Bundesfinanzhof, Urteil vom 08.10.2019, Az. X K 1/19

10. Senat | REWIS RS 2019, 2921

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Gegenstand

Entschädigungsklage wegen überlanger Verfahrensdauer


Leitsatz

1. NV: Wenn ein Verfahren bereits erheblich verzögert ist, kann es geboten sein, das Verfahren auch während eines Zeitraums, in dem die maßgebenden Akten an eine andere Stelle versandt werden mussten, weiter zu fördern und hierfür entsprechende Vorsorge zu treffen .

2. NV: Eine in einem finanzgerichtlichen Klageverfahren, das keine wesentlichen Besonderheiten aufweist, nach einem Jahr und acht Monaten erhobene Verzögerungsrüge ist jedenfalls dann nicht verfrüht --und daher wirksam--, wenn ein Parallelverfahren zu diesem Zeitpunkt bereits deutlich verzögert war und dadurch Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen werden kann .

Tenor

Der Beklagte wird verurteilt, an jeden der Kläger 1.200 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.03.2019 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Kläger begehren gemäß § 198 des Gerichtsverfassungsgesetzes ([X.]) Entschädigungen wegen der von ihnen als unangemessen angesehenen Dauer eines finanzgerichtlichen Verfahrens, das vom [X.] bis zur Urteilszustellung am 16.06.2018 beim [X.] ([X.]) Düsseldorf anhängig war.

2

Dem Ausgangsverfahren liegt der folgende Sachverhalt zugrunde: Beide Kläger bezogen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit; darüber hinaus erzielte der Kläger als Rechtsanwalt freiberufliche Einkünfte und unterlag der Umsatzsteuer. Am 30.06.2005 erließ das früher zuständige [X.] einen Abrechnungsbescheid zur Einkommensteuer 1999. Über den hiergegen eingelegten Einspruch wurde zunächst nicht entschieden.

3

Am 03.12.2008 erließ das nunmehr zuständig gewordene Finanzamt --[X.]-- (der Beklagte des Ausgangsverfahrens) [X.] zur Einkommensteuer 2000 bis 2005 und zur Umsatzsteuer 1999 bis 2005, gegen die der Kläger --hinsichtlich der Einkommensteuer auch für die [X.] ebenfalls Einspruch einlegte.

4

Seit dem [X.] war beim [X.] unter dem Aktenzeichen 12 K [X.] eine Klage des [X.] anhängig, deren Gegenstand eine Abrechnungsverfügung zur Umsatzsteuer 2002 war. Aufgrund einer in diesem Verfahren durchgeführten --das Verfahren aber nicht beendenden-- mündlichen Verhandlung erließ das [X.] am 17.06.2013 einen geänderten Abrechnungsbescheid zur Umsatzsteuer 2002. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger zum einen Einspruch ein; zum anderen beantragte er am [X.] im Klageverfahren 12 K [X.], die Klage auf die [X.] zur Umsatzsteuer 2002 vom 03.12.2008, 25.04.2013 und 17.06.2013 zu erweitern. Das [X.] erfasste unter dem Aktenzeichen 12 K [X.] ein neues Klageverfahren, als dessen Gegenstand es die [X.] zur Umsatzsteuer 2002 vom 03.12.2008 und 17.06.2013 ansah.

5

Das [X.] führte in dem Verfahren 12 K [X.] am 06.09.2013 eine weitere mündliche Verhandlung durch und vertrat darin die Auffassung, es sei nicht sachdienlich, den Änderungsbescheid vom 17.06.2013 im Wege der Klageänderung zum Gegenstand des Verfahrens zu machen. Das [X.] räumte in dieser mündlichen Verhandlung ein, dass die bisherigen [X.] in Teilbereichen (Begleichung von [X.] durch Drittschuldner, fehlende Angabe von Kontonummern bei Erstattungen) nicht nachvollziehbar seien. Der Kläger wies am 11.09.2013 nochmals darauf hin, dass er am [X.] keine neue Klage erhoben, sondern die bereits anhängige Klage auf einen zwischenzeitlich ergangenen Änderungsbescheid erweitert habe. Hierüber müsse im anhängigen Verfahren 12 K [X.] entschieden werden.

6

Am 22.05.2014 erließ das [X.] [X.] hinsichtlich der [X.] zur Einkommensteuer 2000 bis 2005 und zur Umsatzsteuer 1999 bis 2005. Darin änderte es die [X.] in Bezug auf die bisher fehlenden Angaben zu Drittschuldnerzahlungen und Kontonummern; im Übrigen wies es die Einsprüche zurück. Am 23.06.2014 begehrte der Kläger gegenüber dem [X.], die Klage 12 K [X.] auf die beiden [X.] zu erweitern; hinsichtlich der [X.] zur Einkommensteuer 1999 bis 2005 benannte er auch die Klägerin als Verfahrensbeteiligte. Ferner wurden in diesem Schriftsatz Untätigkeitsklagen in Bezug auf den noch nicht beschiedenen Einspruch vom 04.07.2005 gegen den Abrechnungsbescheid zur Einkommensteuer 1999 und in Bezug auf den beantragten Erlass von [X.]n zur Einkommen- und Umsatzsteuer 2006 bis 2009 erhoben. Das [X.] erfasste unter dem Aktenzeichen 12 K 1971/[X.] ein neues Klageverfahren, als dessen Gegenstand es indes zunächst nur die [X.] zur Einkommensteuer 2000 bis 2005 eintrug.

