Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.02.2018, Az. 4 StR 585/17

4. Strafsenat | REWIS RS 2018, 14059

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Begründung des Strafurteils zur Zumessung der Gesamtstrafe


Tenor

1. Auf die Revisionen der Angeklagten [X.]und [X.]gegen das Urteil des [X.] vom 2. August 2017 wird mit Zustimmung des [X.] bei beiden Angeklagten von der Einziehung der beschlagnahmten Mobiltelefone abgesehen.

2. Auf die Revision des Angeklagten [X.]wird das vorbezeichnete Urteil - soweit es ihn betrifft - im [X.] aufgehoben.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten [X.], an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

4. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.

5. Der Angeklagte [X.]hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten [X.]unter Freisprechung im Übrigen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und einen Geldbetrag in Höhe von 30.000 Euro eingezogen. Den Angeklagten [X.]hat es unter Freisprechung im Übrigen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen, jeweils in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und acht Monaten verurteilt und die Einziehung eines Geldbetrages in Höhe von 28.000 Euro angeordnet. Außerdem hat es „bei den Angeklagten beschlagnahmte Mobiltelefone“ eingezogen. Die Revisionen haben den aus der [X.] ersichtlichen Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Der Senat hat mit Zustimmung des [X.] bei beiden Angeklagten nach § 421 Abs. 1 Nr. 2 StPO von einer Einziehung der Mobiltelefone abgesehen, weil sie neben den (zu erwartenden) Strafen nicht ins Gewicht fällt.

3

2. Bei dem Angeklagten [X.]war der [X.] aufzuheben, weil zu besorgen ist, dass sich die [X.] bei der Bestimmung der Gesamtstrafe an der Summe der Einzelstrafen orientiert hat.

4

a) Die Gesamtstrafenbildung nach § 54 Abs. 1 StGB ist ein eigenständiger [X.], bei dem vor allem das Verhältnis der einzelnen Taten zueinander, ihre größere oder geringere Selbstständigkeit, die Häufigkeit der Begehung, die Gleichheit oder Verschiedenheit der verletzten Rechtsgüter und der [X.] sowie das Gesamtgewicht des abzuurteilenden Sachverhalts zu berücksichtigen sind. Zu ihrer Begründung braucht der Tatrichter nach § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO nur die bestimmenden Zumessungsgründe im Urteil darzulegen. In einfach gelagerten Fällen bedarf es dabei nur weniger Hinweise; eine Bezugnahme auf bei der Bildung der Einzelstrafen abgehandelte Gesichtspunkte ist grundsätzlich zulässig (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 2. Februar 2017 - 4 StR 481/16, [X.], 105, 107; Urteil vom 30. November 1971 - 1 StR 485/71, [X.]St 24, 268, 269 f.; Urteil vom 6. Oktober 1955 - 3 StR 279/55; [X.]St 8, 205, 210 f.). Da der Summe der Einzelstrafen bei der Bestimmung der Gesamtstrafe zumeist nur ein geringes Gewicht zukommt (vgl. [X.], Beschluss vom 12. Februar 2003 - 2 [X.], [X.], 295 [[X.]]; siehe auch [X.], Beschluss vom 8. April 2009 - 2 StR 64/09, [X.], 200), ist eine nähere Begründung aber erforderlich, wenn sich die Gesamtstrafe der durch § 54 Abs. 2 Satz 1 StGB bestimmten Obergrenze des Strafrahmens annähert und sich die Gründe hierfür nicht von selbst aus den Feststellungen ergeben (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 2. Februar 2017 - 4 StR 481/16, aaO, 107; Urteil vom 30. November 1971 - 1 StR 485/71, aaO, 271; Urteil vom 6. Oktober 1955 - 3 StR 279/55, aaO, 210 f.; siehe dazu auch [X.], Beschluss vom 25. August 2010 - 1 [X.], [X.], 32 [zur starken Erhöhung der Einsatzstrafe]). Fehlt es in einem solchen Fall an einer näheren Begründung, ist die Besorgnis gerechtfertigt, dass sich der Tatrichter bei der Bemessung der Gesamtstrafe nicht an den hierfür maßgeblichen Kriterien, sondern - rechtsfehlerhaft - an der Summe der Einzelstrafen orientiert hat (vgl. [X.], Beschluss vom 10. November 2016 - 1 [X.]; Beschluss vom 25. August 2010 - 1 [X.], aaO, mwN). Dies führt auch mit Rücksicht auf den nur eingeschränkten Prüfungsumfang zu einem Eingreifen des [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 10. November 2016 - 1 [X.] mwN).

5

b) Daran gemessen erweist sich die Begründung des [X.]s als rechtsfehlerhaft. Die [X.] hat aus zwei Einzelstrafen in Höhe von jeweils zwei Jahren und vier Monaten Freiheitsstrafe eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten gebildet und damit den sich aus § 54 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 StGB ergebenden Strafrahmen für die Gesamtstrafenbildung nahezu ausgeschöpft. Dabei hat es zugunsten des Angeklagten gewertet, dass es sich um Taten mit demselben Handlungsmuster und derselben Motivation handelte (zwei Ankäufe von jeweils 300 Gramm Kokain bei demselben Lieferanten in [X.] mit anschließender Auslieferung durch denselben Kurier). Zu seinem Nachteil hat es lediglich den Zeitabstand zwischen den beiden Taten (ca. vier Monate), die kriminelle Energie und das professionelle Vorgehen herangezogen. Diese Erwägungen reichen zur Begründung der die Summe der Einzelstrafen nahezu erreichenden Gesamtstrafe nicht aus. Dem von der [X.] ins Feld geführten zeitlichen Abstand zwischen den Taten kommt mit Rücksicht auf die für einen straffen Zusammenzug sprechenden nahezu gleichen Tatumstände nur ein geringes Gewicht zu. Auch der formelhafte Verweis auf die „kriminelle Energie“ des Angeklagten und sein professionelles Vorgehen zeigt keine Gesichtspunkte auf, die für ein Ausschöpfen des Strafrahmens sprechen könnten. Umstände, die die Verhängung einer Gesamtstrafe an der Grenze der Summe der Einzelstrafen rechtfertigen könnten, sind auch den übrigen Urteilsgründen nicht zu entnehmen.

6

Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können bestehen bleiben.

7

3. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.

Der geringe Erfolg des Rechtsmittels des Angeklagten [X.]lässt es nicht unbillig erscheinen, ihn mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten.

Sost-Scheible          

      

Cierniak          

      

Franke

      

Bender          

      

Quentin          

      

Meta

4 StR 585/17

13.02.2018

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Konstanz, 2. August 2017, Az: 61 Js 8209/16 - 3 KLs

§ 54 Abs 1 StGB, § 54 Abs 2 S 1 StGB, § 267 Abs 3 S 1 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.02.2018, Az. 4 StR 585/17 (REWIS RS 2018, 14059)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 14059

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

4 StR 585/17 (Bundesgerichtshof)


4 StR 298/22 (Bundesgerichtshof)

Revision: Einziehung von Mobiltelefonen bei Drogendelikten; Revisionsbeschränkung auf Gesamtstrafenausspruch; Berücksichtigung der Untersuchungshaft bei Strafzumessung


5 StR 61/23 (Bundesgerichtshof)

Handlungseinheit bei der Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln; Voraussetzungen der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


3 StR 132/23 (Bundesgerichtshof)


5 StR 506/23 (Bundesgerichtshof)


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.