Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.06.2004, Az. X ZR 1/01

X. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 2594

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 29. Juni 2004 [X.] als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in der [X.]

- 2 -Der X. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] vom 29. Juni 2004 durch [X.], Scharen, [X.] und [X.]
für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des 2. Senats (Nich-tigkeitssenats) des [X.] vom 14. September 2000 abgeändert:

Das [X.] Patent 0 666 351 wird mit Wirkung für das Ho-heitsgebiet der [X.] für nichtig erklärt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen - 3 -Tatbestand:

Die inzwischen zur S. H. AG fusionierte Beklagte ist eingetra- gene Inhaberin des am 10. November 1994 unter Inanspruchnahme der Priori-tät einer Patentanmeldung in der [X.] vom 4. Februar 1994 angemeldeten, mit Wirkung für die [X.] erteilten [X.]n Patents 0 666 351 (Streitpatents). Dieses betrifft "Verfahren und Vorrichtung zum Sticken auf einer Schiffchen-Stickmaschine" und umfaßt fünf Patentansprüche, die in der [X.] wie folgt lauten: "1. Verfahren zum Sticken auf einer Schiffchen-Stickmaschine, die eine angetriebene Fadenliefereinheit und mindestens einen be-weglichen [X.] sowie eine Steuereinheit zur Steuerung des [X.]rahmens und der Fadenliefereinheit sowie zum An-trieb des [X.]s, der Nadeln und der Schiffchen aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass [X.] und Liefereinheit die für den Eintritt der Nadel in den Stoff und für die Schlingenbil-dung und für den Durchgang des Schiffchens durch die Schlin-ge notwendige Fadenmenge und die auf das [X.] aufzu-bringende Fadenmenge zur Stichbildung liefern, und dass der [X.] während der gesamten Stichbildung praktisch spannungsfrei gehalten und der Stichanzug allein durch die [X.] des [X.]s vorgenommen wird.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der [X.] die für den Eintritt der Nadel in den zu bestickenden Stoff und für die Schlingenbildung und für den Durchgang des Schiffchens durch die Schlinge notwendige Fadenmenge liefert, und dass die Fadenliefereinheit die nach der Stichbildung auf dem Stoff verbleibende Fadenmenge liefert.
3. Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass die [X.] motorisch angetriebene Walze (7) umfasst, über welche die Fäden mehrerer Stickstellen laufen, und dass für jede Stickstel-le eine Fadenrolle (9) vorhanden ist, welche den Faden (35) durch Reibschluss zwischen Walze (7) und Fadenrolle (9) [X.]. - 4 -
4. Vorrichtung nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass die [X.] (9) für jede Stickstelle einzeln, sowohl manuell als auch programmgesteuert ein- und ausschaltbar sind.
5. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 3 oder 4, dadurch [X.], dass im Fadenverlauf von der Fadenliefereinheit bis zur Nadel (21) eine als [X.] (30) ausgebildete sta-tionäre Umlenkung (29) angeordnet ist."
Die Klägerin hat geltend gemacht, daß das Streitpatent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbare, daß ein Fachmann sie ausführen könne. Außerdem sei es gegenüber dem Stand der Technik, wie ihn insbeson-dere die [X.]en [X.], [X.]itzen, [X.], [X.] 1980, [X.], Stickereitechniken, [X.] 1981, die [X.] ([X.]), die [X.] Patentschriften 692 218 (Fiebig) und 34 16 266 (Saurer) sowie die [X.] Patentschrift 0 014 897 ([X.]) bildeten, nicht patentfähig.
Die Klägerin hat beantragt, das Streitpatent mit Wirkung für das Ho-heitsgebiet der [X.] für nichtig zu erklären.
Die Beklagte hat in erster Linie beantragt, die Klage abzuweisen. [X.] hat sie das Streitpatent mit einem eingeschränkten Patentanspruch 1 verteidigt.
Das [X.] hat die Klage abgewiesen.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihren Antrag auf Nichtigerklärung des Streitpatents weiter. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.
Im Auftrag des Senats hat Professor [X.]. [X.]

