Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 31.07.2018, Az. 3 AZN 320/18

3. Senat | REWIS RS 2018, 5274

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Gegenstand

Absoluter Revisionsgrund - vorschriftswidrige Besetzung


Leitsatz

Der absolute Revisionsgrund nach § 547 Nr. 1 ZPO liegt nicht vor, wenn nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung der Vorsitzende des Spruchkörpers ohne Beteiligung der ehrenamtlichen Richter nach § 156 Abs. 1 ZPO die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung anordnet und die Berufungskammer nach einer neuerlichen mündlichen Verhandlung in der dafür vorgesehenen Besetzung entscheidet.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen das Urteil des [X.] - [X.] - vom 6. März 2018 - 19 [X.]/16 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird auf 29.558,93 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Parteien streiten noch über Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit einer zur Durchführung der betrieblichen Altersversorgung abgeschlossenen Direktversicherung.

2

Der Kläger war beim [X.]eklagten langjährig als Konditormeister beschäftigt. [X.] sagte der [X.]eklagte ua. dem Kläger Leistungen der betrieblichen Altersversorgung im Durchführungsweg Direktversicherung zu. Der [X.]eklagte teilte dem Kläger im Jahr 2011 mit, dass sich bei der Vollendung des 65. Lebensjahres ein [X.] iHv. 48.178,00 [X.]uro ergebe. [X.]nde 2014 teilte die Versicherungsgesellschaft zum 1. Dezember 2019 eine garantierte Versicherungssumme iHv. [X.] [X.]uro und eine mögliche Gesamtleistung unter [X.]erücksichtigung von Überschüssen iHv. 53.473,81 [X.]uro mit. Der Rückkaufswert wurde zum 30. November 2014 mit 38.721,78 [X.]uro angegeben. Schließlich wurde darauf hingewiesen, dass „die Höhe der bereits geleisteten Vorauszahlungen 23.698,04 [X.]uro“ betrage. Die Versicherung wurde zum 1. Januar 2015 beitragsfrei gestellt. Im Januar 2015 betrug der Rückkaufswert noch 12.363,00 [X.]uro. Mit Wirkung zum 1. Mai 2015 wurde der Kläger, der bislang lediglich versicherte Person war, Versicherungsnehmer und als Versicherungssumme zum 1. Dezember 2019 wurde ein [X.]etrag iHv. 13.886,62 [X.]uro ausgewiesen.

3

Mit seiner Klage vom 3. November 2015 hat der Kläger vom [X.]eklagten die Zahlung von [X.] als Schadensersatz in die Direktversicherung und die [X.]rteilung bestimmter Auskünfte über die Direktversicherung begehrt. Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 25. Mai 2016 stattgegeben.

4

In dem vom [X.]eklagten ausschließlich gegen die Verurteilung zur Zahlung von 30.865,82 [X.]uro angestrengten [X.]erufungsverfahren fand am 14. Februar 2017 eine Verhandlung vor der [X.] des [X.] statt. Daran haben neben dem Vorsitzenden, [X.] am [X.], die ehrenamtliche [X.]in F und der ehrenamtliche [X.] Dr. Ma teilgenommen. Am [X.]nde der Kammerverhandlung unterbreitete das Gericht den Parteien einen gerichtlichen Vergleichsvorschlag. Das Protokoll endet mit folgendem Hinweis:

        

„Die Verhandlung wird mit dem Hinweis geschlossen, dass für den Fall, dass eine vergleichsweise [X.]inigung nicht erzielt werden kann, Termin zur Verkündung einer [X.]ntscheidung von Amts wegen anberaumt werden wird.“

5

[X.]ine vergleichsweise Regelung kam letztlich nicht zustande. Mit Verfügung vom 11. Mai 2017 wurde ein Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung vor der Kammer auf Dienstag, den 27. Juni 2017 bestimmt. Darüber hinaus wurde in dieser Verfügung die Wiederöffnung der Verhandlung „auf der [X.]asis von § 156 Abs. 1 ZPO vorgenommen“. Die Verfügung ist ausschließlich vom damaligen Vorsitzenden der [X.] unterzeichnet. Der Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer wurde danach noch mehrfach verlegt. Darüber hinaus wurde am 1. Juli 2017 die Kammer mit einem geschäftsplanmäßigen Vorsitzenden neu besetzt.

