Bundesfinanzhof, Urteil vom 05.10.2011, Az. II R 18/10

2. Senat | REWIS RS 2011, 2701

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Gegenstand

(Grunderwerbsteuerbefreiung für derivativ Restitutionsberechtigte - geschädigte Gesellschafter i.S. des § 3 Abs. 1 Satz 5 VermG bei einem Mutter-Tochter-Verhältnis - Bindungswirkung eines Bescheids über die Feststellung des Grundbesitzwerts - Gegenleistung bei steuerpflichtigem Grundstückserwerb aufgrund des VermG)


Leitsatz

NV: Für die Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 34 Abs. 3 Satz 1 VermG reicht es nicht aus, dass Vermögenswerte einer Person von einer Maßnahme nach § 1 VermG betroffen sind. Erforderlich ist vielmehr, dass die Person nach dem VermG auch (originär) Berechtigte ist.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine AG, ist Rechtsnachfolgerin des von der [X.] Familie B in der Rechtsform einer [X.] gegründeten [X.], das 1941 in eine AG (E-AG) umgewandelt worden ist. Die Erben der ehemaligen Gesellschafter der E-AG sind die Aktionäre der Klägerin.

2

Die E-AG hielt am 31. Dezember 1935  94,98 % der Aktien an der [X.] ([X.]). Aufgrund [X.] Verfolgung musste die E-AG diese Aktien nach und nach veräußern, so dass sie im [X.] nicht mehr Aktionärin der [X.] war.

3

Die [X.] war ursprünglich Eigentümerin eines im [X.] gelegenen Grundstücks. Aufgrund einer von den Nationalsozialisten erzwungenen Auflassung musste sie das Eigentum am [X.] auf einen anderen übertragen.

4

Am 9. Dezember 1992 beantragte sowohl die Klägerin als auch die [X.] die Rückübertragung des Unternehmens der [X.] und deren gesamter Vermögenswerte. Zur Beschleunigung des Restitutionsverfahrens erklärten die Mitglieder der [X.] auf Anregung des Landesamts zur Regelung offener Vermögensfragen in [X.] ([X.]) diesem gegenüber am 6. April 1999, dass alle etwaigen vermögensrechtlichen Ansprüche bezogen auf die Aktien und auf ehemalige Vermögenswerte der [X.] der Klägerin zustehen sollten und sie mit der Rückerstattung dieser Vermögenswerte bzw. Aktien an die Klägerin einverstanden seien. Ein Verzicht zugunsten Dritter sollte mit dieser Erklärung nicht begründet werden.

5

Mit Bescheid vom 25. November 2002 stellte das [X.] fest, dass die Klägerin in Höhe von 100 % Berechtigte im Hinblick auf das in [X.] gelegene Grundstück ist. Es führte hierzu aus, zunächst seien die Erben der damaligen Gesellschafter der E-AG Berechtigte hinsichtlich von 94,98 % Bruchteilseigentum an dem Grundstück gemäß § 2 Abs. 1 des Vermögensgesetzes in der im Jahr 2002 geltenden Fassung ([X.]) gewesen. Die Erben hätten indes mit der Erklärung vom 6. April 1999 in notariell beurkundeter Form ihre Ansprüche an die Klägerin abgetreten. Die Klägerin habe zudem am 15. Oktober 2002 mit der Wohnungsbaugesellschaft H-mbH (H-GmbH) eine gütliche Vereinbarung über die Rückübertragung des Grundstücks getroffen. Danach habe das Alleineigentum am Grundstück an die Klägerin zurückübertragen werden sollen. Für den Erhalt des der H-GmbH zustehenden Eigentums in Höhe von 5,02 % an dem Grundstück sollte die Klägerin einen Ausgleichsbetrag in Höhe von 33.000 € zahlen (§ 1 Abs. 7 der gütlichen Einigung). Daneben sollte die Klägerin der H-GmbH einen Betrag in Höhe von 2.556,46 € für die Mühewaltung im Zusammenhang mit der Durchführung des Verfahrens entrichten und ihr Eigenmittel in Höhe von 130.973,08 € ersetzen (§ 1 Abs. 9 und § 4 Abs. 2 der gütlichen Einigung). An die [X.] ([X.]) sollte laut Ziff. 5 des Bescheids vom 25. November 2002 für das mit der Überführung des Grundstücks in Volkseigentum gelöschte Grundpfandrecht Nr. 26 eine Gegenleistung in Höhe von 1.815,09 € gezahlt werden.

