Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.10.2013, Az. VIII ZB 61/12

8. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 2240

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Gegenstand

Kosten eines selbstständigen Beweisverfahrens als Gerichtskosten des nachfolgenden von einem Rechtsschutzversicherer in Prozessstandschaft geführten Hauptsacheverfahrens


Leitsatz

Zur Festsetzung der Kosten eines selbständigen Beweisverfahrens als Gerichtskosten des nachfolgenden - von einem Rechtsschutzversicherer in Prozessstandschaft für seine Versicherungsnehmer geführten - Hauptsacheverfahrens.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Beklagten gegen den Beschluss der Zivilkammer 82 des [X.] vom 19. September 2012 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

[X.]: 5.222,90 €

Gründe

I.

1

Die Versicherungsnehmer der Klägerin führten vor dem [X.] ein selbständiges Beweisverfahren wegen Mängeln des von ihnen gemieteten Hauses gegen den [X.] als ihren Vermieter. Die Klägerin verauslagte in dem selbständigen Beweisverfahren für ihre Versicherungsnehmer als deren Rechtsschutzversicherer Gerichts- und Rechtsanwaltsgebühren sowie Sachverständigenkosten in Höhe von insgesamt 5.222,90 €. Eine Kostengrundentscheidung im selbständigen Beweisverfahren erging nicht.

2

Die Klägerin hat gegen den [X.] zunächst Klage auf Zahlung von 5.222,90 € erhoben. Auf Hinweis des Amtsgerichts, ein auf die Klägerin übergegangener Schadensersatzanspruch sei derzeit nicht schlüssig dargelegt, hat diese die Klage umgestellt und beantragt festzustellen, dass der Beklagte zur Beseitigung der in dem selbständigen Beweisverfahren mit Gutachten vom 7. Dezember 2007 festgestellten Mängel verpflichtet war. Das Amtsgericht hat die Feststellungsklage als unzulässig abgewiesen. Die Klägerin hat Berufung eingelegt, mit der sie ihren Feststellungsantrag als Hauptantrag aufrechterhalten und hilfsweise ihren erstinstanzlichen [X.] wieder aufgegriffen hat. Das [X.] hat mit Urteil vom 31. Mai 2011 das amtsgerichtliche Urteil abgeändert und dem Feststellungsantrag stattgegeben. Die Kosten des Rechtsstreits hat es dem [X.] auferlegt und den Streitwert auf 5.222,90 € festgesetzt.

3

Im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren hat das Amtsgericht als Teil der von dem [X.] an die Klägerin zu erstattenden Kosten auf Antrag der Klägerin auch die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens in Höhe von 5.222,90 € festgesetzt. Das [X.] hat die sofortige Beschwerde des [X.] gegen den [X.] zurückgewiesen. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Beklagte weiterhin die Zurückweisung des Antrags der Klägerin auf Festsetzung der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens.

II.

4

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässig (§ 575 ZPO), hat in der Sache aber keinen Erfolg.

5

1. Das [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

6

Die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens in Höhe von 5.222,90 € seien Kosten des hiesigen Rechtsstreits und damit von der Kostengrundentscheidung des Urteils des [X.]s vom 31. Mai 2011 umfasst. Die Identität des Streitgegenstands sei gegeben, weil beide Verfahren Mängel des vom [X.] gemieteten Hauses betroffen hätten. Damit wären die damaligen Antragsteller des selbständigen Beweisverfahrens berechtigt gewesen, durch eine Feststellungsklage wie die hiesige einen Kostentitel herbeizuführen, der dann auch die Kosten des als notwendig anzusehenden Beweisverfahrens umfasst hätte.

7

Der gesetzliche Übergang des materiell-rechtlichen [X.] nach § 86 [X.] ändere daran nichts. Dass die Klage von der in das Verhältnis eingetretenen Versicherung erhoben worden sei, stehe der Personenidentität nicht entgegen. Die Kosten eines unter Beteiligung des ursprünglichen Gläubigers vor der späteren Abtretung geführten selbständigen Beweisverfahrens würden von der Kostenentscheidung in dem vom neuen Gläubiger gegen den Schuldner geführten Rechtsstreit erfasst. Was für die freiwillige Zession gelte, müsse erst recht für den gesetzlichen Forderungsübergang gelten.

8

2. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.

