Bundessozialgericht, Urteil vom 07.08.2014, Az. B 13 R 37/13 R

13. Senat | REWIS RS 2014, 3558

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Entscheidung durch Einzelrichter bei Rechtssachen von grundsätzlicher Bedeutung oder im Fall einer Divergenz - gleichzeitige Erziehung - Verlängerung der Kindererziehungszeiten über den Tod des Versicherten hinaus


Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des [X.] vom 16. November 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Kläger begehren im Zugunstenverfahren eine Halbwaisenrente nach ihrer verstorbenen Mutter.

2

Die am 1996 geborene Klägerin und der am 1997 geborene Kläger sind leibliche Kinder der im Februar 1977 in [X.] (vormals [X.], nunmehr [X.]) geborenen und am 27.9.1999 tödlich verunglückten Versicherten. In deren Versicherungskonto bei der [X.] [X.] sind drei Monate (20.2. bis 17.4.1995) mit Pflichtbeiträgen aus [X.] Beschäftigung sowie 36 Monate (1.10.1996 bis 30.9.1999) mit Pflichtbeiträgen für Kindererziehung, insgesamt somit 39 Monate erfasst. Die [X.], deren Rechtsnachfolge später die Beklagte antrat (im Folgenden einheitlich als Beklagte bezeichnet), lehnte im Oktober 1999 für die Kläger gestellte Anträge auf Halbwaisenrente im Hinblick auf die von der Versicherten nicht erfüllte allgemeine Wartezeit von fünf Jahren ab (Bescheide vom [X.]).

3

Ein Überprüfungsantrag der Kläger vom 6.10.2009 blieb ohne Erfolg (Bescheide vom 3.11.2009, Widerspruchsbescheid vom 10.2.2010). Die Beklagte berief sich darauf, dass Kindererziehungszeiten ([X.]) nur bis zum Todestag der Versicherten berücksichtigt und deshalb [X.]en aufgrund gleichzeitiger Erziehung mehrerer Kinder hier nicht anerkannt werden könnten, weil bei zeitgleicher Erfüllung mehrerer rentenrechtlicher Tatbestände für eine Wartezeit jeder Monat nur einmal zähle.

4

Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage haben die Kläger eine rentenrechtliche Ungleichbehandlung im Hinblick auf die von der Versicherten bereits erbrachte doppelte Erziehungsleistung gerügt; der Umstand, dass sie vorzeitig verstorben sei, könne diese Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen. Im Klageverfahren hat das [X.] zunächst in einem rechtlichen Hinweis an die Beklagte die Ansicht vertreten, es seien gemäß § 56 Abs 5 [X.] weitere 24 Monate der gleichzeitigen Kindererziehung auf die Wartezeit anzurechnen. Später hat es die Rechtslage als nicht eindeutig bewertet, statt der ursprünglich beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid eine mündliche Verhandlung anberaumt und die Klage unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des [X.] (vom 19.4.1993 - L 2 I 74/92 - [X.]) abgewiesen (Urteil vom [X.]).

5

Im Berufungsverfahren haben die Kläger ihren Vortrag vertieft. Da sie der Anregung, das Rechtsmittel zurückzunehmen, nicht nachgekommen sind, hat der Berichterstatter die Beteiligten "zur Beschleunigung des Verfahrens" um Zustimmung zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung sowie durch den Berichterstatter anstelle des Senats gebeten, die beide Seiten erteilt haben. Daraufhin hat das [X.] die Berufung durch den Berichterstatter als unbegründet zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen (Urteil vom 16.11.2012).

6

In der Entscheidung des [X.] ist ausgeführt, dass diese Verfahrensweise in Ausübung richterlichen Ermessens gewählt worden sei, weil die Streitsache weder besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweise noch von grundsätzlicher Bedeutung sei und die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt hätten. In der Sache sei die Berufung unbegründet. Ein Anspruch auf Rücknahme der ablehnenden Bescheide vom [X.] bestehe nicht, da den beiden Klägern Halbwaisenrente zu Recht versagt worden sei. Die Versicherte habe die anspruchsbegründende Voraussetzung der allgemeinen Mindestversicherungszeit (Wartezeit) von fünf Jahren gemäß § 34 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 S 1 Nr 3 [X.] nicht erfüllt. Zwar seien auf die allgemeine Wartezeit auch [X.] iS des § 56 [X.] anzurechnen. Im Fall der Versicherten könnten aber nur [X.] für die im September 1996 geborene Klägerin für die [X.] von Oktober 1996 bis September 1999 Berücksichtigung finden. Einer Anrechnung von [X.] für den im September 1997 geborenen Kläger, den die Versicherte zeitgleich mit der Klägerin erzogen habe, für einen [X.]raum vor dem Tod der Versicherten am 27.9.1999 stehe der eindeutige Wortlaut der Regelung in § 56 Abs 5 S 2 [X.] ("verlängert") entgegen, der als Grenze jeder Auslegung zu beachten sei.

