Bundesfinanzhof, Beschluss vom 19.02.2010, Az. VII B 190/09

7. Senat | REWIS RS 2010, 9175

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Gegenstand

Zur Pflicht des Geschäftsführers einer insolventen GmbH auf den vorläufigen Insolvenzverwalter einzuwirken - Kein Verfahrensmangel, wenn die vom FG ausgesprochene Rechtsfolge nicht durch ausreichende tatsächliche Feststellungen gedeckt ist - Keine schuldhafte Pflichtverletzung eines GmbH-Geschäftsführers


Leitsatz

1. NV: Der Frage, welche rechtlichen Schritte ein Geschäftsführer einer insolventen GmbH in zumutbarer Weise unternehmen muss, um gegen einen vorläufigen Insolvenzverwalter vorzugehen, der in den Zahlungsverkehr der GmbH eingreift, kommt deshalb keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil es von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängt, ob und welche Maßnahmen der Geschäftsführer in solchen Fällen ergreifen muss .

2. NV: Für den Geschäftsführer einer insolventen GmbH besteht keine Pflicht in umfassender Weise und nicht nur im Wege einer zivilrechtlichen Klage auf einen vorläufigen Insolvenzverwalter einzuwirken. Die Auswahl der angemessenen und effektivsten Mittel bleibt grundsätzlich dem Geschäftsführer überlassen .

3. NV: Kein Verfahrensmangel, sondern ein materiell-rechtlicher Fehler der Urteilsfindung liegt vor, wenn die vom FG ausgesprochene Rechtsfolge nicht durch ausreichende tatsächliche Feststellungen gedeckt ist .

Tatbestand

1

I. Der [X.]läger und Beschwerdegegner ([X.]läger) war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH, die [X.]omplementärin einer GmbH & Co. [X.] ([X.]) war. Die [X.] für die Monate September bis Dezember 2005 reichte der [X.]läger fristgerecht beim Beklagten und Beschwerdeführer (Finanzamt --[X.]--) ein. Aufgrund einer bestehenden Lastschrifteinzugsermächtigung wurden die fälligen Beträge vom [X.] fristgerecht eingezogen. Nach einem Gespräch über die finanzielle Situation der [X.] kündigte das kontoführende [X.]reditinstitut mit Schreiben vom 24. Januar 2006 mit sofortiger Wirkung die gesamte [X.]reditlinie. Daraufhin stellte der [X.]läger am 25. Januar 2006 beim zuständigen Amtsgericht (AG) einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der [X.]. Noch am selben Tag eröffnete das AG das vorläufige Insolvenzverfahren und bestellte Rechtsanwalt [X.] gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2  2. Alternative der [X.] zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt. Ende Januar 2006 kündigte der [X.]läger sämtliche Arbeitsverhältnisse und stellte den Geschäftsbetrieb der [X.] ein. Anfang Februar 2006 widerrief [X.] gegenüber der Bank sämtliche Daueraufträge, Lastschrift-, Einzugs- und Abbuchungsermächtigungen für die Zukunft und --soweit zulässig-- auch für die Vergangenheit. Daraufhin veranlasste die Bank in Bezug auf die abgebuchte Lohnsteuer für die Voranmeldungszeiträume September bis Dezember 2005 entsprechende Rücklastschriften. Den Lastschrifteinzug für die termingerecht vorangemeldete Lohnsteuer des Monats Januar 2006 verweigerte die Bank von vornherein.

2

Im Juli 2006 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der [X.] eröffnet. Für die Lohnsteuer für die Monate September 2005 bis Juni 2006 nahm das [X.] den [X.]läger gemäß § 69 i.V.m. § 34 Abs. 1 der Abgabenordnung ([X.]) als Haftungsschuldner in Anspruch. Der Einspruch führte zu einer Herabsetzung der Haftungssumme hinsichtlich der ab dem Zeitpunkt der Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit der [X.] vom [X.] geltend gemachten Säumniszuschläge.

