Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.10.2011, Az. RiZ (R) 3/10

Dienstgericht des Bundes | REWIS RS 2011, 2589

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BUNDESGE[X.]ICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

U[X.]TEIL
[X.]iZ([X.]) 3/10

vom

6. Oktober 2011
In dem Prüfungsverfahren

des
[X.]s
am [X.]

Antragsteller und [X.]evisionskläger,
-
Verfahrensbevollmächtigter:
[X.]echtsanwalt

gegen

Antragsgegner und [X.]evisionsbeklagter,

wegen Anfechtung einer Maßnahme der Dienstaufsicht

-
2
-
Der [X.] -
[X.] des Bundes -
hat auf die mündliche [X.] vom 6.
Oktober
2011
durch den
Vorsitzenden
[X.] am [X.], die
[X.] am [X.] Dr. Joeres
und Prof. Dr. [X.], die Vorsitzende
[X.]in
am [X.]
Gräfl und den [X.] am [X.] [X.]
für [X.]echt erkannt:
Die [X.]evision des Antragstellers gegen das Urteil des Landge-richts Leipzig -
[X.] für [X.] -
vom 13.
April 2010 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des [X.]evisionsverfahrens.

Von [X.]echts wegen

Tatbestand:

Der am

geborene Antragsteller stand seit 1991 im [X.]n Dienst des [X.]. Er war seit dem

[X.] am [X.] C.

und als Vorsitzender der dortigen [X.] tätig. Zum

ist er aus dem aktiven [X.]dienst ausgeschieden.

Nachdem der Antragsgegner im April 2007 erfahren hatte, dass der [X.] in einem Verfahren vor dem [X.] Z.

den Kläger die-1
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-
ses Verfahrens, den Chefarzt einer Klinik, als Prozessbevollmächtigter vertrat, untersagte er dem Antragsteller mit Verfügung
vom 8.
August 2007 die Fortset-zung dieser Tätigkeit. Die Untersagung wurde damit begründet, durch die Aus-übung der Nebentätigkeit
seien bereits Dienstpflichten verletzt worden und wei-tere
[X.] zu besorgen. Der Antragsteller habe gegenüber dem [X.] Z.

ausdrücklich auf sein [X.]amt beim Nachbarge-richt hingewiesen und angeregt, Zustellungen an ihn könnten mit Kurierpost an seine Dienstadresse erfolgen. Dies zeige, dass er gegenüber dem Arbeitsge-richt Z.

und auch der Beklagten in dem dort anhängigen Verfahren sei-nen [X.] ins Spiel bringe und dienstliche Möglichkeiten, die ihm kraft Amtes zur Verfügung stünden, in Anspruch nehme und ausnutze. Das Verhal-ten des Antragstellers sei geeignet, nachhaltig das Vertrauen in die Chancen-gleichheit vor Gericht und in die Neutralität des erkennenden Gerichts zu [X.]. Darüber hinaus beschädige er nachhaltig das Vertrauen in seine eigene Neutralität als [X.]. Schließlich komme hinzu, dass er in der [X.] der fraglichen Prozessvertretung immer wieder die gesetzliche Urteilsabsetzungs-frist in nicht unerheblicher Weise überschritten habe.

Den gegen diese Verfügung gerichteten Widerspruch des Antragstellers hat der Antragsgegner mit [X.] vom 20.
Dezember 2007 zurückgewiesen.

Mit der beim [X.] erhobenen Klage hat der Antragsteller die Feststellung beantragt, dass in der Verfügung vom 8. August 2007 in der [X.] vom 20. Dezember 2007 eine Maßnahme der Dienstaufsicht vorliegt, die seine richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigt.

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4
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Das [X.] für [X.] hat den Antrag als unbegründet zurückge-wiesen. Bei der verfügten Untersagung gehe es um keine Frage, die dem Kernbereich der eigentlichen [X.]echtsprechung zuzuordnen
sei. Vielmehr [X.] es sich um den Bereich der "äußeren Ordnung". Die Verfügung enthalte we-der eine direkte noch eine indirekte Weisung, wie der Antragsteller in Zukunft bei Verfahren entscheiden oder vorgehen solle. Der Vorhalt unangemessen langer Urteilsabsetzungsfristen stelle eine zulässige Ausübung der [X.] dar.