7

Mit einer weiteren Einspruchsentscheidung vom 02.09.2014 verwarf das [X.] den Einspruch des [X.] gegen den geänderten Abrechnungsbescheid zur Umsatzsteuer 2002 vom 17.06.2013 als unzulässig, weil bereits der vorangehende Bescheid angefochten worden sei und der Änderungsbescheid kraft Gesetzes zum Gegenstand jenes Verfahrens geworden sei. Gegen diese Einspruchsentscheidung wandte sich der Kläger nicht.

8

Am 26.06.2015 forderte das [X.] im Verfahren 12 K [X.] die Steuerakten an und bat den Kläger im Verfahren 12 K 1971/[X.] um Nachweise seiner Zahlungen auf die Einkommensteuer 2000 sowie um Unterlagen zur --vom [X.] seinerzeit noch bestrittenen-- Einlegung eines Einspruchs gegen den Abrechnungsbescheid zur Einkommensteuer 1999 vom 30.06.2005. Ferner trug es als Streitgegenstand dieses Verfahrens nunmehr die [X.] zur Einkommen- und Umsatzsteuer 1999 bis 2005 sowie das Begehren auf Erlass von [X.]n zur Einkommen- und Umsatzsteuer 2006 bis 2009 ein. Die Verfügungen des [X.] wurden von den Beteiligten jeweils am 28.07.2015 beantwortet.

9

Von August bis November 2015 wechselten die Beteiligten noch Schriftsätze im Verfahren 12 K 1971/[X.], die inhaltlich die Frage der Verbuchung geleisteter Zahlungen zur Einkommensteuer 2000 sowie die Einlegung eines Einspruchs in Bezug auf den Abrechnungsbescheid zur Einkommensteuer 1999 betrafen.

Der Einzelrichter des [X.], dem zwischenzeitlich beide Klageverfahren zur Entscheidung übertragen worden waren, erteilte den Beteiligten am 20.01.2016 in beiden Verfahren rechtliche Hinweise zur verfahrensrechtlichen Situation. Daraufhin kam es erneut zu einem Schriftsatzaustausch zwischen den Beteiligten, der bis April 2016 andauerte.

Mit zwei am 25.02.2016 beim [X.] eingegangenen Schreiben erhob der Kläger --im Verfahren 12 K 1971/[X.] auch für die [X.] in beiden Verfahren eine Verzögerungsrüge. Ferner baten die Kläger um Klarstellung, welche Teile ihrer Begehren vom [X.] im Verfahren 12 K [X.] und welche im Verfahren 12 K 1971/[X.] behandelt würden. Sie wiesen nochmals darauf hin, dass die Verteilung auf mehrere gerichtliche Aktenzeichen angesichts der inhaltlichen Verflechtung der Problematik nicht sachdienlich sei.

Am 27.04.2016 trennte der Einzelrichter aus dem Verfahren 12 K 1971/[X.] das Verfahren wegen der Untätigkeitsklage zu den [X.]n zur Einkommen- und Umsatzsteuer 2006 bis 2009 ab, weil das [X.] mittlerweile entsprechende [X.] erlassen hatte und die Beteiligten den Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache für erledigt erklärt hatten. Die Kosten des abgetrennten Verfahrens legte er dem [X.] auf. Zugleich lud er in den Verfahren 12 K [X.] und 12 K 1971/[X.] zur mündlichen Verhandlung, die --nach einem Terminverlegungsantrag der Kläger-- letztlich am 22.06.2016 stattfand. Zwischen den Beteiligten wurde aufgrund der vom Kläger vorgelegten Nachweise unstreitig, dass der Kläger gegen den Abrechnungsbescheid zur Einkommensteuer 1999 vom 30.06.2005 rechtzeitig Einspruch eingelegt hatte.

Aufgrund der mündlichen Verhandlung trennte der Einzelrichter aus dem Verfahren 12 K [X.] den Rechtsstreit wegen des Abrechnungsbescheids zur Umsatzsteuer 2002 vom 17.06.2013 unter dem neuen Aktenzeichen 12 K 1818/[X.] ab und wies im abgetrennten Verfahren die Klage mit Urteil vom 22.06.2016 ab. Zur Begründung führte er aus, das [X.] habe den Einspruch des [X.] gegen den Änderungsbescheid vom 17.06.2013 zu Recht als unzulässig verworfen, da dieser Bescheid kraft Gesetzes zum Gegenstand des bereits laufenden [X.] geworden sei. Hiergegen legte der Kläger Nichtzulassungsbeschwerde ein, die vom [X.] ([X.]) unter dem Aktenzeichen VII B 173/16 geführt wurde.

Ebenfalls am 22.06.2016 trennte der Einzelrichter aus dem Verfahren 12 K 1971/[X.] den Rechtsstreit wegen des Abrechnungsbescheids zur Umsatzsteuer 2002 (Einspruchsentscheidung vom 22.05.2014) unter dem neuen Aktenzeichen 12 K 1819/[X.] ab. Er verwarf diese Klage als unzulässig, weil die Einspruchsentscheidung nach § 68 der [X.]sordnung ([X.]O) zum Gegenstand des bereits anhängigen Klageverfahrens 12 K [X.] geworden sei. Die hiergegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] wurde vom [X.] unter dem Aktenzeichen VII B 174/16 geführt.

