Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.08.2013, Az. 5 StR 253/13

5. Strafsenat | REWIS RS 2013, 3583

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5 StR 253/13

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

vom 7. August 2013
in der Strafsache
gegen

wegen Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer

Menge u.a.

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Der 5. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 7. Au-gust
2013, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter [X.],

Richterin [X.],
Richter [X.],
Richter Dr. Berger,
Richter Bellay

als beisitzende Richter,

Staatsanwalt

als [X.]rtreter der [X.],

Rechtsanwalt

als [X.]rteidiger,

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

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für Recht erkannt:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 19. Dezember 2012 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

[X.] n d e

Das [X.] mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Men-ge begangenen unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer e-ses Urteil gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er das [X.]rfahren be-anstandet und die [X.]rletzung sachlichen Rechts rügt, bleibt ohne Erfolg.

1. Nach den Feststellungen des [X.] unterstützte der Ange-klagte gemeinsam mit dem Mitangeklagten [X.]
und dem gesondert ver-folgten, bereits rechtskräftig verurteilten Zeugen [X.]
ihm nicht bekannte Haupttäter bei der Abwicklung eines Geschäfts über ungefähr 100 Kilo-gramm Kokain. Gegen eine in Aussicht gestellte Beteiligung an der E.

von dessen Kontaktmann versprochenen Entlohnung fuhr der Angeklagte den Mitangeklagten [X.]
und den Zeugen [X.]
zweimal nach [X.].
Dort wirkte der Angeklagte an der Anmietung einer geeigneten Halle für den Empfang der in Kraftfahrzeugmotoren versteckten Kokainlieferung und einer Scheinwohnung für den Zeugen [X.]
zwecks Anmeldung eines vorge-1
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täuschten [X.] mit. Dabei wusste er zwar, dass es sich um eine Kokainlieferung größeren Umfangs handelte, verfügte hinsicht-lich der tatsächlichen Liefermenge aber nicht über nähere Informationen. Das inzwischen auf dem [X.] aus [X.] nach [X.] transpor-tierte Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 65 % [X.] wurde bei einer Zollkontrolle vollständig sichergestellt.

2. Die auf eine [X.]rletzung des § 257c Abs. 5 StPO gestützte [X.]rfah-rensrüge ist im Ergebnis unbegründet.

a) Der Rüge liegt folgendes Geschehen zugrunde:

Am 15. Hauptverhandlungstag teilte der Vorsitzende mit, dass am [X.] auf Initiative des [X.]rteidigers des Angeklagten, Rechtsanwalt [X.]. ,
ein Vorgespräch zwischen diesem, der Staatsanwältin und der [X.] übe
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und Rechts-lage und einer Unterbrechung von etwas mehr als einer halben
Stunde teilte der Vorsitzende [X.] schlägt dem Angeklagten V.

für den Fall, dass er ein glaubhaftes Geständnis ablegt, sämtliche noch nicht beschiedenen Beweisanträge zurücknimmt, keine neuen Beweisanträ-ge zur Schuldfrage stellt und auf die Herausgabe sämtlicher sichergestellter Gegenstände und die Rückzahlung sämtlicher sichergestellter Gelder ver-zichtet, die [X.]rhängung einer Freiheitsstrafe zwischen sechs Jahren und .

Nach erneuter Erörterung der Sach-
und Rechtslage stimmten der An-geklagte,
sein [X.]rteidiger und die [X.]rtreterin der Staatsanwaltschaft dem Vorschlag zu. Sodann wurde dem Angeklagten eine Belehrung gemäß §
257c Abs. 4 und 5 StPO erteilt. Anschließend erklärte der [X.]rteidiger des Angeklagten die Rücknahme sämtlicher bislang noch nicht beschiedener Beweisanträge. Am folgenden [X.]rhandlungstag, eine Woche später, ließ 3
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sich der Angeklagte durch eine schriftlich vorbereitete [X.]rteidigererklärung, die der [X.]rteidiger dem Gericht und der Staatsanwaltschaft einen Tag zuvor vorzulegen zugesagt hatte, erneut zur Sache ein. Dabei räumte er nunmehr entgegen seiner früheren Einlassung ein, vor der ersten Fahrt nach [X.] von [X.]
über dessen Gespräche mit seinem Kontaktmann sowie darüber informiert worden zu sein, dass die in [X.] vorzunehmenden organisato-rischen Maßnahmen der Vorbereitung einer größeren Kokainlieferung

und nicht dem illegalen Handel mit Autoteilen

dienten. Ferner habe [X.]
ihm in [X.] a[X.]ekomme. Die Höhe seines Anteils sei nicht abschließend [X.] gewesen, da nicht von vornherein klar gewesen sei, wie oft er zur Vorbe-reitung nach [X.] würde mitfahren können. Tatsächlich habe er drei-
bis viertausend [X.] erhalten.