3

Die [X.]lage hatte Erfolg. Mit der Begründung, dass es im Streitfall sowohl an einem durch eine Pflichtverletzung kausal verursachten Haftungsschaden als auch an einem Verschulden des [X.]lägers fehle, hob das Finanzgericht ([X.]) den angefochtenen Haftungsbescheid auf. Da die [X.] im Monat Februar 2006 keine Löhne ausbezahlt habe, sei der [X.]läger nicht zur Anmeldung und Abführung von Lohnsteuer verpflichtet gewesen. Auch in Bezug auf die für Januar 2006 geschuldete Lohnsteuer habe der [X.]läger nicht pflichtwidrig gehandelt. Denn den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe er vor dem Fälligkeitszeitpunkt gestellt. Auch sei die [X.]ündigung der [X.]reditlinie überraschend erfolgt, so dass bei der Auszahlung der Löhne für den Monat Januar 2006 die Zahlungsunfähigkeit nicht absehbar gewesen sei. In Bezug auf die Lohnsteuern für die Monate September bis Dezember 2005 habe der [X.]läger zunächst alles seinerseits Erforderliche getan, um ein Erlöschen der Steuerschuld herbeizuführen. Seine ihm nach § 35 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) und § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes obliegenden Pflichten habe er erfüllt. Entgegen der Auffassung des [X.] habe der [X.]läger die [X.] nicht dadurch konkludent genehmigt, dass er auf die ihm zugegangenen [X.]ontoauszüge geschwiegen habe. Auch könne nicht mit Sicherheit festgestellt werden, dass die [X.] tatsächlich beglichen worden wären, wenn der [X.]läger auf [X.] eingewirkt und ihn um Zustimmung zur Zahlung der Beträge ersucht hätte. Infolgedessen fehle es an der für eine Inanspruchnahme als Haftungsschuldner erforderlichen [X.]ausalität der Pflichtverletzung für den eingetretenen Vermögensschaden. Darüber hinaus habe der [X.]läger nicht grob fahrlässig gehandelt. Es sei ihm nicht zuzumuten gewesen, gegen [X.], der sich nach der Rechtsprechung des [X.] ([X.]) rechtmäßig verhalten habe, gerichtlich vorzugehen.

4

Mit seiner Beschwerde begehrt das [X.] die Zulassung der Revision u.a. wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--), wegen Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 [X.]O) und wegen eines [X.] (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O).

5

Von grundsätzlicher Bedeutung seien die Rechtsfragen, ob es an der für eine Haftung nach § 69 [X.] erforderlichen [X.]ausalität zwischen einem pflichtwidrigen Verhalten und dem Schadenseintritt fehle, wenn sich ein Geschäftsführer einer insolventen GmbH aus der Geschäftsführung zurückziehe und sich dadurch selbst außerstande setze, seine Zahlungspflichten zu erfüllen und gegen den vorläufigen Insolvenzverwalter einzuschreiten; ferner, welche rechtlichen Schritte einem Geschäftsführer in der [X.]rise des Schuldners zuzumuten sind, um gegen den vorläufigen Insolvenzverwalter vorzugehen und ob der vom [X.] aufgestellte Rechtssatz zutreffend sei, dass ein Geschäftsführer nur die Möglichkeit habe, die Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters zivilrechtlich einzuklagen. Bei Durchsicht der [X.]ontoauszüge hätte der [X.]läger die Rücklastschriften zur [X.]enntnis nehmen und eine erneute Zahlung der Steuerbeträge --evtl. nach Einholung von seriösem Rechtsrat-- durch ein Einwirken auf den vorläufigen Insolvenzverwalter veranlassen müssen. Stattdessen habe sich der [X.]läger zurückgezogen und sich um nichts gekümmert. Drohende Rückgriffsansprüche hätten [X.] im Streitfall zwingend dazu bewogen, die vom Widerruf betroffenen Steuerbeträge erneut zu bezahlen.

6

Das Urteil des [X.] beruhe auf rechtsfehlerhaften Überlegungen zum Verschulden. Eine [X.]lage gegen den vorläufigen Insolvenzverwalter sei nicht der einzige mögliche Weg, den ein Geschäftsführer einschlagen könne, um die Zahlung von Steuern zu erreichen. Durch die Feststellung, dass die [X.]ündigung der [X.]reditlinie für den [X.]läger überraschend erfolgt sei, habe das [X.] den [X.] dadurch verletzt, dass es den Sachverhalt nicht näher aufgeklärt und in Bezug auf die Verschlechterung der finanziellen Lage der [X.] keine tatrichterlichen Feststellungen getroffen habe. Schließlich weiche das [X.] von den Entscheidungen des [X.] ([X.]) vom 3. Dezember 2004 [X.]/04 ([X.]/NV 2005, 661), vom 27. Februar 2007 [X.]/05 ([X.]E 216, 491, [X.], 348) und vom 23. September 2008 [X.] ([X.]E 222, 228, [X.], 129) ab. Indem das [X.] ausschließlich der Rechtsprechung des 9. Zivilsenats des [X.] folge, erkenne es unausgesprochen den Vorrang des Insolvenzrechts vor dem Steuerrecht an.