6

Am 6. März 2018 fand nach weiteren Verlegungen des [X.] eine weitere mündliche Verhandlung statt und es erging ein das Verfahren beendendes Urteil. An diesem haben der derzeitige geschäftsplanmäßige Vorsitzende der [X.]erufungskammer, Vorsitzender [X.] am [X.], sowie die ehrenamtlichen [X.] [X.] und [X.] mitgewirkt. Das [X.] hat das erstinstanzliche Urteil insoweit abgeändert, als der [X.]eklagte zur Zahlung eines 1.306,89 [X.]uro übersteigenden [X.]etrags verurteilt wurde, und die Zahlungsklage hinsichtlich des übersteigenden [X.]etrags abgewiesen. [X.]s hat die Revision nicht zugelassen.

7

Mit seiner [X.]eschwerde rügt der Kläger die nicht vorschriftsmäßige [X.]esetzung des [X.]erufungsgerichts gemäß § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ArbGG iVm. § 547 Nr. 1 ZPO. Der Kläger hat geltend gemacht, das [X.] habe nicht unter Mitwirkung der ehrenamtlichen [X.] über die Wiedereröffnung der am 14. Februar 2017 geschlossenen mündlichen Verhandlung entschieden, sondern der damalige Vorsitzende allein. Darüber hinaus erhebt er eine Grundsatzbeschwerde.

8

II. [X.] ist nicht begründet. Weder liegt der absolute Revisionsgrund der nicht vorschriftsmäßigen [X.]esetzung des Gerichts (§ 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG iVm. § 547 Nr. 1 ZPO) vor, noch ist die Revision wegen grundsätzlicher [X.]edeutung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG) zuzulassen.

9

1. Die Verfahrensrüge des Klägers ist unbegründet. Der absolute Revisionsgrund des § 547 Nr. 1 ZPO ist nicht deshalb gegeben, weil das [X.] nicht unter Mitwirkung der ehrenamtlichen [X.], die an der mündlichen Verhandlung von 14. Februar 2017 teilgenommen haben, geprüft hat, ob Anlass zur Wiederöffnung der mündlichen Verhandlung bestand, sondern der Vorsitzende allein nach § 156 Abs. 1 ZPO mit Verfügung vom 11. Mai 2017 die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung angeordnet hat. Damit hat das [X.] zwar verfahrensfehlerhaft ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen [X.] aus der mündlichen Verhandlung vom 14. Februar 2017 über die Wiedereröffnung positiv entschieden, dies führt jedoch nicht zu einer nicht vorschriftsmäßigen [X.]esetzung des erkennenden Gerichts in der mündlichen Verhandlung vom 6. März 2018 iSv. § 547 Nr. 1 ZPO.

a) Nach § 296a Satz 1 ZPO können nach Schluss der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, Angriffs- und Verteidigungsmittel zwar nicht mehr vorgebracht werden. Aus § 296a Satz 1 ZPO folgt damit jedoch nicht, dass das Gericht einen nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsatz von vornherein unberücksichtigt lassen darf. Das Gericht muss das Vorbringen vielmehr in jedem Fall beachten. [X.]s hat darüber hinaus zu prüfen, ob Gründe für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 Abs. 2 ZPO gegeben sind oder ob nach dem [X.]rmessen des Gerichts (§ 156 Abs. 1 ZPO) die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen i[X.] Auch wenn der nachgereichte Schriftsatz nicht mehr bei der [X.]ntscheidung über das Urteil [X.]eachtung finden kann, weil das Urteil nach [X.]eratung und Abstimmung bereits gefällt (§ 309 ZPO), aber noch nicht verkündet ist, hat das Gericht weiterhin bis zur Urteilsverkündung eingehende Schriftsätze zur Kenntnis zu nehmen und eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung zu prüfen ([X.] 25. Januar 2012 - 4 [X.] - Rn. 14; 18. Dezember 2008 - 6 [X.] - Rn. 3 mwN, [X.][X.] 129, 89; [X.] 1. Februar 2002 - V ZR 357/00 -).