9

a) Zutreffend geht das [X.] von dem Grundsatz aus, dass die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens zu den Kosten des anschließenden Hauptsacheverfahrens gehören und von der darin getroffenen Kostenentscheidung dann umfasst werden, wenn Parteien und Streitgegenstand des Hauptsacheverfahrens mit denen des Beweisverfahrens identisch sind ([X.], Beschluss vom 10. Januar 2007 - [X.] 231/05, NJW 2007, 1282 Rn. 9; [X.], Beschluss vom 21. Oktober 2004 - [X.], [X.], 294 unter [X.]; [X.], Beschluss vom 22. Juli 2004 - [X.], NJW-RR 2004, 1651 unter II).

Auch trifft es zu, dass die einseitige Erklärung des Antragstellers, ein selbständiges Beweisverfahren sei in der Hauptsache erledigt, keine Kostengrundentscheidung gegen den Antragsteller ermöglicht; denn in diesem Verfahren ergeht grundsätzlich keine Kostenentscheidung ([X.], Beschluss vom 12. Februar 2004 - [X.], NJW-RR 2004, 1005 unter [X.] mwN). Nimmt der Antragsgegner nach der Erhebung des beantragten Beweises eine Handlung vor, die das Interesse des Antragstellers entfallen lässt, den Antragsgegner hierauf klageweise in Anspruch zu nehmen, steht dem Antragsteller jedoch die Klage auf Feststellung offen, dass der Antragsgegner zu der vorgenommenen Handlung verpflichtet war; obsiegt er in diesem Verfahren, erreicht er eine Kostengrundentscheidung, die die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens umfasst ([X.], Beschluss vom 12. Februar 2004 - [X.], aaO unter III 2).

b) Nach diesen Grundsätzen hat das Amtsgericht aufgrund des der Feststellungsklage stattgebenden Urteils des [X.]s vom 31. Mai 2011 die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens mit Recht als Teil der Kosten des Feststellungsrechtsstreits gegen den [X.] festgesetzt.

aa) Die Feststellungsklage und das ihr vorangegangene selbständige Beweisverfahren betreffen in der Sache denselben Gegenstand, nämlich Mängel des von den Versicherungsnehmern der Klägerin gemieteten Hauses und die Feststellung der aus dem Mietverhältnis folgenden Beseitigungspflicht des [X.] gegenüber den Versicherungsnehmern der Klägerin in Bezug auf diese Mängel. Das stellt auch die Rechtsbeschwerde nicht in Frage.

bb) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde fehlt es nicht an der erforderlichen Identität der Parteien des selbständigen Beweisverfahrens und des Hauptsacheverfahrens. Zwar hat anstelle der Versicherungsnehmer der Klägerin, die das selbständige Beweisverfahren betrieben haben, die Klägerin selbst Klage auf Feststellung erhoben, dass der Beklagte - gegenüber ihren Versicherungsnehmern - zur Beseitigung der Mängel verpflichtet war. Das steht der Kostenfestsetzung aber nicht entgegen.

(1) Allerdings lässt sich die Identität der Parteien des selbständigen Beweisverfahrens und des Hauptsacheverfahrens entgegen der Auffassung des [X.] nicht aus § 86 [X.] herleiten. Denn die Klägerin ist nicht Rechtsnachfolgerin ihrer Versicherungsnehmer hinsichtlich des Mangelbeseitigungsanspruchs geworden, dessen Feststellung sie mit ihrer Klage begehrt.

Nach § 86 [X.] gehen lediglich Ansprüche über, die dem versicherten Risiko entsprechen, im Fall einer Rechtsschutzversicherung also materiell-rechtliche und prozessuale Kostenerstattungsansprüche, nicht aber ein mietrechtlicher Mangelbeseitigungsanspruch des Versicherungsnehmers. Die Klägerin hat einen nach § 86 [X.] übergangsfähigen (materiell-rechtlichen) Kostenerstattungsanspruch ihrer Versicherungsnehmer hinsichtlich der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens mit ihrer ursprünglichen Zahlungsklage zunächst auch geltend gemacht, ist dann aber zu einer Klage auf Feststellung der Beseitigungspflicht des [X.] übergegangen, um hinsichtlich der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens eine Kostengrundentscheidung und damit einen die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens umfassenden prozessualen Kostenerstattungsanspruch zu erwirken. Dieser prozessuale Kostenerstattungsanspruch ist mit Klageerhebung - aufschiebend bedingt - originär in der Hand der Klägerin entstanden und nicht gemäß § 86 [X.] von den Versicherungsnehmern der Klägerin auf diese übergegangen. Da eine Rechtsnachfolge nach § 86 [X.] insoweit nicht eingetreten ist, kann diese Bestimmung nicht zur Begründung der [X.] herangezogen werden.

