ihr eine Pistole vor das Gesicht hielt, damit diese ihm einen Geldbetrag von 150 € aushändige. Derart eingeschüchtert hob die Geschädigte den Betrag von ihrem Konto ab und übergab diesen aus Angst an den Angeklagten (Tat [X.] 1.).

4

b) Am 5. September 2022 schlug der Angeklagte mehrfach mit einer Axt von oben in Richtung des Kopfes bzw. des Oberkörpers eines weiteren Geschädigten, der durch mindestens einen der Axtschläge am Oberschenkel getroffen wurde. Der Angeklagte hielt es hierbei für möglich, diesen lebensgefährlich zu verletzen oder zu töten, und nahm dies billigend in Kauf. Dem Geschädigten gelang es schließlich, über einen Zaun zu fliehen (Tat [X.] 2.).

5

c) Am 6. September 2022 erwarb der Angeklagte von einer Dealerin einen Kokainblock mit einem Gewicht von 50g und einem Wirkstoffgehalt von 86%. Von diesem trennte er noch in deren Wohnung zum sofortigen Konsum Teilmengen mittels eines am Tatort vorhandenen Messers mit einer Klingenlänge von neun Zentimetern ab. Beim Verlassen der Wohnung steckte er das Messer in seine Hosentasche (Tat [X.] 4.).

6

d) Soweit es die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt betrifft, hat die [X.] diese unter Zugrundelegung der im Urteilszeitpunkt geltenden Rechtslage angeordnet. Sie hat im [X.] an die psychiatrische Sachverständige ausgeführt, der Angeklagte sei langjährig abhängig von Kokain und Cannabis, weswegen bei ihm ein Hang zu übermäßigem Betäubungsmittelkonsum bestehe. Weiter sei die Tat [X.] 2. als aufgrund des Hanges begangen anzusehen, denn der Angeklagte sei durch den multiplen Substanzgebrauch bei seiner rationalen Verhaltenskontrolle erheblich eingeschränkt gewesen. Dies habe dazu geführt, dass er den Geschädigten als Teilnehmer eines vermeintlich gegen ihn gerichteten Komplotts wahrgenommen habe. Die erforderliche Erfolgsaussicht hat das [X.] angenommen, weil der türkischsprachige Angeklagte über für eine Therapieteilnahme noch hinreichende Kenntnisse der [X.] verfüge.

7

2. Während der Schuld- und Strafausspruch hinsichtlich der Taten [X.] 2. und 3. keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen lassen, hält die Verurteilung wegen der Taten [X.] 1. und 4. sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

8

a) Der Schuldspruch wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Fall [X.] 1. wird von den getroffenen Feststellungen im Hinblick auf die konkrete Beschaffenheit der verwendeten Pistole nicht getragen. Insoweit hat der [X.] das Folgende ausgeführt:

„Zunächst hat das [X.] nicht festgestellt, ob es sich bei der Pistole, mit der der Angeklagte die Zeugin [X.]bedrohte, um eine echte Pistole oder um eine Schreckschusspistole handelte. Hätte der Angeklagte eine Schreckschusspistole verwendet (eine solche wurde in seinem Appartement sichergestellt, [X.]), wird sie von der Rechtsprechung nur dann als Waffe i.S.v. § 250 StGB eingestuft, sofern der [X.] nach vorne aus dem Lauf austritt und die Waffe deshalb nach ihrer Beschaffenheit geeignet ist, erhebliche Verletzungen hervorzurufen ([X.], Beschluss vom 9. Februar 2010 – 3 StR 11/10, BeckRS 2010, 6193; Beschluss vom 10. September 2013 – 4 StR 331/13, BeckRS 2013, 16928; Beschluss vom 23. März 2017 – 5 StR 50/17, BeckRS 2017, 106515; Beschluss vom 10. Mai 2017 – 4 [X.], BeckRS 2017, 113601). Dies ist nicht festgestellt.

