Bundessozialgericht, Urteil vom 20.09.2023, Az. B 8 SO 19/22 R

8. Senat | REWIS RS 2023, 10083

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 21. September 2022 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die Beiträge zu einer noch abzuschließenden Sterbegeldversicherung bei der Berechnung der ihr gewährten Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach dem [X.] Zwölftes Buch - Sozialhilfe - ([X.]) einkommensmindernd zu berücksichtigen sind.

2

Die 1960 geborene Klägerin leidet ua an den Folgen eines [X.] mit Defektheilung der Akuterkrankung einer immunvermittelten Neuritis und den Symptomen einer verbleibenden chronischen Polyneuropathie mit schweren Paresen und einer schweren [X.] sowie einer Anpassungsstörung. Ein GdB von 70 und das Merkzeichen G und B sowie Pflegegrad 1 sind festgestellt. Die Klägerin lebt allein in einer Mietwohnung (monatliche Nettokaltmiete in Höhe von 617,60 Euro zuzüglich 80 Euro Heizkostenvorauszahlung). Sie zahlt Beiträge zu einer Haftpflichtversicherung (zuletzt 2022 mit einem Jahresbeitrag in Höhe von 81,16 Euro) und zu einer Hausratversicherung (zuletzt 2021 mit einem Jahresbeitrag in Höhe von 104,77 Euro). Sie bezieht seit dem [X.] eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zuletzt seit dem 1. Juli 2022 in Höhe von 262,69 Euro. Ergänzend hierzu bewilligte der Beklagte Grundsicherungsleistungen (zuletzt im Juni 2022 in Höhe von 973,59 Euro). Die Klägerin hat zwei Töchter (geboren 1994 und 1997). Während die ältere Tochter erwerbstätig ist, befand sich die jüngere im September 2022 noch in der Ausbildung.

3

Die Klägerin stellte bei dem Beklagten am [X.] einen ersten Antrag auf Übernahme der Kosten für eine (noch abzuschließende) Sterbegeldversicherung, der erfolglos blieb (Bescheid vom [X.]; Widerspruchsbescheid vom 18.6.2019). Am [X.] beantragte sie erneut die Berücksichtigung der Kosten für eine noch abzuschließende Sterbegeldversicherung unter Beifügung eines neuen Angebots, das sich - ohne die Voraussetzung einer Gesundheitsprüfung vor Vertragsabschluss und bei einer Versicherungssumme von 5000 Euro und einem Eintrittsalter von 59 Jahren - auf monatliche Beiträge in Höhe von 24,63 Euro (27,32 Euro brutto) bis zum Erreichen des 85. Lebensjahres belief. Der Beklagte lehnte die Berücksichtigung ab, da nur Aufwendungen für Sterbegeldversicherungen anerkannt werden könnten, die vor Beginn der [X.] abgeschlossen worden seien (Bescheid vom [X.]; Widerspruchsbescheid vom 17.12.2019).

4

Das Sozialgericht (SG) [X.] hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 30.9.2020). Das [X.] ([X.]) [X.]-Brandenburg hat auf die Berufung der Klägerin das Urteil des SG [X.] vom 30.9.2020 sowie den Bescheid vom [X.] in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.12.2019 aufgehoben und festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, für den Fall des Abschlusses einer Sterbegeldversicherung durch die Klägerin die Beiträge für eine der beiden günstigsten Versicherungen, die keine Gesundheitsprüfung, eine Wartezeit von nur einem Jahr und eine Versicherungssumme von 5000 Euro vorsehen, bei der Berechnung der Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung vom Einkommen abzusetzen (Urteil vom [X.]). Die Feststellungsklage sei als Elementenfeststellungsklage ausnahmsweise zulässig, weil zu erwarten sei, dass der Streitfall mit der gerichtlichen Feststellung einer endgültigen Klärung zugeführt werden könne. Ein Feststellungsinteresse bestehe, weil die Klägerin jetzt wirtschaftliche Dispositionen treffen müsse, jedoch nicht mit dem Risiko belastet werden könne, die Zahlungen vorzunehmen, ohne vorher zu wissen, ob eine Berücksichtigung möglich sei. Beiträge zu einer Sterbegeldversicherung seien stets als angemessen anzuerkennen, ohne dass eine Einzelfallprüfung erforderlich sei. Dies habe der Gesetzgeber mit der Umformulierung von § 33 Abs 2 [X.] zum Ausdruck gebracht. Eine Auslegung, nach der § 82 Abs 2 Satz 1 Nr 3 [X.] die Prüfung der Angemessenheit erforderlich mache, würde hierzu in [X.] stehen. Bei der Berücksichtigung von Versicherungsbeiträgen sei zudem grundsätzlich unbeachtlich, ob diese vor oder nach Beginn des Leistungsbezugs abgeschlossen würden. Die Beiträge für die von der Klägerin angestrebten Versicherung seien im Übrigen bezogen auf die Versicherungssumme sowie die weiteren Bedingungen des Vertrages angemessen.

