Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.02.2011, Az. 5 StR 563/10

5. Strafsenat | REWIS RS 2011, 9637

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Gegenstand

Betreiben unerlaubter Bankgeschäfte: Hochspekulative Anlagekonstruktion und Begriff des Einlagengeschäfts im Sinne des KWG


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 24. Juni 2010 gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum vorsätzlichen Betreiben unerlaubter Bankgeschäfte zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Zugleich wurde angeordnet, dass drei Monate der verhängten Strafe wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung als verbüßt gelten. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Revision eingelegt, die mit der Sachrüge erfolgreich ist.

I.

2

Der Angeklagte war Rechtsanwalt und Notar. In dieser Eigenschaft fungierte er nach den Feststellungen des [X.]s als notarieller Treuhänder von [X.], die der anderweitig verfolgte [X.] eingeworben hatte. Dabei nutzte [X.] formularmäßige Vertragsentwürfe. Für die eingeworbenen Kapitalanlagen, die mindestens 20.000 € betragen mussten, stellte er eine hohe Rendite bis zum zehnfachen der Einlage innerhalb von zehn bis 16 Wochen in Aussicht. In § 4 des [X.] war hinsichtlich der „Gewinnverteilung“ vorgesehen, dass dem „Anleger“ die Rendite, [X.] aber der eingezahlte Betrag zustehen sollte. Die Treuhandkonten wurden vom Angeklagten dergestalt geführt, dass auf den von [X.] eröffneten Konten dem Angeklagten – gemeinschaftlich mit [X.] – eine Verfügungsbefugnis eingeräumt wurde. Dem Angeklagten floss – teilweise über seine Ehefrau – für seine Tätigkeit eine Vergütung von etwa 250.000 € zu.

3

Das [X.] hat die Geschäfte des [X.] als Bankgeschäfte (§ 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG) angesehen. Es handele sich um [X.] (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG). Diese habe [X.] ohne die hierfür erforderliche Erlaubnis (§ 32 Abs. 1 KWG) getätigt. Die von ihm geschlossenen „[X.]“ seien solche [X.], weil er mit den eingenommenen Geldern die in Aussicht gestellten Renditen habe erwirtschaften wollen.

II.

4

Die vom [X.] getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch nicht, weil sich ihnen nicht zweifelsfrei entnehmen lässt, dass es sich bei den von den Anlegern eingeworbenen Geldern um [X.] im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG handelte.

5

1. Nach § 32 Abs. 1 KWG ist der gewerbsmäßige Betrieb von Bankgeschäften erlaubnispflichtig. Zu den von der Erlaubnispflicht umfassten Bankgeschäften zählen nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG die so genannten [X.]. Das Einlagengeschäft ist in Nummer 1 dieses Absatzes legal definiert als die Annahme fremder Gelder als Einlagen oder anderer unbedingt rückzahlbarer Gelder des Publikums, sofern der Rückzahlungsanspruch nicht in Inhaber- oder Orderschuldverschreibungen verbrieft wird. Den in diesem Gesetz nicht weiter erläuterten Begriff der Einlage hat die Rechtsprechung des [X.] unter Bezugnahme auf Meinungsäußerungen des [X.] und der [X.] in mehreren Entscheidungen näher konkretisiert. Danach liegt eine Einlage in der Regel vor, wenn jemand von einer Vielzahl von Geldgebern, die keine Kreditinstitute im Sinne des § 1 Abs. 1 KWG sind, fremde Gelder aufgrund [X.] Verträge zur unregelmäßigen Verwahrung, als Darlehen oder in ähnlicher Weise ohne Bestellung banküblicher Sicherheiten laufend annimmt und die Gelder nach Fälligkeit von den Gläubigern jederzeit zurückgefordert werden können ([X.], Beschluss vom 24. August 1999 – 1 [X.], [X.]R KWG § 1 Einlage 1; vgl. auch [X.], Urteil vom 13. April 1994 – [X.], [X.]Z 125, 366, 380). Eine Einlage ist dabei regelmäßig dadurch geprägt, dass das eingelegte Geld dem damit finanzierten Aktivgeschäft dient ([X.], Beschluss vom 17. April 2007 – 5 [X.], [X.], 647). Notwendig ist danach jedenfalls, dass nach den zugrunde liegenden zivilrechtlichen Abreden das angelegte Geld nach Fälligkeit zurückzuzahlen ist. Insoweit ist die Einlage insbesondere von gesellschaftsrechtlichen Anlageformen (wie stillen Beteiligungen) abzugrenzen. Keine Einlage in diesem Sinne liegt deshalb vor, wenn nach dem zivilrechtlichen Grundgeschäft das eingelegte Geld an dem unternehmerischen Risiko des Aktivgeschäfts partizipieren soll.

