Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.02.2011, Az. 6 AZR 719/09

6. Senat | REWIS RS 2011, 9110

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Gegenstand

Diakonische Einrichtung - Bezugnahme auf Arbeitsordnung


Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 11. Juni 2009 - 26 [X.] - wird hinsichtlich des Zeitraums September 2006 bis einschließlich Februar 2007 verworfen und im Übrigen zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob auf ihr Arbeitsverhältnis die Arbeitsvertragsrichtlinien des [X.] ([X.]) nach Maßgabe der von der [X.] beschlossenen Arbeitsrechtsregelung ([X.]) auf ihr Arbeitsverhältnis Anwendung finden.

2

Die Beklagte erbringt Leistungen zur beruflichen Rehabilitation junger Menschen mit Behinderungen. Sie ist Mitglied des [X.] ([X.]) [X.] In der Satzung dieses Vereins heißt es [X.].:

        

„§ 2   

Zuordnung zur [X.], den Freikirchen und zum [X.] der [X.]

        

…       

        
        

§ 7     

Rechte und Pflichten der Mitglieder gegenüber dem [X.]

        

…       

        
        

(4)     

Die Mitglieder sind verpflichtet,

                 

…       

                 

6.    

das Arbeitsrecht eines gliedkirchlichen [X.]es oder des [X.] oder einer der beteiligten Kirchen zu übernehmen. Der [X.] kann von dieser Verpflichtung Ausnahmen zulassen und außerdem Arbeitsvertragsrichtlinien bzw. Tarifverträge dem Arbeitsrecht der [X.] zuordnen. …

                 

...     

        
        

§ 9     

Organe

        

Organe des [X.]es sind

        

…       

        
        

2.    

der [X.],

        

…“    

        

3

Die Klägerin ist Heilerziehungspflegerin. Sie war ab dem 13. September 2004 aufgrund eines bis zum 31. August 2005 befristeten Arbeitsvertrags vom 9. September 2004 bei der [X.] beschäftigt. Nach diesem am 15. Juni 2005 bis zum 31. August 2006 verlängerten Arbeitsvertrag richtete sich das Arbeitsverhältnis hinsichtlich der Vergütung nach der [X.] und im Übrigen nach den [X.]. Seit dem 1. September 2006 ist die Klägerin aufgrund eines unbefristeten Arbeitsvertrags vom 31. August 2006 bei der [X.] tätig. § 2 dieses Vertrags regelt [X.].:

        

„§ 2 Arbeitsordnung

        

Auf das Arbeitsverhältnis findet die Arbeitsordnung der [X.] ([X.]) in der jeweils geltenden Fassung Anwendung, sofern in diesem Dienstvertrag nichts anderes vereinbart wurde. ...“

4

Die Mitarbeitervertretung der [X.] verweigerte ihre Zustimmung sowohl zur unbefristeten Einstellung als auch zur Eingruppierung der Klägerin nach der [X.]. In einem Schreiben vom 1. November 2006 teilte die Beklagte der Klägerin [X.]. mit, dass der Widerspruch der Mitarbeitervertretung gegen ihre Einstellung und Eingruppierung am 24. Oktober 2006 vor der Schieds- und Schlichtungsstelle des [X.] verhandelt worden ist, der geschlossene Dienstvertrag Gültigkeit behält, allerdings bis zur Zustimmung der Mitarbeitervertretung oder einer entsprechenden Zustimmungsersetzung durch die Schiedsstelle rückwirkend ab dem 1. September 2006 die [X.] auf das Dienstverhältnis anzuwenden ist. Mit Beschluss vom 19. Jan[X.]r 2007 entschied die Schieds- und Schlichtungsstelle, dass die Mitarbeitervertretung keinen Grund hatte, die Zustimmung zur Einstellung und Eingruppierung der Klägerin zu verweigern. Darüber informierte die Beklagte die Klägerin in einem Schreiben vom 26. Jan[X.]r 2007 und teilte der Klägerin zugleich mit, dass sich das Arbeitsverhältnis ab dem 1. Febr[X.]r 2007 nach der Ersetzung der Zustimmung der Mitarbeitervertretung hinsichtlich der Vergütung und der Arbeitszeit nach der [X.] richtet.