,

...

, ein - 5 -schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläu-tert und ergänzt hat. Die Klägerin hat ein in dem vor dem [X.] zwischen den Parteien geführten Rechtsstreit über das Streitpatent und dessen Verletzung in [X.] von Professor Dr. sc. techn. [X.]M.

und Patentanwalt Dipl.Masch.-Ing. R. M.

erstelltes Gerichtsgutachten nebst Ergänzung vorgelegt. Die Klägerin hat weiter ein Parteigutachten von [X.]

zu den Akten gereicht.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung führt zur Abänderung der angefochtenen Ent-scheidung und zur Nichtigerklärung des Streitpatents in vollem Umfang. Es kann dabei dahinstehen, ob das Streitpatent die Erfindung so deutlich und [X.] offenbart, daß ein Fachmann sie ausführen kann, weil es jedenfalls ge-genüber dem Stand der Technik keinen schutzbegründenden Überschuß auf-weist (Art. 52, 56 EPÜ); dies füllt den [X.] der mangelnden Pa-tentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i.V.m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. a EPÜ) aus. [X.] 1. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zum Sticken auf einer Schiffchenstickmaschine und eine entsprechende Vorrichtung. Die [X.] führt aus, bei herkömmlichen Maschinen mit einzeln schaltbaren [X.] erfolge die Zufuhr der [X.] so, daß jeder Faden eine ihm zuge-ordnete Rolle umschlinge, die bei eingeschalteter Stickstelle mit einer Brems-welle in Eingriff stehe, die allen Stickstellen gemeinsam sei und die beim Aus-schalten der Stickstelle von der [X.] entkoppelt werden könne. [X.] den Rollen und den [X.] seien die [X.] angeordnet, die - 6 -die Fadenmenge für die Schlingenbildung lieferten und wieder zurückzögen sowie durch die Art der Bewegung für ein Manko im [X.] sorgten, das bewußt herbeigeführt werden müsse, um in den [X.] eine [X.]annung aufzubauen, die zu einer Drehbewegung in den Rollen und der Bremsrolle und damit zur Abgabe einer bestimmten Menge von [X.] führe. Gleichzeitig werde mit der Fadenspannung im [X.] der gebildete Stich festgezogen. Das Bremsen der Welle sei dabei notwendig, um ein unkontrolliertes Auslaufen der Rollen und der Welle und damit die Abgabe einer zu großen Fadenmenge zu verhindern ([X.]. [X.] 5-16). Die [X.]eibung des Streitpatents kriti-siert an herkömmlichen Schiffchenstickmaschinen, wie sie z.B. aus der deut-schen Patentschrift 34 16 266 bekannt seien, daß die gelieferte Fadenmenge ungenügend genau sei, weil die in den [X.] aufgebaute [X.]annung und damit die Walzendrehung vom [X.] durch die Bildung des voran-gegangenen Stichs abhänge. Dadurch sei auch die Ausgangsspannung, mit der der gebildete Stich festgezogen werde, nicht konstant, was sich in Un-gleichmäßigkeiten im Stickbild auswirke. Bei Arbeiten mit Nadelkombinationen (Rapporten), bei denen nur wenige Nadeln arbeiteten, vergrößerten sich die [X.]annungen weiter, was wiederum zu einer Zunahme von Fadenbrüchen und einer Beeinträchtigung des Stickbilds führe. Zudem steige die [X.]annung in den [X.] mit zunehmender [X.] immer mehr an, weil die [X.] in immer kürzerer [X.] bewegt werden müsse. Aus der [X.]n Patentschrift 0 014 897 sei eine Vorrichtung bekannt, bei der eine von Nadelfä-den umschlungene Walze mit einem Antrieb versehen sei, der den [X.] und [X.] der Walze unabhängig von der Fadenspannung vorgebe und bei der zusätzlich die [X.] entfielen. Die in dieser [X.] an-gegebene Arbeitsweise der Vorrichtung beschränke