Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 06.05.2015, Az. 2 AZN 984/14

2. Senat | REWIS RS 2015, 11542

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Gegenstand

(Absoluter Revisionsgrund des § 547 Nr 1 ZPO)


Tenor

1. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 1. Oktober 2014 - 12 [X.] - wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.

2. Der Wert des [X.] wird auf 9.600,00 Euro festgesetzt.

Gründe

1

Die Beschwerde ist unzulässig, weil sie nicht in der vom Gesetz geforderten Form begründet worden ist.

2

I. Die Revision ist nicht gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1, § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG iVm. § 547 Nr. 1 ZPO wegen einer nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts zuzulassen. Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass die anzufechtende Entscheidung nicht unter Mitwirkung der dazu gesetzlich berufenen [X.] ergangen wäre.

3

1. Sie rügt zum einen, das Berufungsurteil sei durch andere [X.] verkündet worden als diejenigen, die an der letzten mündlichen Verhandlung beteiligt gewesen seien. Dies ist unbeachtlich. Zwar erfasst § 547 Nr. 1 ZPO ua. diejenigen Fälle, in denen die Entscheidung durch andere als die gesetzlich berufenen [X.] ergeht (vgl. [X.] 9. Juni 2011 - 2 [X.] - Rn. 16; 26. September 2007 - 10 [X.] - Rn. 11). Ein Urteil ergeht aber nicht erst durch seine Verkündung. Es wird - worauf die Beklagte selbst zu Recht hinweist - iSv. § 309 ZPO bereits dann „gefällt“, wenn abschließend über den Streitgegenstand beraten und abgestimmt ist ([X.] 18. Dezember 2008 - 6 [X.] - Rn. 5, [X.]E 129, 89; [X.] 1. März 2012 - [X.] ZR 84/11 - Rn. 9; 1. Februar 2002 - V ZR 357/00 - zu II 2 a der Gründe). Verkündet werden iSv. § 310 ZPO darf ein Urteil auch von anderen [X.]n ([X.] 8. November 1973 - [X.]/73 - zu I 2 der Gründe, [X.]Z 61, 369).

4

2. Die Beklagte rügt zum anderen, wegen des Endes der Abordnung des [X.]s, der in der letzten mündlichen Verhandlung als Vorsitzender der Kammer beteiligt gewesen sei, habe die mündliche Verhandlung mit Blick auf die nach ihrem Schluss eingereichten Schriftsätze wiedereröffnet werden müssen. Jedenfalls habe sich der bereits ausgeschiedene [X.] nicht mit der Entscheidung, ob die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen gewesen sei, befassen dürfen. Eine vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts ist damit ebenso wenig aufgezeigt.

5

a) Der absolute Revisionsgrund des § 547 Nr. 1 ZPO ist ua. dann gegeben, wenn das [X.] nicht unter Mitwirkung derjenigen [X.], die an der letzten mündlichen Verhandlung teilgenommen haben, geprüft hat, ob Schriftsätze der [X.]en, die nach Schluss der mündlichen Verhandlung bei Gericht eingegangen sind, gemäß § 156 ZPO Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gaben (vgl. [X.] 25. Januar 2012 - 4 [X.] - Rn. 13). Selbst wenn der nachgereichte Schriftsatz bei der Entscheidung über das Urteil keine Beachtung mehr finden kann, weil das Urteil nach abschließender Beratung und Abstimmung bereits gefällt war, hat das Gericht bis zur Urteilsverkündung eingehende Schriftsätze zur Kenntnis zu nehmen und eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung zu prüfen ([X.] 25. Januar 2012 - 4 [X.] - Rn. 14; 18. Dezember 2008 - 6 [X.] - Rn. 3 mwN, [X.]E 129, 89; [X.] 1. Februar 2002 - V ZR 357/00 - zu II 2 a bb (1) der Gründe). Ist einer der [X.], die an der letzten mündlichen Verhandlung teilgenommen haben, mittlerweile ausgeschieden, entscheiden über die Wiedereröffnung die verbliebenen [X.] allein ( [X.] 1. Februar 2002 - V ZR 357/00  - zu II 2 a und II 2 a bb (2) der Gründe). Tritt nach Schluss der mündlichen Verhandlung ein [X.]wechsel ein und war das Urteil zu diesem Zeitpunkt noch nicht „gefällt“, ist allerdings gemäß § 156 Abs. 2 Nr. 3 ZPO zwingend die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung anzuordnen ( [X.] 1. März 2012 - [X.] ZR 84/ 11 - Rn. 9).