6

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) versagte für die Rückübertragung des Grundstücks eine Steuerbefreiung nach § 34 Abs. 3 [X.] und setzte mit Bescheid vom 7. Mai 2004 gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer in Höhe von 23.800 € fest. Als Bemessungsgrundlage wurde der für das Grundstück auf den 30. Dezember 2002 festgestellte Grundstückswert in Höhe von 680.000 € angesetzt.

7

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht ([X.]) ging davon aus, dass der mit Bestandskraft des [X.] eintretende Eigentumsübergang gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) der Grunderwerbsteuer unterliege und nicht nach § 34 Abs. 3 Satz 1 [X.] steuerfrei sei. Das [X.] habe mit konstitutiver Wirkung festgestellt, dass die Klägerin ihre Restitutionsberechtigung durch Abtretung der Ansprüche der Erben erhalten habe. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 1482 veröffentlicht.

8

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 34 Abs. 3 [X.]. Sie sei Betroffene einer Schädigungsmaßnahme i.S. des § 1 [X.]. Hierauf und nicht auf die (vorrangige) Restitutionsberechtigung stelle § 34 Abs. 3 Satz 1 [X.] ab. Im Übrigen sei sie --die [X.] auch vorrangig restitutionsberechtigt. Die Steuerbefreiung nach § 34 Abs. 3 [X.] sei zumindest analog anzuwenden.

9

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung sowie den Grunderwerbsteuerbescheid vom 7. Mai 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1. August 2005 aufzuheben.

Das [X.] beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat zwar im Ergebnis richtig entschieden, dass der Grundstückserwerb der Klägerin nicht nach § 34 Abs. 3 Satz 1 [X.] von der Grunderwerbsteuer befreit ist. Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass die Klägerin für den Grundstückserwerb Gegenleistungen an die H-GmbH und an die [X.] zu erbringen hatte. Die vom [X.] getroffenen Feststellungen ermöglichen keine Entscheidung über die zutreffende Höhe der Gegenleistungen.

1. Der Erwerb der Klägerin, der nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 [X.] der Grunderwerbsteuer unterliegt, ist nicht nach § 34 Abs. 3 Satz 1 [X.] steuerbefreit.

a) Nach § 34 Abs. 3 Satz 1 [X.] sind Personen, deren Vermögenswerte von Maßnahmen nach § 1 [X.] betroffen sind, sowie ihre Erben hinsichtlich der nach dem [X.] erfolgenden Grundstückserwerbe von der Grunderwerbsteuer befreit. Dies gilt nach § 34 Abs. 3 Satz 2 [X.] jedoch nicht für Personen, die ihre Berechtigung durch Abtretung, Verpfändung oder Pfändung erlangt haben, und deren Rechtsnachfolger.

b) § 34 Abs. 3 Satz 1 [X.] befreit den Erwerb eines Berechtigten von der Grunderwerbsteuer. Die Vorschrift stellt nur solche Erwerbsvorgänge von der Grunderwerbsteuer frei, mit denen das Ziel verfolgt wird, das Eigentum an dem von Maßnahmen [X.] von § 1 [X.] betroffenen Grundstück vom Nichtberechtigten auf den Berechtigten ([X.] übertragen (Urteil des [X.] --BFH-- vom 8. November 1995 [X.]/94, [X.], 174, [X.] 1996, 27). Berechtigte im Sinne des [X.] sind natürliche und juristische Personen sowie Personenhandelsgesellschaften, deren Vermögenswerte von Maßnahmen gemäß § 1 [X.] betroffen sind, sowie ihre Rechtsnachfolger (§ 2 Abs. 1 Satz 1 [X.]).

c) Für die Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 34 Abs. 3 Satz 1 [X.] reicht --entgegen der Ansicht der [X.] nicht aus, dass Vermögenswerte einer Person von einer Maßnahme nach § 1 [X.] betroffen sind. Erforderlich ist vielmehr, dass die Person nach dem [X.] auch (originär) Berechtigte ist.