b) Über die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung hat das Gericht durch den Spruchkörper in vollständiger [X.]esetzung und nicht durch den Vorsitzenden allein zu entscheiden.

aa) Ist über das Urteil zu dem Zeitpunkt, in dem sich das Gericht mit dem Vorbringen aus dem nachgereichten Schriftsatz befasst oder bei ordnungsgemäßem Verfahrensgang zu befassen hätte, noch nicht abschließend beraten und abgestimmt, das Urteil also noch nicht iSd. § 309 ZPO gefällt, müssen an der [X.]ntscheidung über die Frage einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung die [X.] mitwirken, die an der vorangegangenen letzten mündlichen Verhandlung beteiligt waren. [X.]ntsprechendes gilt grundsätzlich auch dann, wenn das Urteil bereits gefällt, aber noch nicht verkündet ist ([X.] 25. Januar 2012 - 4 [X.] - Rn. 16; 14. Dezember 2010 - 6 [X.] - Rn. 6; 18. Dezember 2008 - 6 [X.] - Rn. 4 f. mwN, [X.][X.] 129, 89).

bb) Der Grundsatz, dass an der [X.]ntscheidung über die Frage einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung die [X.] mitwirken, die an der vorangegangenen letzten mündlichen Verhandlung beteiligt waren, gilt auch dann, wenn an der mündlichen Verhandlung ehrenamtliche [X.] mitgewirkt haben ([X.] 25. Januar 2012 - 4 [X.] - Rn. 17; 9. Juni 2011 - 2 [X.] - Rn. 13; 18. Dezember 2008 - 6 [X.] - Rn. 6 mwN, [X.][X.] 129, 89). [X.]s obliegt allen [X.]n der [X.]erufungskammer, über die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung zu entscheiden.

cc) Dies schließt es aus, dass die [X.]ntscheidung über die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung allein durch den Vorsitzenden des Spruchkörpers getroffen wird. Nimmt allein der Vorsitzende von nachgereichten Schriftsätzen Kenntnis, wird der Prozesspartei, die diese verfasst hat, nicht nur rechtliches Gehör versagt, sondern auch der gesetzliche [X.] entzogen ([X.] 25. Januar 2012 - 4 [X.] - Rn. 18; 14. Dezember 2010 - 6 [X.] - Rn. 6; 18. Dezember 2008 - 6 [X.] - Rn. 7 mwN, [X.][X.] 129, 89; [X.] 15. April 2011 - [X.] 7/10 - Rn. 12).

c) Danach hätte das [X.] unter [X.]eteiligung der ehrenamtlichen [X.] aus der Sitzung vom 14. Februar 2017 darüber beraten und entscheiden müssen, ob die mündliche Verhandlung nach § 156 Abs. 1 ZPO wiederzueröffnen war.

