Bundesfinanzhof, Urteil vom 18.01.2011, Az. X R 63/08

10. Senat | REWIS RS 2011, 10403

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Gegenstand

(Kein Abzug der nach dem Jahreswert von Renten, anderen wiederkehrenden Nutzungen oder Leistungen erhobenen Erbschaftsteuer als dauernde Last - Erbschaftsteuer als Personensteuer i.S. des § 12 Nr. 3 EStG - Gleichheitssatz vermittelt keinen Anspruch auf Anwendung einer rechtswidrigen Verwaltungspraxis)


Leitsatz

Die nach dem Jahreswert von Renten, anderen wiederkehrenden Nutzungen oder Leistungen erhobene Erbschaftsteuer (§ 23 ErbStG) ist nicht als dauernde Last (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG) abziehbar.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist verwitwet. Neben sonstigen Einkünften erzielte sie aufgrund eines Nießbrauchs Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Dieses Nießbrauchsrecht, aufgrund dessen sie monatliche [X.] in Höhe von 20.120,20 DM (10.287,29 €) erhält, steht der Klägerin seit dem Tod ihres Ehemannes zu. Das Nießbrauchsrecht besteht noch bis 2023. Der Jahreswert des [X.] betrug im Zeitpunkt des Todes des Ehemannes der Klägerin 123.447 €.

2

Nach den Angaben in der Erbschaftsteuererklärung ermittelte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) einen Kapitalwert des Nießbrauchrechts in Höhe von 1.546.761 €. Die Klägerin wählte nach § 23 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) die Versteuerung nach dem Jahreswert des [X.]; die hiernach jährlich zu zahlende Erbschaftsteuer beläuft sich auf 23.454,93 €. Im Streitjahr 2004 zahlte die Klägerin Erbschaftsteuer in Höhe von 25.372,79 €, die sich aus der im Jahr 2004 gezahlten anteiligen Jahressteuer 2003 (1.917,86 €) und der Jahressteuer 2004 in Höhe von 23.454,93 € zusammensetzt.

3

Im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2004 beantragte die Klägerin, die im Streitjahr bezahlte Erbschaftsteuer als Sonderausgaben in Abzug zu bringen. Das [X.] lehnte dies ab.

4

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wurde mit in Entscheidungen der Finanzgerichte ([X.]) 2008, 1697 veröffentlichtem Urteil abgewiesen. Die Erbschaftsteuer könne als [X.] nach § 12 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht als Sonderausgabe abgezogen werden. § 35 EStG a.[X.], der eine Ausnahme vom Abzugsverbot vorgesehen habe, sei durch das Steuerentlastungsgesetz ([X.]) 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 ([X.], 402, BStBl I 1999, 304) mit Wirkung zum 1. Januar 1999 ersatzlos aufgehoben worden. Die Abschaffung werde in der Gesetzesbegründung mit Vereinfachungsgründen gerechtfertigt, obwohl der Gesetzgeber erkannt habe, dass dadurch eine dem Leistungsfähigkeitsprinzip widersprechende Doppelbelastung von Einkünften mit Einkommensteuer und Erbschaftsteuer eintrete (BTDrucks 14/23, 183). Die vor Einführung des § 35 EStG a.[X.] ergangenen Urteile des [X.] ([X.]) vom 15. November 1957 VI 79/55 U ([X.]E 66, 262, [X.]I 1958, 103) und vom 5. April 1965 VI 339/63 U ([X.]E 82, 315, [X.]I 1965, 360) würden im Streitfall nicht den Sonderausgabenabzug gebieten. Diese Urteile seien von der Annahme geprägt, dass die Erbschaftsteuer keine [X.] i.S. des § 12 Nr. 3 EStG sei ([X.]-Urteil vom 9. August 1983 VIII R 35/80, [X.]E 139, 253, [X.] 1984, 27). An dieser Auffassung werde jedoch seit langem in Rechtsprechung und Schrifttum nicht mehr festgehalten (vgl. z.B. [X.]-Urteil vom 14. September 1994 [X.]/94, [X.]E 176, 122, [X.] 1995, 207). Die umstrittene Einkommensteuerbelastung führe auch nicht zu einer Ungleichbehandlung i.S. des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes ([X.]). Die Erbschaftsteuer betreffe nicht die Besteuerung von Einkünften, sondern sie besteuere den Vermögensvorteil des Erben durch die Erbschaft. Sie sei nicht durch eine Einkunftsquelle veranlasst und führe deshalb nicht zu Werbungskosten. Zudem sei die Doppelbelastung der Einnahmen mit Erbschaftsteuer und Einkommensteuer nicht verfassungswidrig. Nach der Rechtsprechung des [X.] ([X.]) gebe es keinen Verfassungsrechtssatz, wonach alle Steuern aufeinander abgestimmt sein müssten, also z.B. eine mehrfache Belastung vermieden werden müsse. Der Gleichheitssatz belasse dem Gesetzgeber bei der Erschließung von Steuerquellen einen weit reichenden Gestaltungsspielraum ([X.]-Beschluss vom 8. Januar 1999  1 BvL 14/98, [X.] 1999, 1098). Schließlich führe die Abschaffung des § 35 EStG a.[X.] auch nicht zu einer übermäßigen Besteuerung mit der Folge einer Verfassungswidrigkeit wegen eines Verstoßes gegen Art. 14 [X.]. So habe der [X.] mit Urteil vom 11. August 1999 [X.] ([X.]E 189, 413, [X.] 1999, 771) bereits entschieden, dass eine Gesamtsteuerbelastung von insgesamt rd. 60 % (im konkreten Fall: Einkommensteuer und [X.]) des zu versteuernden Einkommens nicht verfassungswidrig sei. Dem [X.] sei kein Gebot zu entnehmen, die Steuern auf das Einkommen und den Gewerbeertrag auf höchstens 50 % des Gesamtbetrags der Einkünfte oder des zu versteuernden Einkommens zu begrenzen. Nichts anderes könne für die Einkommensteuer und Erbschaftsteuer gelten.