7

Mit ihrer vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügen die Kläger sinngemäß eine Verletzung von § 56 Abs 5 S 2 [X.] sowie von Art 3 Abs 1 GG. Entgegen der Rechtsmeinung des [X.] schließe der Wortlaut von § 56 Abs 5 S 2 [X.] eine Anrechnung zusätzlicher [X.] auf die Wartezeit nicht aus, wenn im Fall der zeitgleichen Erziehung mehrerer Kinder die Versicherte vor Ablauf der [X.] versterbe. Die genannte Vorschrift enthalte keine eindeutige Regelung dazu, in welcher Form sich die angeordnete Verlängerung der [X.] auf die Berechnung der Pflichtbeitragszeiten auswirke. Da [X.] nicht lediglich der Lückenschließung, sondern vornehmlich der Honorierung des Werts der Kindererziehung im Allgemeinen dienten, müssten die sachlichen Voraussetzungen für ihre Anrechnung nur in dem gemäß § 56 Abs 5 S 1 [X.] maßgeblichen [X.]raum der Kindererziehung (36 Kalender-monate nach Ablauf des Monats der Geburt) vorliegen, während dies im [X.]raum nicht mehr erforderlich sei. Bei konsequenter Verfolgung des [X.] könne der Tod der Versicherten die rentenrechtliche Anrechnung der von ihr bereits geleisteten [X.]en der Kindererziehung nicht hindern. Die Berücksichtigung im Wege einer [X.] stelle lediglich eine von mehreren gesetzestechnischen Möglichkeiten einer Abgeltung von Mehrfacherziehung dar. Der Entscheidung des Gesetzgebers für diese Variante könne nicht entnommen werden, dass im Fall des vorzeitigen Todes der Versicherten eine fiktive Verlängerung der [X.] über den Tod hinaus zur Honorierung der bereits erbrachten Erziehungsleistung ausgeschlossen sein solle. Hingegen wäre der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt, wenn nach bereits erbrachter mehrfacher Erziehungsleistung nur solche Versicherte, die die [X.] überlebten, mit zusätzlichen [X.] honoriert würden.

8

Die Kläger beantragen,
das Urteil des [X.] vom 16. November 2012 und das Urteil des [X.] vom 12. Januar 2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 3. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Dezember 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Klägern unter Rücknahme der Bescheide vom 21. Oktober 1999 Halbwaisenrente nach der am 27. September 1999 verstorbenen Versicherten [X.] zu gewähren.

9

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Sie nimmt auf die aus ihrer Sicht weiterhin zutreffende Begründung im Urteil des [X.] vom 19.4.1993 Bezug. Ergänzend trägt sie vor, dass die von den Klägern befürwortete Lösung gegen die Anordnung in § 75 Abs 1 [X.] verstoße. Nach dieser Vorschrift dürften für [X.]räume nach Beginn einer zu berechnenden Rente Entgeltpunkte nur für Zurechnungszeiten und für Zuschläge an Entgeltpunkten aus Beiträgen nach Beginn einer Rente wegen Alters ermittelt werden. Für Hinterbliebenenrenten bedeute dies, dass Entgeltpunkte nur für solche Versicherungszeiten berücksichtigt werden könnten, die bis zum Todesmonat des Versicherten zurückgelegt worden seien. Die Regelung bringe ein tragendes Grundprinzip der [X.] zur Geltung, nach dem ein bereits eingetretener Versicherungs- bzw Leistungsfall nachträglich nicht mehr versichert werden könne. Würde hingegen der Rechtsmeinung der Kläger gefolgt, stelle sich die Frage, ob die Hinterbliebenenrente schon vor oder erst nach dem [X.]punkt der Erfüllung der Wartezeit beginne und ob sie bis zum Ablauf des [X.]raums jeden Monat neu berechnet werden müsse.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Kläger hat im Sinne einer Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] Erfolg. An einer den Rechtsstreit abschließenden Entscheidung in der Sache ist der Senat gehindert. Denn das Verfahren vor dem [X.] leidet an einem auch ohne entsprechende Rüge der Beteiligten von Amts wegen zu beachtenden Mangel, der zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht zwingt (§ 170 Abs 2 S 2 [X.]G).