5

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Revision. Er rügt eine Verletzung von § 82 Abs 2 Satz 1 Nr 3 [X.]. Es seien nur solche Verträge anzuerkennen, die bereits vor Beginn des Leistungsbezugs wirksam gewesen seien. Es sei zumindest aber eine Einzelfallprüfung vorzunehmen.

6

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des [X.]s [X.]-Brandenburg vom 21. September 2022 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts [X.] vom 30. September 2020 zurückzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist im Sinne der Aufhebung des [X.] und Zurückverweisung der Sache an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>). Es fehlen für eine abschließende Entscheidung ausreichende tatsächliche Feststellungen des [X.], um beurteilen zu können, ob ein Anspruch auf die begehrte Feststellung besteht.

Zu Recht hat das [X.] das Begehren der [X.]lägerin als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage ausgelegt; gegenüber dem erstinstanzlichen Vorbringen liegt keine [X.]lageänderung vor (vgl § 99 Abs 3 [X.] SGG). Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] (§ 95 SGG). Mit diesem Bescheid hat der Beklagte die künftige Berücksichtigung der [X.]osten einer Sterbegeldversicherung abgelehnt. Streitgegenstand der gegen diesen Bescheid gerichteten kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage (vgl § 54 Abs 1, § 55 Abs 1 [X.]) ist die Feststellung, dass der [X.]lägerin höhere Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Vierten [X.]apitel des [X.] unter Absetzung von gezahlten Beiträgen für eine Sterbegeldversicherung vom Einkommen zu gewähren sind.

Diese [X.]lage ist als sog Elementenfeststellungsklage zulässig. Nach § 55 Abs 1 [X.] SGG kann mit der Feststellungsklage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der [X.]läger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Als sogenannte vorbeugende Feststellungsklage kann sich die begehrte Feststellung darauf beziehen, künftiges Verwaltungshandeln aus einem bestehenden Rechtsverhältnis zu unterbinden, wenn ein solches in Form belastender Maßnahmen bevorsteht. Zwar kann ein Berechnungselement der Grundsicherungsleistungen grundsätzlich nicht gesondert zum Gegenstand einer [X.]lage gemacht werden (vgl BSG vom 18.3.2008 - [X.]/9b [X.] - [X.], 139 = [X.]-3500 § 82 [X.], [X.]-3500 § 90 [X.], Rd[X.]3 mwN). Die Feststellung einzelner Elemente eines Rechtsverhältnisses ist aber ausnahmsweise zulässig, wenn sicher anzunehmen ist, dass dadurch der Streit der Beteiligten insgesamt bereinigt wird (vgl BSG vom [X.] - [X.] [X.] 8/19 B - RdNr 8; BSG vom [X.] - [X.] [X.] 21/16 R - [X.]-3500 § 94 [X.], Rd[X.]7; BSG vom [X.] AS 36/15 R - [X.]-4200 § 22 [X.], Rd[X.]8 mwN). So liegt der Fall hier. Es steht eine belastende Verwaltungsmaßnahme bevor, denn der Beklagte hat durch den Ablehnungsbescheid zum Ausdruck gebracht, dass er mögliche Beiträge der [X.]lägerin zur Sterbegeldversicherung bei der Leistungsberechnung nicht berücksichtigen würde. Soweit die [X.]lägerin einen ihrem Begehren entsprechenden Vertrag mit einer Versicherung abschließen würde und die Frage der Berücksichtigung ungeklärt wäre, müsste sie den Betrag aus ihren zur Existenzsicherung zur Verfügung stehenden Mitteln bestreiten und wäre dem Risiko ausgesetzt, dass die ggf verauslagten [X.]osten nicht erstattet würden. Dies kann ihr nicht zugemutet werden (vgl BSG vom 8.3.2017 - [X.] [X.] 2/16 R - [X.]-1500 § 55 [X.]0 Rd[X.]3; BSG vom 10.11.2005 - B 3 P 10/04 R - [X.]-3300 § 40 [X.] Rd[X.]2; BSG vom 24.3.2015 - [X.] [X.] 22/13 R - Rd[X.]1; anders bei ausdrücklicher Beschränkung der Feststellung auf einen vergangenen Zeitraum: BSG vom 24.3.2015 - [X.] [X.] 22/13 R - Rd[X.]2). Zu Recht ist das [X.] zudem davon ausgegangen, dass sich durch eine Feststellung zur Berücksichtigungsfähigkeit der Beiträge zur Sterbegeldversicherung der Streit der Beteiligten (voraussichtlich) insgesamt bereinigt. Ein dem Grunde nach bestehender Anspruch auf Grundsicherungsleistungen ist angesichts der Höhe der an die [X.]lägerin gezahlten Rente ebenso wenig umstritten wie seine Höhe im Übrigen.