aa) Die Steuerbefreiung gilt für einen Grundstückserwerb nach dem [X.]. Nach dem [X.] kann jedoch nur der "Berechtigte" ein Grundstück erwerben. Dies ergibt sich aus den Regelungen in § 3 Abs. 1 Sätze 1 und 4 [X.], die jeweils auf den Berechtigten abstellen. Danach sind Vermögenswerte, die den Maßnahmen [X.] des § 1 [X.] unterlagen und in Volkseigentum überführt oder an Dritte veräußert wurden, auf Antrag an die Berechtigten zurückzuübertragen, soweit dies nicht nach diesem Gesetz ausgeschlossen ist (§ 3 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Der Berechtigte kann verlangen, dass ihm an Vermögensgegenständen, die mit einem nach § 1 Abs. 6 i.V.m. § 6 [X.] zurückzugebenden Unternehmen entzogen wurden und nicht mehr zum Vermögen des Unternehmens gehören, im Wege der [X.] in Höhe der entzogenen Beteiligung Bruchteilseigentum eingeräumt wird (§ 3 Abs. 1 Satz 4  1. Halbsatz [X.]).

bb) § 34 Abs. 3 Satz 1 [X.] verweist zwar nicht auf die gesetzliche Definition des Berechtigten in § 2 Abs. 1 Satz 1 [X.], verwendet aber für die Festlegung des begünstigten Personenkreises dieselbe Begriffsbestimmung wie § 2 Abs. 1 Satz 1 [X.]. Dabei kann aus dem Umstand, dass § 34 Abs. 3 Satz 1 [X.] an "Personen" anknüpft, während § 2 Abs. 1 Satz 1 [X.] den "Berechtigten" bestimmt, nicht abgeleitet werden, für die Steuerbefreiung reiche ein bloßes Betroffensein von Unrechtsmaßnahmen [X.] von § 1 [X.] aus. Dafür spricht, dass das [X.] bei mehreren Betroffenen den Berechtigten festlegt. Werden beispielsweise von mehreren Personen Ansprüche auf Rückübertragung desselben Vermögenswertes geltend gemacht, so gilt gemäß § 3 Abs. 2 [X.] derjenige als Berechtigter, der von einer Maßnahme gemäß § 1 [X.] als Erster betroffen war.

cc) § 34 Abs. 3 Satz 2 [X.] deutet ebenfalls darauf hin, dass die Steuerbefreiung nach Satz 1 der Vorschrift nur dem Berechtigten zusteht. Die Steuerbefreiung ist danach für solche Personen ausgeschlossen, die ihre "Berechtigung" durch Abtretung, Verpfändung oder Pfändung erlangt haben. Der Ausschluss von der Steuerbefreiung erfasst deshalb auch von einer Unrechtsmaßnahme Betroffene, die einen Restitutionsanspruch aufgrund eines rechtsgeschäftlichen oder vergleichbaren Rechtsakts [X.] des § 3 Abs. 1 Satz 2 [X.] (Abtretung, Pfändung, Verpfändung) erwerben und erst damit Berechtigte werden (a.[X.], [X.], 1386, unter 4.4.).

d) Bei einer Bruchteilsrestitution nach § 3 Abs. 1 Satz 4 [X.] ist Berechtigter der geschädigte Gesellschafter und nicht das in § 6 Abs. 1a [X.] bezeichnete Unternehmen (§ 3 Abs. 1 Satz 5 [X.]).