5

In während des Revisionsverfahrens ergangenen [X.] hat das [X.] den Umfang der Vorläufigkeitsvermerke neu bestimmt.

6

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts. Die im Streitfall gegebene Belastung der [X.] mit Erbschaft- und Einkommensteuer führe zu einer steuerlichen Doppelbelastung. Vor Einführung des § 35 EStG a.[X.] hätten der [X.] und auch der [X.] diese Doppelbelastung als systemwidrig erachtet und dadurch beseitigt, dass sie den Abzug der Jahressteuer als dauernde Last nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 (1a) EStG zugelassen hätten. § 35 EStG a.[X.] habe diese Rechtsprechung lediglich ergänzt. Dadurch sollten Härten in Fällen ausgeglichen werden, in denen die Berücksichtigung als dauernde Last nicht möglich gewesen sei. Nur um eine Doppelbegünstigung zu vermeiden, habe § 35 Satz 3 EStG a.[X.] eine Anrechnung für den Fall ausgeschlossen, dass die Erbschaftsteuer als Sonderausgabe abziehbar sei. Die Rechtsprechung zur Abzugsfähigkeit der Jahressteuer als dauernde Last habe nicht tragend auf dem Verständnis beruht, bei der Erbschaftsteuer handele es sich um keine [X.]. Dies ergebe sich aus dem [X.]-Urteil vom 23. Februar 1994 [X.] ([X.]E 174, 73, [X.] 1994, 690). Auch aus der Gesetzesbegründung zur Aufhebung von § 35 EStG a.[X.] durch das [X.] 1999/2000/2002 könne geschlossen werden, dass der Gesetzgeber von der weiteren Abzugsfähigkeit der Jahressteuer als dauernde Last ausgegangen sei. Die Abzugsfähigkeit als dauernde Last ergebe sich unmittelbar aus § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG.

7

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Finanzgerichts ([X.]) und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer 2004 unter Berücksichtigung weiterer Sonderausgaben in Höhe von 25.372,79 € festzusetzen.

