Bundesfinanzhof, Beschluss vom 26.09.2012, Az. III B 222/10

3. Senat | REWIS RS 2012, 2812

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Gegenstand

(Keine Revisionszulassung bei fehlender Klärungsfähigkeit der Rechtsfrage - Vorliegen einer objektiv willkürlichen Gerichtsentscheidung - Unterbrechung des Beschwerdeverfahrens durch Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens - Rechtliches Gehör - Verfahrensmangel i.S. von § 119 Nr. 6 FGO)


Leitsatz

1. NV: Eine Rechtsfrage ist nicht klärungsfähig, wenn sie auf der Annahme einer Tatsache beruht, die das FG so nicht festgestellt hat .

2. NV: Eine Rechtsfrage ist ebenfalls nicht klärungsfähig, wenn sie von der vorgreiflichen Klärung einer anderen Rechtsfrage abhängt, die ihrerseits nicht klärungsfähig ist .

3. NV: Allein gravierende Folgen im Erhebungsverfahren rechtfertigen nicht die Annahme, die Entscheidung des FG sei objektiv willkürlich .

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) war in den [X.]treitjahren 1995 und 1996 mit dem im Juli 2008 verstorbenen [X.] verheiratet. [X.] des [X.] sind seine [X.]ochter ([X.]) und sein [X.] ([X.]).

2

Die [X.]hegatten wurden für die Jahre 1995 und 1996 zunächst antragsgemäß zur [X.]inkommensteuer zusammenveranlagt. Als Folge einer Außenprüfung bei der von den [X.]hegatten betriebenen Gemeinschaftspraxis ergingen zunächst geänderte Gewinnfeststellungsbescheide für die [X.]treitjahre. Nur wenige [X.]age später erließ der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --[X.]--) am 14. Juni 2005 sodann geänderte [X.]inkommensteuerbescheide 1995 und 1996, die jeweils zu einer Abschlusszahlung führten. [X.] legte gegen diese [X.] [X.]inspruch ein und beantragte für beide Jahre die Durchführung von getrennten Veranlagungen. Die Klägerin nahm demgegenüber ihre [X.]insprüche gegen die [X.] zurück und beantragte stattdessen die Aufteilung der [X.]teuerschulden nach §§ 268 ff. der Abgabenordnung ([X.]). Das [X.] kam dem Antrag der Klägerin durch [X.] für 1995 und 1996 vom 15. November 2005 nach. Darin rechnete es die auf den [X.]tichtag (27. Oktober 2005) ermittelten rückständigen Beträge in Höhe von --einschließlich [X.] … € bzw. … € allein dem [X.] zu. Während die der Klägerin erteilten [X.] unanfechtbar wurden, legte der [X.] gegen die ihm gegenüber erlassenen [X.] [X.]inspruch ein und verwies auf die beantragten getrennten Veranlagungen zur [X.]inkommensteuer 1995 und 1996.

3

Das [X.] hob mit [X.] vom 6. Oktober 2006 die [X.]inkommensteuerbescheide 1995 und 1996 vom 14. Juni 2005 auf und führte mit weiteren [X.] vom selben [X.]ag getrennte Veranlagungen für die Klägerin und [X.] durch. Für [X.] wurde die [X.]inkommensteuer 1995 und 1996 jeweils auf 0 € festgesetzt. Laut Abrechnungen ergaben sich Überzahlungen in Höhe von --einschließlich Zinsen, Kirchensteuer und [X.] insgesamt über … €, die zum [X.]eil mit [X.]teuerrückständen aus den gemeinsamen Veranlagungen der Klägerin und des [X.] für 1997 und 1998 verrechnet und im Übrigen an [X.] ausgekehrt wurden. Für die Klägerin führten die getrennten Veranlagungen demgegenüber zu erheblichen Nachzahlungen in Höhe von insgesamt ca. … €. [X.]benfalls mit [X.] vom 6. Oktober 2006 hob das [X.] die [X.] vom 15. November 2005 wieder auf.

