Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 22.10.2020, Az. 4 B 18/20

4. Senat | REWIS RS 2020, 4190

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Gegenstand

Einfügen nach der Grundstücksfläche, die überbaut werden kann


Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] für das [X.] vom 20. Januar 2020 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 30 000 € festgesetzt.

Gründe

1

Die auf sämtliche Zulassungsgründe gestützte [X.]eschwerde hat keinen Erfolg.

2

1. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche [X.]edeutung, die ihr die [X.]eschwerde zumisst.

3

Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer [X.]edeutung über den der [X.]eschwerde zu Grunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. Daran fehlt es hier.

4

Die Frage,

ob grundsätzlich Referenzobjekte zur [X.]eurteilung der überbaubaren Grundstücksflächen in einem nach § 34 [X.]auG[X.] zu beurteilenden [X.]augebiet auch solche in einem angrenzenden, durch [X.]auplanungsrecht geregelten [X.]ereich liegende Objekte sein können,

verhilft der [X.]eschwerde nicht zum Erfolg. Sie ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt. Danach reicht der die nähere Umgebung im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 [X.]auG[X.] bildende [X.]ereich so weit, wie sich die Ausführung des zur Genehmigung gestellten Vorhabens auswirken kann und wie die Umgebung ihrerseits den [X.] [X.]harakter des [X.]augrundstücks prägt oder doch beeinflusst (stRspr, vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 8. Dezember 2016 - 4 [X.] 7.15 - [X.]VerwGE 157, 1 Rn. 9 m.w.N.), wobei auf das abzustellen ist, was in der Umgebung tatsächlich vorhanden ist ([X.]VerwG, Urteil vom 5. Dezember 2013 - 4 [X.] 5.12 - [X.]VerwGE 148, 290 Rn. 10; [X.]eschluss vom 13. Mai 2014 - 4 [X.] 38.13 - Zf[X.]R 2014, 574 Rn. 7). Hierzu kann auch eine bereits verwirklichte [X.]ebauung in einem durch (einfachen, vorhabenbezogenen oder qualifizierten) [X.]ebauungsplan überplanten Gebiet gehören ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 27. März 2018 - 4 [X.] 60.17 - Zf[X.]R 2018, 479 Rn. 7 m.w.N.). Einen über diese Rechtsprechung hinausgehenden Klärungsbedarf zeigt die [X.]eschwerde nicht auf.

5

2. Die [X.]eklagte legt eine Abweichung des [X.]erufungsurteils von dem Urteil des Senats vom 8. Dezember 2016 - 4 [X.] 7.15 - ([X.]VerwGE 157, 1) sowie von dem [X.]eschluss vom 13. Mai 2014 - 4 [X.] 38.13 - ([X.]uchholz 406.11 § 34 [X.]auG[X.] Nr. 217) nicht dar. In der Sache wirft sie dem [X.]erufungsgericht vor, diese Entscheidungen in dem angegriffenen Urteil zwar erkannt und dargelegt, jedoch fehlerhaft angewendet zu haben. Eine die Zulassung der Revision rechtfertigende Divergenz lässt sich damit nicht begründen (stRspr, vgl. etwa [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 30. Oktober 2019 - 4 [X.] 37.18 - juris Rn. 14 m.w.N.).

6

3. Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Das [X.]erufungsgericht hat den Anspruch der [X.]eklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO) nicht verletzt.

7

Die [X.]eklagte rügt, das [X.]erufungsgericht habe den noch vor dem Ortstermin mit Schreiben vom 9. Januar 2020 übersandten [X.]ebauungsplan 5281/24 für die Grundstücke N.straße ... und ... nicht zur Kenntnis genommen. So enthalte der Sachverhalt keinerlei Ausführungen zu den Festsetzungen des Plans. Auch in der [X.]egründung des Urteils sei der [X.]ebauungsplan nicht gewürdigt worden, obwohl es nach ihrem Vortrag - und auch objektiv - auf den Plan für die bauplanungsrechtliche [X.]eurteilung des unmittelbar neben dem Plangebiet im unbeplanten Innenbereich liegenden Vorhabengrundstücks maßgeblich angekommen sei. Ein Verfahrensfehler wird hiermit nicht aufgezeigt.

