Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.11.2010, Az. XI ZB 23/10

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 970

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS [X.] vom 30. November 2010 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: [X.] 1 Werden Ansprüche aus einer vorvertraglichen [X.], die nicht Gegenstand eines Musterverfahrens nach dem [X.] ([X.]) sein können, in einer Klage neben Ansprüchen aus zivilrechtlicher Prospekthaftung im engeren Sinne geltend gemacht, für die ein im Klageregister bekannt gemachtes Musterverfahren von Bedeutung sein kann, so ist eine Aussetzung des gesamten Rechtsstreits nach § 7 Abs. 1 [X.] unzulässig, solange nicht über die Ansprüche aus vorvertraglicher [X.] entschieden worden ist. [X.], Beschluss vom 30. November 2010 - [X.] - [X.] LG München I - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.] und [X.] Ellenberger, [X.], [X.] und [X.] am 30. November 2010 beschlossen: Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des 5. Zivilsenats des [X.] vom 25. Juni 2010 wird zurückgewiesen. Gründe: [X.] 1. Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz im [X.] mit der von ihm am 15. Juni 2004 gezeichneten Beteiligung an der [X.]Medienfonds GmbH & Co. KG (im Folgenden: Fonds). 1 Er stützt sein Klagebegehren zum einen auf eine angebliche Prospekt-verantwortung der Beklagten unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer Pros-pekthaftung im engeren Sinne mit der Begründung, der für die Anlage heraus-gegebene Prospekt sei inhaltlich aus verschiedenen Gründen falsch. Zum an-deren nimmt er die Beklagte als die seine Beteiligung finanzierende Bank in Anspruch mit der Begründung, die Beklagte habe Aufklärungspflichten bei [X.] verletzt. 2 - 3 - Gesellschaftszweck des Fonds ist die weltweite Entwicklung, ([X.], Verwertung und Vermarktung und der Vertrieb von Kino-, TV- und Musikproduktionen sowie anderer audiovisueller Produktionen nebst Ne-benrechten. Das [X.] sieht eine obligatorische Fremdfinanzierung je-des Anlegers in Höhe von 45,5% des [X.] durch die Beklagte vor. Die vom Kläger gezeichnete Anlage entwickelte sich nicht wie [X.]. Zum einen blieben die Ausschüttungen hinter den Prognosen zurück. Zum anderen entzog das Finanzamt M.