aa) Die mündliche Verhandlung vor der [X.]erufungskammer wurde am 14. Februar 2017 geschlossen. Dies ergibt sich aus dem letzten Satz des Protokolls über die mündliche Verhandlung, wonach ein Verkündungstermin anberaumt werden würde, falls eine vergleichsweise Verständigung nicht erfolgen sollte. Dieser Satz kann auch nicht dahingehend verstanden werden, dass lediglich die mündliche Verhandlung an diesem Sitzungstag beendet werden und ggf. ein weiterer Verhandlungstermin anberaumt werden sollte. In diesem Fall hätte es nicht der Ankündigung eines Termins zur Verkündung einer [X.]ntscheidung bedurft. Auch Nr. 2 der Verfügung vom 11. Mai 2017 ([X.]. 125 [X.] LAG) spricht dafür, dass die [X.]erufungskammer zunächst beabsichtigt hatte, den Rechtsstreit durch ein ggf. noch abschließend zu beratendes und verkündendes Urteil zu beenden. Auch der damalige Vorsitzende der [X.]erufungskammer ging offensichtlich davon aus, dass die mündliche Verhandlung bereits am 14. Februar 2017 geschlossen war. Nur unter Zugrundelegung dieser Annahme ergibt die in Nr. 2 der Verfügung vom 11. Mai 2017 begründete Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 ZPO einen Sinn.

bb) Den Verfahrensakten ist nicht zu entnehmen, dass die ehrenamtlichen [X.] über die Wiedereröffnung mit dem Vorsitzenden beraten haben. Den Akten ist weder ein späterer [X.]eratungstermin im Gericht mit den ehrenamtlichen [X.]n noch eine telefonische [X.]eratung anhand entsprechender Aktenvermerke zu entnehmen.

d) Dieser - vom Kläger gerügte - Verfahrensfehler ist im [X.] zwar zu beachten. Daran ändert weder der Umstand etwas, dass der Kläger seine Klage nach der Wiedereröffnung der Verhandlung zunächst erweitert hat und am 6. März 2018 auch zur Sache vor der [X.]erufungskammer verhandelt hat. Allerdings kann der absolute Revisionsgrund der nicht vorschriftsmäßigen [X.]esetzung des erkennenden Gerichts (§ 547 Nr. 1 ZPO) vorliegend nicht mit [X.]rfolg gerügt werden.

aa) Für die Frage der vorschriftsmäßigen [X.]esetzung des Gerichts nach § 547 Nr. 1 ZPO kommt es allein auf die letzte mündliche Verhandlung an, auf welche das Urteil ergangen ist ([X.] Rspr. [X.] 26. Juni 1953 - [X.]/52 - [X.]Z 10, 130, 132; 22. Dezember 1967 - V ZR 114/64 - zu I der Gründe; 4. November 1997 - VI ZR 348/96 - zu II 1 a der Gründe, [X.]Z 137, 89; MüKoZPO/[X.] 5. Aufl. § 547 Rn. 5; [X.]/[X.] ZPO 32. Aufl. § 547 Rn. 2; GMP/[X.] 9. Aufl. § 73 Rn. 41).

(1) Die [X.]eteiligten eines gerichtlichen Verfahrens haben nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG Anspruch auf den gesetzlichen [X.], der sich aus dem Gerichtsverfassungsgesetz, den [X.] sowie den Geschäftsverteilungs- und [X.]esetzungsregelungen des Gerichts ergibt (vgl. [X.] 8. Juni 1993 - 1 [X.]vR 878/90 - zu [X.] 1 der Gründe, [X.][X.] 89, 28). Die Verfahrensgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG sichert nicht nur die Freiheit vor [X.]ingriffen durch Organe der Legislative und [X.]xekutive; ihre Schutzfunktion richtet sich auch nach „innen“, also darauf, dass niemand durch Maßnahmen der Gerichtsorganisation dem in seiner Sache gesetzlich berufenen [X.] entzogen wird (vgl. [X.] 10. Juli 1990 - 1 [X.], 1 [X.]vR 985/87 - zu [X.] 2 der Gründe, [X.][X.] 82, 286). Ziel des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist es, der Gefahr einer möglichen [X.]influssnahme auf den Inhalt einer gerichtlichen [X.]ntscheidung vorzubeugen, die durch eine auf den [X.]inzelfall bezogene Auswahl der zur [X.]ntscheidung berufenen [X.] eröffnet sein könnte. Damit sollen die Unabhängigkeit der Rechtsprechung gewahrt und das Vertrauen der Rechtsuchenden und der Öffentlichkeit in die Unparteilichkeit und Sachlichkeit der Gerichte gesichert werden. Deshalb verpflichtet Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG den Gesetzgeber, eine klare und abstrakt-generelle Zuständigkeitsordnung zu schaffen, die für jeden denkbaren Streitfall im Voraus den [X.] bezeichnet, der für die [X.]ntscheidung zuständig i[X.] Jede sachwidrige [X.]influssnahme auf die rechtsprechende Tätigkeit von innen und von außen soll dadurch verhindert werden. Die Gerichte sind bei der ihnen obliegenden Anwendung der vom Gesetzgeber geschaffenen Zuständigkeitsordnung verpflichtet, dem Gewährleistungsgehalt und der Schutzwirkung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG angemessen Rechnung zu tragen (vgl. [X.] 24. Februar 2009 - 1 [X.] - Rn. 7 f., [X.]K 15, 111).