aa) § 3 Abs. 1 Satz 4 [X.] sieht zugunsten der in der [X.] vom 30. Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945 aus rassischen, politischen, religiösen oder weltanschaulichen Gründen Verfolgten (§ 1 Abs. 6 [X.]) eine die Unternehmensrestitution ergänzende [X.] von nicht mehr zum Unternehmensvermögen gehörenden Vermögensgegenständen vor, die mit dem zurückzugebenden oder bereits zurückgegebenen Unternehmen entzogen oder von ihm später angeschafft worden sind. Der Berechtigte kann verlangen, dass ihm an diesen Vermögensgegenständen in Höhe der ihm entzogenen Beteiligung Bruchteilseigentum eingeräumt wird (§ 3 Abs. 1 Satz 4 1. Halbsatz [X.]). Der Anspruch besteht auch, wenn eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung an einem Unternehmen Gegenstand der Schädigung nach § 1 Abs. 6 [X.] ist und das Unternehmen zum [X.]punkt der Schädigung nicht von Maßnahmen nach § 1 Abs. 6 [X.] betroffen war (§ 3 Abs. 1 Satz 4  2. Halbsatz [X.]). Die Regelung soll die Möglichkeiten der Wiedergutmachung für die Opfer des Nationalsozialismus gegenüber dem sonstigen Regelungsinhalt des [X.] verbessern und sie im Ergebnis der Wiedergutmachung nach alliiertem Rückerstattungsrecht annähern (Urteil des [X.] --BVerwG-- vom 20. März 2002 8 C 2/01, [X.]schrift für offene Vermögensfragen --[X.]-- 2002, 243).

bb) Geschädigte Gesellschafter [X.] des § 3 Abs. 1 Satz 5 [X.] sind bei einem Mutter-Tochter-Verhältnis, bei dem die Beteiligung der Muttergesellschaft an der Tochtergesellschaft einem schädigenden Ereignis unterlag, die Gesellschafter oder Anteilseigner der Muttergesellschaft (BVerwG-Urteil vom 28. April 2004  8 C 12/03, [X.], 362; BVerwG-Beschluss vom 25. Juli 2007  8 [X.]/07, [X.] 428, § 3 [X.] Nr. 68).

Bei [X.] kann zwar in der Schädigung der Muttergesellschaft zugleich eine mittelbare Schädigung der Tochtergesellschaft liegen. Die Muttergesellschaft kann aber nicht über ihre Beteiligung an der Tochtergesellschaft Bruchteilsberechtigte an Unternehmensteilen der Tochtergesellschaft werden (vgl. BVerwG-Urteil in [X.], 362). Es bliebe sonst nämlich unklar, in welchem Verhältnis die Muttergesellschaft in Konkurrenz zu ihren Gesellschaftern Eigentum an dem Vermögensgegenstand erlangen könnte. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte ein derartiger Prätendentenstreit mit der Einfügung des § 3 Abs. 1 Satz 5 [X.] durch das Wohnraummodernisierungssicherungsgesetz gerade ausgeschlossen werden (vgl. BTDrucks 13/7275, [X.]). Obwohl durch die schädigende Maßnahme sowohl die unmittelbare Beteiligung der Muttergesellschaft an der Tochtergesellschaft als auch die mittelbare Beteiligung der Gesellschafter der Muttergesellschaft und damit Vermögenswerte mehrerer Personen (der Muttergesellschaft und deren Gesellschafter) betroffen sind, sind nur die Gesellschafter der Muttergesellschaft restitutionsberechtigt.

e) Im Streitfall ist der Grundstückserwerb der Klägerin nicht gemäß § 34 Abs. 3 Satz 1 [X.] von der Grunderwerbsteuer befreit.

aa) Die Klägerin ist als Rechtsnachfolgerin der E-AG nicht Berechtigte [X.] des § 3 Abs. 1 Satz 5 [X.]. Die schädigende Maßnahme betraf die Beteiligung der E-AG (Muttergesellschaft) an der [X.] (Tochtergesellschaft). Die E-AG musste --wie das [X.] festgestellt hat-- ihre Aktien aufgrund [X.] Verfolgung nach und nach veräußern. Damit war der schädigende Zugriff auf den Entzug der Beteiligungsrechte der [X.] Gesellschafter der E-AG gerichtet. Nur diese Gesellschafter und ihre Rechtsnachfolger sind deshalb hinsichtlich des ehemals der [X.] gehörenden Grundstücks restitutionsberechtigt.

bb) Nachdem die Klägerin nicht originäre Inhaberin des Rückübertragungsanspruchs war, kann offen bleiben, ob sie diesen rechtsgeschäftlich durch die Erklärung vom 6. April 1999 erworben hat oder ob das [X.] wegen fehlender Willenserklärungen der [X.] und der Klägerin sowie wegen einer fehlenden notariellen Beurkundung der [X.] unzutreffend von einer wirksamen Abtretung ausgegangen ist.

