Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.07.2010, Az. IX ZB 45/10

9. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 5002

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Gegenstand

Insolvenzverfahrensrecht: Rechtsschutzbedürfnis für einen Gläubigerantrag bei ausreichender dinglicher Sicherung; Beiordnung eines Notanwalts und verfrühte sofortige Beschwerde im Eröffnungsverfahren


Tenor

Die Anträge des Schuldners auf Beiordnung eines Notanwalts und auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des [X.] vom 27. Januar 2010 werden abgelehnt.

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des [X.] vom 27. Januar 2010 wird auf Kosten des Schuldners als unzulässig verworfen.

Gegenstandswert: 5.000 Euro.

Gründe

1

1. Der Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts ist unbegründet.Die Beiordnung eines Rechtsanwalts nach § 78b ZPO setzt voraus, dass die [X.] trotz zumutbarer Anstrengungen einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint. Im Streitfall fehlt es bereits an der erstgenannten Voraussetzung. Scheitert die Vertretungsbereitschaft eines beim [X.] zugelassenen Rechtsanwalts allein an der Nichtzahlung des Vorschusses durch den Mandanten, so kommt die Bestellung eines Notanwalts nach Sinn und Zweck des § 78b ZPO nicht in Betracht ([X.], [X.]. v. 25. Januar 1966 - [X.], NJW 1966, 780; v. 13. April 1994 - [X.], [X.]R ZPO § 78b Vertretungsbereitschaft 1; v. 7. Dezember 1999 - [X.], [X.], 412). Die [X.] hat in einem solchen Fall einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt durchaus gefunden, sie kann ihn nur nicht bezahlen. Daran würde die Beiordnung nichts ändern. Nach § 78c Abs. 2 ZPO dürfte auch der beigeordnete Rechtsanwalt die Übernahme der Vertretung vielmehr von einer Vorschusszahlung abhängig machen. Für [X.]en, die zur Honorierung eines Rechtsanwalts selbst nicht in der Lage sind, sieht das Gesetz die Möglichkeit der Anwaltsbeiordnung im [X.] vor. Im Streitfall hatte der Schuldner eine beim [X.] zugelassene Rechtsanwältin gefunden, die für ihn die Rechtsbeschwerde sogar noch fristwahrend eingelegt hatte. Aus der Antragsschrift seines zweitinstanzlichen Verfahrensbevollmächtigten vom 7. Mai 2010 folgt, dass diese Rechtsanwältin das Mandat wegen Ausbleibens eines [X.] niedergelegt hat. Dass die Rechtsanwältin aus anderen Gründen als der Nichtzahlung des Vorschusses das Mandat nicht weiter geführt habe, legt der Schuldner nicht dar. Ebensowenig hat er glaubhaft gemacht, dass er einen anderen zu seiner Vertretung bereiten Rechtsanwalt aus anderen Gründen als seinem finanziellen Unvermögen nicht gefunden habe.

2

2.Die Prozesskostenhilfe ist zu versagen, weil die in Aussicht genommene Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 114 Satz 1 ZPO).

3

a) Soweit die sofortige Beschwerde auf "Zurückweisung des Insolvenzantrags" gerichtet war und das [X.] sie als unzulässig verworfen hat, ist die Rechtsbeschwerde nicht statthaft.Voraussetzung der Statthaftigkeit der [X.] nach § 7 [X.], § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist, dass für den Rechtsbeschwerdeführer das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde nach § 6 Abs. 1 [X.] eröffnet war ([X.], [X.]. v. 14. Dezember 2005 - [X.], [X.], 239; v. 25. Juni 2009 - [X.] 161/08, [X.], 553). Zutreffend hat das [X.] entschieden, dass der Schuldner die Entscheidung des Insolvenzgerichts über die Eröffnung abzuwarten hat und anschließend gegen diese Entscheidung nach § 34 Abs. 2 [X.] mit der sofortigen Beschwerde vorgehen kann, nicht aber diese Entscheidung im Voraus mit Hilfe einer sofortigen Beschwerde erzwingen kann.

4

b) Soweit sich der Schuldner gegen die vom Insolvenzgericht nach § 21 Abs. 1 Satz 1 [X.] angeordnete Sicherungsmaßnahme wenden möchte, ist die Rechtsbeschwerde gemäß §§ 6, 7 [X.] statthaft, weil gegen eine solche Maßnahme gemäß § 21 Abs. 1 Satz 2 [X.] die sofortige Beschwerde eröffnet ist. Dennoch ist die Rechtsbeschwerde unzulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). Nach dem Inhalt der angegriffenen Entscheidung ist - auch unter Würdigung des Vorbringens des Schuldners im Beschwerdeverfahren - nicht erkennbar, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung haben oder eine Entscheidung des [X.] zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich sein könnte.

