Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.01.2012, Az. 4 StR 290/11

4. Strafsenat | REWIS RS 2012, 10216

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BUNDESGERICHTSHOF

I[X.] NA[X.]EN DES VOLKES

Urteil
4 StR 290/11

vom
12. Januar
2012
in der Strafsache
gegen

1.
2.

wegen schweren Raubes u.a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 12. Januar 2012, an der teilgenommen haben:
[X.] am Bundesgerichtshof
Dr. [X.],

Richterin
am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
[X.] am Bundesgerichtshof
Cierniak,
[X.],
[X.],

Staatsanwalt

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt

als Verteidiger der Angeklagten [X.]

,
Rechtsanwalt

als Verteidiger
der Angeklagten [X.]

,
Rechtsanwalt

als Vertreter der Nebenklägerin,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

-
3
-
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 21. Dezember 2010 in den [X.] mit den jeweils zugrunde liegenden Fest-stellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landge-richts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat die Angeklagten wegen (besonders) schweren [X.] in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung jeweils zu einer Freiheits-strafe von zwei Jahren verurteilt und die Vollstreckung der Strafe bei beiden Angeklagten zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen wendet sich die Staatsan-waltschaft mit ihren
zuungunsten der Angeklagten eingelegten,
jeweils auf die Sachrüge gestützten und wirksam auf die Strafaussprüche
beschränkten Revi-sionen. Die
Rechtsmittel haben Erfolg.
1. Nach den Feststellungen überfielen die Angeklagten am Abend des 12. Januar 2010 einem gemeinsamen Tatplan folgend einen Verkaufskiosk in [X.].

. Sie warteten, bis der einzige
Kunde den Kiosk verlassen hatte, mas-kierten sich und betraten sodann den Kiosk, wobei die Angeklagte [X.]

in Aus-führung des gemeinsamen
Tatentschlusses ein Steakmesser mit einer Klingen-länge von ca. 15 cm in der rechten Hand hielt. Das [X.]esser war
einseitig scharf-1
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kantig gezackt. Die als Verkäuferin
im Kiosk beschäftigte Nebenklägerin
knie-te, mit Reinigungsarbeiten beschäftigt, mit dem Rücken zur Eingangstür vor dem Kühlschrank. Die Angeklagte [X.]

umfasste deren Oberkörper mit dem linken Arm und zog sie hoch. [X.]it der rechten Hand drückte sie der Nebenkläge-rin
das [X.]esser mit der stumpfen Seite an den Hals. Die Angeklagte [X.]

blieb an der Eingangstür stehen und gab Kommandos.
Um den Druck am Hals zu lindern, griff die Nebenklägerin
an
das [X.]esser und zog sich hierbei Schnittverletzungen am [X.]ittelfinger und am Handballen der linken Hand zu. Die Angeklagte [X.]

schob sie um die Verkaufstheke her-um zur Kasse. Die Nebenklägerin
öffnete die Kassenschublade, woraufhin die Angeklagte [X.]

das darin befindliche Geld -
bis auf kleinere [X.] -
in ihre Jackentasche steckte. Die Angeklagte [X.]

, die während der ganzen Zeit abwechselnd den Thekenbereich und die vor dem Kiosk befindliche Straße be-obachtete, rief zu der Angeklagten [X.]

: "Pass
auf, die macht was. Die drückt irgendwo auf den Knopf. [X.]ach was." Obwohl die Nebenklägerin
diese Äuße-rung als
Aufforderung, mit dem [X.]esser zuzustechen,
auffasste und dieserhalb Todesangst verspürte, vermochte sie beruhigend auf die Angeklagte [X.]

ein-zuwirken, so dass es zu keinen Weiterungen kam. Insgesamt erbeuteten die

In der Hauptverhandlung
vor dem [X.]
haben die
geständigen
Angeklagten mit der Nebenklägerin, die an erheblichen psychischen [X.] leidet,
einen Vergleich geschlossen und darin anerkannt, ihr als Gesamtschuld-nerinnen
dem Grunde nach zum Ersatz der aus dem Vorfall resultierenden [X.] und immateriellen Schäden verpflichtet zu sein. Darüber hinaus haben sie sich zur Zahlung eines verzinslichen Schmerzensgeldes in Höhe von 5.000

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-
Das [X.] hat für beide Angeklagte einen minder schweren Fall des (besonders) schweren Raubes bejaht und die Strafen dem nach