Ob die Feststellungsklage begründet ist, vermag der [X.] mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen jedoch nicht zu beurteilen. Ob der [X.]lägerin bei Abschluss einer entsprechenden Sterbegeldversicherung zukünftig ein Anspruch auf höhere Leistungen wegen der Absetzung der Beiträge zu dieser Versicherung vom Einkommen nach § 82 Abs 2 Satz 1 [X.] [X.] zusteht, kann nicht beurteilt werden, weil das [X.] - ausgehend von seiner Rechtsauffassung konsequent - keine Feststellungen zur Angemessenheit der Sterbegeldversicherung im konkreten Einzelfall getroffen hat.

Für die alleinstehende [X.]lägerin besteht gegen den örtlich und sachlich zuständigen Beklagten (§ 46b [X.], § 98 Abs 1 [X.] iVm § 1 Abs 1 und Abs 3 des Gesetzes zur Ausführung des [X.] und des [X.] und zur Änderung weiterer Gesetze <AG-[X.]> des [X.] vom [X.], GVBl 2005, 467) ein Anspruch auf Grundsicherungsleistungen dem Grunde nach. Grundsicherung bei Erwerbsminderung ist nach § 19 Abs 2 [X.] (idF des [X.] [X.] und zur Änderung des [X.] und [X.] vom 24.3.2011, [X.]) iVm § 41 Abs 3 [X.] (idF des Gesetzes zur Änderung des [X.] und weiterer Vorschriften vom 21.12.2015, [X.] 2557) auf Antrag Personen zu leisten, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und dauerhaft voll erwerbsgemindert sind, sofern sie ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen [X.]räften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen (§§ 82 bis 84 [X.]) und Vermögen (§ 90 [X.]) bestreiten können. Die alleinstehende [X.]lägerin hat das 18. Lebensjahr vollendet und war nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des [X.] unabhängig von der Arbeitsmarktlage und ohne Aussicht auf Besserung des Leistungsvermögens dauerhaft voll erwerbsgemindert und damit bei Bedürftigkeit leistungsberechtigt nach dem Vierten [X.]apitel des [X.]. Die an sie gezahlten Rentenleistungen decken nach den Feststellungen des [X.] schon den Bedarf für den Regelsatz (vgl § 42 [X.] [X.]) nicht; über anderes Einkommen und Vermögen verfügt sie nicht. Neben den Bedarfen für Unterkunft und Heizung (§ 42 [X.] iVm § 42a [X.]) scheidet ein weiterer Vorsorgebedarf für eine Sterbegeldversicherung (vgl § 42 [X.] [X.] iVm § 33 Abs 2 [X.]) aus, weil die [X.]lägerin über Einkommen verfügt, von dem die geltend gemachten Beiträge für die Sterbegeldversicherung vollständig beglichen werden könnten, sodass nach dem Wortlaut des § 33 Abs 2 [X.] eine Absetzung von bei der [X.]lägerin vorhandenem Einkommen gemäß § 82 Abs 2 Satz 1 [X.] [X.] vorgeht (vgl BT-Drucks 18/9984 zu § 33 Abs 2, [X.]).