sich allerdings darauf, den Stickprozeß so nachzubilden, wie dies von herkömmlichen Schiffchenstickma-schinen bekannt sei; das Verfahren beruhe weiterhin darauf, im [X.] eine Nadelspannung aufzubauen. Insbesondere werde durch Zurückdrehen der Walze nach der Stichbildung der gebildete Stich durch [X.]annen des [X.] -dens zurückgezogen, was wiederum zu nachteiligen [X.]annungen in den Na-delfäden führe. Zudem müsse bei jedem Stich eine [X.]länge von ca. 100 mm von der Walze geliefert und wieder zurückgezogen werden, was den Einsatz von [X.] vor der Walze und zusätzliche Mittel erfordere, die das unkontrollierte Umwickeln der Walze durch die Fäden verhinderten, wenn diese mit hoher Geschwindigkeit auf die Walze aufliefen und von dieser wieder abgegeben würden ([X.] 17-39).
2. Durch das Streitpatent sollen, wie aus der in der [X.]eibung ange-gebenen "Aufgabe" nur unzureichend deutlich wird, ein Stickverfahren auf einer Schiffchenstickmaschine und eine entsprechende Vorrichtung angegeben wer-den, bei der Beeinträchtigungen des Stickbilds vermieden und die Gefahr von Fadenbrüchen eliminiert werden.
3. Hierzu schlägt Patentanspruch 1 des Streitpatents ein Verfahren zum Sticken auf einer Schiffchenstickmaschine vor, bei dem
[X.]) die Stickmaschine aufweist [X.].1) eine angetriebene Fadenliefereinheit, [X.].2) mindestens einen beweglichen [X.], [X.].3) einen [X.]rahmen, [X.].4) eine Steuereinheit [X.].4.1) zur Steuerung [X.].4.1.1) des [X.]rahmens [X.].4.1.2) und der Fadenliefereinheit [X.].4.2) sowie zum Antrieb des [X.]s, [X.].5) Nadeln und [X.].6) Schiffchen; (2) mit folgenden Verfahrensschritten: - 8 -(2.1) [X.] und Liefereinheit liefern die notwendige Fadenmenge (2.1.1) für den Eintritt der Nadel in den Stoff, (2.1.2) für die Schlingenbildung, (2.1.3) für den Durchgang des Schiffchens durch die Schlinge (2.1.4) und für die auf das [X.] aufzubringende Fadenmenge zur Stichbildung; (2.2) der [X.] wird während der gesamten Stichbildung praktisch spannungsfrei gehalten und (2.3) der Stichanzug wird allein durch die Abzugskraft des [X.]s vorgenommen.
Die in Patentanspruch 3 unter Schutz gestellte Vorrichtung weist zu den Vorrichtungsmerkmalen der [X.] [X.]) folgende weitere Vorrich-tungsmerkmale auf: [X.].1.1) eine motorisch angetriebene Walze, [X.].1.1.1) über die die Fäden mehrerer Stickstellen laufen, [X.].1.2) je eine Fadenrolle für jede Stickstelle, [X.].1.2.1) die den Faden durch [X.] zwischen Walze und Fadenrolle fördert.
4. Die [X.]eibung des Streitpatents gibt weiter an, daß der Fadenlei-ter und die Liefereinheit für jede arbeitende Nadel so viel Faden zur Verfügung stellen, wie für das Eindringen der Nadel in den zu bestickenden Stoff, für die Bildung einer [X.]schlinge und für den Durchgang des Schiffchens durch diese Schlinge benötigt wird, sowie die Fadenmenge, die nach der Bil-dung des Stichs auf dem [X.] verbleibt. Diese gesamte Fadenmenge wird durch [X.] und Fadenliefereinheit so geliefert, daß im [X.] nie eine Fadenspannung entsteht; der [X.] soll dadurch während der ge-- 9 -samten Stichbildung gestreckt, aber immer spannungsfrei bleiben und keine von der [X.] und der Stichlänge abhängigen Fadenspannungen auftreten, die die Arbeitsgeschwindigkeit der Maschine begrenzen ([X.]. [X.] 44 - [X.] 11).
Die nachstehend verkleinert wiedergegebene [X.]ur 2 der Zeichnungen zeigt einen Querschnitt einer Ausführungsform einer Stickstelle:

Darin bezeichnen die Bezugszeichen 3 den zu bestickenden Stoff, 7 die [X.], 8 den Motor, 9 eine [X.] einen Hebel, 11 seinen Drehpunkt, 13 und 14 Schwenkrichtungen des Hebels, 15 eine Feder, 16 eine [X.]ule, 17 den [X.], 18 seinen Drehpunkt, 19 und 20 Verschwenkrich-tungen des [X.]s, 21 die Nadel, 22 den [X.], 23 und 24 Führungsrichtungen der Nadel in den Stoff und aus ihm heraus, 25 das Schiffchen, 26 den Schiffchenträger, 27 und 28 [X.], 29 eine stationäre [X.], die als [X.] 30 ausgebildet ist, 35 den - 10 -[X.] und 42 die Stickstelle. Bezugszeichen 12 ist in der [X.]eibung nicht erläutert, es beschreibt ersichtlich die Drehrichtung der Fadenwalze 7.
Dabei kann nach einem in der Patentbeschreibung näher dargestellten Ausführungsbeispiel (entsprechend Patentanspruch 5) die einer bestimmten Stickstelle zugeordnete Fadenrolle 9 mittels des Hebels 10 von der Fadenlie-ferwalze 7 abgehoben werden. Wird dagegen die Rolle 9 durch die Wirkung der Feder 15 auf die Walze 7 gelegt, so wird der [X.] 35 durch Drehung der Fadenwalze 7 von der [X.]ule 16 abgezogen und der Stickstelle zugeführt. Die in der [X.]ur 2 nicht dargestellte Steuereinheit treibt über ebenfalls nicht darge-stellte Antriebe den [X.] 17, die [X.] 22 und das Schiffchen 25 an. Der [X.] wird dabei um seinen Drehpunkt 18 in die Richtungen 19 und 20 verschwenkt. Zwischen der Fadenwalze 7 und dem [X.] 17 um-schlingt der [X.] 35 die stationäre [X.] 29. Die Stichbildung ist in den hier nicht wiedergegebenen [X.]uren 3a bis 3d dargestellt. Dabei wird eine [X.]schlinge gebildet, durch die sodann das Schiffchen mit dem [X.] geschoben wird. Danach weisen der [X.] und der [X.] miteinander eine [X.] auf. Das Schiffchen wird so-dann wieder nach unten verschoben, und auch der zu bestickende Stoff wird verschoben. Anschließend setzt sich die [X.] 21 zu einem neuen Ein-stich in Bewegung. Sie tritt erneut in den Stoff ein und das Schiffchen 25 zieht durch seine weitere Bewegung durch Zug am [X.] die Verschlin-gung von [X.] und [X.] straff. Durch die mehrfachen Um-lenkungen des [X.]s an der neuen Einstichstelle und an der vorherge-henden Einstichstelle kann sich die dabei entstehende [X.]annung nicht in den Teil des [X.]s übertragen, der vor dem Nadelöhr auf der Vorderseite des Stoffs liegt. Dadurch wird die [X.] ausschließlich durch die [X.] im [X.] festgezogen. Der [X.] 17 und die [X.] stellen dabei eine so große Fadenmenge zur Verfügung, daß der Na-delfaden immer gestreckt, aber auch immer spannungsfrei bleibt. - 11 -
Aus alledem folgt, daß die Aussage, der [X.] werde "praktisch spannungsfrei" gehalten, in einem eingeschränkten Sinn zu verstehen ist. [X.] in zwei Verfahrensschritten erfolgt tatsächlich eine nicht unerhebliche [X.]annungsaufbringung. Dies ist erstmals dann der Fall, wenn das Schiffchen, das, wie die mündliche Verhandlung eindruckvoll ergeben hat, ein Vielfaches der [X.]schlinge als Durchmesser hat, durch diese Schlinge hindurch-tritt und damit eine erhebliche Länge an im [X.] abgelegtem [X.] nachholt. Zum anderen muß diese nur für den Schiffchendurchtritt benötigte Fadenlänge anschließend wieder in den [X.] zurückgeholt werden. In beiden Verfahrensschritten treten, worüber nach der mündlichen Verhandlung kein Zweifel besteht, beachtliche [X.]annungszustände auf. Der Begriff "prak-tisch spannungsfrei" im Patentanspruch ist nicht geeignet, an diesen objektiven Gegebenheiten etwas zu ändern. Er kann von daher nur in einem relativen Sinn dahin verstanden werden, die [X.]annung so gering wie möglich zu halten, nicht aber dahin, die sich aus dem Schiffchendurchgang notwendig ergeben-den Auswirkungen auf die [X.]annung des [X.]s völlig zu beseitigen.
I[X.] 1. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents ist zwar neu im Sinn des Art. 54 EPÜ, er wurde dem Fachmann, einem auf dem Gebiet des [X.] langjährig erfahrenen Maschinenbauingenieur mit Fachhochschulabschluß, aber durch den Stand der Technik nahegelegt. a) Die [X.]en von [X.], [X.]itzen, [X.], [X.] 1980, und von [X.], Stickereitechniken, [X.] 1981, beschreiben lehrbuchmäßig die Schiffchenstickmaschine und den Stichbildungs- oder Bindungsvorgang beim Sticken auf ihr. Bild 2/57 bei [X.]/[X.] zeigt das Weg-[X.]-Diagramm an einer Vomag-Schiffchenstick-maschine mit zwei [X.]n: - 12 -