Durch weiteren Beschluss vom 29.06.2016 verband der Einzelrichter die Verfahren 12 K [X.] und 12 K 1971/[X.] zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung.

Mit Schreiben vom 11.07.2016 erteilte der Einzelrichter den Klägern weitere rechtliche Hinweise verfahrensrechtlicher und materiell-rechtlicher Art und setzte ihnen eine Frist nach § 79b Abs. 1 [X.]O. Daraufhin kam es zu einem erneuten Schriftsatzaustausch zwischen den Beteiligten, der im Oktober 2016 endete. Zwischenzeitlich hatte das [X.] am 19.08.2016 seine Verfahrensakten dem [X.] zur Bearbeitung der dortigen [X.] übersandt.

Am 10.02.2017 erließ der Einzelrichter einen Gerichtsbescheid im nunmehr allein noch beim [X.] anhängigen Verfahren 12 K [X.]. Darin hob er die [X.] zur Einkommensteuer 2000 bis 2005 vom 03.12.2008 auf und verpflichtete das [X.] insoweit zur Neubescheidung. Im Übrigen wies er die Klage ab. Zur Begründung führte er aus, hinsichtlich der [X.] zur Einkommensteuer 2000 bis 2005 habe das [X.] gewisse Fehler eingeräumt. In Bezug auf die weiteren [X.] hätten die Kläger hingegen keine Fehler darlegen können. Eine weitere Sachaufklärung sei dem Gericht nicht möglich. Die Kläger stellten am 14.03.2017 einen Antrag auf mündliche Verhandlung gegen den Gerichtsbescheid.

Am 11.01.2018 gingen beim [X.] die dem [X.] überlassenen Verfahrensakten sowie die [X.]-Beschlüsse vom 06.11.2017 über die [X.] ein. Der [X.] (VII B 173/16) hob das im Verfahren 12 K 1818/[X.] ergangene Urteil des [X.] auf und verwies die Sache an das [X.] zurück, weil der [X.] vom 22.06.2016 gegen die Grundordnung des Verfahrens verstoßen habe. Die [X.] gegen das im Verfahren 12 K 1819/[X.] ergangene Urteil des [X.] hatte hingegen keinen Erfolg.

Am 22.03.2018 hob der Einzelrichter den [X.] auf und löschte das Verfahren 12 K 1818/[X.] aus dem Register des Gerichts. Am 20.04.2018 verband er das vom [X.] zurückverwiesene Verfahren wegen des Bescheids vom 17.06.2013 mit dem Verfahren 12 K [X.]. Zugleich lud er im nunmehr allein verbliebenen Verfahren 12 K [X.] zur mündlichen Verhandlung; der Termin wurde allerdings wegen eines anschließenden Verzichts beider Beteiligter auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung aufgehoben. Die Kläger erhoben am 09.05.2018 nochmals Verzögerungsrüge.

Mit Urteil vom 13.06.2018 entschied der Einzelrichter über die Klage. Tenor und Entscheidungsgründe sind weitestgehend identisch mit den entsprechenden Ausführungen des [X.] vom [X.] Das Urteil wurde den Klägern am 16.06.2018 zugestellt. Die Kläger legten gegen das Urteil Nichtzulassungsbeschwerde ein (VII B 111/18), die sie aber am 04.10.2018 zurücknahmen.

Am 24.01.2019 haben die Kläger Entschädigungsklage erhoben. Sie vertreten die Auffassung, der Arbeitsaufwand des [X.] sei äußerst gering gewesen. Das verfahrensabschließende Urteil sei ausschließlich formal gehalten und hätte spätestens nach zwölf Monaten ergehen können. Daher liege eine überlange Verfahrensdauer von vier Jahren vor, wobei die Kläger vorerst jedoch im Wege einer Teilklage nur für eine Verzögerung von einem Jahr einen erststelligen Teilbetrag ihres [X.] geltend machen wollten. Der Beklagte habe vorgerichtlich mit Schreiben vom [X.] eine Zahlung abgelehnt und befinde sich seitdem in Verzug.

Die Kläger beantragen sinngemäß,
den Beklagten zu verurteilen, an jeden von ihnen wegen der unangemessenen Dauer des vor dem [X.] Düsseldorf geführten Verfahrens 12 K [X.] eine Entschädigung von jeweils 1.200 € zuzüglich Zinsen seit dem [X.] in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz zu zahlen.

Der Beklagte hat keinen Antrag gestellt, tritt aber der Klage entgegen. Die Verfahrensdauer habe mit knapp fünf Jahren zwar über dem statistischen Durchschnitt gelegen, sei aufgrund der Besonderheiten des Verfahrens aber als angemessen anzusehen. Das Verfahren sei überdurchschnittlich schwierig gewesen und vom [X.] stets gefördert, von den Klägern hingegen eher gebremst worden. Zudem sei die Verzögerungsrüge vom 25.02.2016 zu früh erhoben worden und damit unwirksam.