Vom festgestellten Renteneinkommen, das zur Ermittlung des Anspruchs der Höhe nach diesen Bedarfen gegenüberzustellen ist, sind nach § 82 Abs 2 Satz 1 [X.] [X.] ua die Beiträge zu privaten Versicherungen abzusetzen, die - soweit sie gesetzlich nicht vorgeschrieben sind - nach Grund und Höhe angemessen sind.

Zutreffend ist das [X.] bei der Anwendung der Norm davon ausgegangen, dass das Tatbestandsmerkmal "angemessen" einen unbestimmten Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum darstellt (vgl Giere in [X.]/[X.]/[X.], [X.]; 7. Aufl 2020, [X.] § 82 RdNr 94; [X.] in LP[X.]-[X.], 12. Aufl 2020, [X.] § 82 RdNr 83; zu § 76 Abs 2 [X.] Bundessozialhilfegesetz <[X.]>: BSG vom [X.] - [X.] [X.] 13/08 R - [X.], 207 = [X.]-3530 § 6 [X.], Rd[X.]0; zu § 87 [X.]: BSG vom [X.] - [X.] [X.] 10/18 R - [X.]-3500 § 74 [X.] Rd[X.]6; BSG vom 25.4.2013 - [X.] [X.] 8/12 R - [X.], 221 = [X.]-3500 § 87 [X.], Rd[X.]7). Von einer Angemessenheit ist im Grundsatz auszugehen, wenn mit der Zahlung sozialhilferechtlich anerkannte Zwecke verfolgt werden (BSG vom [X.] - [X.] [X.] 10/18 R - [X.]-3500 § 74 [X.] Rd[X.]4; vgl. [X.] <[X.]> vom [X.] - 5 C 43/01 - [X.]E 116, 342 = [X.] 436.0 § 14 [X.] [X.], Rd[X.]3). Die Vorschrift des § 82 Abs 2 Satz 1 [X.] [X.] stellte eine im Wesentlichen inhaltsgleiche Übertragung des § 76 Abs 2 [X.] dar (vgl BT-Drucks 15/1514, 65 - Zu § 77), sodass die hierzu entwickelte Auslegung übernommen werden kann (vgl BSG vom 9.6.2011 - [X.] [X.] 11/10 R - Rd[X.]3 unter Bezugnahme auf BSG vom [X.] - [X.] [X.] 13/08 R - [X.], 207 = [X.]-3530 § 6 [X.], Rd[X.]0). Nach der Rechtsprechung des [X.]s beurteilt sich die Angemessenheit von privaten Versicherungen sowohl danach, für welche Lebensrisiken (Grund) und in welchem Umfang (Höhe) Bezieher von Einkommen knapp oberhalb der Sozialhilfegrenze solche Aufwendungen zu tätigen pflegen, als auch nach der individuellen Lebenssituation des Hilfesuchenden (BSG vom [X.] - [X.] [X.] 13/08 R - [X.], 207 = [X.]-3530 § 6 [X.], Rd[X.]1). An diesen Grundsätzen hält der [X.] auch für Sterbegeldversicherungen fest; insoweit sind jedoch Modifikationen zu beachten, die sich im Wesentlichen aus der besonderen Stellung von Sterbegeldversicherungen in § 33 Abs 2 [X.] ergeben.

Bei den von der [X.]lägerin geltend gemachten Aufwendungen handelt es sich um solche für ein Sterbegeld im Sinne des § 33 Abs 2 [X.]. Unter Sterbegeldversicherungen sind kapitalbildende Versicherungen auf den Todesfall zusammengefasst, die ua von sog. Sterbekassen iS des § 218 Versicherungsaufsichtsgesetzes (<VAG> idF vom [X.], [X.] 434) oder über allgemeine Versicherungsunternehmen angeboten werden. Versichert werden danach die Todesfallleistungen mit einer Versicherungssumme, die üblicherweise den Durchschnittswert der Bestattungskosten nicht übersteigt bzw diese Leistung in Sachwerten (zB in Verbindung mit Bestattungsvorsorgeverträgen).