dem Fonds die gewährte steuerliche Anerkennung als Abschreibungsmodell. Der Initiator des Fonds ist wegen der unzutreffenden steuerlichen Gestaltung des Fonds rechtskräftig zu einer mehr-jährigen Haftstrafe verurteilt worden. 3 Beim [X.] ist unter dem Aktenzeichen [X.] ein Verfahren nach dem [X.] (nachfolgend: [X.]) anhängig. Die Beklagte ist dort Musterbeklagte zu 2). Zu klären sind in diesem Verfahren, soweit es die hiesige Beklagte betrifft, deren Prospektver-antwortlichkeit und die Fehlerhaftigkeit des Prospekts. 4 2. Das [X.] hat das Verfahren nach § 7 [X.] ausgesetzt. Das Beschwerdegericht hat den Aussetzungsbeschluss auf die sofortige Beschwer-de des [X.] aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausge-führt: 5 Das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde sei auch gegen den auf § 7 Abs. 1 [X.] gestützten Aussetzungsbeschluss gemäß §§ 252, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft, weil vorliegend der Anwendungsbereich des § 7 Abs. 1 [X.] nicht eröffnet sei und damit auch § 7 Abs. 1 Satz 4 [X.] nicht zur Anwendung komme. 6 - 4 - Die Entscheidung des [X.]s habe auch in der Sache keinen [X.]. Die Aussetzung eines Verfahrens, dessen Ergebnis nicht vom Ergebnis eines Verfahrens nach dem [X.] abhängig sei, habe in § 7 Abs. 1 [X.] keine Grundlage. Das [X.] habe vorliegend ausweislich der Gründe der Nichtabhilfeentscheidung nicht hinreichend geprüft, ob eine Haftung aus vorvertraglichem Verschulden nach § 311 Abs. 2 BGB in Betracht komme, insbesondere die Beweisangebote des [X.] und den wechselseitigen Sach-vortrag nicht unter diesem Gesichtspunkt gewürdigt. Nach der Rechtsprechung des [X.] komme eine Aussetzung nach § 7 [X.] aber nur in Betracht, soweit eine Prospekthaftung im engeren Sinne und damit Ansprüche aufgrund einer fehlerhaften öffentlichen Kapitalmarktinformation geltend ge-macht würden. Auf die daneben auch geltend gemachte Haftung auf ([X.] Grundlage sei § 7 [X.] nicht anwendbar. Die Frage, ob der Pros-pekt richtig oder falsch sei, sei bei dem gegenwärtigen Prüfungsstand jedenfalls noch nicht von entscheidungserheblicher Bedeutung. 7 Mit der - vom Beschwerdegericht zugelassenen - Rechtsbeschwerde be-gehrt die Beklagte die Aufhebung des Beschlusses des [X.] und die Wiederherstellung der Aussetzungsentscheidung des [X.]s. 8 I[X.] Die statthafte Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) ist nicht begründet. 9 1. Zu Recht hat das Beschwerdegericht die Aussetzung des [X.] als unzulässig angesehen und den Aussetzungsbeschluss des Landge-richts trotz der Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 4 [X.] aufgehoben, da § 7 10 - 5 - [X.] auf das Streitverhältnis der Parteien insoweit keine Anwendung findet, als Ansprüche aus vorvertraglicher [X.] der Beklagten aus dem [X.] sind. 11 a) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] können Rechtsstreitigkeiten, in denen Schadensersatzansprüche auf vertraglicher Grundlage oder aus § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 und 3 BGB bzw. aus der soge-nannten Prospekthaftung im weiteren Sinne geltend gemacht werden, von vornherein nicht Gegenstand eines Musterverfahrens gemäß § 1 Abs. 1 [X.] sein. Das gilt auch dann, wenn sich die Haftung aus der Verwendung eines fehlerhaften Prospektes im Zusammenhang mit einer Beratung oder einer Vermittlung ergibt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 10. Juni 2008 - [X.] ZB 26/07, [X.] 177, 88 Rn. 15; vom 16. Juni 2009 - [X.] ZB 31/08, juris Rn. 9 und - [X.] ZB 33/08, [X.], 1359 Rn. 9, vom 8. September 2009 - [X.] ZB 34-38/08, 4, 7-9, 11/09, vom 6. Oktober 2009 - [X.] ZB 17, 18, 20, 21/09, vom 10. November 2009 - [X.] ZB 29, 30/09 und vom 8. Dezember 2009 - [X.] ZB 25, 27/09, jeweils juris Rn. 5; [X.], Beschlüsse vom 30. Oktober 2008 - [X.], [X.], 110 Rn. 12, 15 und vom 4. Dezember 2008 - [X.], juris Rn. 15 ff.). b) Das Beschwerdegericht hat zu Recht angenommen, dass das auch für Ansprüche des Anlegers gegen die die Anlage finanzierende Bank wegen vor-vertraglicher [X.]en aus dem [X.] gilt, wie sie hier in Rede stehen. 