8

Das [X.] beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

9

Abziehbar nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG seien auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende Renten und dauernde Lasten. Die Annahme einer Rente bezüglich der Erbschaftsteuerzahlungen sei bereits begrifflich ausgeschlossen. Auch eine dauernde Last liege nicht vor, weil die Erbschaftsteuerzahlungen nicht auf einem "besonderen" Verpflichtungsgrund beruhten. Zudem habe der [X.] den Anwendungsbereich des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG in ständiger Rechtsprechung dahingehend präzisiert, dass zwischen der zeitlich gestreckten Vermögensumschichtung, die nicht zum Abzug einer dauernden Last führe, und dem Sonderrecht der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen zu differenzieren sei. [X.] der dauernden Last sei die anlässlich einer Vermögensübergabe zur Vorwegnahme der Erbfolge vereinbarte private [X.]. Hier behalte sich der Übergeber einen Teil der Erträge des übergebenen Vermögens vor. Würden demgegenüber außerhalb des Sonderrechts der Vermögensübergabe gegen private [X.] wiederkehrende Leistungen vereinbart, greife der den Abzug als dauernde Last legitimierende Gesichtspunkt der "vorbehaltenen [X.]" nicht ein. § 12 EStG und die allgemeinen Grundsätze des Einkommensteuerrechts würden unbeschränkt gelten. Hierzu gehöre auch die Nichtabziehbarkeit privater Schuldzinsen.

Im Streitfall könne zudem offenbleiben, ob eine Qualifizierung der Erbschaftsteuerzahlung als dauernde Last in Betracht kommen könnte. Die Erbschaftsteuer sei nach einhelliger Meinung eine "sonstige [X.]" und § 12 Nr. 3 EStG schließe deren Abziehbarkeit aus. Eine spezialgesetzliche Ausnahme vom Abzugsverbot greife im Streitjahr nicht.

Entscheidungsgründe

II. 1. Das angefochtene Urteil ist aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben, da die während des Revisionsverfahrens ergangenen Änderungsbescheide --zuletzt-- vom 28. Januar 2010 an die Stelle des ursprünglichen Einkommensteuerbescheids 2004 vom 2. Februar 2006 getreten sind. Damit liegt dem [X.] ein nicht mehr existierender Bescheid zugrunde mit der Folge, dass auch das angefochtene Urteil keinen Bestand haben kann (s. dazu BF[X.]-Urteil vom 23. Januar 2003 [X.]/00, [X.], 269, [X.], 43).

Der Bescheid vom 28. Januar 2010 wurde nach § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) Gegenstand des Revisionsverfahrens. Da die vom [X.] festgestellten tatsächlichen Grundlagen des Streitstoffs durch die Änderung der angefochtenen Verwaltungsakte unberührt geblieben sind, bedarf es keiner Zurückverweisung der Sache gemäß § 127 [X.]O (vgl. Senatsurteil vom 18. November 2009 [X.]/07, [X.], 99, [X.], 414). Das finanzgerichtliche Verfahren leidet nicht an einem Verfahrensmangel, so dass die vom [X.] getroffenen tatsächlichen Feststellungen durch die Aufhebung des Urteils nicht weggefallen sind; sie bilden daher nach wie vor die Grundlage für die Entscheidung des Senats (Senatsurteil in [X.], 99, [X.], 414).

2. Der Senat entscheidet in der Sache selbst. Die Klage, die sich nunmehr gegen den im Laufe des Revisionsverfahrens ergangenen geänderten Bescheid richtet, wird als unbegründet abgewiesen. Das [X.] hat zu Recht erkannt, dass die von der Klägerin im Streitjahr bezahlte [X.]schaftsteuer nach dem Jahreswert des Nießbrauchrechts (§ 23 [X.]) nicht als dauernde Last i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 1a [X.] abziehbar ist (so auch [X.] München, Urteil vom 27. Oktober 2004  9 K 4542/01, E[X.] 2005, 370; [X.] in Troll/[X.]/[X.], [X.], § 3 [X.] 178; [X.]erzig/[X.]/ [X.], Der Betrieb --[X.]-- 2009, 584, 589 f.; [X.]/ [X.], [X.], 29. Aufl., § 10 [X.] 65 Stichwort: [X.]schaftsteuer; [X.]/[X.], a.a.[X.], § 12 [X.] 52; Kulosa in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 10 [X.] [X.]; [X.] in Kirchhof, [X.], 9. Aufl., § 35b [X.] 4; [X.]/[X.], § 35b [X.] [X.] 37; [X.], in: Kirchhof/[X.]/[X.], [X.], § 10 [X.] D 371; [X.] in [X.], [X.], § 10 [X.] 154; a.[X.] in [X.] u.a., [X.]schaft- und Schenkungsteuer, [X.], 2009, § 23 Kap. 8.3; [X.] in [X.], [X.], 2009, § 23 [X.] 17; Jüptner in Fischer/Jüptner/[X.]/ [X.], [X.], 2. Aufl., § 23 [X.] 91; [X.] in [X.]/ [X.], § 23 [X.] [X.] 20; [X.], [X.]schaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 15. Aufl., § 23 [X.] 9; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 23 [X.] [X.] 18; Bauschatz in Korn, § 10 [X.] [X.] 142; offengelassen von [X.] in [X.]/ [X.], [X.]schaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, § 23 [X.] 94; [X.] in Troll/[X.]/[X.], a.a.[X.], § 23 [X.] 29; [X.]/[X.], § 23 [X.], [X.] 26; [X.] in [X.]/ [X.]/[X.], [X.], [X.], § 23 [X.], [X.] 26; [X.], Zeitschrift für [X.]recht und Vermögensnachfolge 2008, 323, 326).