Auch das zwischenzeitliche Verfahren vor dem [X.] habe zur Verlängerung der Verfahrensdauer beigetragen: Zwar habe der Einzelrichter den Gerichtsbescheid noch anhand seiner Arbeitsunterlagen fertigen können; für die mündliche Verhandlung sei aber die Gerichtsakte erforderlich gewesen.

Entscheidungsgründe

II.

[X.]ie Klage ist hinsichtlich der geltend gemachten Hauptansprüche in vollem Umfang und hinsichtlich der [X.] zum überwiegenden Teil begründet.

Nach den hierfür in der [X.]srechtsprechung entwickelten typisierenden Grundsätzen (dazu unten 1.), deren Anwendung nicht durch etwaige Besonderheiten des vorliegend zu beurteilenden Falles ausgeschlossen wird (unten 2.), war die [X.]auer des Ausgangsverfahrens sowohl in Bezug auf den Kläger (unten 3.) als auch in Bezug auf die Klägerin (unten 4.) im Umfang von jeweils mindestens zwölf Monaten unangemessen. [X.]ie Voraussetzungen für die Gewährung von Geldentschädigungen liegen vor (unten 5.). [X.]emgegenüber sind die geltend gemachten [X.] nicht unter dem Gesichtspunkt des Verzugs, sondern lediglich für einen Teil des von den Klägern benannten [X.] unter dem Gesichtspunkt der Rechtshängigkeit begründet (unten 6.).

1. Gemäß § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG richtet sich die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und [X.]ritter.

[X.]iese gesetzlichen Maßstäbe beruhen auf der ständigen Rechtsprechung des [X.] und des [X.] ([X.]). Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hierzu und zum Folgenden auf das [X.]surteil vom 07.11.2013 - [X.] ([X.], 126, [X.], 179, Rz 48 ff.) Bezug genommen.

Nach dieser Entscheidung ist der Begriff der "Angemessenheit" für Wertungen offen, die dem Spannungsverhältnis zwischen dem Interesse an einem möglichst zügigen Abschluss des Rechtsstreits einerseits und anderen, ebenfalls hochrangigen sowie verfassungs- und menschenrechtlich verankerten prozessualen Grundsätzen --wie dem Anspruch auf Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes durch inhaltlich möglichst zutreffende und qualitativ möglichst hochwertige Entscheidungen, der Unabhängigkeit der [X.] und dem Anspruch auf den gesetzlichen [X.]-- Rechnung tragen. [X.]anach darf die zeitliche Grenze bei der Bestimmung der Angemessenheit der [X.]auer des Ausgangsverfahrens nicht zu eng gezogen werden; dem Ausgangsgericht ist ein erheblicher Spielraum für die Gestaltung seines Verfahrens --auch in zeitlicher [X.] einzuräumen. Zwar schließt es die nach der Konzeption des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG vorzunehmende Einzelfallbetrachtung aus, im Rahmen der Auslegung der genannten Vorschrift konkrete Fristen zu bezeichnen, innerhalb der ein Verfahren im Regelfall abschließend erledigt sein sollte. Gleichwohl kann für ein finanzgerichtliches Klageverfahren, das im Vergleich zu dem typischen in dieser Gerichtsbarkeit zu bearbeitenden Verfahren keine wesentlichen Besonderheiten aufweist, die Vermutung aufgestellt werden, dass die [X.]auer des Verfahrens angemessen ist, wenn das Gericht gut zwei Jahre nach dem Eingang der Klage mit Maßnahmen beginnt, die das Verfahren einer Entscheidung zuführen sollen, und die damit begonnene ("dritte") Phase des [X.] nicht durch nennenswerte [X.]räume unterbrochen wird, in denen das Gericht die Akte unbearbeitet lässt. [X.]ies gilt nicht, wenn der Verfahrensbeteiligte rechtzeitig und in nachvollziehbarer Weise auf Umstände hinweist, aus denen eine besondere Eilbedürftigkeit des Verfahrens folgt.

2. Im Streitfall liegen keine Besonderheiten vor, die dazu führen könnten, von der Anwendung der genannten Regelvermutung für die Angemessenheit der [X.]auer finanzgerichtlicher Verfahren abzusehen.

a) [X.]ie Anwendung der in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG beispielhaft genannten Kriterien führt zu dem Ergebnis, dass es sich beim Ausgangsverfahren um ein durchschnittliches erstinstanzliches Klageverfahren ohne wesentliche Besonderheiten handelte.

aa) Anders als der Beklagte meint, war das Verfahren nicht überdurchschnittlich schwierig. [X.]er Beklagte begründet seine Auffassung damit, dass das Verfahren in mehrere weitere Klagen des [X.] bzw. der Kläger wegen diverser [X.] eingebettet gewesen sei. Indes ist darauf hinzuweisen, dass es das [X.] selbst war, das wiederholt neue Verfahren eingetragen hat, obwohl das [X.] lediglich einen Änderungsbescheid erlassen hatte, der gemäß § 68 [X.]O kraft Gesetzes zum Gegenstand eines bereits anhängigen Klageverfahrens geworden war. Ferner hat das [X.] --objektiv nicht erforderliche und letztlich auch vom [X.] beanstandete-- Abtrennungen vorgenommen und dadurch selbst die Zahl der Verfahren erhöht. [X.]ie von den Klägern zur Beurteilung des [X.] gestellte Problematik der Anforderungen an die ordnungsgemäße [X.]arstellung der in einem Abrechnungsbescheid enthaltenen Positionen erschien durch die vom [X.] veranlasste Aufteilung in zahlreiche verschiedene Verfahren komplexer als sie tatsächlich war. Bei sachgerechter Verfahrensführung --insbesondere der Beachtung des § 68 [X.]O-- wäre das Verfahren deutlich einfacher zu handhaben gewesen.