Das [X.] hat sich des Weiteren nicht zum Ladezustand der verwendeten Pistole verhalten. Die ungeladene Schusswaffe fällt nicht unter den [X.] ([X.], Beschluss vom 17. Juni 1998 – 2 [X.], [X.]St 44, 103, 105 = NJW 1998, 2915), jedenfalls dann nicht, wenn keine Munition griffbereit ist ([X.], Urteil vom 20. Oktober 1999 – 1 [X.], [X.], 1050). Auch die ungeladene Schreckschusspistole ist keine Waffe ([X.], Beschluss vom 11. November 2003 – 3 [X.], [X.], 169). Können zu Art und Ladezustand der benutzten Waffe keine Feststellungen getroffen werden, ist davon auszugehen, dass es sich entweder um eine ungeladene Schusswaffe oder eine Scheinwaffe gehandelt hat ([X.], Beschluss vom 6. September 2007 – 4 [X.], [X.] 2007, 488). Allein der Umstand, dass der Angeklagte in der Vergangenheit vor der Tat mit einer Pistole, die er in seinem Appartement aufbewahrte, auf dem Grundstück der [X.]s im Hof und auf dem Dach eines Gartenhauses schoss ([X.]) und am 6. September 2022 im Appartement des Angeklagten eine Schreckschusspistole mit zugehöriger Munition sowie drei Patronen für eine Kleinkaliberpistole sichergestellt worden sind ([X.]), besagt nichts über den Ladezustand der Pistole während der Tatbegehung am Abend des 4. September 2022. Geht man zugunsten des Angeklagten davon aus, dass zum Zeitpunkt der Bedrohung der Zeugin [X.]die Waffe ungeladen war und der Angeklagte auch keine Munition mitführte, war sie bei bestimmungsgemäßem Gebrauch objektiv ungefährlich, weil der Angeklagte nicht schießen konnte. Der Angeklagte hat seine Waffe auch nur zur Bedrohung und nicht als Schlagwerkzeug gegen die Zeugin verwendet, so dass auch aus der konkreten Art der Verwendung die Gefährlichkeit der Tatwaffe nicht hergeleitet werden kann. Die Feststellungen des [X.]s belegen daher lediglich die Qualifikation des § 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. b StGB.“

9

Dem tritt der Senat bei.

b) Auch der Schuldspruch wegen bewaffneten [X.] von Betäubungsmitteln findet in den Feststellungen keine ausreichende Stütze. Zu der Frage der subjektiven Bestimmung des Messers zur Verletzung von Personen hat der [X.] das Folgende ausgeführt:

„Über die objektive Geeignetheit des Messers zur Verletzung von Menschen hinaus erfordert der [X.] des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG, wenn es sich bei dem mitgeführten Gegenstand nicht um eine Schusswaffe handelt, auch eine subjektive Zweckbestimmung zur Verletzung von Personen (vgl. [X.], Urteil vom 3. Juli 2019 – 2 [X.], BeckRS 2019, 16101; Urteil vom 18. Juli 2018 – 5 StR 547/17, BeckRS 2018, 17706; [X.] in[X.]/[X.]/[X.] BtMG 6. Aufl. § 30a Rn. 119 ff.). Dazu muss der Tatrichter, wenn es sich nicht um eine gekorene Waffe handelt und die Zweckbestimmung zur Verletzung von Menschen deshalb auf der Hand liegt (vgl. [X.], Beschluss vom 5. April 2016 – 1 StR 38/16, BeckRS 2016, 9503), unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls erörtern, inwieweit ein mitgeführter Gegenstand aus Sicht des [X.] als Angriffs- oder Abwehrmittel dienlich sein soll (vgl. [X.], Beschluss vom 2. Mai 2018 - 3 StR 39/18, BeckRS 2018, 12850). Diese Zweckbestimmung, die von dem Bewusstsein, den Gegenstand gebrauchsbereit mit sich zu führen, zu unterscheiden ist, braucht nicht im Hinblick auf die konkret beabsichtigte Straftat getroffen worden zu sein, da § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG insoweit keine Verwendungsabsicht erfordert. Ausreichend ist vielmehr, dass die Zweckbestimmung zu irgendeinem Zeitpunkt vor der Tatbegehung erfolgt ist ([X.], Beschlüsse vom 25. Mai 2010 – 1 StR 59/10, [X.], 98, 99; vom 9. Oktober 1997 – 3 [X.], [X.]St 43, 266, 270). Vielfach ergibt sich die Zweckbestimmung ohne Weiteres aus den äußeren Umständen; hierzu kann die Beschaffenheit des Gegenstandes ebenso zählen wie seine sonstigen Verwendungsmöglichkeiten oder der Ort seiner Aufbewahrung. Kommt bei einem Gebrauchsgegenstand die konkrete Möglichkeit in Betracht, dass ihn der Täter aus anderen Gründen mit sich führt, so ist die Annahme zu begründen, er habe ihn zur Verletzung von Menschen bestimmt ([X.], Beschlüsse vom 25. Mai 2010 – 1 StR 59/10, [X.], 98, 99; vom 8. Januar 2014 – 5 [X.], [X.], 466, 467). Fehlt dagegen nach den Umständen des Falles ein nachvollziehbarer Grund dafür, dass der Täter einen objektiv gefährlichen Gegenstand griffbereit mit sich führt, liegt die Annahme einer Zweckbestimmung im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG regelmäßig nahe (vgl. [X.], Beschluss vom 25. Mai 2010 – 1 StR 59/10, [X.], 98, 99).