2. Der Senat ist ordnungsgemäß besetzt (vgl. [X.], Beschluss vom 11.
Januar 2012

4 StR 523/11).

3. Die Strafaussprüche können
auf die Revisionen
der Staatsanwalt-schaft nicht bestehen bleiben. Sie
weisen
Rechtsfehler zugunsten der Ange-klagten auf.
a) Das [X.] ist
sowohl
bei
der Strafrahmenwahl (§ 250 Abs. 3 StGB) als auch bei der Strafzumessung
im engeren Sinn
von
einem
zu gerin-gen Schuldumfang
ausgegangen
(vgl. [X.], Beschluss vom 25. Oktober 2011

4 [X.]). Es hat nicht bedacht, dass die Angeklagten -
neben der Erfül-lung der Voraussetzungen des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB -
auch die Tatbe-standsalternative des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB verwirklicht haben. Dieser Quali-fikationstatbestand
setzt voraus, dass mindestens zwei Personen bei der Kör-perverletzung bewusst zusammenwirken. Nicht erforderlich ist die eigenhändige [X.]itwirkung jedes einzelnen an der Verletzungshandlung. Vielmehr genügt es, dass eine am Tatort anwesende Person den unmittelbar [X.] aktiv -
physisch oder psychisch
-
unterstützt (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 3.
September 2002

5 StR 210/02, [X.]St 47, 383, 386 f.; Beschluss vom 14.
Oktober 1999

4 [X.]/99,
NStZ 2000, 194, 195; Urteil vom [X.] 2005

4 StR 347/05, [X.]R StGB § 224 Abs. 1 Nr. 4 gemeinschaftlich 3).
So verhält es sich hier. Die Angeklagte [X.]

befand sich im unmittelbaren [X.]. Sie hat mit der Angeklagten [X.]

, die
auf Grund des zuvor gefass-ten gemeinsamen Tatplans
das [X.]esser gegen die Nebenklägerin
einsetzte und diese damit verletzte,
täterschaftlich zusammengewirkt, indem sie das Tatobjekt 5
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-
durch ständige Beobachtung absicherte,
durch verbale Ausrufe mit ihrer Tatge-nossin
kommunizierte
und nach der Tat das Fluchtfahrzeug steuerte; auch teil-ten die Angeklagten die Beute anschließend hälftig unter sich auf.
b) Die Annahme des [X.]s, die Voraussetzungen
des Täter-Opfer-Ausgleichs
seien erfüllt,
hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
aa) Wie der [X.] zutreffend ausgeführt hat, muss, wenn wie hier durch eine Tat mehrere Opfer betroffen sind, hinsichtlich jedes Geschädigten jedenfalls eine Alternative des § 46 a StGB erfüllt sein (vgl.
[X.], Urteil vom 25. [X.]ai 2001

2 [X.], [X.], 364, 365 f.
mit Anm. Dölling/Hartmann;
Theune in [X.], 12. Aufl., § 46 a Rn. 47 m.w.N.). Neben der Nebenklägerin
war der Betreiber des Kiosks Opfer der Tat; das von den Angeklagten erbeutete Geld stand in seinem Eigentum. Das Urteil verhält sich jedoch nicht dazu, ob und ggf. wie die Angeklagten den Inhaber des Kiosks in ihre [X.] einbezogen haben.
bb) Aber auch die Bejahung der Voraussetzungen
eines erfolgreichen Täter-Opfer-Ausgleichs im Verhältnis nur zur Nebenklägerin
begegnet durch-greifenden rechtlichen Bedenken.
Das Urteil bezeichnet schon die Fallgruppe
des § 46
a StGB, die
das [X.] hier annehmen wollte, nicht eindeutig. § 46 a Nr. 1 StGB bezieht sich vor allem auf den Ausgleich der immateriellen Folgen einer Straftat, die auch bei [X.] denkbar sind, während § 46 a Nr. 2 StGB den [X.] Schadensersatz betrifft. Da durch die Straftat der Angeklagten bei der Nebenklägerin
vor allem immaterielle Schäden hervorgerufen worden sind, be-stimmt sich der für eine Strafrahmenmilderung erforderliche Ausgleich -
jeden-falls vorrangig -
nach §
46 a Nr. 1 StGB (vgl. [X.], Urteil vom 25. [X.]ai 2001

2 [X.], [X.], 364, 365).
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-
Diese Bestimmung verlangt, dass der Täter in dem Bemühen, einen
at; es ist aber auch ausreichend, dass der Täter die-ses Ziel ernsthaft erstrebt. Das Bemühen des [X.] setzt
grundsätzlich
einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen um-fassenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen gerichtet sein muss ([X.], Urteil vom
31. [X.]ai 2002