7

Der [X.]läger ist der Beschwerde entgegengetreten. Er schließt sich im Wesentlichen den Ausführungen des [X.] an.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Den vom [X.] aufgeworfenen Rechtsfragen kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Der behauptete Verfahrensmangel liegt nicht vor. Im Übrigen entspricht die Beschwerde nicht den Darlegungserfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O.

9

1. Soweit das [X.] die Frage für grundsätzlich bedeutsam hält, ob es an der für eine Haftung nach § 69 AO erforderlichen Kausalität zwischen einem pflichtwidrigen Verhalten und dem Eintritt eines Vermögensschadens fehlt, wenn sich ein Geschäftsführer einer insolventen GmbH durch einen Rückzug aus der Geschäftsführung selbst außerstande setzt, seine Zahlungspflicht zu erfüllen und diese zu überwachen, wäre diese Frage in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Die Fragestellung lässt erkennen, dass die Beschwerde das kausalitätsunterbrechende Ereignis allein in der Aufgabe der Geschäftsführertätigkeit sieht. Dabei unterstellt das [X.], dass der Geschäftsführer einer GmbH sein Unvermögen zur Entrichtung der geschuldeten Steuern dadurch in vorwerfbarer Weise herbeiführt, dass er sich aus der Geschäftsführung zurückzieht und fortan in Untätigkeit verharrt. Einen solchen Sachverhalt hat das [X.] jedoch nicht festgestellt. Vielmehr ist im Streitfall davon auszugehen, dass die Zahlungsunfähigkeit der [X.] spätestens mit der Kündigung der gesamten Kreditlinie durch die Hausbank der [X.] am 24. Januar 2006 eingetreten ist. Daraufhin hat der Kläger den Geschäftsbetrieb zum 27. Januar 2006 eingestellt, nachdem er zwei Tage zuvor einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der [X.] gestellt hatte. Bei diesem Sachverhalt ist nicht ersichtlich, dass sich der Kläger etwa durch Aufgabe seiner Geschäftsführertätigkeit selbst außerstande gesetzt hätte, die steuerlichen Pflichten zu erfüllen. Das [X.] hat zutreffend ausgeführt, dass die steuerlichen Pflichten auch nach der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters fortbestanden und erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens endeten.

Den Feststellungen des [X.] ist nicht zu entnehmen, ob und in welchem Umfang der Kläger sein Amt als Geschäftsführer der [X.] aufgegeben und dass er sich allein dadurch seinen Pflichten entzogen hat. Infolgedessen würde sich die von der Beschwerde aufgeworfene Frage in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen. Im Übrigen reicht eine bloße Verletzung steuerlicher Pflichten für die Erfüllung des Haftungstatbestandes des § 69 AO nicht aus. Vielmehr muss der [X.] die ihm obliegenden Pflichten zumindest grob fahrlässig verletzt, d.h. schuldhaft gehandelt haben. Erst wenn feststeht, dass eine grob fahrlässige bzw. vorsätzliche Pflichtverletzung vorliegt, kommt es auf die Beantwortung der Frage an, ob die i.S. von § 69 AO qualifizierte Pflichtverletzung dazu geführt hat, dass dem Fiskus ein Vermögensschaden entstanden ist. Fehlt es bereits an dem erforderlichen Verschulden, kann dahingestellt bleiben, ob die Pflichtverletzung für den Schadenseintritt kausal war. Im Streitfall hat das [X.] festgestellt, dass der Kläger die ihm als Geschäftsführer der [X.] obliegenden Pflichten nicht schuldhaft verletzt hat. [X.] hat das [X.] gegen diese Feststellungen nicht erhoben. Auch unter diesem Gesichtspunkt gibt der Streitfall keinen Anlass zur grundsätzlichen Klärung von Kausalitätsfragen.