Auch das [X.] selbst hat --abgesehen von den beiden Hinweisverfügungen-- keine Sachaufklärungsmaßnahmen für erforderlich erachtet. Es hat den Gerichtsbescheid vom 10.02.2017 sowie sein späteres verfahrensabschließendes Urteil vom 13.06.2018 hinsichtlich des klagestattgebenden Teils darauf gestützt, dass das [X.] die entsprechenden Mängel in den [X.] selbst eingeräumt hatte. Hinsichtlich des klageabweisenden Teils der Entscheidungen hat das [X.] sich auf unzureichende [X.]arlegungen durch die Kläger berufen und eine gerichtliche Sachaufklärung für nicht möglich erachtet. Auch ein solches --relativ schlank angelegtes-- Urteil deutet nicht auf einen hohen Grad an Komplexität der Sache hin.

Zudem hatte das [X.] die Entscheidung des Rechtsstreits dem Berichterstatter als Einzelrichter übertragen und dadurch selbst zu erkennen gegeben, dass die Sache jedenfalls aus seiner Sicht keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufwies (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 [X.]O).

bb) [X.]ie Bedeutung des Verfahrens für die Kläger dürfte ebenfalls als durchschnittlich einzuschätzen sein. [X.]er Streitwert bewegte sich im mittleren Bereich; konkrete [X.]arlegungen, aus denen sich eine für sie überdurchschnittliche Bedeutung des Falles ergeben hätte, haben die Kläger dem [X.] nicht unterbreitet.

cc) [X.]as eigene Verhalten der Kläger hat nicht zu einer nennenswerten Verzögerung des Ausgangsverfahrens geführt. Soweit der Kläger in seinem Schriftsatz vom 11.09.2013 beantragt hatte, über seine Anträge nicht in dem vom [X.] neu erfassten Klageverfahren 12 K 3200/[X.], sondern im bereits anhängigen Verfahren 12 K [X.] zu entscheiden, kann dies nicht zu einer Verzögerung beigetragen haben. [X.]enn die Klage 12 K [X.] war bereits mit Urteil vom 06.09.2013 als unzulässig verworfen worden, so dass keine Grundlage mehr für eine Behandlung der Anträge im dortigen Verfahren bestand.

Soweit die Kläger nach Zugang der Ladungen zu den beiden mündlichen Verhandlungen jeweils Terminverlegungsanträge gestellt haben, hat dies nicht zu einer wesentlichen Verfahrensverzögerung geführt. [X.]ie erste mündliche Verhandlung konnte einen Monat nach dem ursprünglich anberaumten Termin stattfinden. Statt der zweiten mündlichen Verhandlung konnte ein Urteil im schriftlichen Verfahren ergehen, weil beide Beteiligte kurzfristig auf die [X.]urchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet hatten.

b) Besondere Gründe für eine Eilbedürftigkeit haben die Kläger weder innerhalb der zweijährigen Regelfrist noch mit ihren Verzögerungsrügen dem [X.] gegenüber geltend gemacht.

3. [X.]aher ist eine Betrachtung der konkreten Verfahrensabläufe unter Berücksichtigung der Regelvermutung für die Angemessenheit der [X.]auer finanzgerichtlicher Klageverfahren vorzunehmen. [X.]iese führt zu dem Ergebnis, dass die Verfahrensdauer des Ausgangsverfahrens in Bezug auf den Kläger jedenfalls im Umfang der von ihm geltend gemachten zwölf Monate unangemessen war.

a) [X.], für die in einem durchschnittlichen finanzgerichtlichen Klageverfahren bei typisierender Betrachtung jedenfalls keine unangemessene Verfahrensdauer anzunehmen ist, endete in Bezug auf den Kläger --der die unter dem Aktenzeichen 12 K 3200/[X.] geführte Klage zunächst allein erhoben hatte-- mit Ablauf des Monats Juli 2015.

b) In den anschließenden fünf Monaten von August bis [X.]ezember 2015 hat das [X.] im Verfahren 12 K 3200/[X.] keine Aktivitäten entfaltet.

Zwar fand im Parallelverfahren 12 K 1971/[X.] von August bis November 2015 noch ein Schriftsatzaustausch zwischen den Beteiligten statt. [X.]ieser bezog sich aber ausschließlich auf Fragen, die für das Verfahren 12 K 3200/[X.] nicht von Bedeutung waren (Verbuchung von Zahlungen zur Einkommensteuer 2000; Einlegung eines Einspruchs gegen den Abrechnungsbescheid zur Einkommensteuer 1999). Anders als in den Sachverhalten, die dem [X.]surteil vom 27.06.2018 - [X.] ([X.]/NV 2019, 27) und dem Urteil des [X.] vom 14.11.2016 - 5 [X.] 10/15 [X.] (BVerwGE 156, 229, Rz 155) zugrunde lagen, handelte es sich bei dem Verfahren 12 K 1971/[X.] daher nicht um ein Leitverfahren, das vordringlich gefördert wurde und bei dem zu erwarten war, dass die dort gewonnenen Erkenntnisse auch für das nicht geförderte weitere Verfahren von Bedeutung sein würden.