(2) Jedoch hat die Klägerin, wie sich aus ihrem Antrag und dem Tenor des landgerichtlichen Urteils im Hauptsacheverfahren ergibt, fremde Rechte - nämlich die Feststellung des Beseitigungsanspruchs ihrer Versicherungsnehmer gegenüber dem [X.] aus deren Mietverhältnis - im eigenen Namen und damit in gewillkürter Prozessstandschaft geltend gemacht. Das reicht aus, um eine Identität der Parteien des selbstständigen Beweisverfahrens und des Hauptsacheverfahrens anzunehmen. Die Klage in zulässiger Prozessstandschaft steht für die Zwecke der Kostenfestsetzung der Klage des materiellen Rechtsinhabers gleich (vgl. [X.], [X.] 1986, 1087; [X.]/[X.]/[X.], RVG, 9. Aufl., [X.] Teil 3 Vorbem. 3 Rn. 81; [X.]/Müller-Rabe, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 20. Aufl., [X.] Rn. 48; [X.]/Pastor, [X.], 14. Aufl., Rn. 124).

Aufgrund des der Klage stattgebenden Urteils im Hauptsacheverfahren vom 31. Mai 2011 steht fest, dass die Feststellungsklage zulässig war und also auch die Voraussetzungen für die gewillkürte Prozessstandschaft der Klägerin vorgelegen haben, insbesondere das schutzwürdige Eigeninteresse der Klägerin an der Erwirkung einer Kostengrundentscheidung gegen den [X.] und die Ermächtigung zur Prozessführung seitens ihrer Versicherungsnehmer. Im Kostenfestsetzungsverfahren findet eine erneute Prüfung der Zulässigkeit der Klage nicht statt.

bb) Vergeblich macht die Rechtsbeschwerde schließlich noch geltend, die Kosten des Beweisverfahrens seien jedenfalls keine notwendigen Kosten im Sinne des § 91 ZPO, weil die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens wegen einer bereits vor Einleitung des Beweisverfahrens erfolgten Zusage des [X.], die Mängel zu beseitigen, nicht erforderlich gewesen sei.

Die (gerichtlichen) Kosten des selbständigen Beweisverfahrens stellen Gerichtskosten, keine außergerichtlichen Kosten des nachfolgenden Hauptsacheverfahrens dar ([X.], Beschlüsse vom 18. Dezember 2002 - [X.], NJW 2003, 1322 unter [II] 3 a; vom 24. Juni 2004 - [X.], [X.], 44 unter 2). Die teilweise oder vollständige Überflüssigkeit eines selbständigen Beweisverfahrens muss im Hauptsacheverfahren geltend gemacht werden und kann - in entsprechender Anwendung des § 96 ZPO - zu einer dies berücksichtigenden Kostenentscheidung führen. Hat das Gericht der Hauptsache - wie hier - von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht, scheidet eine Korrektur der Kostengrundentscheidung im Wege der Kostenfestsetzung aus; es sind dann die gesamten Kosten des selbständigen Beweisverfahrens entsprechend dem [X.] von der unterlegenen Partei zu tragen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 9. Februar 2006 - [X.], NJW-RR 2006, 810 Rn. 14 f.; vom 24. Juni 2004 - [X.], aaO; [X.]/Müller-Rabe, aaO [X.] Rn. 34 f., 64; [X.]/Pastor, aaO Rn. 126).

Ball                       Dr. Frellesen                       Dr. Milger

           Dr. Fetzer                         Dr. Bünger

Meta

VIII ZB 61/12

08.10.2013

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Berlin, 19. September 2012, Az: 82 T 330/12

§ 91 ZPO, § 86 VVG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.10.2013, Az. VIII ZB 61/12 (REWIS RS 2013, 2240)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2240

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Referenzen
Wird zitiert von

VIII ZR 22/23

VI ZR 520/16

VI ZR 520/16

VI ZB 36/14

VII ZB 8/14

VIII ZB 61/12

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