5

Mit einem Schreiben vom 16. November 2007 beantragte die Beklagte gemäß § 7 Abs. 4 Nr. 6 Satz 2 der Satzung des [X.] beim [X.], statt der [X.] die [X.] anzuwenden. Am 10. Dezember 2007 beschloss der [X.], dem Antrag der [X.] vom 16. November 2007 zu entsprechen. Mit einem Beschluss vom 23. Febr[X.]r 2010 (- [X.]/[X.]-09 -) wies der [X.] [X.] der [X.] in einem mitarbeitervertretungsrechtlichen Beschwerdeverfahren [X.]. den Antrag der Mitarbeitervertretung zurück, der [X.] die Anwendung der [X.] zu untersagen.

6

Die Klägerin hat gemeint, die Beklagte habe die [X.] bzw. die [X.] auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden. Die der [X.] vom [X.] erteilte Ausnahmegenehmigung sei nicht wirksam, weil die [X.] im Genehmigungsverfahren nicht ordnungsgemäß beteiligt worden sei. Die staatlichen Gerichte seien nicht an die Entscheidung des [X.] gebunden. Im Arbeitsvertrag vom 31. August 2006 sei zwar die Anwendung der [X.] vereinbart worden, diese Vereinbarung sei jedoch durch die konkludent getroffene Abrede ersetzt worden, dass sich das Arbeitsverhältnis nach der [X.] bzw. den [X.] bestimmt. Eine arbeitsvertragliche Verweisung auf die [X.] in der jeweils geltenden Fassung wäre wegen Verstoßes gegen § 308 Abs. 1 Nr. 4 BGB und § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. Aufgrund der Unwirksamkeit der [X.] fänden die [X.] bzw. die [X.] auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Bei ca. 70 % der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der [X.] richte sich die Vergütung nach der [X.]. Selbst wenn die [X.] nicht als Taxe iSd. § 612 Abs. 2 BGB anzusehen sei, stelle die in ihr geregelte Vergütung doch die übliche Vergütung dar. Vor dem Hintergrund der Rechtsfigur der ergänzenden Vertragsauslegung könne für die übrigen Arbeitsbedingungen nichts anderes gelten. Angesichts der seit vielen Jahren üblichen Anwendung der [X.] bei der [X.] hätten die Parteien in Kenntnis der Unwirksamkeit der Verweisung auf die [X.] nicht nur gesetzliche Mindeststandards, sondern die [X.] vereinbart.

7

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass auf ihr Arbeitsverhältnis mit Wirkung seit dem 31. August 2006 nicht die Arbeitsordnung [X.], sondern im Hinblick auf die Vergütungsregelungen die Arbeitsvertragsrichtlinien des [X.] in ihrer jeweils geltenden Fassung und auf die übrigen Arbeitsbedingungen die Arbeitsvertragsrichtlinien des [X.] in der jeweils geltenden Fassung Anwendung finden,

        

hilfsweise

        

festzustellen, dass auf ihr Arbeitsverhältnis mit Wirkung seit dem 1. Febr[X.]r 2007 nicht die Arbeitsordnung [X.], sondern die Arbeitsvertragsrichtlinien des [X.] in der jeweils geltenden Fassung Anwendung finden.

8

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, die [X.] sei im Arbeitsvertrag vom 31. August 2006 wirksam in Bezug genommen worden.

9

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Sie ist teilweise unzulässig, im Übrigen unbegründet. Die Vorinstanzen haben zutreffend angenommen, dass sich das Arbeitsverhältnis der Parteien ab dem 1. Februar 2007 nicht nach der [X.] bzw. nicht nach den [X.] richtet.

I. Die Revision ist mangels einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Auseinandersetzung mit den Gründen des Berufungsurteils unzulässig, soweit das [X.] die Feststellungsklage mangels eines Feststellungsinteresses der Klägerin als unzulässig abgewiesen hat.

1. Nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei einer Sachrüge muss die Revisionsbegründung den angenommenen Rechtsfehler des [X.]s so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des [X.] erkennbar sind. Die Revisionsbegründung hat sich daher mit den tragenden Gründen des Berufungsurteils auseinanderzusetzen. Dies erfordert die konkrete Darlegung der Gründe, aus denen das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sein soll ([X.] 19. März 2008 - 5 [X.] - Rn. 13, [X.] ZPO § 551 Nr. 65 = EzA ZPO 2002 § 551 Nr. 8). Dadurch soll sichergestellt werden, dass der Revisionskläger das angefochtene Urteil im Hinblick auf das Rechtsmittel überprüft und mit Blickrichtung auf die Rechtslage durchdenkt. Außerdem soll die Revisionsbegründung durch ihre Kritik des angefochtenen Urteils zur richtigen Rechtsfindung durch das Revisionsgericht beitragen (vgl. [X.] 27. Juli 2010 - 1 [X.] - Rn. 13, [X.], 1446).

2. Hiernach enthält die Revisionsbegründung der Klägerin keine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Auseinandersetzung mit den Gründen des Berufungsurteils, soweit das [X.] die Klage teilweise als unzulässig abgewiesen hat. Die Revisionsbegründung der Klägerin erschöpft sich insoweit in dem bloßen Hinweis auf die vom [X.] angenommene teilweise Unzulässigkeit der Klage.

II. Im Übrigen ist die Revision der Klägerin zulässig, aber unbegründet.

1. Soweit der Feststellungsantrag die [X.] ab dem 1. Februar 2007 erfasst, ist die Klage zulässig.

a) Der Antrag bedarf allerdings der Auslegung dahingehend, dass die Klägerin nur festgestellt haben will, dass auf das Arbeitsverhältnis die [X.] bezüglich der Vergütung und die [X.] hinsichtlich der übrigen Arbeitsbedingungen in der jeweils gültigen Fassung Anwendung finden. Soweit die [X.] die [X.] erfasst, begehrt die Klägerin nicht im Wege einer eigenständigen negativen Feststellungsklage die Feststellung, dass sich das Arbeitsverhältnis nicht nach der [X.] richtet. Der [X.] schließt ein solches Verständnis zwar nicht aus. Der Umstand, dass die auf die [X.] bezogene Formulierung im Hilfsantrag wiederholt wird, spricht jedoch dafür, dass sie nur der Klarstellung dient. Ein eigenständiger, auf die Nichtanwendung der [X.] bezogener Feststellungsantrag wäre von dem Eventualverhältnis zwischen Haupt- und Hilfsantrag nicht betroffen. Die Wiederholung der auf die Nichtanwendung der [X.] bezogenen Formulierung im Hilfsantrag ist deshalb nur dann nicht sinnwidrig, wenn diese Formulierung nicht als eigenständiger Klageantrag verstanden wird. Auch die gebotene [X.]e Auslegung des Klageantrags gibt dieses Ergebnis vor. Wird davon ausgegangen, dass die Klägerin mit ihrem Klageantrag das erreichen will, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und ihrer recht verstandenen Interessenlage entspricht (vgl. [X.] 12. Dezember 2006 - 3 [X.] - Rn. 17, [X.] [X.] § 1 Berechnung Nr. 32 = EzA [X.] § 1 Nr. 88), muss der Klageantrag als einheitlicher Feststellungsantrag ausgelegt werden. Eine negative Feststellungsklage wäre mangels des nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresses nicht zulässig, weil mit der Feststellung, dass die [X.] auf das Arbeitsverhältnis keine Anwendung findet, noch nicht geklärt wäre, nach welchen anderen Regelungen sich das Arbeitsverhältnis richtet.