[X.]aher ist die [X.]auer des Verfahrens 12 K 3200/[X.] für die fünf Monate von August bis [X.]ezember 2015 als unangemessen anzusehen.

c) Von Januar bis Oktober 2016 ist das Ausgangsverfahren aufgrund des Schriftverkehrs, der sich an einen rechtlichen Hinweis des Einzelrichters sowie an eine erste mündliche Verhandlung angeschlossen hat, durchgehend betrieben worden. [X.]iese Verfahrensdauer ist daher als angemessen anzusehen.

d) Im November und [X.]ezember 2016 gab es im Ausgangsverfahren hingegen keine Aktivitäten. In Bezug auf diese zwei Monate ist die Verfahrensdauer unangemessen.

e) In den Monaten Februar und März 2017 ist das Verfahren aufgrund des Erlasses des [X.] und des hiergegen angebrachten Antrags auf mündliche Verhandlung wiederum betrieben worden. [X.]er [X.] kann offenlassen, ob aufgrund des Erlasses des Einzelrichter-[X.] am 10.02.2017 auch in Bezug auf den Monat Januar 2017 eine angemessene Verfahrensdauer --unter dem Gesichtspunkt der erforderlichen Vorbereitungszeit-- anzunehmen ist, da dies auf das Ergebnis des Verfahrens keinen Einfluss hat.

f) Von April 2017 bis Februar 2018 ist das Verfahren beim [X.] nicht bearbeitet worden.

aa) Soweit sich der Beklagte darauf beruft, dass die Gerichtsakten sich während dieses [X.]raums (bis Anfang Januar 2018) beim [X.] befunden haben, kann dies nicht dazu führen, das Nichtbetreiben des Verfahrens als angemessen anzusehen. [X.]ie [X.] beim [X.] betrafen lediglich verfahrensrechtliche Randfragen in abgetrennten Verfahren, nicht aber diejenigen materiell-rechtlichen Fragen, über die in Bezug auf die verbleibenden Streitgegenstände des Verfahrens 12 K 3200/[X.] zu entscheiden war. Auch war das [X.] ersichtlich in der Lage, den Gerichtsbescheid vom 10.02.2017 trotz der --bereits damals-- fehlenden Akten zu erlassen. [X.]as verfahrensabschließende Urteil war tatsächlich nahezu wortgleich mit dem Gerichtsbescheid.

Zudem hat das [X.] gar nicht erst versucht, die übersandten Akten kurzfristig vom [X.] zurückzuerhalten. Überdies hätte man es angesichts der im [X.]punkt der Übersendung der Akten an den [X.] bereits zu verzeichnenden erheblichen Verfahrensdauer möglicherweise ohnehin für geboten halten können, ein Aktendoppel zur weiteren Förderung des --von den [X.] nicht betroffenen-- Ausgangsverfahrens anzulegen. [X.]enn mit zunehmender Verfahrensdauer verdichtet sich die Pflicht des Gerichts, sich nachhaltig um eine Förderung, Beschleunigung und Beendigung des Verfahrens zu bemühen ([X.]-Beschluss vom 27.07.2004 - 1 BvR 1196/04, Neue Juristische Wochenschrift 2004, 3320, unter [X.], m.w.N.; [X.]surteil in [X.], 126, [X.], 179, Rz 55).

Auch das Vorbringen des [X.], der Streitgegenstand des Ausgangsverfahrens habe sich nach Erlass des [X.] aufgrund der zurückverweisenden Entscheidung des [X.] im Verfahren VII B 173/16 geändert, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Zum einen trifft die Annahme, der Streitgegenstand habe sich geändert, ausweislich der Ausführungen des [X.] in seinem zurückverweisenden Beschluss gerade nicht zu, da der [X.] ausdrücklich ausgeführt hatte, der Streitgegenstand "Umsatzsteuer 2002" sei nicht teilbar, so dass der [X.] des [X.] gegen die Grundordnung des Verfahrens verstoße. Zum anderen könnte eine Änderung des [X.], die erst im Jahr 2018 durch Erhalt eines zurückverweisenden [X.]-Beschlusses eingetreten wäre, eine unangemessene Verfahrensdauer in dem --hier zu [X.] davor liegenden [X.]raum seit April 2017 nicht rückwirkend ausschließen.

bb) Auch für den Monat Januar 2018, in dem die Akten wieder beim [X.] eingegangen sind, ist keine Aktivität des [X.] zu verzeichnen, so dass die Verfahrensdauer für diesen Monat ebenfalls als unangemessen anzusehen ist.