2. Soweit die Beschwerde sinngemäß die Frage aufwirft, welche rechtlichen Schritte ein Geschäftsführer einer insolventen GmbH in zumutbarer Weise unternehmen muss, um gegen einen vorläufigen Insolvenzverwalter vorzugehen, ist auch diese Frage einer allgemeingültigen Klärung nicht fähig. Es hängt nämlich von den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab, ob ein Einwirken des Geschäftsführers auf den vorläufigen Insolvenzverwalter erforderlich ist und welche Anstrengungen dem Geschäftsführer zur Erfüllung der Steuerschuld der von ihm gesetzlich vertretenen Gesellschaft abverlangt werden können. Dabei kommt es einerseits auf die Handlungen des vorläufigen Insolvenzverwalters und auf dessen Kooperationsbereitschaft, andererseits aber auch auf die finanzielle Situation des in Insolvenz geratenen Unternehmens und auf das jeweilige Stadium des Insolvenzverfahrens an. Wie der Senat in einem Einzelfall entschieden hat, liegt eine schuldhafte Pflichtverletzung eines GmbH-Geschäftsführers i.S. von § 69 AO jedenfalls dann nicht vor, wenn dieser nach Kenntniserlangung von der durch den vorläufigen Insolvenzverwalter veranlassten Stornierung mehrerer Überweisungsaufträge nicht innerhalb von zwei Tagen rechtliche Schritte gegen die Bank oder den vorläufigen Insolvenzverwalter einleitet ([X.] in [X.], 661). Die jeweilige Würdigung ist als Rechtsanwendung des [X.] einer revisionsgerichtlichen Überprüfung regelmäßig entzogen.

3. Der behauptete Verfahrensmangel der Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs liegt nicht vor. Entgegen der Rechtsauffassung des [X.] kann gerade nicht von einem Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O ausgegangen werden, wenn die vom [X.] ausgesprochene Rechtsfolge nicht durch ausreichende tatsächliche Feststellungen gedeckt ist. Vielmehr handelt es sich bei einem solchen Versäumnis des [X.] um einen materiell-rechtlichen Fehler der Urteilsfindung ([X.]-Urteil vom 27. April 1999 [X.], [X.], 255, [X.] 1999, 670, m.w.N.). Im Übrigen hat das [X.] ausgeführt, dass die Kündigung der Kreditlinie aufgrund eines am 23. Januar 2006 mit der Bank geführten Gesprächs erfolgte und dass für den Kläger bei Auszahlung der Löhne für den Monat Januar 2006 zum 15. Januar 2006 die Reaktion der Bank noch nicht absehbar gewesen sei. Damit hat das [X.] nachvollziehbar begründet, warum der Kläger zumindest im Zeitpunkt der Auszahlung der Löhne nicht mit der Kündigung der Kreditlinie zu rechnen brauchte. Verstöße gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze sind nicht erkennbar. Auch hat das [X.] die vom [X.] unterstellte Feststellung, dass die betriebswirtschaftliche Verschlechterung erst nach dem 15. Januar 2006 eingetreten sei, in dieser Form nicht getroffen. Eine unzulässige, weil den [X.] verletzende Überraschungsentscheidung liegt somit nicht vor.

4. Soweit die Beschwerde rügt, dass das [X.] von der Rechtsprechung des [X.] abgewichen sei, genügt das Vorbringen nicht den Darlegungserfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O. Entgegen der Behauptung des [X.] hat der Senat in seiner in [X.], 661 veröffentlichten Entscheidung keinen Rechtsgrundsatz zur Kausalität der Pflichtverletzung für den dadurch verursachten Schaden aufgestellt, von dem das [X.] hätte abweichen können. Die Beschwerde vermag einen solchen Rechtsgrundsatz der angeführten [X.]-Entscheidung auch nicht schlüssig darzulegen, sondern unterstellt unter Bezugnahme auf allgemeine Prüfungstechniken, dass der [X.] eine Prüfung der Kausalität der Pflichtverletzung vor der Prüfung eines möglichen Verschuldens vorgenommen und zumindest konkludent Aussagen zur Kausalitätsfrage getroffen habe. Ausweislich der Begründung des [X.] ist dies jedoch nicht der Fall.