Die [X.] wertete diese Einlassung, zu der sich der Angeklagte ergänzend äußerte, als Geständnis im Sinne der getroffenen [X.]rständigung und verurteilte ihn auf dieser Grundlage, wobei es seine Überzeugung von der Schuld des Angeklagten unter anderem auf dessen Geständnis stützte.

b) Die Revision rügt im Ausgangspunkt zutreffend, dass die Vorschrift des § 257c Abs. 5 StPO dadurch verletzt wurde, dass der Vorsitzende der [X.] es unterlassen hat, den Angeklagten bereits bei Unterbreitung des [X.]rständigungsvorschlags über die in § 257c Abs. 4 StPO geregelte Möglichkeit eines Entfallens der Bindung des Gerichts an die [X.]rständigung zu belehren.

aa) § 257c Abs. 5 StPO sieht vor, dass der Angeklagte vor der [X.]r-ständigung über die Voraussetzungen und Folgen der nach § 257c Abs. 4 StPO möglichen Abweichung des Gerichts von dem in Aussicht gestellten Ergebnis zu belehren ist. Hiermit wollte der Gesetzgeber die Fairness des [X.]rständigungsverfahrens sichern und zugleich die Autonomie des Ange-klagten in weitem Umfang schützen. Unter anderem durch die Belehrung 7
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nach § 257c Abs. 5 StPO soll ferner einer Gefährdung der Selbstbelastungs-freiheit Rechnung getragen werden, die mit der Aussicht auf eine
das Gericht bindende Zusage einer Strafobergrenze und der dadurch begründeten An-reiz-
und [X.]rlockungssituation einhergeht (B[X.]rfG NJW 2013, 1058 Rn. 99; [X.], Beschlüsse vom 19. August 2010

3 [X.], [X.]R StPO § 257c Abs. 5 Belehrung 1, und vom 11. April 2013

1 [X.], [X.], 286). Mit dem Grundsatz des fairen [X.]rfahrens ist eine [X.]rständigung re-gelmäßig nur dann zu vereinbaren, wenn der Angeklagte vor ihrem Zustan-dekommen über deren nur eingeschränkte Bindungswirkung für das Gericht belehrt worden ist. Der grundlegenden Bedeutung der [X.] für die Fairness des [X.]rfahrens und die [X.] ist nur dann Rechnung getragen, wenn der Angeklagte vor dem Eingehen einer [X.]rstän-digung, deren Bestandteil das Geständnis ist, vollumfänglich über die [X.] seiner Mitwirkung an der [X.]rständigung informiert ist. Nur so ist ge-währleistet, dass er autonom darüber entscheiden kann, ob er von seiner Freiheit, die Aussage zu verweigern, (weiterhin) Gebrauch macht oder sich auf eine [X.]rständigung einlässt (B[X.]rfG aaO, Rn. 125).

[X.]) Eine Heilung des [X.]rstoßes ist nicht eingetreten. Sie hätte hier ei-ne rechtsfehlerfreie Wiederholung des von dem [X.]rfahrensfehler betroffenen [X.]rfahrensabschnitts vorausgesetzt. Dafür hätte es

wie
der Generalbun-desanwalt in der [X.] zutreffend ausgeführt hat

ei-nes ausdrücklichen Hinweises auf den Fehler und auf die daraus folgende gänzliche Unverbindlichkeit der Zustimmung des Angeklagten bedurft sowie einer Nachholung der versäumten Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO und der erneuten Einholung einer nunmehr verbindlichen Zustimmungserklärung. Dem entspräche eine von der [X.]rteidigung in Erwägung gezogene qualifi-zierte Belehrung.

c) Indes liegt

entgegen der Auffassung des [X.]

ein vom [X.] konzedierter Ausnahmefall vor, in dem aufgrund konkreter Feststellungen die Ursächlichkeit des [X.] 10
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für das Geständnis ausgeschlossen werden kann, weil der Angeklagte die-ses auch bei ordnungsgemäßer Belehrung abgegeben hätte (B[X.]rfG aaO, Rn. 127).

