Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.09.2013, Az. 5 StR 306/13

5. Strafsenat | REWIS RS 2013, 3039

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Gegenstand

Revision in Strafsachen: Inbegriffsrüge bei fehlgeschlagenem Selbstleseverfahren zur Einführung umfangreicher Beweisurkunden in die Hauptverhandlung


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten M.       wird das Urteil des [X.] vom 21. November 2012, soweit es diesen Angeklagten betrifft, nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine allgemeine Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern in zwei Fällen und wegen Einschleusens von Ausländern in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision beanstandet der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.

2

1. Gegenstand der Verurteilung sind Schleusungen von afghanischen Staatsangehörigen nach [X.] mit beim [X.] Generalkonsulat in [X.] durch Falschangaben erschlichenen Visa. Das [X.] hat seine Beweise zu einem wesentlichen Teil durch im Selbstleseverfahren eingeführte Urkunden erhoben. Die vom Angeklagten wegen Verletzung der § 249 Abs. 2 Satz 1 und 3, § 261 StPO zulässig erhobene Inbegriffsrüge greift hinsichtlich zahlreicher dieser Urkunden durch. Der Vorsitzende der [X.] hat in der Hauptverhandlung vom 18. Oktober 2012 angeordnet, dass ein mit den Tatvorwürfen gegen den Angeklagten im Zusammenhang stehendes umfangreiches [X.] („Selbstleseverfahren 2“) gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 StPO im Wege des [X.] in die Hauptverhandlung eingeführt werde. Das [X.] enthält jedoch keinen Eintrag über den Abschluss des [X.] nach § 249 Abs. 2 Satz 3 StPO. Damit ist das Selbstleseverfahren insoweit fehlgeschlagen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 28. Januar 2010 – 5 [X.], [X.]St 55, 31, 32, und vom 20. Juli 2010 – 3 [X.], [X.], 712, 713).

3

2. Anders als der [X.] vermag der Senat ein Beruhen des Urteils auf dem Rechtsfehler (§ 337 Abs. 1 StPO) nicht auszuschließen.

4

a) Das [X.] stützt seine Überzeugung von der Schuld des alle Vorwürfe bestreitenden Angeklagten sowohl hinsichtlich der einzelnen Taten als auch in der Gesamtwürdigung ausdrücklich auf eine Reihe von Urkunden, die im betreffenden [X.] enthalten waren. Das gilt unter anderem für den polizeilichen Ermittlungsbericht vom 21. August 2012 ([X.], 78, 86, 94, 95, 96, 100, 106, 107, 109), den im Rahmen der Beweiswürdigung eine zentrale Rolle einnehmenden „Schleusungsvertrag“ der durch den Angeklagten betriebenen „Tourismus- und Ticketverkaufsagentur A.   “ mit einer zu [X.], aus dem sich nach Auffassung der [X.] die Rahmenbedingungen auch für die anderen durch den Angeklagten durchgeführten Schleusungen ergeben ([X.] f., 78 ff.), sowie eine Fülle von insgesamt 2.128 ausgewerteten E-Mails nebst Anhängen, die auf dem Account des Angeklagten gespeichert waren ([X.]) und wesentlich zu der Überzeugung des [X.]s geführt haben, der Angeklagte habe sich ein „weit verzweigtes System von Einladern und Unterzeichnern von Verpflichtungserklärungen“ geschaffen und zunutze gemacht ([X.] ff.).

5

b) Die insoweit verwerteten Umstände können auch nicht durch Vorhalte an den polizeilichen [X.] oder auf andere Weise zum Gegenstand der Hauptverhandlung geworden sein. Angesichts des eine Vielzahl von Daten, Namen sowie anderen Details enthaltenden [X.] versteht sich das für diesen ebenso von selbst wie für Einzelangaben aus dem umfangreichen Ermittlungsbericht (vgl. auch [X.], Beschluss vom 28. Januar 2010 – 5 [X.], aaO, S. 36 mwN). Darüber hinaus hat das [X.] sowohl den Inhalt der E-Mails nebst Anlagen ([X.]) als auch des Ermittlungsberichts (z.B. [X.]) herangezogen, um die Angaben des [X.]s auf ihre Zuverlässigkeit hin zu überprüfen. Zum „[X.]“, dessen wesentlicher Inhalt in den Urteilsgründen wiedergegeben ist, wobei aus der [X.] wörtlich zitiert wird, bezieht sich das [X.] ausdrücklich nur auf die Einführung „im Wege des [X.]“ ([X.] 78).

6

3. Die Sache bedarf demnach neuer Verhandlung und Entscheidung. Da die die Zuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammer ursprünglich begründenden Vorwürfe der Bestechung bzw. Bestechlichkeit (gegen den rechtskräftig freigesprochenen Mitangeklagten) nicht mehr inmitten stehen, verweist der Senat die Sache an eine allgemeine [X.] des [X.]s zurück.

[X.]                        Dölp                        König

                  Berger                     [X.]

Meta

5 StR 306/13

04.09.2013

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Berlin, 21. November 2012, Az: (536) 243 Js 400/11 KLs (2/12)

§ 249 Abs 2 S 1 StPO, § 249 Abs 2 S 3 StPO, § 261 StPO, § 337 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.09.2013, Az. 5 StR 306/13 (REWIS RS 2013, 3039)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 3039

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