cc) Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Verfahrensdauer für den Monat Februar 2018 nicht deshalb als angemessen anzusehen, weil der Einzelrichter sich nach dem Vorbringen des Beklagten während des größten Teils dieses Monats im Urlaub befunden habe. [X.]ie üblichen Urlaubs- und Krankheitszeiten werden in der typisierenden Rechtsprechung des [X.]s schon durch die Regelvermutung berücksichtigt, wonach die Verfahrensdauer noch als angemessen anzusehen ist, wenn das Gericht gut zwei Jahre nach Eingang der Klage mit der Förderung des Verfahrens beginnt. Nach Ablauf dieser [X.]spanne, die für den faktischen Ruhensbedarf eines durchschnittlichen finanzgerichtlichen Klageverfahrens als ausreichend bemessen anzusehen ist, können Urlaubszeiten eines [X.]s nicht mehr zu Lasten des Verfahrensbeteiligten gehen und dessen verfassungs- und menschenrechtlich gebotenen Anspruch auf [X.] für zusätzliche [X.]räume ausschließen.

g) Von März 2018 bis zum [X.] im Juni 2018 ist das Ausgangsverfahren durchgehend gefördert worden.

h) Im Ergebnis ist die Verfahrensdauer daher in Bezug auf den Kläger jedenfalls von August bis [X.]ezember 2015 (fünf Monate), von November bis [X.]ezember 2016 (zwei Monate) und von April 2017 bis Februar 2018 (elf Monate) als unangemessen anzusehen, insgesamt also für mindestens 18 Monate.

4. Auch in Bezug auf die Klägerin war die [X.]auer des Ausgangsverfahrens jedenfalls im Umfang der von ihr geltend gemachten zwölf Monate unangemessen.

[X.]ie Klägerin war ursprünglich nicht am Verfahren 12 K 3200/[X.] beteiligt. [X.]as Verfahren 12 K 1971/[X.], an dem erstmals auch die Klägerin beteiligt war, ging am 23.06.2014 beim [X.] ein. [X.]aher hätte das [X.] in Bezug auf die Klägerin ab Juli 2016 --gut zwei Jahre nach [X.] mit der [X.] beginnen müssen. Einen Monat zuvor --im Juni 2016-- hatte das [X.] die Verfahren 12 K 3200/[X.] und 12 K 1971/[X.] miteinander verbunden, so dass die Klägerin seitdem ebenfalls am Verfahren 12 K 3200/[X.] beteiligt war. [X.]ie in diesem Verfahren ab Juli 2016 eingetretenen Verzögerungen betreffen daher auch die Klägerin.

[X.]ies gilt im Ergebnis für die Monate November und [X.]ezember 2016 (zwei Monate) sowie April 2017 bis Februar 2018 (elf Monate), insgesamt also für 13 Monate.

5. [X.]ie Voraussetzungen für die Gewährung der geltend gemachten Geldentschädigungen von jeweils 1.200 € liegen angesichts der Verfahrensverzögerung von jedenfalls zwölf Monaten sowohl für den Kläger als auch für die Klägerin vor.

a) Voraussetzung für die Zuerkennung einer Geldentschädigung ist gemäß § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG die Erhebung einer Verzögerungsrüge. [X.]iese kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen [X.] abgeschlossen wird (§ 198 Abs. 3 Satz 2 GVG). Eine zu früh erhobene Verzögerungsrüge ist daher unwirksam ([X.]surteil vom 26.10.2016 - [X.], [X.]E 255, 407, [X.], 350, Rz 45 ff.).

aa) Beide Kläger haben mit Schreiben, die am 25.02.2016 beim [X.] eingegangen sind, Verzögerungsrügen erhoben. In Bezug auf den Kläger war das Verfahren zu diesem [X.]punkt bereits zwei Jahre und sieben Monate anhängig. [X.]er von der typisierenden Regelvermutung der [X.]srechtsprechung umfasste [X.]raum von "gut zwei Jahren" war also bereits deutlich überschritten. [X.]aher spricht nichts für die Auffassung des Beklagten, diese Verzögerungsrüge sei zu früh erhoben und daher unwirksam. Insbesondere kommt es nicht darauf an, dass die Verfahrensdauer in Bezug auf den Monat Februar 2016 --in dem die Verzögerungsrüge erhoben wurde-- als angemessen anzusehen ist, weil der Einzelrichter im Januar 2016 einen rechtlichen Hinweis an die Beteiligten gerichtet hatte. [X.]enn objektiv war die Verfahrensdauer bereits unangemessen, weil in den Monaten August bis [X.]ezember 2015 eine Verzögerung eingetreten war.

bb) In Bezug auf die Klägerin war das Verfahren im [X.]punkt des Eingangs ihrer Verzögerungsrüge ein Jahr und acht Monate anhängig. [X.]amit war die Schwelle der --ohnehin nur für den Regelfall geltenden-- "gut zwei Jahre" ab [X.] nur noch vier Monate entfernt.