(2) Nicht schon jede bloß fehlerhafte Anwendung einfachgesetzlicher Zuständigkeitsvorschriften führt jedoch zu einer verfassungswidrigen [X.]ntziehung des gesetzlichen [X.]s. Durch einen schlichten [X.] - „error in procedendo“ - wird niemand seinem gesetzlichen [X.] entzogen (vgl. [X.] 16. Dezember 2014 - 1 [X.]vR 2142/11 - Rn. 71, [X.][X.] 138, 64). Die Grenze zur Verfassungswidrigkeit ist erst überschritten, wenn die [X.]ntscheidung eines Gerichts von willkürlichen [X.]rwägungen bestimmt ist oder bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (vgl. [X.] 4. Februar 2016 - 2 [X.]vR 2223/15 - Rn. 89 mwN). Ob die [X.]ntscheidung eines Gerichts auf Willkür, also auf einem Fall grober Missachtung oder grober Fehlanwendung des Gesetzesrechts beruht oder ob sie darauf hindeutet, dass ein Gericht [X.]edeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkennt, kann nur angesichts der jeweiligen Umstände des [X.]inzelfalls beurteilt werden (vgl. [X.] 24. Februar 2009 - 1 [X.] - Rn. 10, [X.]K 15, 111). Diese Maßstäbe gelten auch für die Frage, ob ein Gericht vorschriftsmäßig iSv. § 547 Nr. 1 ZPO besetzt gewesen i[X.]

(3) [X.] macht nicht geltend, dass die am 6. März 2018 entscheidende Kammer des [X.]s unter Verkennung dieser Grundsätze herangezogen wurde. Vielmehr macht sie ausschließlich einen Fehler bei der vorangegangenen [X.]ntscheidung über die tatsächlich erfolgte Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 Abs. 1 ZPO geltend.

