Bundessozialgericht, Urteil vom 17.08.2011, Az. B 6 KA 24/10 R

6. Senat | REWIS RS 2011, 3920

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Gegenstand

Kassenärztliche Vereinigung - keine Berechtigung zur Aufrechnung von überhöhten Abschlagszahlungen gegen Honorarforderungen - Erarbeitung nach Insolvenzeröffnung


Leitsatz

Eine Kassenärztliche Vereinigung ist nicht berechtigt, mit Rückforderungsansprüchen aus überhöhten Abschlagszahlungen gegen Honorarforderungen aufzurechnen, die erst nach Insolvenzeröffnung erarbeitet wurden.

Tenor

Auf die Revision des [X.] werden die Urteile des [X.] vom 26. August 2009 und des [X.] vom 22. Oktober 2008 aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, an den Kläger 5001,12 Euro zu zahlen. Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand

1

[X.] steht die Auszahlung vertragsärztlichen Honorars.

2

Der Kläger ist Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Diplom-Psychologen [X.] (nachfolgend als "Schuldner" bezeichnet), der als Psychologischer Psychotherapeut zur vertragsärztlichen Versorgung im Bezirk der beklagten [X.] ([X.]) zugelassen und vertragspsychotherapeutisch tätig ist. Am 28.12.2005 wurde über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Nachfolgend rechnete die Beklagte gegen Honoraransprüche des Schuldners mit Überzahlungen aus zu hohen [X.] in den [X.]/2004 bis III/2005 in Höhe von 5001,12 Euro auf. Hiergegen erhob der Kläger nach erfolglosem Schriftwechsel mit der Beklagten Klage mit der Begründung, die Beklagte sei nicht zur Aufrechnung berechtigt; die Aufrechnung sei nach § 96 Abs 1 [X.] ([X.]) unwirksam, da die Beklagte gegen Vergütungsansprüche - nämlich solche für das Quartal I/2006 - aufgerechnet habe, die erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden seien. Die - vom [X.] an das [X.] - Klage und die Berufung des [X.] sind erfolglos geblieben (Urteil des [X.] vom 22.10.2008, Urteil des L[X.] vom 26.8.2009).

3

Das L[X.] hat ausgeführt, der Kläger habe keinen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte, da die Voraussetzungen des § 95 Abs 1 [X.] erfüllt seien. Zwar habe der Vertragsarzt auch noch mit Vorlage seiner Abrechnung keinen fälligen Anspruch auf ein [X.] oder punktemäßig beziffertes Honorarvolumen, jedoch habe die Hauptforderung (Honorarforderung) in [X.] im Sinne des Insolvenzrechts bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestanden. Nichts anderes gelte auch für die Gegenforderung, den aufschiebend bedingten Anspruch der Beklagten auf Erstattung der Überzahlung aus den geleisteten [X.], die sich spätestens mit der Festsetzung des konkreten Honorars ergeben habe. [X.] für die Honoraransprüche sei - ebenso wie der rechtliche [X.] des Rückzahlungsanspruchs - durch die Teilnahme des Schuldners an der vertragspsychotherapeutischen Versorgung und die Erbringung von Leistungen in den [X.]/2005 bis IV/2005 gelegt worden. § 95 Abs 1 Satz 3 [X.] stehe dem nicht entgegen, da die Honorarforderungen des Schuldners für die [X.]/2005 bis IV/2005 nicht fällig geworden seien, bevor auch der Erstattungsanspruch der Beklagten aus Überzahlung fällig geworden sei.

4

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von Bundesrecht. Die Rechtserwägungen der Vorinstanzen seien in sich widersprüchlich und verstießen gegen die grundlegenden Bestimmungen des [X.]. Wenn sich die Aufrechnung zweifelsfrei nach den Grundsätzen des § 387 [X.] richte, dann sei dabei zwingend die volle Wirksamkeit der Gegenforderung bei der Aufrechnung erforderlich. § 387 [X.] setze nicht nur [X.] eines Anspruchs voraus, sondern die volle Durchsetzbarkeit der Gegenforderung. Da zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung nicht sicher gewesen sei, ob überhaupt eine Gegenforderung der Beklagten entstehen werde, könne eine Aufrechnungsberechtigung auch nicht aus einem lediglich im [X.] angelegten Anspruch hergeleitet werden.