Die beiden [X.]en beschreiben zwar allgemein und im [X.] auch detailliert die Technik des Stickens auf einer Schiffchenstickma-schine, sie lehren aber nicht das Merkmal (2.2), nämlich den [X.] wäh-rend der gesamten Stichbildung praktisch spannungsfrei zu halten. Auch der gerichtliche Sachverständige und das sachkundig besetzte [X.] haben insoweit eine Vorwegnahme verneint.
b) Die [X.] Patentschrift 177 317 aus dem [X.] ([X.]) be-schreibt verbesserte Fadensteuer- und Fadenliefermechanismen insbesondere für Stickmaschinen. [X.]ur 1 zeigt einen schematischen Querschnitt durch eine solche Stickmaschine: - 13 -

Dabei bezeichnen das Bezugszeichen 1 den Faden, 2 die [X.]ule, 3 und 4 [X.]indel und Trägerschiene, 5 eine Lade oder dergleichen, 6 eine Nadel, 7 den Stoff, 8 eine zweckmäßigerweise beschichtete Walze, 9 und 10 Fadenlei-terstangen oder ähnliche Fadenlieferorgane, die von Armen 11 und 12 getra-gen werden, die wiederum um die Achsen 13 und 14 hin- und herbewegt wer-den. Die Walze 8 ist mit Freilauf auf der Welle 25 montiert, die z.B. durch eine in dieser [X.]ur nicht dargestellte Stange in einer Richtung bewegt werden kann ([X.]. [X.] 90 ff.).
Obwohl die Vorrichtung weder das Schiffchen noch den [X.]rahmen beschreibt, erkennt der Fachmann, wie der gerichtliche Sachverständige über-zeugend und unwidersprochen angegeben hat, daß die Vorrichtung für Schiff-chenstickmaschinen geeignet und vorgesehen ist. Nicht [X.] ist allerdings das Merkmal (2.2), wonach der [X.] während der Stichbildung praktisch spannungsfrei gehalten wird. Ebenfalls nicht ausdrück-lich genannt ist die Lehre nach Merkmal (2.3), wonach der Stichanzug allein durch die Abzugskraft des [X.]s vorgenommen wird. - 14 -c) [X.] ausgegebene [X.] Patentschrift 692 218 (Fie-big) betrifft eine Fadenzuführvorrichtung für [X.], zu denen auch Schiffchenstickmaschinen zählen. Die Patentschrift bezeichnet es als notwendig, die Fadenzuführvorrichtung zwangsläufig anzutreiben, und zwar derart, daß sie für jeden einzelnen Stich so viel Fäden den Nadeln zufüh-re, wie es der Stichlänge entspreche, wobei beide Bewegungsrichtungen des [X.] zu berücksichtigen seien ([X.]. [X.] 9-21). Hierzu lehrt das Patent die Einstellung eines allseitig verstellbaren Zwischengetriebeteils entsprechend der Verstellung des [X.] in senkrechter und waagrechter Richtung, wobei die beiden Stellbewegungen geometrisch zueinander addiert werden sollen, sowie weiter die entsprechende Einstellung eines Schaltgetriebes, durch das die Fadenzuführvorrichtung gesteuert wird ([X.]. [X.] 22-33). [X.] nennt hierzu eine nach Maßgabe der Gatterverstellung angetriebene [X.]. Eine [X.]annungsfreihaltung des [X.]s im Sinn des Merkmals (2.2) des Streitpatents offenbart diese Patentschrift ebensowenig wie einen Stichanzug allein durch die Abzugskraft des [X.]s.
d) Die 1984 veröffentlichte [X.] Patentschrift 0 014 897 ([X.]) zeigt neben der Darstellung einer konventionellen Schiffchenstickmaschine in [X.]ur 1 eine der in ihr geschützten Erfindung entsprechende Maschine, bei der auf die [X.] völlig verzichtet wird. [X.]ur 2 zeigt diese: - 15 -