12 aa) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ist eine kre-ditgebende Bank bei steuersparenden Fondsmodellen zur Risikoaufklärung über das finanzierte Geschäft bei Vorliegen von ganz besonderen Umständen des Einzelfalls verpflichtet. Das kann der Fall sein, wenn die Bank im [X.] mit der Planung, der Durchführung oder dem Vertrieb des Projektes 13 - 6 - über ihre Rolle als Kreditgeberin hinaus geht, wenn sie einen zu den allgemei-nen wirtschaftlichen Risiken hinzutretenden besonderen Gefährdungstatbe-stand für den Kunden schafft oder dessen Entstehung begünstigt, wenn sie sich im Zusammenhang mit der Kreditgewährung sowohl an den [X.] als auch an einzelne Erwerber in schwerwiegende Interessenkonflikte verwickelt oder wenn sie in Bezug auf spezielle Risiken des Vorhabens einen konkreten Wissensvorsprung vor dem Darlehensnehmer hat und dies auch erkennen kann (vgl. etwa Senatsurteile vom 16. Mai 2006 - [X.] ZR 6/04, [X.] 168, 1 Rn. 41, vom 24. November 2009 - [X.] ZR 260/08, [X.], 34 Rn. 30, vom 29. Juni 2010 - [X.] ZR 104/08, [X.], 1451 Rn. 16, zur Veröffentlichung in [X.] bestimmt, und vom 21. September 2010 - [X.] ZR 232/09, [X.], 2069 Rn. 17, jeweils mwN). Ein Wissensvorsprung in diesem Sinne liegt auch dann vor, wenn die finanzierende Bank positive Kenntnis davon hat, dass der Kredit-nehmer von seinem Geschäftspartner oder durch den Fondsprospekt über das finanzierte Geschäft arglistig getäuscht wurde (st. Rspr. des Senats, siehe nur Urteile vom 10. November 2009 - [X.] ZR 252/08, [X.] 183, 112 Rn. 35, vom 29. Juni 2010 - [X.] ZR 104/08, [X.], 1451 Rn. 20, zur Veröffentlichung in [X.] bestimmt, und vom 21. September 2010 - [X.] ZR 232/09, [X.], 2069 Rn. 17, jeweils mwN). [X.]) Solche Ansprüche, die der Kläger hier neben einem Anspruch aus Prospekthaftung im engeren Sinne geltend macht, können nicht Gegenstand eines Musterverfahrens sein. Das gilt auch dann, wenn die Haftung - etwa aus einem Wissensvorsprung - die Kenntnis von einer durch fehlerhafte [X.] begangenen arglistige Täuschung voraussetzt (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Juni 2008 - [X.] ZB 26/07, [X.] 177, 88 Rn. 15 mwN). 14 c) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ändert die Tatsache, dass die Beklagte auch als Prospektverantwortliche nach den Grundsätzen der 15 - 7 - Prospekthaftung im engeren Sinne in Anspruch genommen wird, nichts daran, dass über die daneben geltend gemachten Ansprüche aus vertraglichen oder vorvertraglichen Pflichtverletzungen zu entscheiden ist, bevor eine Aussetzung nach dem [X.] in Betracht kommt. 16 Dies entspricht - wie das Beschwerdegericht zu Recht angenommen hat - der Senatsrechtsprechung (u.a. Beschluss vom 16. Juni 2009 - [X.] ZB 33/08, [X.], 1359 Rn. 14 mwN). Den [X.] im en-geren Sinne liegt ein anderer Lebenssachverhalt zugrunde als den Ansprüchen wegen einer [X.] aus dem [X.]. Ein fehlerhafter Prospekt führt nicht notwendig zur Haftung des Darlehensgebers, ein fehlerfreier Prospekt schließt seine Haftung nicht notwendig aus. Es fehlt daher an gleichgerichteten Interessen, die allein durch das [X.] gebündelt werden sollen (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Juni 2009, aaO). Auch gebietet das Gebot effektiven Rechtsschutzes eine Entscheidung über die nicht dem Anwendungsbereich des [X.] unterliegenden Sachverhalte (Senatsbe-schluss vom 16. Juni 2009, aaO Rn. 15 mwN). Denn wenn die Klage gegen die Beklagte als Darlehensgeberin begründet sein sollte, wären dem Kläger Verzö-gerungen und Kosten wegen eines Verfahrens, das auf den Erfolg seiner Klage keinen Einfluss hat, nicht zuzumuten. Das Beschwerdegericht hat auch rechtsfehlerfrei angenommen, dass aufgrund des Sachvortrags des [X.] eine Haftung der Beklagten als Darle-hensgeberin unter dem Gesichtspunkt einer vorvertraglichen Aufklärungs-pflichtverletzung nicht ohne weiteres verneint werden kann. Das [X.] muss diesem Sachvortrag daher nachgehen und prüfen, ob der Anspruch des [X.] gegen die Beklagte wegen vorvertraglicher [X.] gegeben ist. 17 - 8 - 2. Eine Kostenentscheidung ergeht nicht. Die Kosten des [X.] bilden einen Teil der Kosten des Rechtsstreits, die unabhängig vom Ausgang des Beschwerdeverfahrens die nach §§ 91 ff. ZPO in der Sache [X.] zu tragen hat (Senatsbeschluss vom 16. Juni 2009 - [X.] ZB 33/08, [X.], 1359 Rn. 19 mwN). 18 [X.] Ellenberger [X.] Matthias [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 20.05.2010 - 32 O 25665/09 - [X.], Entscheidung vom 25.06.2010 - 5 W 1564/10 -

Meta

XI ZB 23/10

30.11.2010

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.11.2010, Az. XI ZB 23/10 (REWIS RS 2010, 970)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 970

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XI ZB 23/10

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