1. Das Berufungsgericht war bei seiner Entscheidung nicht vorschriftsmäßig besetzt. Über die Berufung der Kläger entschied allein der Berichterstatter anstelle des [X.]-Senats, obwohl die Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen.

a) Nach § 33 Abs 1 S 1 [X.]G (idF des [X.] bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24.11.2011, [X.]) muss ein Senat des [X.], wenn er - wie hier geschehen - durch Urteil entscheidet (§ 33 [X.] iVm § 12 [X.] [X.]G), grundsätzlich in der Besetzung mit einem Vorsitzenden, zwei weiteren Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richtern tätig werden. Hiervon abweichend gestatten es die Regelungen in § 155 Abs 3 und 4 [X.]G dem Vorsitzenden oder - sofern bestellt - dem Berichterstatter ausnahmsweise, im Einverständnis der Beteiligten auch sonst anstelle des Senats zu entscheiden (sog "konsentierter Einzelrichter"). Für eine solche Verfahrensweise ist das Vorliegen des Einverständnisses aller Beteiligten allein aber noch nicht ausreichend. Vielmehr ist bei verfassungskonformer Auslegung dieser Regelungen zur Entscheidungskompetenz mit Rücksicht auf die Garantie des gesetzlichen Richters (Art 101 [X.] GG) zusätzlich erforderlich, dass der Vorsitzende oder Berichterstatter, dem entsprechende Einwilligungserklärungen der Beteiligten vorliegen, im Rahmen des ihm eröffneten Ermessens pflichtgemäß darüber befindet, ob er von der besonderen Verfahrensweise einer Entscheidung nur durch einen Berufsrichter Gebrauch macht oder ob es aus sachlichen Gründen bei einer Entscheidung durch den gesamten Senat und unter Mitwirkung [X.] verbleiben muss ([X.], 189 = [X.]-1500 § 155 [X.], Rd[X.]0 ff - mwN).

Die hiernach gebotene Ermessensausübung muss sich am Zweck (auch) der Regelung in § 155 Abs 3 und 4 [X.]G orientieren, zu einer Straffung des Verfahrens und einer Entlastung des [X.] beizutragen, ohne den Anspruch der Beteiligten auf einen angemessenen Rechtsschutz zu vernachlässigen (vgl die Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege, BT-Drucks 12/1217 [X.] - Zu [X.] <§ 155 [X.]G>). Außerdem ist bei der Abwägung zu berücksichtigen, dass die Sozialgerichte grundsätzlich als Kollegialgerichte ausgestaltet sind und den Entscheidungen eines Kollegiums eine höhere Richtigkeitsgewähr beigemessen wird. Deshalb sollen nur solche Verfahren von einem Einzelrichter entschieden werden, die keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweisen ([X.] aaO - unter Hinweis auf [X.] Beschluss vom 5.5.1998 - 1 BvL 23/97 - NJW 1999, 274 f, [X.] Rd[X.]9 f; ebenso [X.] vom [X.] - B 7 [X.] 43/08 R - [X.] Rd[X.]0). Mithin kommt eine Entscheidung durch den Vorsitzenden oder Berichterstatter bei Rechtssachen von grundsätzlicher Bedeutung (iS von § 160 Abs 2 [X.]) oder im Fall einer Divergenz (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G) regelmäßig nicht in Betracht ([X.], 189 = [X.]-1500 § 155 [X.], Rd[X.]2; s auch [X.] [X.]-1500 § 155 [X.] Rd[X.]6; [X.] [X.]E 109, 81 = [X.]-1200 § 52 [X.], Rd[X.] 7).