Entgegen der Auffassung des [X.] besteht jedenfalls keine Bindung an die im Bescheid vom 25. November 2002 (unter I.1. und II.3.) vertretene Auffassung des [X.], die [X.] habe ihre Restitutionsansprüche an die Klägerin abgetreten. Dem § 34 Abs. 3 [X.] kann nicht entnommen werden, dass etwa aus verwaltungs- oder verfahrensökonomischen Gründen die Beurteilung der für die Restitutionsentscheidung zuständigen Behörde auch für die Finanzbehörde, die über die Grunderwerbsteuerbefreiung zu befinden hat, vorgreiflich oder gar bindend ist (vgl. BFH-Urteil vom 18. August 2004 II R 43/02, [X.] 2005, 242).

2. Die Voraussetzungen für eine entsprechende Anwendung des § 34 Abs. 3 Satz 1 [X.] liegen entgegen der Auffassung der Klägerin nicht vor.

a) Eine Analogie setzt eine planwidrige Regelungslücke voraus. Eine solche Regelungslücke liegt vor, wenn eine Regelung gemessen an ihrem Zweck unvollständig, d.h. ergänzungsbedürftig ist und wenn ihre Ergänzung nicht einer vom Gesetzgeber beabsichtigten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände widerspricht (BFH-Urteil vom 26. August 2010 III R 47/09, [X.], 563, [X.] 2011, 589, m.w.N.).

b) § 34 Abs. 3 Satz 1 [X.] enthält keine ungewollte Regelungslücke hinsichtlich des Falles, dass nach dem [X.] der Restitutionsanspruch den ehemaligen Gesellschaftern einer Gesellschaft bzw. deren Erben zusteht, das Grundstück jedoch nach einer Einigung der Restitutionsberechtigten mit der Gesellschaft durch rechtsgestaltenden Verwaltungsakt auf die Gesellschaft übertragen wird. Vielmehr entspricht es gerade dem Willen des Gesetzgebers, dass bei diesem Sachverhalt nur der Erwerb der Gesellschafter bzw. deren Erben, nicht jedoch der lediglich derivativ berechtigten Gesellschaft von der Grunderwerbsteuer befreit ist.

3. Nicht entscheidungserheblich ist, ob die Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 34 Abs. 3 Satz 1 [X.] auch demjenigen Geschädigten zu gewähren ist, dessen Restitutionsanspruch gemäß § 3 Abs. 2 [X.] als nachrangig zurücktritt.

§ 3 Abs. 2 [X.] regelt für Fälle konkurrierender Restitutionsansprüche, dass derjenige als Berechtigter gilt, der von einer Maßnahme nach § 1 [X.] als Erster betroffen war (BVerwG-Beschluss vom 29. Dezember 2010  8 [X.]/10, [X.] 2011, 86). Ein derartiger Sachverhalt liegt im Streitfall nicht vor. Denn es bestehen --wie bereits ausgeführt-- wegen § 3 Abs. 1 Satz 5 [X.] keine konkurrierenden Restitutionsansprüche.

4. Das Urteil des [X.] war aufzuheben. Das [X.] ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass als Bemessungsgrundlage der festgestellte Grundbesitzwert in Höhe von 680.000 € nach § 8 Abs. 2 [X.] maßgeblich ist. Denn die Klägerin war nach der gütlichen Einigung vom 15. Oktober 2002 und dem Bescheid vom 25. November 2002 zu Gegenleistungen für den Erwerb des Grundstücks verpflichtet. Der Bescheid über die Feststellung des [X.] entfaltet hinsichtlich der Frage, ob die Steuer nach dem festgestellten Wert oder der Gegenleistung zu bemessen ist, keine bindende Wirkung ([X.] vom 16. Juni 2005 [X.]/03, [X.] 2005, 2053).

a) Nach § 8 Abs. 1 [X.] bemisst sich die Steuer regelmäßig nach dem Wert der Gegenleistung. Als Gegenleistung im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinn gilt jede Leistung, die der Erwerber als Entgelt für den Erwerb des Grundstücks gewährt (vgl. BFH-Urteil vom 30. September 1998 [X.], [X.] 1999, 666). Der Erwerb des Grundstücks und die Gegenleistung für den Erwerb müssen kausal verknüpft sein.