aa) Freilich ist ein Ausschluss des Beruhens des Urteils auf diesem [X.]rfahrensfehler im Hinblick auf die in einer [X.]rständigung ohne vorherige Belehrung liegende [X.]rletzung des Angeklagten in
seinem Recht auf ein fai-res [X.]rfahren und in seiner [X.] nur in eng begrenzten Ausnahmefällen denkbar, auch eingedenk des gesetzgeberischen Zieles [X.] wirksamen vollumfänglichen Kontrolle verständigungsbasierter Urteile (vgl. hierzu Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung,
BT-Drucks. 16/12310, [X.]; B[X.]rfG aaO, Rn. 94 bis 97). Bleibt die unter [X.]r-stoß gegen die [X.] zustande gekommene [X.]rständigung be-stehen und fließt das auf der [X.]rständigung basierende Geständnis in das Urteil ein, beruht das Urteil regelmäßig auf dem Unterlassen der Belehrung und der hiermit einhergehenden Grundrechtsverletzung.

[X.]) Indes ist hier anders als in den vom [X.] entschiedenen Fällen, in denen eine Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO gänzlich fehlte, eine solche, wenngleich verspätet, vor Ablegung des Ge-ständnisses erfolgt, und zwar unmittelbar nach der allseitigen Zustimmung zum gerichtlichen [X.]rständigungsvorschlag. Dadurch war der Angeklagte über die in § 257c Abs. 4 StPO geregelten Voraussetzungen und Folgen [X.] Abweichung des Gerichts vom in Aussicht gestellten Ergebnis unterrich-tet. In Kenntnis dieses Umstands hat er das in das Urteil eingeflossene Ge-ständnis abgelegt, und zwar nach einer ihm verbleibenden weiteren Überle-gungsfrist von einer Woche. Er stand durchgehend im Beistand seines

notwendigen

[X.]rteidigers. Dieser hatte die [X.]rständigung selbst initiiert. An der Gestaltung des Geständnisses hat der [X.]rteidiger

ersichtlich im Einvernehmen mit dem Angeklagten

durch die von ihm gefertigte [X.]rteidi-gerschrift wesentlich mitgewirkt. Bei alledem ist eine die Selbstbelastungs-freiheit des Angeklagten berührende Drucksituation auszuschließen. Im Üb-12
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rigen liegt denkbar fern, dass der [X.]rteidiger die Initiative zur [X.]rständigung ohne Information seines Mandanten über deren Konsequenzen ergriffen [X.].

[X.]) Unter diesen besonderen Umständen ist davon auszugehen, dass der Angeklagte, bevor er seine Mitwirkungshandlungen vornahm, vollen [X.] über die Tragweite seiner Mitwirkung an der [X.]rständigung informiert war und autonom darüber entscheiden konnte, ob er von seiner Freiheit, an seiner bisherigen Einlassung festzuhalten und gegebenenfalls darüber hin-aus die Aussage zu verweigern, Gebrauch machen wollte (vgl. B[X.]rfG aaO, Rn. 125 f.). Schließlich war auch schon der in dem [X.]rständigungsvorschlag

für den Fall, dass er ein glaubhaftes Geständ-i-dung hierüber ebenso wie über die Vornahme der weiteren Mitwirkungshand-lungen weiterhin beim Angeklagten lag.

3. Die Rüge einer [X.]rletzung des § 244 Abs. 2 StPO kann ebenfalls keinen Erfolg haben. Die Rüge ist jedenfalls unbegründet, weil sich das [X.] angesichts des vom Angeklagten bereits vor der [X.]rständigung eingeräumten, mit den Schilderungen des Mitangeklagten und des Zeugen K.

in Einklang stehenden äußeren Geschehensablaufs und der erhebli-chen für eine Kenntnis des Angeklagten von dem Kokaingeschäft sprechen-den Indizien

insbesondere des engen [X.]rhältnisses zum Mitangeklagten E.

zu weiteren Beweiserhebungen über den Wahrheitsgehalt des [X.] Geständnisses nicht gedrängt sehen musste.

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4. Die sachlich-rechtliche Überprüfung des Urteils hat keinen Rechts-fehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

[X.] Schneider [X.]

Berger Bellay

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Meta

5 StR 253/13

07.08.2013

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.08.2013, Az. 5 StR 253/13 (REWIS RS 2013, 3583)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 3583

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2 BvR 2048/13

5 StR 253/13

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