Eine Entscheidung durch den konsentierten Einzelrichter ist danach in aller Regel nicht nur für den Fall ausgeschlossen, dass dieser einer zu entscheidenden Rechtsfrage selbst grundsätzliche Bedeutung beimisst und deshalb die Revision zulässt (vgl [X.] vom [X.], aaO Rd[X.]1: "subjektiv"). Ein [X.] oder Berichterstatters liegt vielmehr auch vor, wenn er als Einzelrichter über eine Sache befindet, die objektiv betrachtet besondere rechtliche Schwierigkeiten aufweist, weil sie nach den zu § 160 Abs 2 [X.] entwickelten Kriterien eine bislang oberstgerichtlich noch nicht hinreichend geklärte entscheidungserhebliche Rechtsfrage aufwirft. Dementsprechend hat der 11. Senat des [X.] in einem Fall, bei dem der konsentierte Einzelrichter keine Veranlassung für eine Zulassung der Revision gesehen hatte, dessen Entscheidungsbefugnis nicht schon im Hinblick auf diesen Umstand, sondern letztlich nur wegen des Vorliegens eines anerkannten Ausnahmetatbestands als gegeben erachtet (vgl [X.] vom 2.5.2012 - [X.] [X.] 18/11 R - [X.]-4300 § 144 [X.]4 Rd[X.]4 f sowie - in [X.] nicht abgedruckt - Rd[X.] 5).

b) Nach diesen Maßstäben erweist sich in dem hier zu beurteilenden Fall die Entscheidung durch den Berichterstatter als ermessensfehlerhaft. Die im Berufungsverfahren entscheidungserhebliche Rechtsfrage, ob bei gleichzeitiger Erziehung mehrerer Kinder durch einen Elternteil dann, wenn dieser vor Ablauf des in § 56 Abs 5 S 2 [X.]B VI normierten Verlängerungszeitraums verstirbt, [X.] für das weitere Kind für Zeiträume nach dem Tod des Elternteils bei der Ermittlung der Wartezeit für einen Anspruch auf Waisenrente zu berücksichtigen sind oder ob dem die genannte Regelung entgegensteht, ist entgegen der Rechtsmeinung des [X.] bei objektiver Betrachtung von grundsätzlicher Bedeutung iS des § 160 Abs 2 [X.]. Die Frage ist bislang in der Rechtsprechung des [X.] nicht geklärt; aus diesem Grund hat der erkennende Senat auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger die Revision zugelassen. Auch das Urteil des [X.] vermochte keine oberstgerichtlichen Entscheidungen anzuführen, die seine Antwort auf die Rechtsfrage stützen oder hierfür Anhaltspunkte bieten könnten. Der konsentierte Einzelrichter des [X.] hätte überdies aufgrund weiterer Umstände erkennen können, dass es nahe lag, hier von dem Verfahren nach § 155 Abs 4 [X.]G für in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht einfach gelagerte Sachverhalte abzusehen. Denn aus den Akten ist ersichtlich, dass in erster Instanz der Berufsrichter des [X.] seine ursprünglich gegenüber den Beteiligten verlautbarte Rechtsmeinung zu der genannten Rechtsfrage revidiert und seine zunächst bestehende Absicht, den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid (§ 105 [X.]G) zu entscheiden, "wegen der insoweit nicht eindeutigen Rechtslage" ([X.] vom 27.10.2011) wieder aufgegeben hatte. Demgegenüber hat der Berichterstatter im Berufungsverfahren trotz der genannten Umstände allein das Interesse an einer "Beschleunigung des Verfahrens" ([X.] vom 10.9.2012) erwogen und damit den oben aufgezeigten Zwecken der gesetzlichen Regelung in § 155 Abs 3 und 4 [X.]G nur teilweise Rechnung getragen.

Es liegt auch keiner der Gründe vor, für die in der Rechtsprechung des [X.] anerkannt ist, dass trotz der grundsätzlichen Bedeutung einer Sache eine Entscheidung durch den konsentierten Einzelrichter ausnahmsweise verfahrensfehlerfrei sein kann. Hierzu zählt insbesondere die Konstellation, dass der [X.]-Senat in voller Besetzung bereits einen vergleichbaren Rechtsstreit unter Zulassung der Revision entschieden hat und nachfolgend weitere Parallelverfahren anstehen; dasselbe wird angenommen, wenn sich das [X.]-Urteil auf bereits beim [X.] anhängige Parallelfälle bezieht oder die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Einzelrichterentscheidung in Kenntnis der von ihm beabsichtigten Zulassung der Revision erklärt haben (s hierzu [X.] [X.]-2500 § 33 [X.]4 Rd[X.]1; [X.] [X.]-4300 § 53 [X.] Rd[X.]4; [X.] [X.]-4300 § 144 [X.]4 Rd[X.]4; [X.] vom [X.] - B 7 [X.] 43/08 R - [X.] Rd[X.]2; [X.] [X.]E 109, 81 = [X.]-1200 § 52 [X.], Rd[X.] 8). Solche oder ähnlich gewichtige Umstände, die plausibel machen, dass der Berichterstatter trotz objektiv bestehender grundsätzlicher Bedeutung der Sache seine Entscheidung nicht "am Senat vorbei" getroffen hat, sondern in Übereinstimmung mit ihm beschleunigt einer letztverbindlichen Klärung durch [X.] des [X.] zuführen wollte, sind in dem hier zu beurteilenden Fall nicht erkennbar.