4

Gegen die Bescheide vom 6. Oktober 2006 legte nunmehr die Klägerin [X.]inspruch ein und berief sich darauf, der Antrag des [X.] auf getrennte Veranlagung sei rechtsmissbräuchlich und willkürlich. [X.]ine Aufhebung der [X.] komme nicht in Betracht, da die getrennten Veranlagungen nicht bestandskräftig seien. Nach [X.]rfolglosigkeit ihrer [X.]insprüche erhob die Klägerin gegen die Durchführung der getrennten Veranlagungen für 1995 und 1996 die Klage 15 K 4720/07 [X.] und gegen die Aufhebung der [X.] für die [X.]inkommensteuer 1995 und 1996 die Klage 15 K 4719/07 [X.].

5

Während des Klageverfahrens vor dem Finanzgericht ([X.]) wurde [X.] auf Betreiben der Klägerin vom [X.] durch Urteil aus März 2008 verurteilt, den Zusammenveranlagungen mit der Klägerin für 1995 und 1996 zuzustimmen. Die Berufung des nach dem [X.]od des [X.] in den Prozess eingetretenen [X.]estamentsvollstreckers blieb erfolglos. Daraufhin hob das [X.] am 20. Januar 2010 zunächst die Bescheide über die getrennten Veranlagungen der Klägerin für 1995 und 1996 vom 6. Oktober 2006 wieder auf. [X.]benfalls am 20. Januar 2010 erließ das [X.] (erneute) Zusammenveranlagungsbescheide für 1995 und 1996 und erklärte kurz darauf die Verfahren 15 K 4720/07 [X.] sowie 15 K 4719/07 [X.] in der Hauptsache für erledigt. Die Klägerin legte gegen die Zusammenveranlagungsbescheide vom 20. Januar 2010 wiederum [X.]inspruch ein und erklärte die Verfahren ausdrücklich für nicht erledigt.

6

Unter Verweis auf die [X.]inkommensteuerbescheide vom 20. Januar 2010 beantragten nunmehr [X.] und [X.] als [X.] des [X.] die Aufteilung der [X.]teuerschulden für 1995 und 1996. Dem Antrag kam das [X.] durch [X.] vom 22. April 2010 nach. Danach entfielen die am [X.]tichtag (9. Februar 2010) für 1995 vorhandenen Rückstände in Höhe von … € auf die Klägerin und im Übrigen auf [X.], für 1996 entfiel der gesamte rückständige Betrag in Höhe von … € auf die Klägerin.

7

           

Das [X.] lud [X.] und [X.] zu beiden Klageverfahren unter Verweis auf § 60 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) bei. Nachdem es die Verfahren 15 K 4719/07 [X.] und 15 K 4720/07 [X.] in der mündlichen Verhandlung zur gemeinsamen Verhandlung und [X.]ntscheidung verbunden hatte, beantragte die Klägerin:

1.    

Aufhebung der Bescheide vom 6. Oktober 2006 betreffend die Aufhebung der [X.]inkommensteuerbescheide 1995 und 1996 vom 14. Juni 2005,

2.    

Aufhebung der [X.]inkommensteuerbescheide 1995 und 1996 vom 6. Oktober 2006 einschließlich der [X.]inspruchsentscheidung vom 10. Oktober 2007,

3.    

Aufhebung der Bescheide vom 20. Januar 2010 betreffend die Aufhebung der [X.]inkommensteuerbescheide 1995 und 1996 vom 6. Oktober 2006,

4.    

Aufhebung der [X.]inkommensteuerbescheide 1995 und 1996 vom 20. Januar 2010,

5.    

Aufhebung der Bescheide vom 6. Oktober 2006 betreffend die Aufhebung der [X.] 1995 und 1996 vom 15. November 2005 einschließlich der [X.]inspruchsentscheidung vom 10. Oktober 2007,

6.    

Aufhebung der [X.] 1995 und 1996 vom 22. April 2010.

8

Das [X.] wies die Klage durch am 9. November 2010 verkündetes Urteil insgesamt ab.