Der Gesetzgeber hat mit der Privilegierung von Sterbegeldversicherungen in § 33 Abs 2 [X.] klargestellt, dass das Bedürfnis, den eigenen Bestattungsfall abzusichern, als sozialhilferechtlicher anerkannter Grund anzusehen ist (vgl bereits BT-Drucks 3/2673 [X.] zu § 14 [X.]). Obgleich die Sozialhilfe grundsätzlich nur zum Bestreiten des aktuellen Lebensunterhalts (vgl nur BSG vom 16.10.2007 - [X.]/9b [X.] 8/06 R - [X.], 137 = [X.]-1300 § 44 [X.]1, Rd[X.]9; BSG vom 26.10.2017 - [X.] [X.] 11/16 R - [X.]-3500 § 24 [X.] Rd[X.]8) und nicht zum Aufbau eines Vermögens eingesetzt werden soll (vgl BSG vom 25.4.2013 - [X.] [X.] 8/12 R - [X.], 221 = [X.]-3500 § 87 [X.], Rd[X.]5; zu § 76 Abs 2 [X.] [X.]: [X.] vom [X.] - [X.] 436.51 § 82 JWG [X.] Rd[X.]8; BSG vom 3.12.2015 - B 4 A[X.]9/14 R - Rd[X.]0; BSG vom 18.6.2008 - [X.]/11b [X.]/06 R - [X.]-4200 § 22 [X.]3 Rd[X.]7; [X.] in jurisP[X.]-[X.], 3. Aufl 2020, § 82 RdNr 95), sind Aufwendungen für Sterbegeldversicherungen, die dem Aufbau eines Vermögens dienen ("faktische Sparverträge" vgl BT-Drucks 18/9984 [X.] zu § 33 Abs 2), nach der Intention des Gesetzgebers gegenüber solchen für andere private (kapitalbildende) Versicherungen privilegiert (vgl Rein, [X.] SGB 2017, 371; zu §§ 14, 76 Abs 2 [X.] [X.] bereits [X.] vom 11.12.2003 - 5 C 84/02 - [X.] 436.0 § 88 [X.] [X.]1 Rd[X.]2). Denn nach § 33 Abs 2 [X.] werden Aufwendungen für ein angemessenes Sterbegeld in angemessener Höhe als Bedarf anerkannt, wenn Leistungsberechtigte diese vor Beginn der [X.] nachweisen, soweit die Aufwendungen nicht nach § 82 Abs 2 Satz 1 [X.] [X.] vom Einkommen abgesetzt werden. Beiträge für eine Sterbegeldversicherung können daher im Gegensatz zu sonstigen privaten Versicherungen auch bei fehlendem Einkommen bedarfserhöhend berücksichtigt werden. Diese Privilegierung ist Ausfluss des nach Art 1 Abs 1 iVm Art 2 Abs 1 Grundgesetz (GG) gewährleisteten allgemeinen Persönlichkeitsrechts, das das Recht umfasst, über die eigene Bestattung zu bestimmen (vgl Wapler in Dreier, Grundgesetz, 4. Aufl 2023, Art 1 Abs 1 RdNr 77; Gotzen, Die Sozialbestattung, 3. Aufl 2020, [X.]). Dazu gehört auch die [X.], bereits zu Lebzeiten in angemessenem Umfang für die Durchführung und Bezahlung der eigenen Bestattung Sorge zu tragen (BSG vom 18.3.2008 - [X.]/9b [X.] 9/06 R - [X.], 131 = [X.]-3500 § 90 [X.], Rd[X.]4; [X.] <[X.]> vom 30.4.2014 - [X.] 632/13 - NJW 2014, 2115, Rd[X.]4 mwN; [X.] vom 11.12.2003 - 5 C 84/02 - [X.] 436.0 § 88 [X.] [X.]1 Rd[X.]2). § 33 [X.] stellte in seiner ursprünglichen Fassung vom 27.12.2003 eine inhaltsgleiche Übertragung des bisherigen § 14 [X.] dar (vgl BT-Drucks 15/1514 [X.] zu § 34). Nach dem Willen des historischen Gesetzgebers sollten mit dieser Vorschrift besondere Härten für Menschen vermieden werden, denen eine finanzielle Sicherstellung der eigenen Bestattung besonders am Herzen liegt und die eine begonnene Sterbegeldversicherung aus eigenen Mitteln nicht fortführen konnten (vgl BT-Drucks 3/2673 [X.] zu § 13 [X.]).