Die Feststellung, dass das Messer als sonstiger Gegenstand im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG durch den Angeklagten zur Verletzung von Menschen bestimmt war, wird nicht von einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung getragen. Die Würdigung der Beweise ist zwar Sache des Tatrichters, dem allein es obliegt, sich unter dem Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Das Revisionsgericht hat indes zu prüfen, ob die Beweiswürdigung des Tatrichters mit [X.] behaftet ist, etwa weil sie Lücken oder Widersprüche aufweist oder mit den Denkgesetzen bzw. gesichertem Erfahrungswissen nicht in Einklang steht (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 16. November 2017 – 3 [X.], NJW 2018, 1411, 1412).

Hieran gemessen hält die Beweiswürdigung des [X.]s zu der Feststellung, dass der Angeklagte das Messer gegebenenfalls zur Verletzung von Menschen einsetzen wollte, revisionsgerichtlicher Prüfung nicht stand; sie ist lückenhaft.

Das [X.] hat festgestellt, dass das Messer mit einer Klingenlänge von 9 cm in der Wohnung der [X.] zum Zerteilen des Kokains benutzt wurde ([X.]). Nach Einlassung des Angeklagten habe er das Messer beim Verlassen der Wohnung eingesteckt, um das Kokain konsumfertig zu verkleinern. Bis zu seiner Festnahme in dem Cafe habe er das Messer weiter benutzt, um Kokain vom dem [X.] abzukratzen, das Messer habe nicht dazu gedient, andere Menschen zu verletzen ([X.] f.). Ausweislich des am Messer durchgeführten Rauschgifttests befanden sich am Messer Kokainanhaftungen ([X.] 30).

Angesichts dieser Feststellungen ist es rechtsfehlerhaft, ein bewaffnetes Sichverschaffen auf die geständige Einlassung des Angeklagten zu stützen ohne auf die vom Angeklagten behauptete Zweckbestimmung einzugehen. Zwar könnte die Waffenaffinität des Angeklagten (sowohl bei Tat [X.]1. und [X.]2. verwendete er eine Pistole), das griffbereite Mitsichführen des Messers in der Hosentasche und die von ihm behauptete Bedrohungslage dafür sprechen, dass das Messer notfalls als Angriffs- oder Verteidigungsmittel benutzt werden sollte und die Einlassung zur Nutzung des Messers allein als Konsumwerkzeug unglaubhaft ist. Dies hätte das [X.] aber erörtern müssen. Eine Strafbarkeit wegen bewaffneten [X.] von Betäubungsmitteln ist somit nicht rechtsfehlerfrei belegt, so dass die Verurteilung im Fall [X.]4. der Urteilsgründe der Aufhebung unterliegt. Da der aufgezeigte Rechtsfehler die Feststellungen zum objektiven Geschehensablauf nicht berührt, wird der Senat diese aufrechterhalten können.“

Auch diesen Ausführungen tritt der Senat bei.