9
        

           

Die Klägerin legte gegen die Nichtzulassung der Revision im [X.]-Urteil Beschwerde ein. Zur Begründung beruft sie sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O). Insoweit sei zu klären, ob

        

1.    

das [X.]hegattenveranlagungswahlrecht gemäß § 26 Abs. 2 des [X.]inkommensteuergesetzes ([X.][X.]tG) auf getrennte Veranlagung nach Ablauf der regulären Festsetzungsfrist durch einen steuerhinterziehenden [X.]hegatten als Gestaltungsrecht zu seinen Gunsten, nämlich zur [X.]rlangung von [X.]teuererstattungen, und gleichzeitig zu Lasten des sich steuerehrlich verhaltenden [X.]hegatten tatsächlich ausgeübt werden dürfe;

2.    

und, ob es bei Annahme der Rechtswidrigkeit und Rechtsmissbräuchlichkeit des [X.]rlasses "neuer" Zusammenveranlagungsbescheide nach vorheriger Aufhebung der getrennten Veranlagungsbescheide bedürfe, die erneut durch separaten [X.]inspruch wegen nicht identischer steuerlicher Folgewirkungen ([X.]rhebungsverfahren) angefochten werden müssten, oder ob bei Vorliegen der Rechtswidrigkeit/Rechtsmissbräuchlichkeit durch die bloße Aufhebung der getrennten Veranlagungsbescheide die ehemaligen Zusammenveranlagungsbescheide wiederauflebten und es keiner "neuen" Zusammenveranlagungsbescheide wegen mangelndem eigenständigem Regelungsinhalt mehr bedürfe.

Die Revision sei aber auch zur [X.]icherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O) sowie wegen eines Verfahrensfehlers (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O) durch Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 96 Abs. 2 [X.]O) zuzulassen.

Durch Beschluss vom Dezember 2010 eröffnete das [X.] das Insolvenzverfahren über das Vermögen des [X.]. Das [X.] meldete u.a. offene Forderungen wegen [X.]inkommensteuer 1995 und 1996 zur [X.]abelle an, die von der Klägerin als weiterer [X.] bestritten wurden. Daraufhin erklärte das [X.] mit [X.]chreiben vom 11. Juli 2012 die Aufnahme des Beschwerdeverfahrens.

Entscheidungsgründe

II. 1. Durch die [X.]röffnung des [X.] wurde das Beschwerdeverfahren über die Nichtzulassung der Revision zunächst unterbrochen (§ 155 [X.]O i.V.m. § 240 der Zivilprozessordnung). Da die nach materiellem Recht zu treffende [X.]ntscheidung im Fall einer --wie hier erfolgten-- notwendigen Beiladung nur einheitlich ergehen kann, wurde das Verfahren insgesamt unterbrochen (vgl. Urteil des [X.] --[X.]-- vom 7. Oktober 1987 II R 187/80, [X.], 15, [X.] 1988, 23; [X.] vom 30. September 2004 IV B 42/03, [X.] 2005, 365).

2. Das [X.] hat das unterbrochene Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde durch Schriftsatz vom 11. Juli 2012 rechtswirksam aufgenommen.

III.

Die Beschwerde ist unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen. Soweit die Beschwerdebegründung überhaupt den Darlegungserfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O entspricht, liegen die geltend gemachten Zulassungsgründe jedenfalls nicht vor.

1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O).

a) [X.]ine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O, wenn eine Frage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht (sog. Klärungsbedürftigkeit) und die im angestrebten Revisionsverfahren gegen das angefochtene Urteil geklärt werden kann (sog. Klärungsfähigkeit; vgl. dazu [X.] vom 12. April 2012 [X.] B 91/11, [X.] 2012, 1320, m.w.N.). Die Darlegung dieses Zulassungsgrundes verlangt deshalb substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten abstrakten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich klärbar und deren Beurteilung zweifelhaft oder umstritten ist.

b) Die Beschwerdebegründung enthält keine Ausführungen zur Klärungsfähigkeit der von der Klägerin als grundsätzlich bedeutsam angesehenen Rechtsfragen. Hierfür reichen insbesondere auch die Ausführungen auf Seite 20 der Beschwerdebegründung nicht aus, wo die Klägerin die [X.]ntscheidungserheblichkeit in Bezug auf die [X.]rforderlichkeit einer [X.]ntscheidung des [X.] zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O) darzulegen versucht. Sie behauptet indes nur, die abweichend beantwortete Rechtsfrage, ob dem steuerhinterziehenden [X.]hegatten die Möglichkeit der Ausübung des Veranlagungswahlrechts auch nach Ablauf der regulären Festsetzungsfrist offen stehe, könne in einem Revisionsverfahren geklärt werden und sei für das [X.] tragend gewesen.