5

Der Kläger beantragt,
die Urteile des [X.] vom 26. August 2009 und des [X.] vom 22. Oktober 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5001,12 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem [X.] zu zahlen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Der Zahlungsanspruch des [X.] sei durch die von ihr erklärte Aufrechnung erloschen. Ihr - der Beklagten - komme eine Aufrechnungsbefugnis zu, die ungeachtet der Eröffnung des Insolvenzverfahrens fortbestanden habe. Ihre Gegenforderung sei zum Zeitpunkt der Aufrechnung fällig gewesen. Der Kläger verkenne, dass die allgemeinen Aufrechnungsregeln der §§ 387 ff [X.] durch die Normen der §§ 94 ff [X.] ergänzt würden. § 95 [X.] schütze das Vertrauen auf eine entstehende Aufrechnungslage; dem Gläubiger sei eine Aufrechnung auch dann gestattet, wenn die Fälligkeit zwar erst nach der Verfahrenseröffnung, aber vor der Fälligkeit der Forderung des Schuldners eintrete.

8

So liege der Fall auch hier. Der Schuldner habe [X.] seiner Zulassung ein Recht zur Teilnahme an der Honorarverteilung. Die Honoraransprüche für die [X.]/2005 ff seien zwar erst mit Erlass der Honorarbescheide und damit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig geworden, doch sei entscheidend, dass zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung sowohl die Honoraransprüche des [X.] für die [X.]/2005 bis IV/2005 als auch ihre Rückzahlungsansprüche für zu viel geleistete [X.] für diese Quartale bereits dem Grunde nach bestanden hätten. [X.] sei allein maßgeblich, dass die Hauptforderung dem Grunde nach entstanden und erfüllbar sei. Aufgrund der regelmäßig gezahlten [X.] sei sie - die Beklagte - stets Inhaberin eines Rückzahlungsanspruchs unter der aufschiebenden Bedingung, dass das nach Durchführung der Honorarverteilung dem jeweiligen Arzt gegenüber geschuldete Honorar geringer sei als die geleisteten Vorauszahlungen. Zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung sei der maßgebliche Rechtsgrund für die Entstehung des Anspruchs gelegt gewesen. Maßgebend sei dafür allein, dass das Rechtsverhältnis, das die Grundlage des Anspruchs darstelle, bestehe; auf die Entstehung des Anspruchs selbst komme es nicht an. Selbst wenn man auf die Entstehung des Anspruchs abstelle, sei dieser bereits - unter einer aufschiebenden Bedingung - mit dem Leisten der ersten Abschlagzahlung entstanden.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des [X.] ist begründet. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen bestehen für das streitbefangene Quartal I/2006 noch Honoraransprüche des [X.] (in seiner Funktion als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Schuldners), denn sie sind durch die von der Beklagten erklärte Aufrechnung mit ihr gegen den Schuldner zustehenden Forderungen nicht erloschen.

1. Der Zahlungsanspruch des [X.] ist nicht erloschen, denn die von der Beklagten erklärte Aufrechnung ist gemäß § 96 Abs 1 [X.] 1 [X.] unzulässig und damit unwirksam.

a. Wie der [X.] bereits wiederholt entschieden hat, sind für die öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnisse des [X.] die Vorschriften des Allgemeinen Schuldrechts über die Aufrechnung in §§ 387 ff BGB im Wege der Lückenfüllung entsprechend anwendbar ([X.] 105, 224 = [X.]-2500 § 85 [X.] 52, Rd[X.] 14; [X.] 98, 89 = [X.]-2500 § 85 [X.] 31, Rd[X.] 17; [X.]-2500 § 75 [X.] 11 S 55 f mwN; zuletzt [X.] vom 23.3.2011 - [X.] [X.]/10 R - Rd[X.] 13, zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen). Nach § 387 BGB kann, wenn zwei Personen einander Leistungen schulden, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann.

[X.] der Beklagten (Gegenforderung) sowie die Honorarforderung des [X.] (Hauptforderung) waren, da jeweils auf Zahlung eines Geldbetrages gerichtet, gleichartig im Sinne des § 387 BGB. Die Honorarforderung des [X.] war im [X.]punkt der Aufrechnung auch erfüllbar. Erfüllbarkeit bezeichnet den [X.]punkt, von dem ab der Schuldner leisten darf ([X.] in: [X.], [X.], 70. Aufl 2011, § 271 Rd[X.] 1). Dies ist bezogen auf vertragsärztliche Honorarforderungen mit ihrer Konkretisierung nach Abschluss und Abrechnung des jeweiligen Quartals (vgl [X.] vom 23.3.2011 - [X.] [X.]/10 R - Rd[X.] 15, zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen) - erst recht mit ihrer Konkretisierung durch den [X.] ([X.] 105, 224 = [X.]-2500 § 85 [X.] 52, Rd[X.] 16) - der Fall. Während die Gegenforderung vollwirksam und fällig sein muss ([X.] in: [X.] aaO, § 387 Rd[X.] 11 mwN), muss die Hauptforderung lediglich erfüllbar, nicht aber vollwirksam und fällig sein ([X.] aaO Rd[X.] 12).