b) Der Antrag ist ausreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Abgrenzung zwischen der beanspruchten Anwendung der [X.] einerseits und den [X.] andererseits kann dem Antrag selbst allerdings nicht mit der an sich erforderlichen Eindeutigkeit entnommen werden. Zwischen den Parteien besteht jedoch kein Streit über die Abgrenzung. Die Beklagte hat im Arbeitsvertrag der Parteien vom 9. September 2004 für das befristete Arbeitsverhältnis selbst keine andere, detailliertere Abgrenzung vorgenommen. Im Übrigen regelt § 1a Abs. 2 Satz 1 [X.], dass die Arbeitsvertragsrichtlinien nach Maßgabe der gliedkirchlich-diakonischen Arbeitsrechtsregelung gelten, wenn für den Bereich eines oder mehrerer gliedkirchlich-diakonischer Werke eine Arbeitsrechtliche Kommission gebildet ist. Von dieser Abgrenzung gehen auch die Parteien aus.

c) Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse liegt vor. In der Rechtsprechung des [X.] ist anerkannt, dass die Anwendbarkeit eines bestimmten Tarifvertrags oder [X.] auf ein Arbeitsverhältnis Gegenstand einer Feststellungsklage sein kann (10. August 2000 - 6 [X.] -; 25. Februar 1999 - 6 [X.] -; 23. Februar 1995 - 6 [X.] - [X.]E 79, 224, 226; 22. Oktober 2008 - 4 [X.] - Rn. 11, [X.]E 128, 165). Für die Frage der Anwendung einer kirchlich-diakonischen Arbeitsvertragsregelung gilt in Bezug auf das Feststellungsinteresse nichts anderes. Der teilweise Vergangenheitsbezug der Feststellungsklage steht dem Feststellungsinteresse nicht entgegen. Der von § 256 Abs. 1 ZPO verlangte Gegenwartsbezug wird dadurch hergestellt, dass die Klägerin insoweit aus der Anwendung der [X.] Vergütungsansprüche aus einem in der Vergangenheit liegenden [X.]raum und damit einen gegenwärtigen rechtlichen Vorteil erstrebt.

2. Die Klage ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien richtet sich weder nach der [X.] noch nach den [X.]. Für die Anwendung dieser Regelungen fehlt eine rechtliche Grundlage.

a) Kirchliche Arbeitsvertragsregelungen entfalten nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] keine normative Wirkung, sondern können als vom jeweiligen Arbeitgeber gestellte Allgemeine Geschäftsbedingungen nur kraft einzelvertraglicher Bezugnahme auf ein Arbeitsverhältnis Anwendung finden (vgl. 22. Juli 2010 - 6 [X.] - [X.], 658; 10. Dezember 2008 - 4 [X.] - [X.]E 129, 1; 26. Oktober 2006 - 6 [X.] - Rn. 12, [X.]E 120, 55; 13. September 2006 - 4 [X.] - Rn. 20, ZMV 2007, 148; 17. November 2005 - 6 [X.] - Rn. 17, [X.] BGB § 611 Kirchendienst Nr. 45 = [X.] 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 7; 8. Juni 2005 - 4 [X.] - Rn. 53 ff., [X.] MitarbeitervertretungsG-EK Rheinland-Westfalen § 42 Nr. 1 = [X.] 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 6). Dies bewirkt, dass mangels einer arbeitsvertraglichen Bezugnahme die [X.] auch dann auf das Arbeitverhältnis der Parteien keine Anwendung fände, wenn die der Beklagten vom [X.] erteilte Ausnahmegenehmigung entgegen der Annahme des [X.] Kirchengerichtshofs der [X.] nicht wirksam wäre.

b) Die Parteien haben im Arbeitsvertrag vom 31. August 2006 nicht vereinbart, dass sich das Arbeitsverhältnis nach der [X.] bzw. den [X.] richtet. Vielmehr haben sie in diesem Vertrag geregelt, dass die [X.] in der jeweils geltenden Fassung auf ihr Arbeitsverhältnis Anwendung findet, sofern nichts anderes vereinbart ist.