c) Tatsächlich ist die Klärungsfähigkeit der von der Klägerin formulierten Rechtsfragen in einem Revisionsverfahren nicht gegeben.

aa) Die erste von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage geht von einem steuerhinterziehenden [X.]hegatten aus. Sie basiert somit auf der Annahme einer Tatsache, die das [X.] in Bezug auf [X.] so nicht festgestellt hat. So ist im [X.] nur von "eventuell aufgedeckte[n] Steuerstraftaten" und von einer "angeblich" von [X.] begangenen Steuerhinterziehung die Rede. Dagegen hat die Klägerin keine zulässige und begründete Verfahrensrüge erhoben.

bb) Die zweite von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage, ob nämlich bei Annahme der Missbräuchlichkeit des von dem steuerhinterziehenden [X.]hegatten erst nach Ablauf der regulären Festsetzungsfrist ausgeübten [X.]hegattenveranlagungswahlrechts gleichwohl ein neues Veranlagungsverfahren durchzuführen sei oder nicht die allgemeinen Rechtsgrundsätze der Kassation (§ 100 Abs. 1 [X.]O) Anwendung fänden, rechtfertigt ebenfalls keine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Denn sie hängt von der vorgreiflichen Klärung der ersten Rechtsfrage ab, die --wie ausgeführt-- nicht klärungsfähig ist. Damit ist aber auch die zweite Rechtsfrage nicht klärungsfähig.

Im Übrigen fehlt es der Beschwerdebegründung in diesem Punkt generell an substantiellen Ausführungen. Die Klägerin beschränkt sich an dieser Stelle auf die Formulierung der Rechtsfrage und die Behauptung ihrer grundsätzlichen Bedeutung.

2. Die Revision ist nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O) zuzulassen. Die Klägerin rügt in diesem Zusammenhang vornehmlich, das [X.] weiche vom [X.]-Urteil vom 26. Februar 2008 [X.] R 1/07 ([X.][X.] 220, 229, [X.] 2008, 659) sowie von einer [X.]ntscheidung des [X.] Köln (Urteil vom 10. Dezember 1999  3 K 1845/92, [X.]ntscheidungen der Finanzgerichte --[X.][X.]-- 2000, 438) ab.

a) Zur Begründung der Abweichung von der [X.]ntscheidung des [X.] in [X.][X.] 220, 229, [X.] 2008, 659 führt sie aus, der [X.]. Senat des [X.] habe zu der abstrakten Rechtsfrage der Wirkung sowie des Sinn und Zwecks der Festsetzungsverjährung nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO bei Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit [X.] Stellung genommen. Das [X.] habe die Rechtsfrage, ob ein Steuerhinterzieher nach Ablauf der regulären Festsetzungsfrist ein für ihn günstiges Wahlrecht noch zulasten des Staates ausüben dürfe, um daraus in irgendeiner Art und Weise Steuererstattungen zu generieren, abweichend beurteilt.

aa) [X.]ine Divergenz kann nur vorliegen, wenn das [X.] bei einem gleichen, vergleichbaren oder gleichgelagerten Sachverhalt in ein und derselben Rechtsfrage eine von einer [X.]ntscheidung des [X.] oder des [X.] ([X.]) oder eines [X.] abweichende Rechtsauffassung vertreten hat (z.B. [X.]-Beschlüsse vom 15. Dezember 2005 IX B 98/05, [X.] 2006, 768; vom 23. Januar 2007 VI B 17/06, [X.] 2007, 950; vom 19. Oktober 2007 IV B 163/06, [X.] 2008, 212, m.w.N.).