b) Bei einem steuerpflichtigen Grundstückserwerb aufgrund des [X.] gehören zur Gegenleistung insbesondere die für den Grundstückserwerb anfallenden Zahlungen an den bisherigen Verfügungsberechtigten, der durch die unanfechtbare Entscheidung des [X.] sein Eigentum am Grundstück verliert, und die Zahlungen, die aufgrund der Bestimmungen des [X.] an Dritte zu leisten sind. Dazu zählt auch die an die [X.] nach § 7a Abs. 2 [X.] zu erbringende Gegenleistung für untergegangene Uraltpfandrechte. Die vom Berechtigten für den Grundstückserwerb geleisteten Zahlungen sind auch dann als Bemessungsgrundlage maßgeblich, wenn sie weit unter dem Verkehrswert liegen (vgl. BFH-Urteil vom 6. Dezember 1989 II R 95/86, [X.], 255, [X.] 1990, 186, zum Grundstückserwerb eines Gesellschafters).

c) Dagegen ist der Grundbesitzwert [X.] des § 138 Abs. 2 oder 3 des Bewertungsgesetzes nur dann Bemessungsgrundlage, wenn eine Gegenleistung nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln ist (§ 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.]), bei Umwandlungen aufgrund eines Bundes- oder Landesgesetzes, bei Einbringungen oder bei anderen Erwerbsvorgängen auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage (§ 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.]) sowie in den Fällen des § 1 Abs. 2a und 3 [X.] (§ 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 [X.]).

Der hier allein in Betracht kommende § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] setzt --vom Fall der vorhandenen, aber nicht zu ermittelnden Gegenleistung [X.] voraus, dass eine Gegenleistung überhaupt nicht vorhanden ist oder das vereinbarte Entgelt nicht zur steuerlichen Gegenleistung gehört (vgl. BFH-Urteil vom 4. Juli 1984 II R 159/81, [X.], 299, [X.] 1984, 627; [X.] vom 26. Februar 2003 [X.], [X.], 326, [X.] 2003, 483). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Die Klägerin war --wie aus dem Bescheid des [X.] vom 25. November 2002 und aus der gütlichen Einigung vom 15. Oktober 2002 ersichtlich ist-- zur Erbringung von Gegenleistungen für den Erwerb des Grundstücks verpflichtet. An die H-GmbH sollte sie einen Ausgleichsbetrag von 33.000 €, für die Mühewaltung im Zusammenhang mit der Durchführung des Restitutionsverfahrens 2.556,46 € und als Ersatz für geleistete Eigenmittel 130.973,08 € zahlen. An die [X.] war ein Betrag in Höhe von 1.815,09 € zu entrichten.

d) Die Sache ist nicht spruchreif. Das [X.] hat noch nicht festgestellt, welche Gegenleistungen von der Klägerin insgesamt zu erbringen waren. Das [X.] wird insbesondere noch zu prüfen haben, ob die Klägerin im Zusammenhang mit dem Grundstückserwerb auch [X.] übernommen hat. Die Gegenleistung würde sich bei einer entsprechenden Verpflichtung der Klägerin insoweit erhöhen. Weiter ist zu prüfen, ob die Verpflichtung zur Leistung von 18.150,86 € für die mit Überführung des Grundstücks in Volkseigentum gelöschten grundbuchlichen Belastungen (§ 5 Abs. 3 der gütlichen Einigung) im Bescheid vom 25. November 2002 auf 1.815,09 € vermindert wurde. In diesem Falle wäre nur der Betrag von 1.815,09 € in die Gegenleistung einzubeziehen.

Meta

II R 18/10

05.10.2011

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 20. Mai 2009, Az: 11 K 1382/05 B, Urteil

§ 1 VermG, § 2 Abs 1 S 1 VermG, § 3 Abs 1 S 1 VermG, § 3 Abs 1 S 4 VermG, § 3 Abs 1 S 5 VermG, § 3 Abs 2 VermG, § 6 VermG, § 7a Abs 2 VermG, § 34 Abs 3 VermG, § 8 Abs 1 GrEStG 1997, § 8 Abs 2 GrEStG 1997

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 05.10.2011, Az. II R 18/10 (REWIS RS 2011, 2701)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2701

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