c) Mit dem Schreiben vom 1. November 2006 hat die Beklagte der Klägerin zwar mitgeteilt, dass sie bis zur Zustimmung der Mitarbeitervertretung oder einer entsprechenden Zustimmungsersetzung durch die Schiedsstelle rückwirkend ab dem 1. September 2006 die [X.] auf das Dienstverhältnis anwendet. Selbst wenn zugunsten der Klägerin angenommen würde, dass die Beklagte ihr damit die Anwendung der [X.] auf das Arbeitsverhältnis angetragen und die Klägerin das Angebot gemäß § 151 Satz 1 BGB ohne ausdrückliche Erklärung angenommen hat, wäre eine vereinbarte Anwendung der [X.] jedenfalls an eine auflösende Bedingung geknüpft, die mit der Ersetzung der Zustimmung der Mitarbeitervertretung zur Einstellung und Eingruppierung der Klägerin durch den Beschluss der Schieds- und Schlichtungsstelle vom 19. Januar 2007 eingetreten ist. Damit wäre gemäß § 158 Abs. 2 BGB der frühere Rechtszustand wieder hergestellt worden mit der Folge, dass die im Arbeitsvertrag vom 31. August 2006 getroffenen Vereinbarungen wieder maßgebend sind. Es wäre auch [X.] gewesen, abweichend von der im Arbeitsvertrag vom 31. August 2006 vereinbarten Bezugnahme auf die [X.] die Anwendung der [X.] nur so lange zu vereinbaren, bis die Zustimmung der Mitarbeitervertretung zur Anwendung der [X.] vorliegt oder ersetzt worden ist, so dass eine unangemessene Benachteiligung der Klägerin iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht in Betracht kommt. Es entsprach einem begründeten und billigenswerten Interesse der Beklagten, einerseits an den mit der Klägerin im Arbeitsvertrag vom 31. August 2006 getroffenen Vereinbarungen festzuhalten und andererseits die Mitbestimmungsrechte der Mitarbeitervertretung zu achten. Dieses Interesse der Beklagten überwiegt das Interesse der Klägerin an der unbedingten und unbefristeten Anwendung der [X.], mit der sie aufgrund der im Arbeitsvertrag vom 31. August 2006 getroffenen Regelung nicht auf Dauer rechnen durfte.

d) Soweit die Klägerin geltend macht, sie habe mit der Beklagten die Anwendung der [X.] konkludent vereinbart, steht dem entgegen, dass die Beklagte die Anwendung der [X.] im Schreiben vom 1. November 2006 ausdrücklich nur bis zur Zustimmung der Mitarbeitervertretung bzw. deren Ersetzung durch die Schiedsstelle zugesagt hat. Zwar ist die Zustimmung der Mitarbeitervertretung bereits mit dem Beschluss der Schieds- und Schlichtungsstelle vom 19. Januar 2007 ersetzt worden. Wenn die Beklagte die [X.] über diesen Tag hinaus bis zum 31. Januar 2007 angewandt hat, kann daraus aber noch keine konkludente Vereinbarung der Parteien abgeleitet werden, dass sich das Arbeitsverhältnis auf Dauer nach der [X.] richten sollte, zumal die Beklagte die Klägerin bereits im Schreiben vom 26. Januar 2007 darauf hingewiesen hat, dass sich das Arbeitsverhältnis ab dem 1. Februar 2007 nach der [X.] richtet.

e) Eine Anwendung der [X.] bzw. der [X.] auf das Arbeitsverhältnis folgt nicht aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Ungeachtet seiner umstrittenen dogmatischen Herleitung wird dieser Grundsatz inhaltlich durch den Gleichheitssatz bestimmt ([X.]/[X.] 11. Aufl. Art. 3 GG Rn. 29 mwN). Er knüpft an eine verteilende Entscheidung des Arbeitgebers an und gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen seiner Arbeitnehmer, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gesetzten Regelung gleich zu behandeln. Damit verbietet der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung (Senat 17. Dezember 2009 - 6 [X.] - Rn. 29, [X.] BGB § 620 Nr. 41 = [X.] 2002 § 623 Nr. 10). Eine solche hat die Beklagte nicht dadurch vorgenommen, dass sie ab dem 1. September 2006 in neuen Arbeitsverträgen nicht mehr die Anwendung der [X.], sondern der [X.] vereinbart hat. Es handelt sich um eine zulässige Stichtagsregelung, ohne die eine Umstellung eines Vergütungssystems nicht durchführbar wäre (Senat 27. Januar 2011 - 6 [X.] - Rn. 33; 11. Dezember 2003 - 6 [X.] - [X.]E 109, 110, 120). Soweit die Beklagte auf vor dem Stichtag begründete Arbeitsverhältnisse die [X.] anwendet, liegt keine Begünstigung einer Beschäftigtengruppe aufgrund einer verteilenden Entscheidung der Beklagten vor. Damit erfüllt die Beklagte nur ihre vor dem Stichtag eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen.