c) Damit hat das [X.] nicht in der für die vorliegende Sache von grundsätzlicher Bedeutung vorgeschriebenen Besetzung des gesamten Senats aus Berufsrichtern und ehrenamtlichen Richtern (§ 33 Abs 1 S 1 [X.]G) entschieden. Dieser grundlegende, den Anspruch auf Entscheidung durch [X.] (Art 101 [X.] GG) missachtende Verfahrensmangel ist im Revisionsverfahren als absoluter Revisionsgrund (§ 202 S 1 [X.]G iVm § 547 [X.] ZPO) auch ohne Rüge der Beteiligten von Amts wegen zu berücksichtigen ([X.], 189 = [X.]-1500 § 155 [X.], Rd[X.]1, 13; [X.] vom [X.] - B 7 [X.] 43/08 R - [X.] Rd[X.] 8); er führt regelmäßig zur Zurückverweisung an den eigentlich zuständigen Spruchkörper ([X.] [X.]-2500 § 33 [X.]4 Rd[X.]).

2. Eine abschließende Entscheidung der Sache ist dem erkennenden Senat nicht möglich. Eine solche kommt auch bei Vorliegen eines absoluten Revisionsgrunds in Betracht, wenn auf der Grundlage eines in tatsächlicher Hinsicht geklärten und nicht umstrittenen Sachverhalts in rechtlicher Hinsicht nach den konkreten Gegebenheiten des Falles nur in einer ganz bestimmten Weise entschieden werden kann, weil unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt eine andere Entscheidung denkbar ist (vgl § 170 [X.] [X.]G; s hierzu [X.] [X.]-2500 § 33 [X.]4 Rd[X.]2 ff - unter Bezugnahme auf [X.]E 75, 74, 77 = [X.] 3-2500 § 33 [X.]2 S 44 f). Hier ist jedoch bereits der Sachverhalt noch nicht hinreichend geklärt. Insbesondere bedarf es noch Feststellungen des [X.] dazu, ob - was hier nicht fern liegt - die im Alter von 22 Jahren verstorbene Versicherte möglicherweise in den sechs Jahren vor ihrem Tod (vor ihrem Zuzug nach [X.]) eine Ausbildung absolviert hat, die gemäß § 53 Abs 2 S 1 [X.]B VI dazu führt, dass die allgemeine Wartezeit auch ohne eine Mehrfachanrechnung von [X.] erfüllt ist.

Auch wenn einiges dafür spricht, im Ergebnis der Rechtsmeinung des [X.] zu folgen, dass die Regelung in § 56 Abs 5 S 2 [X.]B VI nach ihrer Entstehungsgeschichte (vgl zu den ab [X.] geltenden Vorgängerregelungen in § 1227a [X.] RVO bzw § 2a [X.] AVG idF des [X.] vom 11.7.1985, [X.] 1450, den Bericht des [X.], BT-Drucks 10/3519 [X.] - Zu Nummer 12 <§ 1227a>; zur Übernahme des bislang geltenden Rechts in § 56 Abs 5 [X.]B VI s die Begründung des Gesetzentwurfs eines [X.] 1992, BT-Drucks 11/4124 S 166) und ihrem systematisch-strukturellen Zusammenhang mit anderen Bestimmungen des [X.]B VI (zur Wartezeit als "Mindestversicherungszeit" s § 34 Abs 1 [X.]B VI) im Fall der gleichzeitigen Erziehung mehrerer Kinder die mehrfache Anrechnung eines bestimmten Zeitraums der Kindererziehung auf die Dauer der allgemeinen Wartezeit nicht gestattet und dies auch im Lichte von Art 3 Abs 1 GG nicht zu beanstanden ist, kann auf dieser Grundlage noch keine abschließende Entscheidung darüber getroffen werden, ob das [X.] die ablehnenden Bescheide der Beklagten zutreffend als rechtmäßig angesehen hat. Denn das [X.] hat sich in seinem Urteil - anders als die Beklagte im Bescheid vom 3.11.2009 - nicht damit befasst, ob im Fall der Versicherten die allgemeine Wartezeit möglicherweise vorzeitig erfüllt ist.