Ob die Erstattungsforderung der Beklagten im [X.]punkt der Aufrechnung auch fällig war, kann hingegen dahingestellt bleiben. Eine Erstattungsforderung, die - wie vorliegend - auf überhöhten [X.] beruht, wird (erst) in dem [X.]punkt fällig, in dem der [X.] für das Quartal, für das überhöhte [X.] geleistet wurden, erlassen wird. Denn ob die [X.] überhöht waren - und insbesondere in welcher Höhe dies der Fall ist -, steht erst in dem Moment fest, in dem die Höhe des dem Vertragsarzt tatsächlich zustehenden Honorars festgestellt ist. Zudem ist auch logisch ausgeschlossen, dass ein Rückzahlungsanspruch wegen überzahlten Honorars vor dem Honoraranspruch für das nämliche Quartal fällig wird; vertragsärztliche Honoraransprüche werden erst mit Erlass des jeweiligen [X.]es fällig (vgl [X.] 105, 224 = [X.]-2500 § 85 [X.] 52, Rd[X.] 35). Da die [X.]e für die [X.]/2005 und [X.]/2005 nach den Feststellungen des [X.] erst am 29.6.2006 bzw am [X.] erlassen wurden, wäre eine Erstattungsforderung, die auf überhöhten [X.] für diese Quartale beruht, somit noch nicht fällig gewesen, sofern die Aufrechnung bereits im Quartal I/2006 erklärt worden wäre. Es fehlen jedoch Feststellungen dazu, zu welchem [X.]punkt die Beklagte die Aufrechnung erklärt bzw tatsächlich vorgenommen hat. Die Fälligkeit der Erstattungsforderung kann aber offenbleiben, da die Aufrechnung bereits aus anderen - insolvenzrechtlichen - Gründen unwirksam ist.

b. Die von der Beklagten erklärte Aufrechnung ist nach § 96 Abs 1 [X.] 1 [X.] unwirksam, da die Beklagte - wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist - gegen Honorarforderungen des [X.] für das Quartal I/2006 aufgerechnet hat, mithin gegen Forderungen, die erst nach dem [X.]punkt der Insolvenzeröffnung am 28.12.2005 entstanden sind. Nach § 96 Abs 1 [X.] 1 [X.] ist die Aufrechnung unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist, die Aufrechnungslage mithin nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist. Das war hier der Fall.

Der [X.] hat im Hinblick auf die Anwendung der Anfechtungsvorschriften der [X.] entschieden, dass mit dem Abschluss eines Quartals, in dem der Vertragsarzt vertragsärztliche Leistungen erbracht hat, und der Vorlage der entsprechenden Abrechnung bereits ein "genereller" Anspruch des Arztes auf Teilhabe an der Honorarverteilung und insofern schon dem Grunde nach ein Vergütungsanspruch des Arztes entsteht; Höhe und Fälligkeit dieses Anspruchs hängen aber von Inhalt und [X.]punkt des Erlasses des [X.]es ab ([X.] 105, 224 = [X.]-2500 § 85 [X.] 52, Rd[X.] 38; zuletzt [X.] vom 23.3.2011 - [X.] [X.]/10 R - Rd[X.] 19, zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen). Da das maßgebliche Quartal I/2006 bei Insolvenzeröffnung am 28.12.2005 noch nicht einmal begonnen hatte, waren auch noch keine Leistungen erbracht und erst recht nicht zur Abrechnung gebracht worden, so dass zu diesem [X.]punkt nicht einmal ein "genereller" Anspruch auf Zahlung vertragsärztlichen Honorars und entsprechend keine diesbezügliche Zahlungsverpflichtung der Beklagten entstanden war.