f) Entgegen der Ansicht der Klägerin ergibt sich ihr Anspruch auf Anwendung der [X.] bzw. der [X.] auch nicht aus § 612 Abs. 2 BGB. Nach dieser Vorschrift ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen, wenn die Höhe der Vergütung nicht bestimmt ist. Die Vorschrift ist auch anwendbar, wenn die Vergütungsvereinbarung unwirksam ist (Senat 21. April 2005 - 6 [X.] - Rn. 19; [X.] 28. September 1994 - 4 [X.] - [X.] BeschFG 1985 § 2 Nr. 38 = [X.] § 612 Nr. 17). Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Die Vergütung der Klägerin ist in der [X.] geregelt, auf die im Arbeitsvertrag vom 31. August 2006 verwiesen wurde. Darüber hinaus wäre die in der [X.] vorgesehene Vergütung auch nicht die übliche Vergütung iSv. § 612 Abs. 2 BGB.

aa) Das [X.] hat unter Hinweis auf die Entscheidung des [X.] vom 11. Februar 2009 (- 10 [X.]/08 - Rn. 24, [X.] 2002 § 308 Nr. 9) zutreffend angenommen, dass eine Unwirksamkeit der [X.] im Arbeitsvertrag vom 31. August 2006 nicht insgesamt die Unwirksamkeit der Bezugnahme auf die [X.] begründen würde. Die [X.] ist teilbar. Die Teilbarkeit einer Klausel ist mittels einer Streichung des unwirksamen Teils mit einem „blauen Stift“ zu ermitteln (vgl. zum sog. blue-pencil-Test [X.] 12. März 2008 - 10 [X.]/07 - Rn. 28, [X.] BGB § 305 Nr. 10 = [X.] 2002 § 307 Nr. 33; 21. April 2005 - 8 AZR 425/04 - [X.] BGB § 307 Nr. 3 = [X.] 2002 § 309 Nr. 3). Ist die verbleibende Regelung weiterhin verständlich, bleibt sie bestehen. So verhält es sich hier. Werden die Worte „in der jeweils geltenden Fassung“ in § 2 Satz 1 des Arbeitsvertrags vom 31. August 2006 gestrichen, wird die [X.] in der zum [X.]punkt des Abschlusses des Arbeitsvertrags gültigen Fassung in Bezug genommen, so dass sich die Vergütung der Klägerin danach bestimmt.

bb) Selbst wenn zugunsten der Klägerin angenommen würde, dass die Bezugnahme im Arbeitsvertrag auf die [X.] insgesamt unwirksam und damit die Höhe der Vergütung der Klägerin iSv. § 612 Abs. 2 BGB nicht bestimmt wäre, würde daraus nicht die von der Klägerin beanspruchte Anwendung der [X.] bzw. der [X.] auf das Arbeitsverhältnis folgen.

(1) Soweit die Klägerin die Anwendung von Vorschriften der [X.] oder der [X.] auf ihr Arbeitsverhältnis begehrt, die nicht die Höhe der Vergütung regeln, scheidet § 612 Abs. 2 BGB als Anspruchsgrundlage von vornherein aus.

(2) Die [X.] beinhaltet keine taxmäßige Vergütung iSv. § 612 Abs. 2 BGB. Taxen sind nach Bundes- oder Landesrecht festgelegte Vergütungssätze. Für Arbeitsverhältnisse bestehen solche Taxen nicht ([X.]/Preis 11. Aufl. § 612 BGB Rn. 36).