bb) In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass der absolute Revisionsgrund der fehlerhaften [X.]esetzung des Gerichts ausnahmsweise mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht werden kann, wenn der „Makel des Verstoßes gegen den gesetzlichen [X.]“ auf das anzufechtende Urteil ausstrahlt. [X.]ine solche Ausstrahlungswirkung hat der Sechste Senat des [X.] ([X.] 17. März 2016 - 6 [X.] 1087/15 - Rn. 7) angenommen, wenn bei der [X.]ntscheidung über ein Ablehnungsgesuch dieses nicht nur fehlerhaft behandelt worden ist, sondern das [X.]erufungsgericht bei dessen [X.]escheidung [X.]edeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkannt hat. Dann stellt die in fehlerhafter [X.]esetzung ergangene, die Instanz abschließende [X.]ntscheidung einen eigenständigen Verstoß gegen den Grundsatz des gesetzlichen [X.]s dar. In einem solchen Fall ist auch die dem Ablehnungsgesuch folgende Sachentscheidung mit dem „Makel des Verstoßes gegen den gesetzlichen [X.] behaftet“ ([X.] 11. März 2013 - 1 [X.] - Rn. 40). Der Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen [X.]s wirkt insoweit fort. Aufgrund der Ausstrahlungswirkung der Verfassungsgarantie des gesetzlichen [X.]s muss das Revisionsgericht in dieser Konstellation die im [X.] vor dem [X.]erufungsgericht erfolgten Verfassungsverstöße im [X.] beheben und die in fehlerhafter [X.]esetzung ergangene [X.]ntscheidung aufheben (vgl. [X.] 18. Dezember 2007 - 1 [X.]vR 1273/07 - Rn. 11, [X.]K 13, 72; 20. Juli 2007 - 1 [X.]vR 3084/06 - Rn. 28, [X.]K 11, 434; 24. Februar 2006 - 2 [X.]vR 836/04 - Rn. 60 ff., [X.]K 7, 325; vgl. für das [X.] nach dem [X.]: [X.]SG in [X.] Rspr. seit 2. November 2007 - [X.] 1 [X.] - Rn. 4 ff.; 22. Juni 2015 - [X.] 9 S[X.] 72/14 [X.] - Rn. 8; für das [X.] nach der FGO [X.]FH 10. März 2015 - V [X.] 108/14 - Rn. 6; für das [X.] nach dem ArbGG noch offengelassen, vgl. [X.] 11. Oktober 2010 - 9 [X.] 418/10 - Rn. 23; nunmehr [X.] 17. März 2016 - 6 [X.] 1087/15 - Rn. 7). Dies hat das [X.]undesverfassungsgericht ausdrücklich gebilligt und seiner Rechtsprechung im Rahmen der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde zu Grunde gelegt ([X.] 29. November 2017 - 1 [X.]vR 1904/17 - Rn. 4).

cc) [X.]ei der [X.]ntscheidung, die mündliche Verhandlung nach § 156 Abs. 1 ZPO tatsächlich wiederzueröffnen und eine neuerliche mündliche Verhandlung vor der Kammer des [X.]s anzuordnen, handelt es sich um keine der Zurückweisung oder Verwerfung eines Ablehnungsgesuchs vergleichbare [X.]ntscheidung. Zwar entscheidet den Rechtsstreit eine Kammer, die nur deshalb zur [X.]ntscheidung berufen ist, weil die mündliche Verhandlung wiedereröffnet wurde und gegen die Wiedereröffnungsentscheidung - wie bei der [X.]ntscheidung über das Ablehnungsgesuch (§ 49 Abs. 3 ArbGG) - kein Rechtsmittel gegeben ist ([X.]aumbach/[X.]/[X.]/[X.] ZPO 76. Aufl. § 156 Rn. 20; MüKoZPO/[X.] 5. Aufl. § 156 Rn. 16; [X.]/[X.] ZPO 32. Aufl. § 156 Rn. 2a).

[X.]ei der Ablehnung eines [X.]efangenheitsantrags wird die den Rechtsstreit in der [X.]erufungsinstanz beendende [X.]ntscheidung jedoch unter Mitwirkung eines zu Unrecht nicht ausgeschlossenen [X.]s getroffen und diese [X.]ntscheidung trägt damit den Makel des Verstoßes gegen den gesetzlichen [X.] in sich. [X.]ei einer tatsächlich erfolgten Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung hingegen, sind die dann zur [X.]ntscheidung berufenen [X.] nicht von der [X.]ntscheidung ausgeschlossen. Der Verfahrensfehler bei der Wiedereröffnung wirkt sich nur noch mittelbar aus, weil das Gericht eine neue mündliche Verhandlung unter Heranziehung der nach der Geschäftsverteilung und Heranziehungsliste zuständigen [X.] durchführt und erst auf der Grundlage dieser Verhandlung entscheidet. Dies rechtfertigt es, beide Konstellationen unterschiedlich zu behandeln.