Aus diesem Grund ist die Aufrechnung auch nicht nach § 95 Abs 1 Satz 1 [X.] zulässig. Danach kann, wenn zur [X.] der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die aufzurechnenden Forderungen oder eine von ihnen noch aufschiebend bedingt oder nicht fällig oder die Forderungen noch nicht auf gleichartige Leistungen gerichtet sind, die Aufrechnung erst erfolgen, wenn ihre Voraussetzungen eingetreten sind. Damit wird auch eine "Aufrechnungsanwartschaft", dh das schutzwürdige Vertrauen auf den Eintritt einer Aufrechnungslage geschützt ([X.] vom [X.] [X.]/10 R - Rd[X.] 20, zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen, unter Hinweis auf [X.] in: [X.], [X.], 2. Aufl 2010, § 95 Rd[X.] 1). Der Insolvenzgläubiger soll darauf vertrauen dürfen, dass er sich dann, wenn seine Forderung bereits bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens - jedenfalls dem Grunde nach - besteht, nach Fälligkeit bzw Eintritt der Bedingung durch Aufrechnung befriedigen kann ([X.] in: [X.], [X.], 4. Aufl 2010, § 95 Rd[X.] 1). Das setzt aber voraus, dass beide Forderungen bereits bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens jedenfalls im [X.] begründet waren ([X.] aaO unter Hinweis auf [X.] aaO Rd[X.] 2 mwN).

Ob diese Anforderungen bezüglich des Rückforderungsanspruchs der Beklagten erfüllt waren, bedarf keiner Entscheidung. Denn jedenfalls war der Honoraranspruch des [X.] für das Quartal I/2006, gegen den die Beklagte aufgerechnet hat, nach der Rechtsprechung des [X.]s bei Insolvenzeröffnung auch dem Grunde nach noch nicht entstanden. Wie bereits dargelegt, setzt die Annahme eines zumindest dem Grunde nach entstandenen - in der Rechtsprechung des [X.]s einem bedingten Anspruch iS des § 140 Abs 3 [X.] gleichgestellten (vgl [X.] 105, 224 = [X.]-2500 § 85 [X.] 52, Rd[X.] 31) - [X.] voraus, dass der Vertragsarzt Leistungen erbracht und diese nach Abschluss des Quartals der Beklagten zur Abrechnung vorgelegt hat. Das vorliegend maßgebliche Quartal I/2006 hatte bei Insolvenzeröffnung jedoch noch nicht einmal begonnen.

Es liegt auch eher fern, vertragsärztliche Honoraransprüche als befristete Ansprüche anzusehen, wie dies der [X.] für Mietzinsansprüche angenommen hat (vgl Urteil vom 21.12.2006 - [X.] - ZIP 2007, 239). Bei der Befristung ([X.]bestimmung) ist die Entstehung eines Rechts gewiss, aber von dem Eintritt eines bestimmten [X.]punkts abhängig (Creifelds, Rechtswörterbuch, 20. Aufl 2010, "[X.]bestimmung"). Mietzinsansprüche entstehen gemäß § 163 BGB befristet mit Beginn des jeweiligen Zahlungsabschnitt, für den der Mietzins zu zahlen ist, und werden deshalb aufschiebend bedingten Forderungen gleichgestellt ([X.] aaO). Eine vergleichbare Situation besteht bei vertragsärztlichen [X.] jedoch nicht. Während bei einem Mietvertrag die Entstehung des Rechts auf Mietzinszahlung vom Verhalten des Gläubigers unabhängig ist, ist ein Honorar- bzw Teilhabeanspruch des Arztes sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach davon abhängig, dass bzw in welchem Umfang dieser vertragsärztliche Leistungen erbringt. Zudem ist die Höhe des zu beanspruchenden Mietzinses im Voraus vertraglich festgelegt, während dies beim vertragsärztlichen Honorar gerade nicht der Fall ist. Mit der Vertragsarztzulassung wird dem Vertragsarzt lediglich eine mehr oder weniger starke tatsächliche Aussicht auf den Erwerb eines zukünftigen Anspruchs eingeräumt; die Entstehung eines Rechts auf Honorar bzw Teilhabe an der Honorarverteilung liegt zwar nahe, ist aber nicht gewiss.

c. Soweit danach die [X.] gegen Honoraransprüche, die der Schuldner nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erarbeitet, nicht mit Erstattungsforderungen aus früheren Quartalen aufrechnen kann, stellt das keine unzumutbare Gefährdung des Sicherstellungsauftrags dar.

