Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.11.2016, Az. 1 StR 417/16

1. Strafsenat | REWIS RS 2016, 2614

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Gegenstand

Bemessung der Gesamtstrafe durch Beurteilung der einzelnen Taten


Tenor

1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 8. März 2016 wird als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO).

2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Ergänzend zu den Ausführungen des [X.] bemerkt der Senat:

Entgegen dem [X.] erfolgte die Bildung der Gesamtstrafe gemäß § 54 StGB ohne Rechtsfehler. Der Tatrichter war nicht gehindert, die in drei von neun Fällen verwirkte höchste Einzelstrafe (fünf Jahre und sechs Monate) auf 13 Jahre und sechs Monate zu erhöhen.

1. Die Bemessung der Gesamtstrafe im Rahmen der Gesamtstrafenbildung nach § 54 Abs. 1 StGB ist im Wege einer Gesamtschau des [X.] und des [X.]s durch einen eigenständigen [X.] vorzunehmen (vgl. [X.], Urteil vom 30. November 1971 - 1 StR 485/71, [X.]St 24, 268, 269 f.; Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 4 StR 261/13). Der Summe der Einzelstrafen kommt nur ein geringes Gewicht zu, maßgeblich ist die angemessene Erhöhung der [X.] unter zusammenfassender Würdigung der Person des [X.] und der einzelnen Straftaten (§ 54 Abs. 1 Satz 3 StGB). Dabei ist vor allem das Verhältnis der einzelnen Taten zueinander, ihre größere oder geringere Selbstständigkeit, die Häufigkeit der Begehung, die Gleichheit oder Verschiedenheit der verletzten Rechtsgüter und der [X.] sowie das Gesamtgewicht des abzuurteilenden Sachverhalts zu berücksichtigen ([X.], Urteil vom 30. November 1971 - 1 StR 485/71, [X.]St 24, 268, 269 f.). Besteht zwischen den einzelnen Taten ein enger zeitlicher, sachlicher und situativer Zusammenhang hat die Erhöhung der [X.] in der Regel geringer auszufallen ([X.], Beschlüsse vom 13. April 2010 - 3 [X.], [X.], 238 und vom 13. November 2008 - 3 StR 485/08).

Wird die [X.] erheblich erhöht, bedarf dies näherer Begründung ([X.], Beschluss vom 20. Oktober 2006 - 2 [X.], [X.], 326). Eine starke Erhöhung der [X.] bedarf besonderer Begründung, wenn sich diese nicht aus den fehlerfrei getroffenen Feststellungen von selbst ergibt. Da der Strafzumessung eine "Mathematisierung" fremd ist, kann - anders als der Revisionsführer meint - ein Rechtsfehler nicht allein darin gesehen werden, dass die [X.] auf das etwa [X.] erhöht wurde (vgl. [X.], Beschluss vom 25. August 2010 - 1 [X.], [X.], 32; [X.], StGB, 63. Aufl., § 54 Rn. 7a). Derartige mathematische Überlegungen finden im Gesetz keine Stütze; auch bei der Bemessung einer Gesamtstrafe gilt, dass das Gesetz bei der Strafzumessung "von jedem Schematismus" weit entfernt ist (vgl. [X.], Beschluss vom 10. April 1987 - [X.], [X.]St 34, 345, 351; Urteil vom 28. März 2013 - 4 [X.]/12).

Der Tatrichter kann auch nicht dazu gezwungen werden, eine schuldunangemessene erhöhte [X.] festzusetzen, um die rechtsfehlerfreie Verhängung einer tat- und schuldangemessenen Gesamtstrafe zu ermöglichen (vgl. [X.], Urteil vom 23. April 1997 - 3 StR 16/97, [X.]R StGB § 54 Strafhöhe 1).

Das Revisionsgericht hat nur auf Rechtsfehler einzugreifen. Diese können insbesondere dann vorliegen, wenn die Gesamtstrafe sich nicht innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens befindet oder die gebotene Begründung für die Gesamtstrafe fehlt, oder wenn die Besorgnis besteht, der Tatrichter habe sich von der Summe der Einzelstrafen leiten lassen (vgl. hierzu u.a. [X.], Beschluss vom 3. Februar 1999 - 2 StR 678/98 mwN). Eine ungewöhnlich hohe Divergenz zwischen [X.] und Gesamtstrafe kann (jedenfalls beim Fehlen einer tragfähigen Begründung) die letztgenannte Besorgnis begründen ([X.], Beschluss vom 25. August 2010 - 1 [X.], [X.], 32 mwN).

2. Solche Rechtsfehler sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. Der Tatrichter hat die Erhöhung der [X.] nicht nur durch zulässige (vgl. [X.], Urteil vom 30. November 1971 - 1 StR 485/71, [X.]St 24, 268, 271; [X.], Urteil vom 17. August 1988 - 2 [X.], [X.]R StGB § 54 Abs. 1 Bemessung 1 und Beschluss vom 15. August 1989 - 1 [X.], [X.]R StGB § 54 Abs. 1 Bemessung 4) Bezugnahme auf die [X.] begründet, die den neun wegen Straftaten nach dem BtMG verhängten Einzelstrafen zugrunde lagen. Er hat den das Tatgeschehen charakterisierenden langen Tatzeitraum hervorgehoben, der mit Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (220 Kilogramm Haschisch) in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im März 2007 begann und im Dezember 2014 mit bewaffnetem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sein Ende fand. Dazwischen lagen sieben weitere Straftaten, von denen jeweils drei Taten (Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge - 70 bzw. 80 Kilogramm Haschisch - in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge) mit den [X.]n geahndet worden sind. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden; denn die in einem Zeitraum von siebeneinhalb Jahren eingebetteten und im Verhältnis zueinander eine große Selbständigkeit aufweisenden Taten heben das Geschehen von typischen Serienstraftaten ab.

Der Festsetzung einer dem Gesamtgewicht des Sachverhalts gerecht werdenden Gesamtstrafe stand nicht entgegen, dass die [X.] die [X.]n noch in der unteren Hälfte des angewandten Strafrahmens festgesetzt hat und das Gewicht der einzelnen Taten, wie es rechtlich möglich gewesen wäre, nicht schon durch die Festsetzung höherer Einzelstrafen berücksichtigt hat. Deshalb war es rechtlich geboten, die für das Gesamtgewicht maßgeblichen Umstände, sofern sie nicht schon vollständig die Einzelstrafen mitbestimmt haben, jedenfalls bei der Gesamtstrafenbildung angemessen zu berücksichtigen (vgl. [X.], Urteil vom 18. September 1995 - 1 StR 463/95, [X.]R StGB § 54 Serienstraftaten 3; [X.], Urteile vom 23. Oktober 1997 - 4 StR 347/97, [X.], 236 und vom 21. März 2006 - 1 [X.], [X.], 72). Das hat das [X.] getan. Die der Bemessung der Einzelstrafen vorangestellten Erwägungen, auf die das [X.] bei der Gesamtstrafenbildung Bezug genommen hat, belegen, dass es die für die vorzunehmende Gesamtwürdigung des [X.] und seines Verhaltens bedeutsamen Umstände bedacht hat. In der Gesamtschau der Taten hatten Unrechtsgehalt und [X.] hier besonderes Gewicht.

Graf     

       

Cirener     

       

Radtke

       

Mosbacher     

       

[X.]     

       

Meta

1 StR 417/16

10.11.2016

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Nürnberg-Fürth, 8. März 2016, Az: 1 KLs 358 Js 17115/14

§ 54 Abs 1 StGB, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.11.2016, Az. 1 StR 417/16 (REWIS RS 2016, 2614)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 2614

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