bb) Dies ist vorliegend nicht der Fall. Weder vertritt das [X.] in ein und derselben Rechtsfrage eine vom [X.] abweichende Rechtsauffassung, noch ist der der [X.]ntscheidung des [X.]. Senats des [X.] zugrunde liegende Sachverhalt --anders als die Klägerin meint-- mit dem des Streitfalls vergleichbar. In dem vom [X.]. Senat des [X.] entschiedenen Fall ging es um zusammenveranlagte [X.]heleute, deren [X.]inkommensteuer wegen nicht erklärter [X.]innahmen aus Kapitalvermögen zunächst auf 0 € festgesetzt wurde, die [X.]heleute bei ordnungsgemäßer [X.]rklärung trotz einer dann festzusetzenden [X.]inkommensteuer aufgrund der [X.] aber eine [X.]rstattung hätten beanspruchen können. Die von der Klägerin unterstellte Aussage hat der [X.]. Senat des [X.] deshalb nicht getroffen. Vielmehr hat er entschieden, dass ein Fall der "Selbstschädigung" des Steuerpflichtigen nicht zu einer hinterzogenen Steuer i.S. des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO und damit auch nicht zu einer Verlängerung der Festsetzungsfrist führt. Um die Ausübung eines Wahlrechts innerhalb der verlängerten Festsetzungsfrist ging es dort nicht. Im Übrigen hat das [X.] --wie bereits ausgeführt-- nicht festgestellt, dass es sich bei [X.] überhaupt um einen Steuerhinterzieher handelte.

b) Der Streitfall ist auch nicht mit dem vom [X.] Köln (in [X.][X.] 2000, 438) entschiedenen Fall vergleichbar. Dort ging es um den Wechsel von der Zusammenveranlagung zur getrennten Veranlagung im Rahmen des [X.] für Verlustentstehungsjahre, in denen nach den Feststellungen des [X.] Köln gerade keine Änderungsbescheide, die das Veranlagungswahlrecht neu hätten auslösen können, ergangen waren. Für den Veranlagungszeitraum, für den im [X.] an eine Fahndungsprüfung ein Änderungsbescheid erging, hielten die [X.]heleute übereinstimmend an ihrer Zusammenveranlagung fest.

[X.]ine Steuerhinterziehung des [X.] hat das [X.] --wie ausgeführt-- nicht explizit festgestellt. Damit kann dem [X.] keine, dem [X.] Köln widersprechende Aussage zur "begrenzenden Wirkung des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO" unterstellt werden.

c) Auch der Hinweis der Klägerin auf das von ihr beim [X.] erfolglos betriebene Klageverfahren 15 K 4722/07 F, mit dem sie durch Anfechtung der aufgrund der Außenprüfung ergangenen geänderten Feststellungsbescheide für 1995 und 1996 nachträglich eine anderweitige Zurechnung der Gewinneinkünfte begehrte, die entsprechend den ursprünglichen Feststellungserklärungen hälftig erfolgt war, führt nicht zur Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O.

d) Unschlüssig sind die Ausführungen der Klägerin unter "3. Abweichung in einer Rechtsfrage von der Rechtsprechung des [X.] zur allgemeinen zeitlichen Ausübung des Veranlagungswahlrechts nach § 26 [X.]StG" auf Seite 19 der Beschwerdebegründung. Wie die Klägerin selbst ausführt, beschäftigen sich die von ihr genannten Senatsentscheidungen (Urteile vom 3. März 2005 III R 22/02, [X.][X.] 209, 454, [X.] 2005, 690; vom 28. Juli 2005 III R 48/03, [X.][X.] 210, 393, [X.] 2005, 865; vom 15. Dezember 2005 III R 49/05, [X.] 2006, 933) nicht mit einer Wahlrechtsausübung im Rahmen der verlängerten Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO. Demzufolge führt die Klägerin in diesem Zusammenhang weiter aus, die [X.]ntscheidung des [X.] lasse sich hiermit nicht begründen. Damit macht sie aber keine Abweichung geltend.