(3) Die in der [X.] vorgesehene Vergütung wäre auch nicht die gemäß § 612 Abs. 2 BGB übliche Vergütung. Üblich im Sinne dieser Vorschrift ist die Vergütung, die am gleichen Ort in gleichen oder ähnlichen Gewerben oder Berufen für entsprechende Arbeit unter Berücksichtigung der Verhältnisse des Dienstleistenden bezahlt zu werden pflegt, wobei für Arbeitnehmer häufig die tarifliche Vergütung die übliche Vergütung ist (MünchKommBGB/Müller-Glöge 5. Aufl. § 612 Rn. 29 [X.]). Maßgeblich ist damit nicht die vom Arbeitgeber anderen Arbeitnehmern gezahlte Vergütung, sondern die verkehrsübliche Vergütung in dem vergleichbaren Wirtschaftskreis ([X.] 26. April 2006 - 5 [X.] - Rn. 26, [X.]E 118, 66; 24. März 2004 - 5 [X.] [X.]E 110, 79, 83). Deshalb käme es nicht darauf an, ob die Behauptung der Klägerin zutrifft, wonach ca. 70 % der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach der [X.] vergütet werden.

(4) Der Annahme der Klägerin, die in der [X.] geregelte Vergütung sei die übliche Vergütung iSv. § 612 Abs. 2 BGB, steht entgegen, dass die Einrichtungen des [X.] nicht einem Wirtschaftskreis, sondern einer Vielzahl von Wirtschaftskreisen angehören. Diese Einrichtungen erbringen nicht ausschließlich wie die Beklagte Leistungen zur beruflichen Rehabilitation junger Menschen mit Behinderungen. Sie bieten sehr unterschiedliche Pflege-, Betreuungs-, Beratungs- und Serviceleistungen an, insbesondere im Bereich der [X.]. Maßgeblich für die Üblichkeit der Vergütung wäre der Wirtschaftskreis der Berufsbildungswerke in [X.]. Dafür, dass der [X.] in diesem Wirtschaftskreis eine ähnliche Funktion zukommt wie einem regionalen, branchenspezifischen Vergütungstarifvertrag für Berufsbildungswerke, fehlt jeder Anhaltspunkt. Die Klägerin hat eine solche Funktion der [X.] auch nicht behauptet.

3. Über den Hilfsantrag war nicht zu entscheiden. Die Klägerin hat ihn für den Fall gestellt, dass ihrem Hauptantrag nicht stattgegeben wird, weil sich dieser sowohl auf die Anwendung der [X.] als auch auf die Anwendung der [X.] bezieht. Aus diesem Grund ist der Hauptantrag nicht abgewiesen worden. Der spätere [X.]punkt, ab dem die Klägerin die Anwendung der [X.] nach ihrem Hilfsantrag begehrt, hat keine eigenständige Bedeutung. Wäre der Hauptantrag zwar nicht ab dem 31. August 2006, jedoch ab dem 1. Februar 2007 begründet gewesen, hätte der Klägerin dieses „Weniger“ auch ohne den Hilfsantrag zuerkannt werden müssen (vgl. [X.] 6. Juni 2007 - 4 [X.] - Rn. 16 [X.], [X.] [X.] 1975 §§ 22, 23 Nr. 308 = [X.] 400 Eingruppierung [X.] Allg. Verwaltungsdienst VergGr. [X.] 1).

III. Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Fischermeier    

    Brühler    

        

    Spelge    

        

        

        

        

    Lorenz    

        

    [X.]    

        

        

Meta

6 AZR 719/09

24.02.2011

Bundesarbeitsgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Potsdam, 30. Mai 2008, Az: 5 Ca 190/08, Urteil

§ 611 Abs 1 BGB, § 612 Abs 2 BGB, § 307 Abs 1 S 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.02.2011, Az. 6 AZR 719/09 (REWIS RS 2011, 9110)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 9110

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