6

2. Ob im vorliegenden Fall von einer Einlage im vorgenannten Sinne ausgegangen werden kann, wird von der Revision zu Recht bezweifelt. Die bruchstückhafte Darstellung in den Urteilsgründen bezüglich der getätigten Kapitalanlagen trägt eine Verurteilung wegen ungenehmigter Bank-(Einlage-)geschäfte nicht. Für eine Einlage mag sprechen, dass die Einschaltung eines Treuhänders auf den ersten Blick den Anschein für eine gesicherte unbedingte Rückzahlbarkeit der Gelder nach Fälligkeit erweckt. Andererseits wird aus den Urteilsgründen die Funktion des Treuhänders nicht deutlich, weil die eingezahlten Gelder angeblich für eine Anlage in ein anderes Aktivgeschäft vorgesehen waren.

7

Zudem lassen sich aus den Urteilsgründen Umstände entnehmen, welche die Annahme eines Einlagengeschäfts in Frage stellen. Nach den Feststellungen war die Anlage als „Joint-Venture“ bezeichnet. Schon dies legt nahe, dass das eingelegte Kapital Risikokapital sein sollte. Nach § 3 des Vertrages stand das eingelegte Geld dem „Investor“ (also [X.] ) zu, der Anleger sollte lediglich die hieraus erwirtschaftete Rendite erhalten ([X.]). Dies lässt auf eine Anlagenkonstruktion schließen, die darauf gerichtet ist, den Anleger am Gewinn und am Verlust seiner Anlage zu beteiligen. Eine solche Anlage unterfiele nicht dem Begriff des Einlagengeschäfts.

8

Maßgeblich ist, welche Vorstellung die Anleger nach den Aussagen des [X.] von der Verwendung der Gelder hatten. Dies hat das Tatgericht nach den allgemeinen Grundsätzen der Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) unter Einbeziehung aller wesentlichen Umstände zu würdigen. Eine solche Gesamtbewertung ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen.

III.

9

Das Urteil war deshalb insgesamt aufzuheben. Das neue Tatgericht wird anhand der vorgenannten Kriterien umfassend zu prüfen haben, ob die Kapitaleinwerbung des Haupttäters [X.] [X.] im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG betraf. In diesem Zusammenhang ist weiter zu beachten, dass gegen den Einlagecharakter der Anlage auch die außergewöhnliche Höhe der in Aussicht gestellten Gewinne sprechen kann. Hierbei handelt es sich regelmäßig nicht um das Entgelt für die Überlassung des Kapitals. Bei solchen Geschäften geht es vielmehr um Investitionen, bei denen das volle unternehmerische Risiko einer später möglicherweise entstehenden Zahlungsunfähigkeit des Empfängers besteht. In Fällen hochspekulativer Anlagen erfordert es auch nicht der Schutzzweck der Norm, nämlich das breite Publikum vor Verlusten ihrer Kapitalanlagen zu bewahren, diese Zahlungen als Einlagengeschäft anzusehen ([X.], Urteil vom 9. März 1995 – [X.], [X.]Z 129, 90, 96 f.).

Das neue Tatgericht wird zudem zu bedenken haben, ob es den nach § 154a Abs. 2 StPO ausgeschiedenen Vorwurf des Betrugs wieder in das Verfahren einbezieht. Angesichts der Versprechungen ungewöhnlicher Renditen bis zum zehnfachen des einbezahlten Geldes und der erheblichen Zuwendungen (250.000 €), die der Angeklagte für seine Treuhandtätigkeit erhalten hatte, lässt sich aufgrund der Urteilsfeststellungen die vom [X.] vorgenommene Verfahrensbeschränkung nicht ohne weiteres nachvollziehen.

[X.]                              Raum                            Brause

                    [X.]

Meta

5 StR 563/10

09.02.2011

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Berlin, 24. Juni 2010, Az: (519) 3 Wi Js 465/03 - Kls (7/07), Urteil

§ 1 Abs 1 S 2 Nr 1 KredWG, § 32 Abs 1 KredWG, § 54 Abs 1 Nr 2 KredWG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.02.2011, Az. 5 StR 563/10 (REWIS RS 2011, 9637)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 9637

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