Das von ihr zusammen mit den vorgenannten [X.] erwähnte [X.]-Urteil vom 25. April 2006 [X.] ([X.][X.] 212, 421, [X.] 2007, 220) beschäftigt sich zwar mit der Anwendung der verlängerten Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO bei zusammenveranlagten [X.]hegatten. Indes geht es dort nicht um die Ausübung des Veranlagungswahlrechts. [X.]ntsprechend führt der [X.] des [X.] am [X.]nde seiner [X.]ntscheidung aus, eine vergleichbare Sachlage zur Senatsentscheidung in [X.][X.] 210, 393, [X.] 2005, 865 bestehe nicht.

e) [X.]ntgegen der Auffassung der Klägerin ist die Revision schließlich auch nicht wegen eines schwerwiegenden Rechtsfehlers, der geeignet wäre, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen, zuzulassen. Das Vorliegen eines derart schwerwiegenden Fehlers nimmt der [X.] in ständiger Rechtsprechung dann an, wenn die angefochtene [X.]-[X.]ntscheidung objektiv willkürlich erscheint oder auf sachfremden [X.]rwägungen beruht und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist (vgl. z.B. [X.] vom 13. Oktober 2003 IV B 85/02, [X.][X.] 203, 404, [X.] 2004, 25). (Objektive) Willkür liegt erst dann vor, wenn die Rechtslage in krasser Weise verkannt wird ([X.] vom 9. Februar 2011 [X.], [X.] 2011, 826).

Hierfür bietet der Streitfall keine Anhaltspunkte. Insbesondere ergibt sich eine objektiv willkürliche [X.]ntscheidung seitens des [X.] nicht aus den gravierenden Folgen, die der vom [X.] als verfahrensrechtlich zulässig beurteilte und nach den Grundsätzen der Senatsrechtsprechung nicht willkürliche Antrag des [X.] auf getrennte Veranlagungen für die Klägerin im [X.]rhebungsverfahren ausgelöst hat.

3. [X.]in Verfahrensmangel, der zur Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O führen könnte, liegt nicht vor.

a) Die Rüge der Klägerin, das [X.] habe ihre in einem sechsseitigen --in der mündlichen Verhandlung überreichten-- Papier niedergelegten rechtlichen Anmerkungen ersichtlich nicht in [X.]rwägung gezogen, rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision wegen einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2, § 119 Nr. 3 [X.]O).

aa) Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst vor allem das Recht der Verfahrensbeteiligten, sich vor [X.]rlass einer [X.]ntscheidung zu den entscheidungserheblichen Tatsachen und Beweisergebnissen zu äußern. Sie haben einen Anspruch darauf, dem Gericht auch in rechtlicher Hinsicht alles vortragen zu können, was sie für wesentlich halten. Diesen Ansprüchen entspricht die Pflicht des Gerichts, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in [X.]rwägung zu ziehen. Weiterhin hat das Gericht seine [X.]ntscheidung zu begründen, wobei aus seiner Begründung erkennbar sein muss, dass eine Auseinandersetzung mit dem wesentlichen Vorbringen der Verfahrensbeteiligten stattgefunden hat ([X.]-Beschluss vom 15. April 1980  2 BvR 827/79, [X.][X.] 54, 86, m.w.N.). Diese richterliche Pflicht geht jedoch nicht so weit, dass sich das Gericht mit jedem Vorbringen in den [X.]ntscheidungsgründen ausdrücklich befassen müsste, da davon auszugehen ist, dass das Gericht das Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in [X.]rwägung gezogen hat (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 119 Rz 10a, m.w.N.). [X.]s darf das Vorbringen außer [X.] lassen, das nach seiner Auffassung unerheblich oder unsubstantiiert ist. Das rechtliche Gehör ist erst dann verletzt, wenn sich aus den besonderen Umständen des [X.]inzelfalles deutlich ergibt, dass das Gericht ein tatsächliches Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner [X.]ntscheidung ersichtlich nicht in [X.]rwägung gezogen hat ([X.] vom 15. Dezember 2010 XI B 46/10, [X.] 2011, 448).