Bei dieser Ausführung können sämtliche Vor- und Rückwärtsbewegun-gen des Fadens von der angetriebenen, vor- und rückwärts laufenden Faden-walze aus und unabhängig von der Fadenspannung gesteuert werden ([X.]. [X.]. 4 Z. 6-14, [X.]. 6 Z. 18-28). Durch Rückdrehen der Walze wird nach Ende der Stichbildung der Faden angezogen. Ein Schlupf des Fadens wird durch Umschlingen der Walze, die sowohl als Antriebswalze als auch als Faden-bremse dient, verhindert (vgl. [X.]. 4 Z. 65 - [X.]. 5 Z. 3; [X.]. 5 Z. 59-64). Das eu-ropäische Patent erreicht den Stichanzug mithin durch eine Rückdrehung der Fadenwalze; demnach sind jedenfalls die Merkmale (2.2) und (2.3) bei ihm nicht verwirklicht. - 16 -e) Die 1986 veröffentlichte [X.] Patentschrift 34 16 266 beschreibt einer gemeinsamen [X.] nach Bedarf zuschaltbare Fadenführungsrol-len ([X.]. 2 Z. 55 ff.; [X.]. 3 Z. 39 ff.; [X.]. 1-4). Die Entgegenhaltung liegt im übri-gen ersichtlich weiter ab.
2. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung ist der Senat über-zeugt davon, daß sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des [X.] für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergab.
Die in der [X.] 1 beschriebene gegenständliche Ausbildung einer Schiffchenstickmaschine war dem Fachmann aus dem Stand der Technik bekannt; dies ist von der [X.] in der mündlichen Verhandlung auch nicht in Zweifel gezogen worden. Auch die [X.] (2.1) entsprach dem Stand der Technik; sie findet sich z.B. in der [X.]n Patentschrift 0 014 897 in der als verbesserungsbedürftig angesehenen Lösung nach [X.]ur 1, solange dort die [X.] nicht stillgesetzt sind. Eine Kombination der [X.] [X.]) mit der [X.] (2.1) lag jedenfalls im Rahmen der eine erfinderische Leistung nicht erfordernden Fähigkeiten des Fachmanns.
Der Senat ist darüber hinaus überzeugt davon, daß der Fachmann auch Anlaß hatte und ohne erfinderisches Zutun dazu in der Lage war, die in den Merkmalen (2.2) und (2.3) genannten Maßnahmen in ihrem gebotenen einge-schränkten Verständnis zu ergreifen. Die [X.] Patentschrift 177 317 bot ihm hierfür deutliche Anregungen. Zudem hatte der Fachmann aus seinen praktischen Erfahrungen mit Fadenbrüchen Anlaß, sich nach [X.] gegen eine zu hohe Beanspruchung des [X.]s umzusehen.