2 [X.], [X.], 646). Dafür ist eine von beiden Seiten akzeptierte, ernsthaft mitgetragene Regelung [X.]. Das ernsthafte Bemühen des [X.] muss Ausdruck der Übernahme von Verantwortung sein, und das Opfer muss die Leistung des [X.] als [X.] Ausgleich akzeptieren ([X.], Urteil vom 27. August 2002

1 [X.], [X.], 29, 30). Regelmäßig sind tatrichterliche Feststellungen [X.] erforderlich, wie sich das Opfer zu den Anstrengungen des [X.] gestellt hat, wie sicher die Erfüllung einer etwaigen Schmerzensgeldzahlungsverpflich-tung ist und welche Folgen diese Verpflichtung für den Täter haben wird (vgl. [X.] aaO sowie Beschlüsse vom 22. August 2001

1 [X.], [X.], 29,
und
vom
9. September 2004 -
4 [X.], insoweit in [X.], 97 nicht abgedr.).
Das [X.] hat diese [X.]aßstäbe nicht beachtet. Zwar hat die [X.] mit den Angeklagten einen Vergleich geschlossen
(vgl. dazu [X.], Urteil vom 19. Oktober 2011 -
2 StR 344/11). Das Urteil trifft aber insbesondere keine Feststellungen zu der Frage, wie wahrscheinlich die [X.] Zahlung des vereinbarten Schmerzensgeldes in Höhe von 5g-ten ist. Beide Angeklagte leben von staatlichen Transferleistungen. Sie sind alleinerziehend und erhalten für ihre Kinder keine Unterhaltszahlungen, sondern lediglich Leistungen nach dem [X.]. Beide Angeklagte sind verschuldet. Anlass für die abgeurteilte
Straftat waren Rechnungen, [X.] die Angeklagten am Tattag jeweils erhalten hatten und nicht bezahlen 13
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konnten. Von dem erbeuteten Geld kauften beide Angeklagte am nächsten Tag Lebensmittel; die Angeklagte [X.]

beglich außerdem einen Teil einer offenen Stromrechnung. Anhaltspunkte dafür, dass sich die finanzielle Situation der [X.] zwischen der Tat und der Urteilsverkündung grundlegend geändert hätte, sind nicht vorhanden. Außerdem folgt entgegen der Auffassung des [X.]s (UA 17) aus der Tatsache des [X.] allein noch f-tenden Ausgleich akzeptiert hat (vgl. [X.], Urteile vom 19. Dezember 2002

1 [X.], [X.]St 48, 134, 147, und
vom 6. Februar 2008

2 [X.], [X.]R StGB § 46 a Voraussetzungen 1). Den Urteilsfeststellungen kann nicht entnommen werden, ob
es sich bei dem in der Hauptverhandlung geschlosse-nen Vergleich um ein "ernsthaftes Bemühen" um Schadenswiedergutmachung
oder
um ein taktisches Vorgehen in der Hoffnung auf eine mildere Strafe ge-handelt hat.
4. Auf die weiteren Angriffe der Revisionsführerin kommt es nach allem nicht mehr an. Auch braucht der Senat nicht der Frage nachzugehen, ob sich die verhängten

nach [X.] und [X.] sehr milden

Strafen nach unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so
weit lösen, dass
sie nicht mehr innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten Spielraums liegen
(vgl. [X.], Urteile
vom 27. Oktober 1970

1 [X.], [X.]St 24, 132, 133 f., vom 17. September 1980

2 StR 355/80, [X.]St 29, 319, 321, vom 8. No-vember 1989

3 StR 368/89, [X.], 84 f., und vom 21. [X.]ai 1992

4 StR 577/ 91, [X.]R StGB § 46 Abs. 1 Beurteilungsrahmen 13).
Der nunmehr zur Entscheidung berufene
Tatrichter
wird Gelegenheit ha-ben, den vom [X.] in seiner Terminszuschrift erhobenen Be-denken wegen einer unterlassenen Gesamtstrafenbildung im Hinblick auf die Angeklagte [X.]

nachzugehen.
Dabei wird er zu beachten haben, dass nach 15
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Aufhebung des Strafausspruchs in der erneuten Verhandlung eine Gesamt-strafenbildung gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB grundsätzlich nach [X.]aßgabe der Vollstreckungssituation zum Zeitpunkt der ersten Verhandlung vorzuneh-men ist ([X.], Beschluss vom 10. November 2011

3 StR 355/11 m.w.N.).
[X.] Roggenbuck Cierniak

[X.]utzbauer [X.]

Meta

4 StR 290/11

12.01.2012

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.01.2012, Az. 4 StR 290/11 (REWIS RS 2012, 10216)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 10216

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4 StR 290/11

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4 StR 455/11

2 StR 344/11

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