3. Der Wegfall der Verurteilungen in den Fällen [X.] 1. und 4. zu Einzelstrafen von zwei Jahren und sechs Monaten sowie von zwei Jahren Freiheitsstrafe entzieht der Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und zehn Monaten und der Aufrechterhaltung der [X.] aus dem einbezogenen Erkenntnis die Grundlage. Angesichts der in den Fällen [X.] 2. und 3. verbleibenden Freiheitsstrafen von sechs Jahren bzw. acht Monaten sowie der einbezogenen Freiheitsstrafe von elf Monaten scheidet eine Aufrechterhaltung der erkannten Gesamtfreiheitsstrafe bereits rechnerisch aus.

4. Die zu den Fällen [X.] 1. und 4. sowie zum [X.] und dem Ausspruch zur Aufrechterhaltung der [X.] getroffenen Feststellungen bleiben bestehen, weil sie von den aufgezeigten [X.] nicht betroffen werden (§ 353 Abs. 2 StPO). Sie können um solche Feststellungen ergänzt werden, die den bisherigen nicht widersprechen.

5. Der [X.] unterliegt der Aufhebung, denn die [X.] hat bei ihrer Unterbringungsentscheidung nach § 64 StGB - seinerzeit zutreffend - die frühere Rechtslage zugrunde gelegt, die durch das seit dem 1. Oktober 2023 geltende Gesetz zur Überarbeitung des [X.] - Ersatzfreiheitsstrafe, Strafzumessung, Auflagen und Weisungen sowie Unterbringung in einer Entziehungsanstalt - vom 26. Juli 2023 ([X.]) hinsichtlich der tatbestandlichen Anforderungen an eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt mehrere Verschärfungen erfahren hat. Für die revisionsrechtliche Nachprüfung derartiger „Altfälle“ ist - mangels Eingreifens einer Übergangsregelung - gemäß § 2 Abs. 6 StGB, § 354a StPO die Neuregelung maßgeblich (vgl. [X.], Beschlüsse vom 4. Oktober 2023 - 6 [X.], juris Rn. 6; vom 25. Oktober 2023 - 5 StR 246/23, juris Rn. 2; vom 2. November 2023 - 6 StR 316/23, juris Rn. 6; vom 7. November 2023 - 5 StR 345/23, juris Rn. 2; vom 14. November 2023 - 1 StR 354/23, juris; vom 16. November 2023 - 6 StR 452/23, juris Rn. 2; vom 20. November 2023 - 5 StR 407/23, juris Rn. 2; Urteile vom 12. Oktober 2023 - 4 StR 136/23, juris Rn. 14; vom 18. Oktober 2023 - 1 [X.], juris Rn. 10).

a) Zwar trifft auch unter Zugrundelegung der strengeren Maßstäbe des nunmehr geltenden § 64 Satz 1 StGB nF die Annahme des [X.]s im Ergebnis zu, bei dem Angeklagten bestehe ein Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Die Abhängigkeit des Angeklagten von Kokain und Cannabis stellt nach ihrem in den Urteilsgründen dargestellten Umfang eine Substanzkonsumstörung dar, infolge derer eine dauernde und schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung, der Gesundheit, der Arbeits- oder der Leistungsfähigkeit eingetreten ist und fortdauert (vgl. BT-Drucks. 20/5913, [X.] ff., 68 f.; [X.], Urteil vom 12. Oktober 2023 - 4 StR 136/23, juris Rn. 15; Beschluss vom 14. November 2023 - 6 StR 346/23, juris Rn. 11).

