Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.04.2016, Az. V ZB 73/15

V. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 12576

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[X.]:[X.]:BGH:2016:210416BVZB73.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 73/15
vom

21. April 2016

in der Rücküberstellungshaftsache

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2
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Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 21. April 2016
durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Stresemann, die Richterinnen Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und [X.], [X.] Göbel und die Richterin Haberkamp

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des [X.] vom 29.
April 2015 aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass die mit
Beschluss des [X.] vom 11. Juni 2014 angeordnete Haft den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen
in allen Instanzen werden dem [X.] auferlegt.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 5.000

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-
Gründe:

I.

Der Betroffene, ein malischer Staatsangehöriger, reiste am 1. August 2013 ohne gültige Einreisedokumente nach [X.] ein. Dort stellte
er am 15. Oktober 2013 einen Antrag auf Asyl, den das zuständige Bundesamt mit
Bescheid vom 3. Februar 2014 zurückwies, weil er schon in [X.] Asyl [X.] hatte. Ein Antrag des Betroffenen nach § 80 Abs. 5 VwGO hatte keinen Erfolg. Ein Versuch, den Betroffenen an [X.] rückzuüberstellen, scheiterte an dessen Gegenwehr.

Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht am 11. Juni 2014 gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung von dessen Rücküberstellung für die Dauer von acht Wochen angeordnet. Die -
nach seiner Entlassung aus der Haft am 25. Juli 2014 auf Feststellung
der Rechtswidrigkeit der Haft gerichtete -
Be-schwerde hat das [X.] als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die beteiligte Behörde beantragt.

II.

Das Beschwerdegericht hält den Feststellungsantrag und damit auch die Beschwerde des Betroffenen für unzulässig. Er sei mangels Angaben, die eine Identifizierung des Betroffenen erlaubten, insbesondere mangels Angabe des Aufenthalts des Betroffenen, nicht hinreichend bestimmt. Ferner fehle das Fest-stellungsinteresse. Dieses sei zwar regelmäßig bei [X.] gege-1
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ben. Es könne aber ausnahmsweise fehlen, wenn sich der Betroffene nicht rechtstreu verhalte. So liege es hier. Der Betroffene habe sich unter Verstoß gegen die Meldevorschriften nicht ordnungsgemäß angemeldet.

III.

Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand.

1. [X.] ist statthaft und auch sonst zulässig. Zwar hat die Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen
dessen aktu-elle Anschrift nicht angegeben. Das änderte
aber an der Zulässigkeit des Rechtsmittels nur etwas, wenn der geordnete Ablauf des Rechtsmittelverfah-rens ohne Angabe der [X.] Anschrift gefährdet wäre
oder die feh-lende Angabe der [X.] Anschrift Rückschlüsse auf ein rechtsmiss-bräuchliches Verhalten des Betroffenen erlaubte
(Senat, Beschlüsse vom 20.
November 2014 -
V
ZB 54/14 [X.] 2015, 104 Rn.
5
u.
vom
18.
Februar 2016 -
V
ZB
74/15, juris Rn. 5). Diese Ausnahmetatbestände liegen hier nicht vor. Der geordnete Ablauf des Rechtsmittelverfahrens wird durch die fehlende Angabe der Anschrift des Betroffenen nicht beeinträchtigt. Dass und aus welchen Gründen sich der Betroffene mit der Stellung des Antrags rechts-missbräuchlich verhalten würde, ist nicht erkennbar.

2. Das Rechtsmittel ist begründet.

a) Die Beschwerde des Betroffenen ist statthaft und auch sonst zulässig. Das Beschwerdeverfahren hat sich zwar mit der Entlassung des Betroffenen aus der Haft am 25. Juli 2014 in der Hauptsache erledigt. Es konnte aber nach 4
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§ 62 Abs. 1 FamFG mit dem Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haftanordnung fortgesetzt werden. Ein solcher Antrag soll dem Betroffenen ei-ne Möglichkeit geben, sich auch nach ihrer Beendigung gegen die unberechtig-te Freiheitsentziehung und den in ihr enthaltenen Vorwurf zur Wehr zu setzen (Senat, Beschluss vom 31. Januar 2013 -
V [X.], [X.], 118 Rn. 12). Dieses Interesse ist auch bei einem späteren rechtswidrigen Verhalten des Be-troffenen anzuerkennen (Senat, Beschluss vom 14. Januar 2016 -
V [X.], juris Rn. 6). Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Beschluss des Senats vom 18. Februar 2016 in einer gleich gelagerten Sache Bezug genommen

(Beschluss vom 18.
Februar 2016 -
V [X.], juris Rn. 13 f.).

b) Die Beschwerde ist auch begründet.

aa) Zur sachlichen Bescheidung der Beschwerde ist der Senat in der Lage. Das Beschwerdegericht hat sich zwar, da es die Beschwerde als unzu-lässig angesehen hat, nicht inhaltlich mit der Haftanordnung befasst. Die En-dentscheidung in der Sache erfordert aber keine zusätzlichen Feststellungen.

[X.]) Die Haftanordnung war schon deshalb rechtswidrig, weil abzusehen war, dass die Haft in der [X.] und damit unter Verletzung der im Lichte von Art. 16 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2008/115/[X.] auszulegen-den Vorschrift des § 62a Abs. 1 [X.] vollzogen werden würde (vgl. näher Senat, Beschluss vom 25. Juli 2014 -
V [X.], [X.] 2014, 230
Rn. 7 bis 10). Diese Richtlinie ist auf die Haft zur Sicherung von Rücküberstellungen so-wohl nach der Verordnung ([X.]) Nr. 343/2003 vom 18.
Februar 2003
([X.]. Nr. L 50 S. 1 -
sogenannte [X.]) als auch nach der [X.] ([X.]) Nr.
604/2013 vom 26.
Juni 2013 ([X.].
Nr.
L 180 S.
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soge-nannte Dublin-III-Verordnung) anzuwenden (Senat, Beschlüsse vom
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20. November 2014 -
V
ZB 54/14, [X.] 2015, 104
Rn.
8 für [X.] und vom 3. März 2015 -
V
ZB 108/14,
juris Rn.
1 für Dublin-III-Verordnung). Seine richtlinienwidrige Praxis hat das [X.] erst mit Runderlass des Ministeriums für Inneres und Kommunales vom
25.
Juli 2015 (15-39.16.04-2-13-339(2604), veröffentlicht im [X.]) aufgegeben.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs.
1, § 83 Abs.
2, § 430
FamFG, Art.
5 [X.]. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 36 Abs.
3 GNotKG.

Stresemann Schmidt-Räntsch Brückner

Göbel Haberkamp
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 11.06.2014 -
22 [X.] B -

LG Kleve, Entscheidung vom 29.04.2015 -
4 [X.] -

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Meta

V ZB 73/15

21.04.2016

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Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.04.2016, Az. V ZB 73/15 (REWIS RS 2016, 12576)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 12576

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