Dagegen richtet sich die -
vom [X.] zugelassene -
[X.]evision des Antragstellers, mit der er geltend macht, von ihm beanstandete Formulierungen in der Untersagungsverfügung des Antragsgegners griffen entgegen der Auf-fassung des [X.]s in den Kernbereich der richterlichen Unab-hängigkeit ein, weil sie eine Herabwürdigung seiner gesamten [X.]persön-lichkeit darstellten.

Der Antragsteller beantragt,
in Abänderung des Urteils des [X.] -
Dienstge-richt für [X.] -
vom 13. April 2010 festzustellen, dass die dienstaufsichtliche Maßnahme des Präsidenten des [X.] vom 8. August 2007 in Gestalt des Wider-spruchsbescheids vom 20.
Dezember 2007 unzulässig ist, soweit darin ausgeführt wird:

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5
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Durch die bisherige Ausübung vorliegender Nebentätigkeit sind bereits Dienstpflichten verletzt worden. Bei Fortsetzung dieser Tä-tigkeit ist die weitere Verletzung von Dienstpflichten anzunehmen.

Dies zeigt, dass Sie dem [X.] Z.

gegenüber und insbesondere der Beklagten gegenüber Ihren [X.] und dienstliche Möglichkeiten, die Ihnen kraft Amtes zur Verfügung stehen, in Anspruch nehmen und ausnutzen. Ihr Verhalten ist [X.] geeignet, nachhaltig das Vertrauen in die Chancengleichheit vor Gericht und in die Neutralität des erkennenden Gerichts zu beeinträchtigen.
Darüber hinaus beschädigen Sie durch die Tätigkeit als Prozess-vertreter mit den genannten Erscheinungsformen nachhaltig das Vertrauen in Ihre eigene Neutralität als [X.].
Sie beschädigen hiermit das Vertrauen in Ihre Neutralität bei ei-gener Amtsausübung und das Ansehen der [X.]sbarkeit insgesamt.
Schließlich kommt hinzu, dass Sie auch in dieser [X.] der fragli-chen Prozessvertretung Ihre Dienstgeschäfte beim [X.] C.

nicht ordnungsgemäß verrichtet haben. So werden im-mer wieder die Urteilsabsetzungsfristen gem. § 60 ArbGG in nicht unerheblicher Weise überschritten.
-
6
-
Der Antragsgegner beantragt,
die [X.]evision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbe-gründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige [X.]evision (§
79 Abs.
2, § 78 Nr.
4 Buch[X.]
e, § 80 Abs.
2 D[X.]iG, §
45 Abs.
2 Sächs[X.]iG) des Antragstellers ist unbegründet. Das ange-fochtene Urteil beruht nicht auf der Nichtanwendung oder unrichtigen Anwen-dung einer [X.]echtsnorm (§
80 Abs.
1 Satz 1 und Abs.
3 D[X.]iG, §
144 Abs.
2 VwGO).
[X.] Die [X.]evision ist zulässig. Entgegen der Auffassung des [X.] entspricht die [X.]evisionsbegründung den gesetzlichen Anforderungen (vgl. §
139 Abs.
3 Satz
4 VwGO). Der Antragsteller hat einen bestimmten Antrag formuliert und rügt die Verletzung von konkret bezeichneten [X.]echtsnormen.
Seinen Ausführungen ist hinreichend deutlich zu entnehmen, dass er eine un-richtige Anwendung des §
26 Abs.
1 und 3 D[X.]iG rügt, weil die Vorinstanz den Begriff der "Maßnahme der Dienstaufsicht"
zu eng ausgelegt habe und die Auswirkungen der angefochtenen Verhaltensweisen des Antragsgegners auf die richterliche Entscheidungsfindung verkannt worden seien.