b) Auch die nach neuer Rechtslage gesteigerte Anforderung an das Bestehen eines symptomatischen Zusammenhangs, nach der die Tat des Angeklagten „überwiegend“ auf den Hang zurückgehen muss, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, ist vorliegend erfüllt. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll eine bloße Mitursächlichkeit des Hangs für die Tat nur noch dann ausreichen, wenn sie andere Ursachen quantitativ überwiegt. Das Vorliegen eines solchen Kausalzusammenhangs ist durch das Tatgericht - gegebenenfalls unter sachverständiger Beratung - positiv festzustellen (vgl. BT-Drucks. 20/5913 S. 46 f., 69; [X.], Beschlüsse vom 25. Oktober 2023 - 5 StR 246/23, juris Rn. 3 f.; vom 2. November 2023 - 6 StR 316/23, juris Rn. 8; vom 7. November 2023 - 5 StR 345/23, juris Rn. 2; vom 20. November 2023 - 5 StR 407/23, juris Rn. 2; Urteil vom 18. Oktober 2023 - 1 [X.], juris Rn. 11 ff. [X.]). So liegt der Fall hier.

c) Allerdings ist - jedenfalls unter Zugrundelegung der höheren Anforderungen des § 64 Satz 2 StGB nF - die Erfolgsaussicht nicht tragfähig belegt. Das [X.] hat seine Wertung, es bestehe eine hinreichend konkrete Aussicht für einen erfolgreichen Therapieabschluss, ausschließlich damit begründet, dass der Angeklagte über für eine erfolgreiche Therapieteilnahme noch hinreichende Kenntnisse der [X.] verfüge. Diese Darlegung lässt eine nach dem Willen des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucks. 20/5913 S. 47 ff., 69 ff.; [X.], Beschlüsse vom 2. November 2023 - 6 StR 316/23, juris Rn. 11; vom 16. November 2023 - 6 StR 452/23, juris Rn. 5 f.) erforderliche Gesamtabwägung nicht erkennen, die namentlich Behandlungsfähigkeit und Behandlungsbereitschaft des Angeklagten in den Blick nimmt und bei der es damit in erster Linie um in der Person und Persönlichkeit des [X.] liegende Umstände geht, insbesondere solche, die seine Sucht und deren Behandlungsfähigkeit unmittelbar kennzeichnen - vor allem Art und Stadium der Sucht, bereits eingetretene physische und psychische Veränderungen und Schädigungen, frühere Therapieversuche sowie eine aktuelle Therapiebereitschaft.

d) Weil das [X.] den durch die Neufassung des § 64 StGB veränderten und für die Senatsentscheidung nach § 2 Abs. 6 StGB und § 354a StPO maßgeblichen Anordnungsmaßstab noch nicht hat berücksichtigen können und keine diesbezüglichen Feststellungen getroffen hat, bedarf die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt erneuter tatgerichtlicher Prüfung und Entscheidung.

6. Die dem [X.] zugehörigen Feststellungen sind aufzuheben, um dem neuen Tatgericht widerspruchsfreie neue Feststellungen zu ermöglichen. Durch die Aufhebung der Unterbringungsentscheidung wird zugleich der Anordnung des [X.]s eines Teils der Strafe vor der Maßregel die Grundlage entzogen.

7. Sollte das neue Tatgericht wiederum die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anordnen, wird es die Dauer des [X.]s nach § 67 Abs. 2 Satz 3, Abs. 5 Satz 1 erster Halbsatz nF StGB bezogen auf den Zweitdritteltermin zu berechnen haben. Hinsichtlich des mit dem [X.] entfallenen Ausspruchs über die Aufrechterhaltung von [X.] aus der einbezogenen Entscheidung des Amtsgerichts [X.] vom 25. Oktober 2022 wird auf die zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des [X.]s verwiesen.

Schäfer     

      

Paul     

      

Hohoff

      

Anstötz     

      

Voigt     

      

Meta

3 StR 304/23

13.12.2023

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Mönchengladbach, 2. März 2023, Az: 27 Ks 13/22

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.12.2023, Az. 3 StR 304/23 (REWIS RS 2023, 9589)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 9589

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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