8

Der Anspruch auf rechtliches Gehör verlangt, dass ein Gericht den Vortrag der [X.]eteiligten zur Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidung in Erwägung zieht. Daraus folgt jedoch nicht die Pflicht des Gerichts, jedes Vorbringen der [X.]eteiligten zu bescheiden (stRspr, z.[X.]. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 5. August 1998 - 11 [X.] 23.98 - juris Rn. 9 unter [X.]ezugnahme auf [X.]VerfG, [X.]eschlüsse vom 19. Mai 1992 - 1 [X.]vR 986/91 - [X.]VerfGE 86, 133 <145 f.> und vom 17. November 1992 - 1 [X.]vR 168, 1509/89 und 638, 639/90 - [X.]VerfGE 87, 363 <392 f.>). Allein aus dem Schweigen der Entscheidungsgründe zu Einzelheiten des [X.]eklagtenvortrags kann deshalb noch nicht der Schluss gezogen werden, das Gericht habe das Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen oder in Erwägung gezogen. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs kann vielmehr nur festgestellt werden, wenn sich dies aus den besonderen Umständen des Falles deutlich ergibt (stRspr, z.[X.]. [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 5. Februar 1999 - 9 [X.] 797.98 - [X.]uchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 4 und vom 10. Januar 2017 - 4 [X.] 18.16 - juris § 215 [X.]auG[X.] Nr. 19>). Geht das Gericht auf den wesentlichen Teil eines Tatsachenvortrags eines [X.]eklagten zu einer Frage, die für das Verfahren von wesentlicher [X.]edeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war ([X.]VerfG, [X.]eschluss vom 19. Mai 1992 - 1 [X.]vR 986/91 - [X.]VerfGE 86, 133 <145 f.>; [X.]VerwG, Urteile vom 20. November 1995 - 4 [X.] 10.95 - [X.]uchholz 310 § 108 VwGO Nr. 267 S. 23 und vom 18. Dezember 2014 - 4 [X.] 35.13 - NVwZ 2015, 656 Rn. 42). Gemessen hieran hat das Oberverwaltungsgericht den Anspruch der [X.]eklagten auf rechtliches Gehör nicht verletzt.

9

Ausweislich des Tatbestandes der angefochtenen Entscheidung ([X.]) hat das [X.]erufungsgericht den Umstand, dass die [X.]ebauung auf den Grundstücken N.straße ... und ... auf dem [X.]ebauungsplan 5281/24 beruht, zur Kenntnis genommen. Nach der Rechtsauffassung des [X.]erufungsgerichts kommt es jedoch für die [X.]estimmung des Rahmens, den die nähere Umgebung für eine künftige [X.]ebauung nach § 34 Abs. 1 Satz 1 [X.]auG[X.] vorgibt, nur auf bauliche Anlagen an, die optisch wahrnehmbar und nach Art und Gewicht geeignet sind, ein Gebiet als einen Ortsteil mit einem bestimmten städtebaulichen [X.]harakter zu prägen. Ausgehend von dieser Rechtsauffassung bedurfte es keiner Erörterung der Festsetzungen des [X.]ebauungsplans 5281/24. In den [X.]lick zu nehmen war allein die durch den [X.]ebauungsplan zugelassene und verwirklichte [X.]ebauung, die nach den bindenden Feststellungen des [X.]erufungsgerichts zur näheren Umgebung des [X.]auvorhabens im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 [X.]auG[X.] gehört.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Meta

4 B 18/20

22.10.2020

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 20. Januar 2020, Az: 10 A 591/18, Urteil

§ 34 Abs 1 S 1 BauGB

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 22.10.2020, Az. 4 B 18/20 (REWIS RS 2020, 4190)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 4190

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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