Die [X.] Patentschrift spricht neben den Auswirkungen, die die [X.] nur weniger Nadeln auf das Reißen der Fäden hat ([X.]. [X.] 53-- 17 -68), als weiteren Problembereich die Vermeidung einer zusätzlichen [X.]annung auf den (Nadel-)faden in dem Fall an, daß lange Stickereistiche hergestellt werden; andererseits soll bei Herstellung kurzer Stiche Schlaffheit des Fadens vermieden werden ([X.]eibung [X.] 69 - [X.] 4). Schon hieraus folgt, daß auch ihr - wie dem Streitpatent - als Ziel zugrunde liegt, die [X.]-spannung auf ein niedriges Niveau einzustellen. Dies wird in der [X.]n Pa-tentschrift für eine besondere Situation näher ausgeführt ([X.]. [X.] 68-83), wenn es dort heißt: "[X.] forward at the same rate as the needles move the strain exerted on the needles and the tension on the yarn effected by such movement will be reduced to a minimum as will also the varia-tion of such tension. [X.], if and when the needles move back the arms 11 and 12 oscillate to take up the slack the tension of the yarn will remain compa-ratively constant. - Such feeding of the yarn to the needles at the requisite time is the purport of this invention and is attained by positively and intermittently rotating the roller 8." (in [X.]r Übersetzung: "Es ist ersichtlich, daß, sofern und wenn die Nadeln sich vorwärts bewegen, das Garn gleichzeitig in gleichem Ausmaß wie die Nadeln bewegt wird, die durch eine solche Bewegung auf die Nadeln ausgeübte Belastung und die auf das Garn ausgeübte [X.]annung auf ein Minimum reduziert werden, ebenso auch die Änderung einer solchen [X.]annung. Ferner bleibt die [X.]annung im Garn verhältnismäßig konstant, wenn die Nadeln rückwärts bewegt werden und die Arme 11 und 12 eine [X.] ausführen, um den Durchhang aufzunehmen. - Eine solche Zufuhr von Garn zu den Nadeln zur erforderlichen [X.] ist der Sinn dieser Erfin-dung und wird durch positives und intermittierendes Drehen der Walze 8 er-reicht.") Auch wenn diese [X.]eibungsstelle nur die Minimierung der [X.] in den [X.] betrifft, zeigt sie doch exemplarisch die Tendenz, die Nadelspannung zu minimieren. Im Zu-sammenhang mit der [X.]eibungsstelle [X.] 69, auch bei langen Stichen ohne zusätzliche Nadelspannung auszukommen, stellt dies einen deutlichen - 18 -Hinweis dahin dar, die Fadenspannung im [X.] soweit möglich insge-samt zu minimieren. Die Aussage des Streitpatents, diesen Faden praktisch spannungsfrei zu halten, geht bei den sachlich gebotenen Einschränkungen, denen sie unterliegt, nicht weiter. Merkmal (2.2) war somit auch im Zusam-menwirken mit den [X.]n [X.]) und (2.1) für den Fachmann durch die [X.] Patentschrift nahegelegt.