I[X.] Die [X.]evision ist unbegründet.
1. Allerdings ist das [X.]echtsschutzbedürfnis für den Antrag nicht durch den Eintritt des Antragstellers in den [X.]uhestand zum

entfallen. Es besteht vielmehr im Streitfall unter Berücksichtigung von Art und Inhalt der an-8
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-
gegriffenen Maßnahmen der Dienstaufsicht fort (vgl. [X.], Urteil vom 12. Mai 2011 -
[X.]iZ([X.]) 4/09 [X.]n.
22, juris).

2. Der Antrag ist unbegründet. Weder die Untersagung der Nebentätig-keit noch die beanstandeten Formulierungen im angefochtenen [X.] sind geeignet, den Antragsteller in seiner richterlichen Unabhängigkeit zu [X.].
a)
Zutreffend hat das [X.] die angefochtene dienstliche Maß-nahme ausschließlich dahingehend überprüft, ob sie den Antragsteller in seiner richterlichen Unabhängigkeit beeinträchtigt. Ob sie im Übrigen rechtmäßig ist, hat es nicht zu beurteilen ([X.] [X.]spr.;
vgl. [X.], Urteil vom 20.
Januar 2011 -[X.]iZ([X.]) 1/10, NJW-[X.][X.] 2011, 700 [X.]n.
20 mwN).
b)
Die Dienstaufsicht der zuständigen Behörde berührt als solche die richterliche Unabhängigkeit nicht, solange sie sich im [X.]ahmen des §
26 D[X.]iG hält (vgl. [X.], Urteil vom 10.
August 2001 -
[X.]iZ([X.]) 5/00, NJW 2002, 359, 360). Unter diesem Vorbehalt umfasst die Dienstaufsicht
auch die Befugnis, dem [X.] die ordnungswidrige Art der Amtsführung vorzuhalten und zu ordnungs-gemäßer, unverzögerter Erledigung der Amtsgeschäfte zu ermahnen, §
26 Abs.
2 D[X.]iG ([X.], Urteil vom 22.
Februar 2006 -
[X.]iZ([X.]) 3/05, NJW
2006, 1674). Die richterliche Amtsführung unterliegt insoweit der Dienstaufsicht, als es um die Sicherung eines ordnungsgemäßen Geschäftsablaufs, die äußere Form der Erledigung eines Dienstgeschäfts oder um solche Fragen geht, die dem Kernbereich der [X.]echtsprechungstätigkeit so
weit entrückt sind, dass sie nur noch als zur äußeren Ordnung gehörig anzusehen sind ([X.]
[X.]spr.;
vgl. [X.], Urteil vom 14.
April 1997 -
[X.]iZ([X.]) 1/96, D[X.]iZ
1997, 467, 468; Urteil vom 22.
Februar 2006 -
[X.]iZ([X.]) 3/05, [X.], 1674 mwN). Danach kann der [X.] unangemessen langer Urteilsabsetzungsfristen eine zulässige Ausübung 13
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der Dienstaufsicht sein ([X.], Urteil vom 31.
Januar 1984 -
[X.]iZ([X.]) 3/83, [X.]Z 90, 41, 44; Urteil vom 27.
Januar 1995 -
[X.]iZ([X.]) 3/94, D[X.]iZ
1995, 352; Urteil vom 4. Juni 2009 -
[X.]iZ([X.]) 5/08,
[X.]Z 181, 268 [X.]n. 17).
c)
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat die [X.]evision des [X.] keinen Erfolg. Das [X.] für [X.] hat in der angefochtenen Maßnahme der Dienstaufsicht zu [X.]echt keinen Eingriff in die richterliche Unab-hängigkeit gesehen (§
26 Abs.
3 D[X.]iG).
aa)
Die Untersagung der Nebentätigkeit stellt sich schon deshalb nicht als Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit dar, weil sie nicht auf die [X.] Tätigkeit des Antragstellers abzielt. Erkennbar geht es dem
Antragsgegner gerade nicht um die Beeinflussung der richterlichen, sondern der nicht[X.]n Betätigung des Antragstellers im [X.]ahmen einer Nebentätigkeit, die dem besonderen Schutz durch die Gewährleistung der richterlichen Unabhängigkeit nicht unterfällt.