5

Die Annahme des [X.]s, die Gläubigerin habe entgegen der Auffassung des Schuldners das erforderliche rechtliche Interesse an der Insolvenzeröffnung, erfordert keine Entscheidung des [X.]. Die Prüfung des [X.]s beruht auf einem zutreffenden rechtlichen Ansatz: Der Insolvenzantrag eines Gläubigers muss auf die Teilnahme an einem Insolvenzverfahren gerichtet sein und die mindestens anteilige Befriedigung der eigenen Forderung zum Ziel haben (vgl. [X.], [X.]. v. 29. Juni 2006 - [X.] 245/05, [X.], 1632, 1634). Ist die Forderung des Gläubigers unzweifelhaft ausreichend dinglich gesichert, bringt ihm das Insolvenzverfahren keinerlei Vorteile mehr. Nur wegen einer Forderung, die auch ohne die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mit Sicherheit vollständig befriedigt werden kann, darf ein Insolvenzverfahren nicht eröffnet werden ([X.], [X.]. v. 29. November 2007 - [X.] 12/07, [X.], 227, 228). Im Streitfall hat das [X.] festgestellt, dass die vollstreckbaren Forderungen der Gläubigerin gerade nicht in diesem Sinne ausreichend gesichert sind. Trotz verschiedener zu ihren Gunsten eingetragener Sicherungshypotheken und trotz des Vorrangs einiger Forderungsteile gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 [X.] verbleibe ein ungesicherter Forderungsteil von 52.220,01 Euro. Aus dem bisherigen Akteninhalt unter Einschluss des [X.] des Schuldners vom 7. Mai 2010 ergeben sich keine Anhaltspunkte, dass sich diese Feststellung mit einer zulässigen und begründeten Rüge angreifen lässt.

6

Die der Gläubigerin eröffnete Möglichkeit, wegen des bislang ungesicherten Teils ihrer Forderungen weitere Zwangssicherungshypotheken gemäß § 322 Abs. 1 Satz 2 [X.], § 867 ZPO eintragen zu lassen, vermag ihr rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht in Frage zu stellen. Die Aussichten der Gläubigerin auf Befriedigung ihrer Forderungen stiegen dadurch nicht. Gegenüber den zugunsten des Schuldners in Höhe von 63,4 Mio. Euro eingetragenen Eigentümergrundschulden (und weiteren im Grundbuch vorrangig eingetragenen Belastungen) wären diese Sicherungshypotheken gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 4, § 11 Abs. 1 [X.], § 879 BGB nachrangig zu befriedigen, wenn die Gläubigerin die abgesonderte Befriedigung gemäß § 49 [X.] betriebe. Vorrangig wären alleine die von § 10 Abs. 1 Nr. 3 [X.] erfassten öffentlichen Lasten. Da es sich dabei im Streitfall durchweg um Grundsteuern, Zinsen und Zuschläge handelt, erstreckte sich diese Vorrangigkeit nur auf die Lasten des laufenden und der beiden vorangegangenen Jahre, bestünde mithin lediglich in Höhe der vom [X.] festgestellten Summe von 27.946,92 Euro. Die bereits zuvor fällig gewordenen Lasten genießen den Vorrang gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 [X.] nicht, gleichgültig, ob sie durch Sicherungshypotheken gesichert sind oder nicht (vgl. [X.], [X.] 4. Aufl. § 10 Rn. 24). Vor diesem Hintergrund stellt sich auch die vom Schuldner aufgeworfene Frage nicht, ob die Gläubigerin nicht anstelle des Insolvenzverfahrens den für ihn weniger belastenden Weg der Zwangsversteigerung hätte wählen müssen.

7

Die Annahme des [X.]s, die Gläubigerin habe die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners glaubhaft gemacht, beruht auf einer einzelfallbezogenen Würdigung der Sachlage, die der Nachprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht entzogen ist. Entgegen der Auffassung des Schuldners ist diese Annahme nicht nur auf eidesstattliche Offenbarungsversicherungen gestützt. Deshalb kommt es auf deren Alter nicht entscheidend an (vgl. u.a. HK-[X.]/Kirchhof, 5. Aufl § 14 Rn. 20). Aus dem bisherigen Akteninhalt ist insbesondere nicht ersichtlich, dass das [X.] insoweit wesentliches Vorbringen des Schuldners übergangen haben könnte.

8

3. Da die Rechtsbeschwerde nicht rechtzeitig begründet worden ist, ist die Rechtsbeschwerde gemäß § 577 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen.

Ganter                              Gehrlein                              Vill

                  [X.]                              Fischer

Meta

IX ZB 45/10

08.07.2010

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Magdeburg, 27. Januar 2010, Az: 3 T 865/09, Beschluss

§ 14 InsO, § 21 Abs 1 InsO, § 34 Abs 2 InsO, § 10 Abs 1 Nr 1 ZVG, § 11 Abs 1 ZVG, § 78b ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.07.2010, Az. IX ZB 45/10 (REWIS RS 2010, 5002)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 5002

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

IX ZB 18/15

IX ZB 18/15

IX ZB 45/10

III ZR 119/22

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