2. Die Revision ist auch nicht wegen grundsätzlicher [X.]edeutung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage nach § 72 Abs. 2 Nr. 1, § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.

a) Nach § 72a Abs. 1, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG kann eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt werden, dass eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche [X.]edeutung hat. Dies ist der Fall, wenn die [X.]ntscheidung des Rechtsstreits von einer klärungsfähigen und klärungsbedürftigen Rechtsfrage abhängt und die Klärung entweder von allgemeiner [X.]edeutung für die Rechtsordnung ist oder wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen zumindest eines größeren Teils der Allgemeinheit berührt (vgl. [X.] 28. Juni 2011 - 3 [X.] 146/11 - Rn. 10, [X.][X.] 138, 180; 14. April 2005 - 1 [X.] 840/04 - zu 2 c aa der Gründe, [X.][X.] 114, 200; 26. September 2000 - 3 [X.] 181/00 - zu II 2 der Gründe, [X.][X.] 95, 372). [X.]ntscheidungserheblich ist eine Rechtsfrage, wenn sich das [X.] in der anzufechtenden [X.]ntscheidung mit ihr befasst und sie beantwortet hat und bei einer anderen [X.]eantwortung möglicherweise eine für den [X.]eschwerdeführer günstige [X.]ntscheidung getroffen hätte (vgl. [X.] 15. Oktober 2012 - 5 [X.] 1958/12 - Rn. 15 mwN). Der [X.]eschwerdeführer hat die nach § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ArbGG von ihm darzulegende Rechtsfrage von grundsätzlicher [X.]edeutung regelmäßig so präzise und konkret zu formulieren, dass sie mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden kann. Dies schließt im [X.]inzelfall zwar eine differenzierte Formulierung nicht aus; unzulässig ist jedoch eine Fragestellung, deren [X.]eantwortung von den Umständen des [X.]inzelfalls abhängt und damit auf die Antwort „Kann sein“ hinausläuft (vgl. etwa [X.] 23. Januar 2007 - 9 [X.] 792/06 - Rn. 6, [X.][X.] 121, 52). Darüber hinaus sind die Klärungsbedürftigkeit, die [X.]ntscheidungserheblichkeit und die allgemeine [X.]edeutung der Rechtsfrage darzulegen.

b) Danach genügt die [X.]eschwerdebegründung nicht den gesetzlichen Anforderungen. Die vom Kläger formulierte Frage:

        

„Ist der Arbeitgeber, der für die betriebliche Altersversorgung eine Lebensversicherung auf das Leben des Arbeitnehmers als Direktversicherung abgeschlossen hat, auch dann berechtigt, die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag im Sinne des § 1b Abs. 2 Satz 3 [X.]etrAVG zu beleihen, wenn es sich um eine beitragsorientierte Leistungszusage handelt, der Arbeitnehmer widerruflich bezugsberechtigt und die Unverfallbarkeit der Anwartschaft bereits eingetreten ist?“,

stellt keine Rechtsfrage im vorgenannten Sinn dar, denn ihre [X.]eantwortung hängt von der Ausgestaltung des jeweiligen [X.] ab und entzieht sich deshalb einer generellen [X.]eantwortung mit „Ja“ oder „Nein“.

III. [X.] folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 GKG.

        

    Zwanziger    

        

    Spinner    

        

    Wemheuer     

        

        

        

    [X.]     

        

    Schüßler     

                 

Meta

3 AZN 320/18

31.07.2018

Bundesarbeitsgericht 3. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AZN

vorgehend ArbG Mannheim, 25. Mai 2016, Az: 14 Ca 427/15, Urteil

§ 72 Abs 2 Nr 3 Alt 1 ArbGG, § 547 Nr 1 ZPO, § 156 Abs 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 31.07.2018, Az. 3 AZN 320/18 (REWIS RS 2018, 5274)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 5274

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5 Sa 658/19

6 Sa 226/21

1 Sa 648/21

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