5. Entgegen der Behauptung des [X.] hat der Senat weder in seinem Beschluss in [X.], 661 noch in anderen Entscheidungen den Rechtsgrundsatz aufgestellt, dass dem Geschäftsführer einer GmbH die Pflicht obliegt, in umfassender Weise und nicht nur im Wege einer zivilrechtlichen Klage auf einen vorläufigen Insolvenzverwalter einzuwirken. Von einer solchen Pflicht, die unabhängig von den Besonderheiten des jeweiligen Streitfalls bestünde, kann auch nicht ausgegangen werden. In einer im summarischen Verfahren getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aussetzung der Vollziehung eines angefochtenen Haftungsbescheids hat der Senat darauf hingewiesen, dass einem Gemeinschuldner, der eine durch den vorläufigen Insolvenzverwalter ausgesprochene Zustimmungsverweigerung zunächst akzeptiert, nicht der Vorwurf einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung gemacht werden könne, dass etwas anderes jedoch dann gelten könnte, wenn das Verhalten des Insolvenzverwalters offensichtlich geltendem Recht widerspreche und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt zu rechtfertigen wäre ([X.] in [X.], 661). Die vom [X.] angenommene umfassende Einwirkungspflicht des Geschäftsführers lässt sich dieser Entscheidung offensichtlich nicht entnehmen. Infolgedessen vermag die Beschwerde auch die behauptete Divergenz nicht schlüssig darzulegen.

6. Schließlich ist die Revision nicht deshalb zuzulassen, weil das [X.] in seiner Entscheidung auf die Rechtsprechung des 9. Zivilsenats des [X.] (insbesondere Urteile vom 21. September 2006 [X.], [X.]/Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht 2006, 2092, und vom 4. November 2004 [X.], [X.]Z 161, 49) Bezug genommen hat. Hierzu führt die Beschwerde aus, dass das [X.] unausgesprochen den Vorrang des Insolvenzrechts vor dem Steuerrecht bejaht habe. Damit gibt das [X.] selbst zu erkennen, dass dem erstinstanzlichen Urteil ein diesbezüglicher Rechtsgrundsatz nicht ausdrücklich zu entnehmen ist. Eine Divergenz zum [X.]-Urteil in [X.]E 216, 491, [X.] 2009, 348, das sich mit der gesellschaftsrechtlichen Pflicht des Geschäftsführers zur Sicherung der Masse i.S. des § 64 Abs. 2 GmbHG befasst, wird mit diesem Vorbringen nicht schlüssig belegt. Im Streitfall geht es nicht um eine sich aus § 64 Abs. 2 GmbHG ergebende Pflichtenkollision. Grundsätzliche Aussagen über das Rangverhältnis zwischen Steuerrecht einerseits und Insolvenzrecht andererseits hat das [X.] auch nicht getroffen.

Einen Rechtsgrundsatz dahingehend, dass ein GmbH-Geschäftsführer aufgrund der Rechtsprechung des [X.] nicht auf einen vorläufigen Insolvenzverwalter einzuwirken brauche, hat das [X.] entgegen dem Vorbringen der Beschwerde ebenfalls nicht "apodiktisch und ohne weitere Begründung" aufgestellt. Vielmehr hat es ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die steuerliche Pflichtenstellung des [X.] auch das Einwirken auf den vorläufigen Insolvenzverwalter für den Fall umfasse, dass er als steuerlich verpflichtete und verantwortliche Person nicht allein handeln könne. Eine Divergenz zu den genannten [X.]-Entscheidungen vermag das [X.] nicht schlüssig darzulegen. Im [X.] seines Vorbringens wendet es sich gegen die materiell-rechtliche Würdigung des Streitfalls durch das [X.], insbesondere gegen die Annahme, dass das Verhalten des [X.] nicht als grob fahrlässig gewertet werden könne. Eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 [X.]O kommt daher nicht in Betracht.

Meta

VII B 190/09

19.02.2010

Bundesfinanzhof 7. Senat

Beschluss

vorgehend FG Münster, 2. Juli 2009, Az: 10 K 1549/08 L, Urteil

§ 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 69 AO, § 34 Abs 1 AO, § 21 Abs 2 Nr 2 InsO, § 35 Abs 1 GmbHG, § 64 Abs 2 GmbHG, § 41a Abs 1 S 1 Nr 2 EStG 2002, § 41a Abs 2 S 1 EStG 2002

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 19.02.2010, Az. VII B 190/09 (REWIS RS 2010, 9175)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 9175

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