6

b) Die Beklagte hat nicht dargelegt, das am 1. Oktober 2014 verkündete Urteil sei vor dem Ausscheiden des [X.]s, der in der letzten mündlichen Verhandlung den Vorsitz der Kammer führte, noch nicht „gefällt“ gewesen, so dass es deshalb zwingend einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung bedurft hätte. Ein Urteil ist nicht zwangsläufig erst dann iSd. § 309 ZPO gefällt, wenn aufgrund eines nachgereichten Schriftsatzes auch über die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung beraten worden ist. Eine abschließende Beratung und Abstimmung über das Urteil selbst kann vielmehr schon zuvor erfolgt sein. Falls später die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung abgelehnt wird, verbleibt es bei dem bereits gefällten Urteil. Die Beklagte hat auch nicht aufgezeigt, dass der schon ausgeschiedene Vorsitzende an der Entscheidung über die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gleichwohl noch beteiligt gewesen sei. Dies ergibt sich nicht allein daraus, dass in den Urteilsgründen ausgeführt ist, ein gesetzlicher Grund für die Wiedereröffnung habe nicht bestanden. Die Beklagte macht nicht etwa geltend, sie habe sich vergeblich um Auskunft darüber bemüht, wer an der Entscheidung über die Wiedereröffnung mitgewirkt habe. Im Übrigen waren dies nach dem Vermerk vom 26. September 2014 ausschließlich die ehrenamtlichen [X.].

7

3. Soweit die Beklagte rügt, der Vermerk über die Verhinderung des - ausgeschiedenen - Vorsitzenden unter dem schriftlich abgefassten Urteil lasse den Grund seiner Verhinderung nicht erkennen, ist auch damit nicht aufgezeigt, das Gericht sei iSv. § 547 Nr. 1 ZPO nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen. Falls ein unzureichender Vermerk über den Grund der Verhinderung dazu führt, dass das Urteil iSd. § 72b ArbGG nicht ordnungsgemäß mit Unterschriften versehen ist, ist dies gemäß § 72b Abs. 1 Satz 2 ArbGG kein Grund für die Zulassung der Revision. Die stattdessen zu erhebende und von der Beklagten tatsächlich erhobene sofortige Beschwerde nach § 72b ArbGG hat der Senat mit Beschluss vom 23. April 2015 (- 2 [X.] -) verworfen.

8

II. Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass die anzufechtende Entscheidung ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt habe (§ 72 Abs. 2 Nr. 3, § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ArbGG).

9

1. Beruft sich der Beschwerdeführer auf § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 ArbGG, so muss er die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör sowie deren Entscheidungserheblichkeit darlegen. Es gelten die Anforderungen, die an eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge iSv. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gestellt werden ([X.] 10. Mai 2005 - 9 [X.]/05 - zu II 2 der Gründe, [X.]E 114, 295).

2. Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

a) Das [X.] hat eine Doppelbegründung gegeben. Es hat angenommen, die Kündigung habe das Arbeitsverhältnis der [X.]en nicht aufgelöst, weil sie nicht sozial gerechtfertigt iSd. § 1 Abs. 1 KSchG sei (Erstbegründung). Zum anderen und unabhängig davon sei die Kündigung mangels ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG unwirksam (Zweitbegründung).

b) Beruht die anzufechtende Entscheidung auf einer Mehrfachbegründung, so kann eine Nichtzulassungsbeschwerde nur Erfolg haben, wenn jede der vom [X.] gegebenen Begründungen angegriffen wird und die [X.] gegen jede von ihnen durchgreifen (vgl. [X.] 18. März 2010 - 2 [X.] 889/09 - Rn. 13; 10. März 1999 - 4 [X.] 857/98 - zu [X.] 2.1.2 der Gründe, [X.]E 91, 93).