Jedenfalls in der besonderen Situation des Streitfalls, der dadurch gekennzeichnet ist, dass das vom Kläger geführte Parallelverfahren im [X.]punkt der Erhebung der Verzögerungsrüge der Klägerin bereits deutlich verzögert war, durfte die Klägerin am 25.02.2016 durchaus annehmen, es bestehe "Anlass zur Besorgnis", dass das Verfahren nicht in angemessener [X.] abgeschlossen werde (anders für eine bereits nach einem Jahr und zwei Monaten erhobene Verzögerungsrüge [X.]surteil in [X.]E 255, 407, [X.], 350, Rz 48). [X.]er Verfahrensbeteiligte muss die Verzögerungsrüge nicht etwa punktgenau zu dem [X.]punkt erheben, zu dem objektiv die Verfahrensdauer beginnt, unangemessen zu werden. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass die Verzögerungsrüge auch --und gerade-- eine präventive Funktion hat, die aber nur dann in vollem Umfang zur Geltung kommen kann, wenn die Rüge dem [X.] als Anstoß dient, das Verfahren zu einem [X.]punkt zu fördern, in dem die Verfahrensdauer noch als angemessen anzusehen ist.

[X.]ieser Würdigung steht im Streitfall nicht entgegen, dass der Einzelrichter am 20.01.2016 --einen Monat vor der [X.] einen rechtlichen Hinweis an die Beteiligten gerichtet hatte, zu dem die Kläger im selben Schreiben, mit dem sie ihre Verzögerungsrüge erhoben, Stellung nahmen. Zwar bewirkte dieser rechtliche Hinweis, dass die Verfahrensdauer für den Monat der Erteilung des Hinweises und die [X.] des durch ihn ausgelösten Schriftsatzaustausches als angemessen anzusehen ist. Gleichwohl war allein aus der Erteilung dieses Hinweises nicht zu schließen, dass der Einzelrichter das Verfahren insgesamt in angemessener [X.] erledigen würde, so dass sich die Verzögerungsrüge als sachwidrig, verfrüht und damit unwirksam darstellen würde. [X.]enn der rechtliche Hinweis beschränkte sich auf vorgelagerte verfahrensrechtliche Fragen, deren Klärung nicht zu einer abschließenden Erledigung der Klageverfahren hätte führen können. Auf die eigentlichen materiell-rechtlichen Fragen der Rechtmäßigkeit der angegriffenen [X.] ging der Einzelrichter in seinem Hinweis hingegen nicht ein.

b) [X.]as Entstehen eines Nichtvermögensnachteils wird in Fällen unangemessener Verfahrensdauer gemäß § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG vermutet. Anhaltspunkte dafür, dass eine Wiedergutmachung auf andere Weise (§ 198 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 GVG) im Streitfall ausreichend wäre, sind nicht erkennbar.

c) Auch Umstände dafür, dass der in § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG genannte Regelbetrag von 1.200 € für jedes Jahr der Verzögerung vorliegend unbillig (§ 198 Abs. 2 Satz 4 GVG) sein könnte, sind weder von den Beteiligten vorgetragen noch sonst ersichtlich. Obwohl im Gesetz ein Jahresbetrag genannt ist, ist dieser im konkreten Fall nach Monaten zu bemessen ([X.]surteil vom 19.03.2014 - X K 8/13, [X.]E 244, 521, [X.], 584, Rz 37, m.w.N.).

d) Bei einem verzögerten Ausgangsverfahren, das durch Ehegatten geführt wurde, steht der Entschädigungsanspruch jedem Ehegatten gesondert zu ([X.]surteil vom 04.06.2014 - X K 12/13, [X.]E 246, 136, [X.], 933, Rz 47).

6. [X.]ie geltend gemachten [X.] bestehen nur teilweise.

a) [X.]ie Kläger sind der Auffassung, sie hätten seit dem 22.01.2019 Ansprüche auf Verzugszinsen (§ 288 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--). [X.]ies setzt indes grundsätzlich eine vorherige Mahnung voraus, die nach dem Eintritt der Fälligkeit der Schuld ausgesprochen worden sein muss (§ 286 Abs. 1 Satz 1 BGB; vgl. auch [X.]surteil in [X.]/NV 2019, 27, Rz 108). [X.]ie Kläger haben aber weder nachgewiesen noch überhaupt vorgetragen, den Beklagten vor Klageerhebung gemahnt zu haben. [X.]ie gesetzlichen Voraussetzungen für ein Absehen vom Erfordernis der Mahnung (§ 286 Abs. 2 BGB) sind hier offensichtlich nicht erfüllt.

b) [X.]en Klägern stehen jedoch ab dem 14.03.2019 (Tag nach der Zustellung der [X.] an den Beklagten) Prozesszinsen unter dem Gesichtspunkt der Rechtshängigkeit zu (vgl. § 291 i.V.m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB, § 66 Satz 2 [X.]O, und [X.]surteil vom 12.07.2017 - X K 3-7/16, [X.]E 259, 393, [X.] 2018, 103, Rz 58).

7. [X.]ie Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 3 [X.]O. [X.]as Unterliegen der Kläger mit einem Teil des geltend gemachten [X.] ist im Vergleich zum gesamten Streitwert des Verfahrens als geringfügig anzusehen.

Meta

X K 1/19

08.10.2019

Bundesfinanzhof 10. Senat

Urteil

§ 198 Abs 1 GVG, § 198 Abs 2 GVG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 08.10.2019, Az. X K 1/19 (REWIS RS 2019, 2921)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 2921

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(Teilweise inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 19.03.2014 X K 8/13 - Entschädigungsklage: Angemessene Verfahrensdauer bei 24-monatiger …


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