bb) Aus den Ausführungen der Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung ist ein solcher Verstoß nicht ersichtlich. So war --wie sie selbst einräumt-- "die Problematik des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO" Gegenstand einer fast 60-minütigen [X.]rörterung in der mündlichen Verhandlung. Mit dem von ihr angeführten Urteil des [X.] Köln (in [X.][X.] 2000, 438) hat sich das [X.] zudem in den [X.]ntscheidungsgründen --wie die Klägerin ebenfalls treffend anmerkt-- insoweit auseinandergesetzt, als es diese [X.]ntscheidung als nicht relevant angesehen hat. Dass das [X.] der Argumentation der Klägerin nicht gefolgt ist, stellt keine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs dar, da dieser nicht das Recht auf "[X.]rhörung" umfasst (vgl. Senatsbeschluss vom 31. Mai 2007 III B 50/07, [X.] 2007, 1907).

b) Nach der Darstellung der Klägerin liegt in der "überraschende[n] Nichtberücksichtigung ihrer ergänzenden rechtlichen Anmerkungen" auch keine unzulässige Überraschungsentscheidung. [X.]ine solche liegt vor, wenn das [X.] sein Urteil auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger [X.] selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Verlauf der Verhandlung nicht rechnen musste ([X.] vom 2. April 2002 [X.], [X.] 2002, 947). Dies macht die Klägerin nicht geltend.

c) Sollte die Klägerin rügen wollen, die [X.]ntscheidung des [X.] sei insoweit nicht mit Gründen versehen, als das [X.] seine Auffassung, das Urteil des [X.] Köln (in [X.][X.] 2000, 438) sei überholt, nicht weiter begründet hat, kann auch dies nicht die Zulassung der Revision begründen.

[X.]in Verfahrensmangel i.S. von § 119 Nr. 6 [X.]O liegt nur dann vor, wenn die Urteilsgründe ganz oder zum Teil fehlen und sie den Prozessbeteiligten keine Kenntnis darüber vermitteln, auf welchen Feststellungen, [X.]rkenntnissen und rechtlichen Überlegungen das Urteil beruht. Dies erfordert nicht, dass jedes Vorbringen der Beteiligten im [X.]inzelnen erörtert werden müsste. [X.]in Verfahrensmangel i.S. von § 119 Nr. 6 [X.]O liegt erst dann vor, wenn den Beteiligten die Möglichkeit entzogen ist, die getroffene [X.]ntscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen ([X.] vom 11. April 2012 X B 56/11, [X.] 2012, 1331). Bei nur zum Teil fehlenden [X.]ntscheidungsgründen setzt eine Verletzung des § 105 Abs. 2 Nr. 5 [X.]O grobe Begründungsmängel in einem Ausmaß voraus, dass die vom [X.] fixierten [X.]ntscheidungsgründe zum Nachweis der Rechtmäßigkeit des Urteilsspruchs schlechterdings ungeeignet erscheinen und den Beteiligten keine (hinlängliche) Kenntnis darüber vermitteln, auf welchen Feststellungen, [X.]rkenntnissen und rechtlichen [X.]rwägungen das Urteil beruht (vgl. dazu z.B. die Nachweise bei Gräber/Ruban, a.a.[X.], § 119 Rz 24).

Dies ist indes nicht der Fall. Die vorliegenden [X.]ntscheidungsgründe lassen hinreichend erkennen, auf Grund welcher [X.]rwägungen das [X.] zu dem von ihm gefundenen [X.]rgebnis gelangt ist. [X.]ine allenfalls lückenhafte Begründung des Urteils stellt keinen Mangel i.S. des § 119 Nr. 6 [X.]O dar ([X.] vom 27. März 2008 IX B 36/07, [X.] 2008, 1149).

Meta

III B 222/10

26.09.2012

Bundesfinanzhof 3. Senat

Beschluss

vorgehend FG Münster, 9. November 2010, Az: 15 K 4719/07 E, Urteil

§ 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 119 Nr 6 FGO, § 155 FGO, § 240 ZPO, § 116 Abs 3 S 3 FGO, § 96 Abs 2 FGO, Art 103 Abs 1 GG, § 96 Abs 1 FGO, § 105 Abs 2 Nr 5 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 26.09.2012, Az. III B 222/10 (REWIS RS 2012, 2812)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2812

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Veranlagungswahlrecht von Ehegatten und Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten


15 K 174/12 (FG München)

(Stillschweigende Erledigungserklärung - Bescheidänderung nach § 68 FGO - Auslandsinvestitionsgesetz)


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