[X.]) Die Feststellung der Verletzung von Dienstpflichten durch die Aus-übung der bisherigen Nebentätigkeit und der Verweis darauf, dass weitere [X.] zu erwarten seien, greift nicht in den Bereich der rich-terlichen Unabhängigkeit ein. Die beanstandete Äußerung erschöpft sich in [X.] auf Tatsachen bezogenen, im [X.]ahmen einer Maßnahme der Dienstaufsicht zulässigen Wertung, ohne mit einem darüber hinausgehenden -
unzulässigen -
persönlichen Vorwurf im Sinne einer Missbilligung verbunden zu sein (vgl. [X.], Urteil vom 14. April 1997 -
[X.]iZ([X.]) 1/96, D[X.]iZ 1997, 467, 470 mwN). Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Äußerung, eine weitere Verletzung von Dienstpflichten sei zu befürchten, auf eine direkte oder indirekte Weisung [X.], eine Verfahrens-
oder Sachentscheidung künftig in einem anderen 16
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Sinne zu treffen als ohne diese Bemerkung (vgl. [X.], Urteil vom 27.
Januar 1995 -
[X.]iZ([X.]) 3/94, D[X.]iZ 1995, 352, 353).
[X.])
Der Hinweis auf die Ausnutzung des [X.] und der dienstlichen
Möglichkeiten, die dem Antragsteller kraft Amtes zur Verfügung standen, greift nicht in den Kernbereich der richterlichen Tätigkeit ein. Zu diesem Kernbereich gehören Nebentätigkeiten gerade nicht. Die Nutzung von Diensteinrichtungen zur Nebenbeschäftigung ist erkennbar keine richterliche Tätigkeit. Die im [X.]ah-men der Dienstaufsicht zulässige Bemerkung des Antragsgegners sollte be-gründen, weshalb ein solches Verhalten künftig zu unterbleiben habe.
[X.])
Der Hinweis auf die Beschädigung der Neutralität als
[X.] bei ei-gener Amtsführung und des Ansehens der [X.]sbarkeit enthält keine Missbilligung richterlicher Tätigkeit. Er erschöpft sich vielmehr in einer [X.] Bewertung der Auswirkungen der nichtrichterlichen Nebenbeschäfti-gung des Antragstellers. Ihm sollte damit die Außenwirkung seines Verhaltens vor Augen geführt werden. Dazu gab das beanstandete Verhalten des [X.] hinreichenden Anlass.
ee)
Auch der Hinweis auf die Überschreitung der [X.] gem. §
60 Abs. 4 Satz 2 ArbGG bezieht sich nicht auf den Kernbereich der richterlichen Tätigkeit, sondern nur auf den "äußeren Ordnungsbereich". Der Vorhalt betrifft nicht den Inhalt der getroffenen Entscheidungen, sondern die äußere Form der Erledigung abgeschlossener richterlicher Geschäfte (vgl. [X.], Urteil vom 27.
September 1976 -
[X.]iZ([X.]) 3/75, [X.]Z 67, 184, 187; Urteil vom 4.
Juni 2009 -
[X.]iZ([X.]) 5/08, [X.]Z 181, 268 [X.]n. 17 mwN)
und enthält sich gleichfalls jeder über die zulässige Ausübung der Dienstaufsicht [X.] oder Herabsetzung der [X.]persönlichkeit des [X.].
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10
-
II[X.]
Die Kostenentscheidung beruht auf §
80 Abs.
1 Satz
1 D[X.]iG in [X.] mit §
154 Abs.
2 VwGO.
IV.
Der Wert des Streitgegenstands wird für das [X.]evisionsverfahren auf 5.000
Euro festgesetzt (§ 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 2, § 71 Abs. 1 Satz 2 GKG).
Bergmann Joeres [X.]

Gräfl

[X.]

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 13.04.2010 -
66 DG 2/09 -

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23

Meta

RiZ (R) 3/10

06.10.2011

Bundesgerichtshof Dienstgericht des Bundes

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.10.2011, Az. RiZ (R) 3/10 (REWIS RS 2011, 2589)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2589

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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