Dem Merkmal (2.3) kommt demgegenüber ein weitergehender und ei-genständiger erfinderischer Gehalt nicht zu. Die Auffassung der Nichtigkeits-klägerin, daß aus der (praktisch gegebenen) [X.]annungsfreiheit des [X.] notwendigerweise folge, daß der Stichanzug allein mit dem Schiffchenfa-den erfolgen müsse, ist jedenfalls im Grundsatz zutreffend. Dies hat auch der gerichtliche Sachverständige nicht anders gesehen. Mit einem spannungsfrei gehaltenen Faden kann nämlich ein relevanter Zug auch dann nicht ausgeübt werden, wenn man den Begriff der [X.]annungsfreiheit im oben dargestellten Sinne relativiert. Der Umstand, daß der [X.] in bestimmten Phasen (entgegen der Aussage des Streitpatents) nicht spannungsfrei gehalten ist, [X.] daran schon deshalb nichts, weil dies nicht die Phase des [X.] ist. Entfällt die [X.]annung des [X.]s jedenfalls in der [X.], bleibt zur Ausübung [X.] lediglich der [X.]. Merkmal (2.3) ergibt sich somit notwendig aus dem naheliegenden Merkmal (2.2) und kann von daher eine erfinderische Leistung nicht begründen.
II[X.] Bei dem zusätzlichen Merkmal des Patentanspruchs 2 handelt es sich, wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend und unwidersprochen angegeben hat, um eine Selbstverständlichkeit. Ein eigenständiger erfinderi-scher Gehalt wird insoweit von der [X.] auch nicht geltend gemacht. IV. Patentanspruch 3 fügt als Vorrichtungsanspruch den Vorrichtungs-merkmalen der [X.] [X.]) des Patentanspruchs 1 die weitere [X.] 19 -malsgruppe [X.].1.1) bis [X.].1.2.1) hinzu, die eine motorisch angetriebene Walze, über die die Fäden mehrerer Stickstellen laufen, sowie je eine Fadenrolle für jede Stickstelle, die den Faden durch [X.] zwischen Walze und Faden-rolle fördert, betreffen. Die angetriebene Walze ist indessen aus der [X.]n Patentschrift 177 317, [X.] Patentschrift 692 218 und der [X.]n Patentschrift 0 014 897 vorbekannt, die Fäden mehrerer Stickstellen über eine Walze laufen zu lassen, ebenfalls aus der [X.]n Patentschrift. Auch beim Einsatz mehrerer [X.] je nach Zahl der Stickstellen und der Förderung des Fadens durch [X.] zwischen Walze und Fadenrolle handelt es sich um an sich bekannte und für den Fachmann auch bei [X.] naheliegende Maßnahmen, die z.B. die [X.] Patentschrift 692 218 auf [X.]-86 offenbart. Die [X.]eibungseinleitung des Streitpatents be-zeichnet dies zudem als aus der [X.] Patentschrift 34 16 266 bekannt.
V. Das zusätzliche Merkmal in Patentanspruch 4 ist aus der deut-schen Patentschrift 34 16 266 bekannt. Ein eigenständiger erfinderischer Ge-halt der weiteren Maßnahme in Patentanspruch 5 ist weder geltend gemacht noch sonst in der Verhandlung hervorgetreten. - 20 -V[X.] Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Abs. 2 [X.] in Verbin-dung mit § 91 ZPO.

[X.] Scharen

[X.] [X.]

Meta

X ZR 1/01

29.06.2004

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.06.2004, Az. X ZR 1/01 (REWIS RS 2004, 2594)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 2594

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