Aus der dargelegten Privilegierung von Aufwendungen für ein angemessenes Sterbegeld kann hingegen nicht geschlossen werden, dass solche Aufwendungen immer zu übernehmen sind. Auch nach der Neufassung des § 33 Abs 2 [X.] zum 1.7.2017 finden Beiträge zu einer Sterbegeldversicherung nur Berücksichtigung, wenn sie dem Grunde und der Höhe nach angemessenen ist, was sich nach den Umständen des Einzelfalls bestimmt. Entsprechend ist auch eine Absetzung von Beiträgen zu einer Sterbegeldversicherung nach § 82 Abs 2 Satz 1 [X.] [X.] nur möglich, wenn diese Voraussetzungen - unter Berücksichtigung der individuellen Lebenssituation des Hilfebedürftigen - vorliegen (im Einzelnen BSG vom 20.9.2023 - [X.] [X.] 22/22 R).

Im Grundsatz gilt dies erst recht für Sterbegeldversicherungen, die erst nach Beginn des Leistungsbezugs abgeschlossen werden. Für die Absetzung von Versicherungsbeiträgen nach § 82 Abs 2 Satz 1 [X.] [X.] ist zwar unbeachtlich, ob die Versicherungen bereits vor dem Leistungsbezug bestanden oder erstmalig während des Leistungsbezugs abgeschlossen werden (vgl Giere in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 7. Aufl 2020, § 82 RdNr 94; [X.] in LP[X.]-[X.], 12. Aufl 2020, § 82 RdNr 83; [X.] in [X.]/Noftz [X.], [X.] § 82 Rd[X.]b, Stand August 2022). Sterbegeldversicherungen sind hiervon nicht ausgenommen. Dem Privilegierungstatbestand des § 33 Abs 2 [X.], der Aufwendungen für ein angemessenes Sterbegeld in angemessener Höhe als Bedarf anerkennt, wenn Leistungsberechtigte diese vor Beginn der [X.] nachweisen, lässt sich indes die gesetzgeberische Wertung entnehmen, dass (nur) Beiträge für bereits abgeschlossene Sterbegeldversicherungen - soweit diese auch im Übrigen angemessen sind (dazu im Einzelnen BSG vom 20.9.2023 - [X.] [X.] 22/22 R) - ohne Prüfung eines besonderen Grundes als Bedarf anzuerkennen sind, weil sich der besondere Grund mit dem Abschluss der Versicherung manifestiert hat. Obwohl nach der Systematik des [X.] der Anspruch auf Leistungen zur Existenzsicherung im Sozialhilferecht stets bedarfsbezogen ist (vgl § 9 Abs 1 [X.]; vgl nur BSG vom 24.2.2016 - [X.] [X.] 11/14 R - [X.], 12 = [X.]-3500 § 71 [X.], Rd[X.]3) wird der Vermögensaufbau mit Mitteln der Sozialhilfe ("faktische Sparverträge" vgl BT-Drucks 18/9984 [X.] zu § 33 Abs 2) in dieser [X.]onstellation ausdrücklich ohne weitere Prüfung der Lebensumstände hingenommen.

Weder aus der Vorschrift des § 82 [X.] noch aus der sonstigen Systematik lässt sich indes der Umkehrschluss herleiten, dass Sterbegeldversicherungen, die erst nach Beginn der [X.] abgeschlossen wurden, im Rahmen von § 82 Abs 2 Satz 1 [X.] [X.] keine Berücksichtigung finden (so aber [X.] in BeckO[X.], [X.], Stand 1.12.2021, § 82 Rd[X.]3). Eine dem § 33 Abs 2 [X.] vergleichbare ausdrückliche Beschränkung findet sich hier jedenfalls nicht.

Eine Sterbegeldversicherung, die nach Beginn der [X.] abgeschlossen wird, ist aber nur dann iS des § 82 Abs 2 Satz 1 [X.] [X.] angemessen, wenn bei ihrem Abschluss ein in der Person des Leistungsempfängers liegender individueller Grund für die Notwendigkeit der Bestattungsabsicherung vorliegt (vgl auch BT-Drucks 3/2673, [X.] zu § 13 [X.]). Denn Leistungen der Grundsicherung dürfen im Regelfall nicht zum Aufbau eines Vermögens eingesetzt werden (im Ansatz: BSG vom 25.4.2013 - [X.] [X.] 8/12 R - [X.], 221 = [X.]-3500 § 87 [X.], Rd[X.]5; zu § 76 Abs 2 [X.] [X.]: [X.] vom [X.] - Rd[X.]8; zum [X.]: BSG vom 3.12.2015 - B 4 A[X.]9/14 R - Rd[X.]0; BSG vom 18.6.2008 - [X.]/11b [X.]/06 R - [X.]-4200 § 22 [X.]3 Rd[X.]7; [X.] in jurisP[X.]-[X.], 3. Aufl 2020, § 82 RdNr 95).