Nach § 53 Abs 2 S 1 [X.]B VI ist die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt, wenn Versicherte vor Ablauf von sechs Jahren nach Beendigung einer Ausbildung voll erwerbsgemindert geworden oder gestorben sind und in den letzten zwei Jahren vorher mindestens ein Jahr Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben. Die zuletzt genannte versicherungsrechtliche Voraussetzung einer vorzeitigen Wartezeiterfüllung ist nach den vom [X.] getroffenen Feststellungen bei der Mutter der Kläger (Versicherte) gegeben. Denn die in den 36 Kalendermonaten vor ihrem Tod - Oktober 1996 bis September 1999 - zu ihren Gunsten jedenfalls zu berücksichtigenden [X.] für die Erziehung der Klägerin gelten gemäß § 53 Abs 3 [X.] iVm § 3 S 1 [X.] [X.]B VI als Zeiten mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit. Mithin kommt es für eine vorzeitige Erfüllung der Wartezeit entscheidend darauf an, ob die Versicherte vor Ablauf von sechs Jahren nach Beendigung einer Ausbildung verstorben ist. Hierzu aber fehlen jegliche tatsächliche Feststellungen des Berufungsgerichts, welche den Senat in die Lage versetzen könnten, auch hierüber abschließend zu befinden. Dies zwingt zu einer Zurückverweisung des Rechtsstreits zur weiteren Sachaufklärung an das [X.].

3. Das [X.] wird bei seiner erneuten Entscheidung zu beachten haben, dass auch bei Berücksichtigung einer Mitteilung des [X.] der Kläger vom 3.11.2009 an die Beklagte ([X.] 19 der Verwaltungsakte: Er habe weder Kenntnis von Ausbildungszeiten der Versicherten noch entsprechende Unterlagen; Erkenntnisse hierüber seien auch von deren Eltern nicht mehr zu erlangen, da diese bei dem damaligen Unfall ebenfalls verstorben seien) noch nicht alle in Betracht kommenden Möglichkeiten der Sachaufklärung ausgeschöpft sind. Insbesondere ist denkbar, bei entsprechender Mitwirkung der Kläger (§ 103 S 1 Teils 2 [X.]G) möglicherweise vorhandene weitere Verwandte ihrer Mutter zu einer von dieser absolvierten Ausbildung zu befragen oder die örtlichen ([X.] um Auskunft zu ersuchen.

Sollte eine vorzeitige Erfüllung der Wartezeit nicht nachzuweisen sein, wird das [X.] außerdem zu prüfen haben, ob die Versicherte in ihrer ursprünglichen Heimat möglicherweise Versicherungszeiten zurückgelegt hat, die aufgrund zwischenstaatlicher Abkommen bei der Erfüllung der allgemeinen Wartezeit in der [X.] [X.] zu berücksichtigen sind (vgl Art 25 Abs 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik [X.] und der [X.] über Soziale Sicherheit vom 12.10.1968, [X.]I 1969, 1438, idF des Änderungsabkommens vom [X.] - [X.]I 1975, 390; zur Frage der Weitergeltung nach dem Zerfall [X.] vgl zuletzt [X.] vom [X.] - [X.], 361 Rd[X.]8 - mwN).

Das [X.] wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Meta

B 13 R 37/13 R

07.08.2014

Bundessozialgericht 13. Senat

Urteil

Sachgebiet: R

vorgehend SG Berlin, 12. Januar 2012, Az: S 21 R 1308/10, Urteil

§ 33 Abs 1 S 1 SGG, § 103 S 1 SGG, § 155 Abs 3 SGG, § 155 Abs 4 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 2 SGG, § 170 Abs 2 S 2 SGG, § 202 SGG, § 547 Nr 1 ZPO, § 34 Abs 1 SGB 6, § 48 SGB 6, § 50 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB 6, § 53 Abs 2 S 1 SGB 6, § 53 Abs 3 Nr 2 SGB 6, § 56 Abs 5 S 1 SGB 6, § 56 Abs 5 S 2 SGB 6, Art 25 Abs 1 SozSichAbk YUG, Art 3 Abs 1 GG, Art 101 Abs 1 S 2 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 07.08.2014, Az. B 13 R 37/13 R (REWIS RS 2014, 3558)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 3558

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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