Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.09.2019, Az. 4 StR 178/19

4. Strafsenat | REWIS RS 2019, 3877

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Gegenstand

Zulässigkeit von Feststellungen über Höhe eines Adhäsionsanspruchs im Grundurteil


Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 13. November 2018 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Adhäsionsausspruch klarstellend wie folgt gefasst wird:

Der Anspruch des Adhäsionsklägers auf Zahlung von [X.] (§ 844 Abs. 3 BGB) ist dem Grunde nach gerechtfertigt.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägern [X.]     und [X.]sowie die dem Neben- und Adhäsionskläger [X.]  hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen, sowie die durch den [X.] entstandenen besonderen Kosten, zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Die hiergegen gerichtete und auf die ausgeführte Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten ist unbegründet. Schuld- und Strafausspruch halten im Ergebnis rechtlicher Überprüfung stand. Auch die Adhäsionsentscheidung begegnet von Rechts wegen keinen Bedenken; jedoch bedurfte die Urteilsformel der Klarstellung.

2

1. Allerdings ist die strafschärfende Erwägung, die „Erfüllung des subjektiven Tatbestandes der vorsätzlichen Körperverletzung“ sei „für Zwecke der Strafzumessung dem oberen Bereich“ zugeordnet worden, weil es dem Angeklagten darauf angekommen sei, das Tatopfer durch den kraftvoll ausgeführten Stich erheblich zu verletzen, unter den hier gegebenen besonderen Umständen rechtlich nicht unbedenklich. Zwar hat das [X.] rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Angeklagte mit Verletzungsabsicht handelte. Bei der Einordnung dieses Gesichtspunkts als strafschärfend hätte jedoch das konkrete Handlungsmotiv des Angeklagten in die Bewertung eingestellt werden müssen. Der Angeklagte handelte, wie das [X.] an anderer Stelle festgestellt und tragfähig belegt hat, mit Verteidigungswillen; er wollte sich gegen das Tatopfer, das ihn angegriffen und seinen Hals umfasst hatte, zur Wehr setzen. Dieses konkrete Handlungsmotiv des Angeklagten hätte im Rahmen der Bewertung der subjektiven Tatseite berücksichtigt werden müssen (vgl. [X.], Urteil vom 10. Januar 2018 - 2 StR 150/15, [X.]St 63, 54, 61 ff.; Beschluss vom 7. Juni 2017 - 4 ARs 22/16, [X.], 238). Der [X.] versteht die Formulierung unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Urteilsgründe jedoch dahin, dass es nicht dem Vorsatzgrad als solchem, sondern - rechtlich unbedenklich - dem Umstand strafschärfende Bedeutung beigemessen hat, dass das Handeln des Angeklagten auf eine erhebliche Verletzung seines Kontrahenten abzielte.

3

2. Der Adhäsionsantrag ist unbedenklich zulässig.

4

Der Adhäsionskläger - der Vater des Getöteten - ist Verletzter im Sinne des § 403 [X.]. Dem Begriff des Verletzten im Sinne dieser Vorschrift unterfallen auch Personen, die mittelbar durch die Straftat geschädigt sind, sofern ihre Ansprüche unmittelbar aus der Straftat erwachsen sind; die verletzte Strafnorm muss nicht dem Schutz des Betroffenen dienen (vgl. [X.], Beschluss vom 14. September 2017 - 4 [X.], NStZ-RR 2018, 24 Rn. 18; vgl. jedoch zum Hinterbliebenen als Verletzten im Sinne des § 46a StGB [X.], Beschluss vom 6. Juni 2018 - 4 StR 144/18, [X.], 77). Hierzu gehören nicht nur die Ansprüche der Hinterbliebenen auf Ersatz des ihnen entgangenen Unterhalts gemäß § 844 Abs. 2 BGB (vgl. dazu [X.]/[X.], [X.], 62. Aufl., § 403 Rn. 2; [X.]/[X.], 3. Aufl., [X.] im Strafprozess, Rn. 371), sondern auch auf Ausgleich des ihnen durch die Straftat entstandenen seelischen Leids nach § 844 Abs. 3 BGB.

5

3. Das [X.] hat den geltend gemachten Anspruch rechtsfehlerfrei dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Allerdings hat die in der Urteilsformel des angefochtenen Urteils aufgenommene Einschränkung, dass der Angeklagte die nach § 844 Abs. 3 BGB geschuldete Entschädigung „bis zu einer Höhe von 10.000 € zu zahlen“ hat, aus Gründen der Klarstellung zu entfallen. Feststellungen über die Höhe des Anspruchs sind im Grundurteil grundsätzlich unzulässig; sie vermögen das mit dem Betragsverfahren gemäß § 406 Abs. 3 Satz 4 [X.] befasste Zivilgericht nicht zu binden (vgl. [X.], Urteil vom 20. Dezember 2005 - [X.], NJW-RR 2007, 138; Beschluss vom 18. August 2016 - [X.]/15, NJW-RR 2016, 1150, 1151 Rn. 11; [X.]/[X.], 5. Aufl., § 308 Rn. 12). Ein Ausnahmefall, in dem aus Gründen der Klarstellung anderes gilt (vgl. [X.], Urteile vom 10. Juli 1975 - [X.], NJW 1975, 2012 Rn. 10 ff.; vom 7. November 1991 - [X.], [X.]R ZPO § 304 Anspruchsmehrheit 2), liegt hier nicht vor. Da die in die Urteilsformel aufgenommene Beschränkung auf einen Höchstbetrag eine Bindung für das Betragsverfahren suggeriert, die von Rechts wegen nicht eintreten kann, hatte sie aus Gründen der Klarstellung zu entfallen. Dadurch ist der Angeklagte nicht beschwert.

Sost-Scheible     

        

Roggenbuck     

        

Quentin

        

Feilcke     

        

Bartel     

        

Meta

4 StR 178/19

05.09.2019

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Bochum, 13. November 2018, Az: 7 Ks 5/18

§ 403 StPO, § 406 Abs 3 S 4 StPO, § 46 Abs 2 StGB, § 46 Abs 3 StGB, § 227 Abs 1 StGB, § 844 Abs 2 BGB, § 844 Abs 3 BGB, § 308 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.09.2019, Az. 4 StR 178/19 (REWIS RS 2019, 3877)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 3877

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