c) Die Beklagte hat jedenfalls gegen die Zweitbegründung keine zulässigen [X.] erhoben. Damit ist zugleich die Entscheidungserheblichkeit der gegen die Erstbegründung geltend gemachten Zulassungsgründe nicht dargetan, ohne dass es darauf ankäme, ob diese im Übrigen ausreichend begründet wären.

aa) Soweit die Beklagte rügt, das [X.] habe ihren Sachvortrag nebst [X.] zur Betriebsratsanhörung offensichtlich nicht vollständig und richtig zur Kenntnis genommen, hat sie nicht dargelegt, welches konkrete Vorbringen aus welchem Schriftsatz (vgl. zu diesem Erfordernis [X.] 23. September 2008 - 6 [X.] 84/08 - Rn. 19 mwN, [X.]E 128, 13) es übergangen habe. Dies ist auch nicht unmittelbar ersichtlich. Das [X.] hat vielmehr im Einzelnen ausgeführt, aus welchen rechtlichen Gründen es das Vorbringen der Beklagten im Ergebnis nicht als ausreichend für die Darlegung einer ordnungsgemäßen Betriebsratsanhörung erachtet hat. Soweit sich die Beklagte auf konkretes Vorbringen in näher bestimmten Schriftsätzen bezieht, rügt sie lediglich, das [X.] habe dies nicht zutreffend gewürdigt. Dies vermag eine Zulassung der Revision nicht zu begründen. Art. 103 Abs. 1 GG schützt nicht davor, dass das Gericht dem Vortrag einer [X.] nicht die aus deren Sicht richtige Bedeutung beimisst ([X.] 4. August 2004 - 1 BvR 1557/01 - zu [X.] 2 b der Gründe, [X.]K 4, 12; [X.] 18. November 2008 - 9 [X.] 836/08 - Rn. 8; 31. Mai 2006 - 5 [X.]) - Rn. 6, [X.]E 118, 229).Auch soweit die Beklagte auf überreichte Urkunden und eine Aktennotiz sowie auf die von ihr benannten, zum Teil in der mündlichen Verhandlung präsenten Zeugen verweist, hat sie nicht dargelegt, dass sich daraus das vom [X.] vermisste Vorbringen ergäbe - nämlich Vortrag dazu, welche konkreten Tatsachen dem Betriebsrat zur Begründung der Kündigung mitgeteilt worden seien.

bb) Soweit die Beklagte geltend macht, das [X.] habe es unterlassen, erforderliche gerichtliche Hinweise auf vermeintlich übersehene Gesichtspunkte zu geben, hat sie nicht dargelegt, welchen konkreten Vortrag sie daraufhin ergänzend gehalten hätte.

cc) Von einer näheren Begründung wird gemäß § 72a Abs. 5 Satz 5 ArbGG abgesehen.

[X.]. Die Kosten ihrer erfolglos gebliebenen Beschwerde fallen nach § 97 Abs. 1 ZPO der Beklagten zur Last.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Rachor    

        

        

        

        

        

        

                 

Meta

2 AZN 984/14

06.05.2015

Bundesarbeitsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AZN

vorgehend ArbG Köln, 10. Dezember 2013, Az: 16 Ca 6274/13, Urteil

§ 547 Nr 1 ZPO, § 156 ZPO, § 309 ZPO, § 310 ZPO, § 72 Abs 2 Nr 3 Alt 1 ArbGG, § 72 Abs 2 Nr 3 Alt 2 ArbGG, § 72a Abs 3 S 2 Nr 3 Alt 1 ArbGG, § 72b Abs 1 S 2 ArbGG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 06.05.2015, Az. 2 AZN 984/14 (REWIS RS 2015, 11542)

Papier­fundstellen: NJW 2015, 3181 REWIS RS 2015, 11542

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4 Ni 5/14 (EP)

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14 Sa 190/21

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