a) Als Sonderausgaben abziehbar sind die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und dauernden Lasten, die nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a [X.] in der im Streitjahr geltenden Fassung).

b) Werden außerhalb des Sonderrechts der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen wiederkehrende Leistungen vereinbart, greift der den Abzug als dauernde Last (ohne Verrechnung mit dem Wert einer erbrachten Gegenleistung; sog. Wertverrechnung) oder als Leibrente legitimierende Gesichtspunkt der "vorbehaltenen [X.]" nicht ein; es gelten daher § 12 [X.] und die allgemeinen Grundsätze des Einkommensteuerrechts uneingeschränkt. Zu diesen gehört auch, dass das Einkommensteuerrecht keine Abziehbarkeit bzw. Steuerbarkeit "um der äußeren Form der Wiederkehr willen" kennt: Ist eine Leistung als Einmalzahlung nicht steuerbar/abziehbar, wird sie es nicht dadurch, dass sie als zeitlich gestreckt vereinbart wird (Senatsurteil vom 31. Juli 2002 [X.], [X.] 2002, 1575).

c) Die in § 12 Nr. 3 [X.] genannten Steuern vom Einkommen und sonstige Personensteuern dürfen, soweit in § 10 Abs. 1 Nrn. 1, 2, 4, 6, 7 und 9, § 10a, § 10b und §§ 33 bis 33c [X.] nichts anderes bestimmt ist, weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch beim Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Auf § 10 Abs. 1 Nr. 1a [X.] nimmt der Einleitungssatz der Vorschrift in der im Streitjahr 2004 geltenden Fassung nicht Bezug. Die [X.]schaftsteuer ist eine Personensteuer (vgl. z.B. Senatsurteil in [X.], 73, [X.] 1994, 690).

d) Nach diesen Grundsätzen kann die [X.]schaftsteuer --gleichgültig, ob sie als Sofort- oder als Jahressteuer gemäß § 23 [X.] bezahlt wird-- nicht als Sonderausgabe gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1a [X.] abgezogen werden.

aa) Bei der [X.]schaftsteuer handelt es sich um eine Personensteuer i.S. des § 12 Nr. 3 [X.]. Auch wenn die [X.]schaftsteuer als Jahressteuer geleistet wird, werden persönliche Freibeträge angesetzt, ihre [X.]öhe hängt von der Steuerklasse ab, für die ebenfalls die persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen maßgebend sind, und es gibt eine beschränkte Steuerpflicht (vgl. BF[X.]-Urteil in [X.], 253, [X.] 1984, 27). Nach der ersatzlosen Aufhebung des § 35 [X.] a.[X.] durch das [X.] 1999/2000/2002 mit Wirkung vom 1. Januar 1999 greift im Streitjahr auch keine Ausnahme vom Abzugsverbot des § 12 Nr. 3 [X.].

bb) Bestätigt wird diese Auffassung durch die Tatsache, dass nach der Aufhebung von § 35 [X.] a.[X.] keine Tarifermäßigung oder sonstige Steuervergünstigung greift, wenn bei der Ermittlung des Einkommens Einkünfte berücksichtigt werden, die als Erwerb von Todes wegen der [X.]schaftsteuer unterlegen haben und diese Steuer in einem Betrag nach dem Kapitalwert des Nießbrauchs berechnet wird. Wäre die auf Renten, wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen erhobene Jahressteuer gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1a [X.] abziehbar, läge hierin ein Verstoß gegen Art. 3 [X.]. Da § 23 [X.] nicht die Entstehung, sondern lediglich die Zahlungsweise bereits entstandener [X.]schaftsteuer regelt ([X.] Münster, Urteil vom 18. September 2001  3 K 99/98 [X.], E[X.] 2003, 1029; [X.]/[X.], § 23 [X.], [X.] 1), würden identische erbschaftsteuerrechtliche Sachverhalte je nach Wahl der Sofort- oder der Jahresbesteuerung unterschiedlich behandelt (so auch [X.]erzig/[X.]/[X.], [X.] 2009, 584, 590). Dass sich die Jahressteuer nach dem vollen Nennwert der jährlichen Bezüge berechnet, während die Sofortbesteuerung den abgezinsten Wert des Anspruchs im Zeitpunkt des [X.] erfasst, soll nur die Bevorzugung desjenigen verhindern, dem für eine sofortige Begleichung der [X.]schaftsteuer die liquiden Mittel fehlen.