aa. [X.] ist, dass entgegen der Auffassung des [X.] eine [X.] im Insolvenzfall das Honorar nicht "annähernd doppelt" auszahlen muss. Honoraransprüche, die nach Insolvenzeröffnung fällig werden, sind nicht in der im [X.] ausgewiesenen Höhe als Masseforderung zu erfüllen. Vielmehr müssen bereits für dasselbe Quartal geleistete [X.] derart Berücksichtigung finden, dass sie bei der Feststellung des noch ausstehenden [X.] anzurechnen sind (so schon [X.] 105, 224 = [X.]-2500 § 85 [X.] 52, Rd[X.] 45). Im Rahmen von Dienstverträgen gezahlte Abschläge und Vorschüsse mindern ohne Aufrechnung oder sonstige Erklärung die Vergütung, weil sie als vorzeitige Erfüllung (§ 362 Abs 1 BGB) gewertet werden (vgl [X.] in: [X.], [X.], 70. Aufl 2011, § 614 Rd[X.] 3). Für [X.], die auf (zukünftige) vertragsärztliche Honorarforderungen geleistet werden, gilt im Ergebnis nichts anderes, auch wenn sie keine "Bezüge aus einem Dienstverhältnis" iS des § 114 [X.] darstellen (s hierzu [X.] vom 23.3.2011 - [X.] [X.]/10 R - Rd[X.] 21, zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen). Insofern besteht eine vergleichbare Lage wie bei einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung für ein noch nicht abgerechnetes Quartal, welche das Honorar von vornherein mindert (s hierzu Urteil vom 23.3.2011 - [X.] [X.]/10 R - Rd[X.] 16).

bb. Dass demgegenüber eine Erstattungsforderung der [X.], die aus überhöhten [X.] resultiert, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arztes nur in Höhe der Insolvenzquote erfüllt wird, ist unvermeidliche Folge der gesetzlichen Regelung. Es gibt keinen rechtlichen Ansatz dafür, die [X.]en gegenüber anderen [X.] dadurch zu privilegieren, dass ihr gestattet wird, überhöhte [X.] ungeachtet der zwischenzeitlichen Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Wege der Aufrechnung gegen neu entstehende Honorarforderungen des Schuldners bzw des Insolvenzverwalters auszugleichen. Zu dem ggf für die [X.]en entstehenden Dilemma hat der [X.] bereits in seinem Urteil vom 23.3.2011 (- [X.] [X.]/10 R - Rd[X.] 22, zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen) Stellung genommen und dort nicht zuletzt darauf verwiesen, dass sich die Risiken für die Beklagte auch dann realisiert hätten, wenn der Schuldner die Praxis nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschlossen und nicht fortgeführt hätte. Dass die insolvenzbedingten Forderungsausfälle von der Gesamtheit der Vertragsärzte zu tragen sind, ist notwendige Folge ihres auf Teilhabe an der Verteilung der Gesamtvergütungen beschränkten Anspruchs. Im Übrigen liegt hierin keine Besonderheit des [X.], denn auch die Forderungsausfälle, die Sozialversicherungsträgern oder dem Fiskus infolge der Insolvenz eines Beitrags- bzw Steuerpflichtigen entstehen, sind letztlich von allen Beitrags- bzw Steuerzahler zu tragen.

2. Ein Zinsanspruch des [X.] besteht hingegen nicht. Eine Verzinsung von Honorarforderungen eines Vertragsarztes kommt nach der Rechtsprechung des [X.]s nicht in Betracht (vgl [X.]-2500 § 75 [X.] 11). Etwas anderes gilt auch nicht für das Insolvenzverfahren (vgl [X.] vom 23.3.2011 - [X.] [X.]/10 R - Rd[X.] 30, zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen). Der Kläger als Insolvenzverwalter kann insofern keine weitergehenden Ansprüche stellen als der Schuldner selbst.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 [X.]G iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, weil sie unterlegen ist (§ 154 Abs 1 VwGO). Der [X.] hat von einer Kostenquotelung abgesehen, weil der Kläger nur zu einem geringen Teil unterlegen ist (§ 155 Abs 1 Satz 3 VwGO).

Meta

B 6 KA 24/10 R

17.08.2011

Bundessozialgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: KA

vorgehend SG Marburg, 22. August 2008, Az: S 12 KA 50/08, Urteil

§ 95 Abs 1 S 1 InsO, § 96 Abs 1 Nr 1 InsO

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 17.08.2011, Az. B 6 KA 24/10 R (REWIS RS 2011, 3920)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3920

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