Ein solcher Grund kann zum einen im Alter der leistungsberechtigten Person liegen. Dabei kann vorliegend dahinstehen, ob bereits das Erreichen der Altersgrenze nach § 41 Abs 2 [X.] ausreicht (vgl zur [X.] vom 24.2.2016 - [X.] [X.] 11/14 R - [X.], 12 = [X.]-3500 § 71 [X.], Rd[X.]2) oder eine darüberhinausgehende zeitliche Nähe zum Vorsorgefall erforderlich ist (etwa in Abhängigkeit zur durchschnittlichen Lebenserwartung ermittelt anhand von sogenannten Sterbetafeln). Jedenfalls vor Erreichen der Regelaltersgrenze sieht der [X.] allein im Alter der leistungsberechtigten Person keinen Grund für die Notwendigkeit einer Bestattungsabsicherung; die [X.]lägerin hat die Altersgrenze aber noch nicht erreicht.

Zum anderen kann ein solcher Grund in der individuellen gesundheitlichen Situation des Leistungsberechtigten liegen. Auch hier genügt allein das Vorliegen einer vollständigen Erwerbsminderung nicht (im Ergebnis ebenso [X.] vom [X.] - 5 C 43/01 - [X.]E 116, 342). Vielmehr ist erforderlich, dass der oder die Leistungsberechtigte an einer schwerwiegenden Erkrankung leidet, die im konkreten Fall prognostisch zu einer deutlich verkürzten Lebenserwartung führt und die nachvollziehbar Anlass dazu gibt, Vorsorge für die Sicherstellung der Beerdigungskosten zu treffen. Maßgebend sind dabei nicht allein die festgestellten Diagnosen, sondern die gesundheitsbedingten Auswirkungen der Erkrankung. Erforderlich ist insoweit, dass der oder die Leistungsberechtigte an einer schwerwiegenden Erkrankung leidet, die wegen des damit im konkreten Fall einhergehenden Risikos einer reduzierten Überlebenswahrscheinlichkeit - bezogen auf einen Zeitraum von ca zehn Jahren - Anlass dazu gibt, Vorsorge für die Sicherstellung der Beerdigungskosten zu treffen. Diesen Zeitraum erachtet der [X.] für angemessen, weil der Gesetzgeber in erster Linie das besondere Bedürfnis alter Menschen zur Bestattungsvorsorge anerkannt hat, die sich in einer gewissen zeitlichen Nähe zum Lebensende befinden.

Das [X.] wird daher zu prüfen haben, ob in der gesundheitlichen Situation der [X.]lägerin nach den oben dargelegten Grundsätzen ein hinreichender Grund für den beabsichtigten Abschluss der Sterbegeldversicherung zu sehen ist.

Es wird bei der Prüfung zudem - wie auch bei vor Leistungsbeginn abgeschlossenen Verträgen - zu berücksichtigen haben, dass die Sterbegeldversicherung, deren Berücksichtigung begehrt wird, auch im Übrigen angemessen ist, dh eine hinreichende objektive Zweckbestimmung enthält und sowohl der Höhe der Versicherungssumme als auch der Höhe der insgesamt aufzuwendenden Beiträge nach angemessen ist (vgl hierzu ausführlich BSG vom 20.9.2023 - [X.] [X.] 22/22 R).

Das [X.] wird ggf auch über die [X.]osten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

        

Bieresborn

Richter am BSG
Prof. Dr. Luik ist
an der Signatur
gehindert
gez. Bieresborn

Scholz

Meta

B 8 SO 19/22 R

20.09.2023

Bundessozialgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: SO

vorgehend SG Berlin, 30. September 2020, Az: S 184 SO 102/20, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 20.09.2023, Az. B 8 SO 19/22 R (REWIS RS 2023, 10083)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 10083

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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XII ZB 632/13

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