cc) Gegen die Abziehbarkeit der Jahressteuer gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1a [X.] spricht im Übrigen auch der Grundsatz, dass eine als Einmalzahlung nicht steuerbare bzw. abziehbare Leistung auch durch eine zeitliche Streckung nicht steuerbar bzw. abziehbar wird (Senatsurteil in [X.] 2002, 1575).

3. Die Tatsache, dass die Rechsprechung vor Einführung des § 35 [X.] a.[X.] den Sonderausgabenabzug gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 (1a) [X.] bejaht hat (z.B. BF[X.]-Urteil in [X.], 262, [X.]I 1958, 103), spricht nicht gegen die heutige Rechtsauffassung des Senats. Die damalige Rechtsprechung beruhte auf der Annahme, die [X.]schaftsteuer sei keine Personensteuer i.S. von § 12 Nr. 3 [X.], da ein Rechtsvorgang besteuert werde und die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen (Familienstand, Kinderzahl, Leistungsfähigkeit) keine Rolle spielten. An dieser Auffassung hält die Rechtsprechung seit langem nicht mehr fest (vgl. oben II.2.d).

4. Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Finanzverwaltung unter [X.]inweis auf das Senatsurteil in [X.], 73, [X.] 1994, 690 bis zum Veranlagungszeitraum 2004 den Sonderausgabenabzug generell zugelassen hat (vgl. [X.] "[X.]schaftsteuer" Amtliches Einkommensteuer-[X.]andbuch --ESt[X.]-- bis 2004; seit [X.] 10.3 ESt[X.] 2005 ist der entsprechende Passus entfallen). Der Gleichheitssatz vermittelt keinen Anspruch auf Anwendung einer rechtswidrigen Verwaltungspraxis und damit auf "Gleichheit im Unrecht" (BF[X.]-Beschluss vom 1. Juli 2010 [X.]/09, [X.] 2010, 2136).

5. Die Nichtabziehbarkeit der Jahressteuer gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1a [X.] verstößt nicht gegen Verfassungsrecht. Insbesondere stellt es keine Verletzung des Gleichheitssatzes dar, dass ihre Zahlung nicht zur Verringerung des zu versteuernden Einkommens und damit der Einkommensteuer führt.

a) Ein tragendes Strukturelement des Einkommensteuerrechts ist das objektive Nettoprinzip. Danach sind Einnahmen nicht brutto, sondern nur gekürzt um damit im Zusammenhang stehende Erwerbsaufwendungen der Besteuerung zu unterwerfen ([X.]-Entscheidung vom 9. Dezember 2008  2 BvL 1-2/07, 1-2/08, [X.] 122, 210). Solche Erwerbsaufwendungen liegen indessen nur vor, wenn die Aufwendungen im unmittelbaren Zusammenhang mit der Absicht stehen, (steuerpflichtige) Einkünfte zu erzielen. Anders als die von der Klägerin angeführte Umsatzsteuer, die bei der Ermittlung der Einkünfte als Abzugsposten berücksichtigt wird, betrifft die [X.]schaftsteuer nicht den Betrieb eines Steuerpflichtigen oder die sich aus dem Einsatz seines Vermögens ergebenden Gewinne, Überschüsse oder Umsätze. Durch die [X.]schaftsteuer soll ausschließlich der Vermögensvorteil, den ein [X.]e aus dem Erwerb von Todes wegen erlangt, der Besteuerung unterworfen werden. Ebenso wie Belastungen des [X.]es mit Vermächtnissen, Auflagen oder Pflichtteilsansprüchen keine Gegenleistung für den Erwerb der [X.]schaft sind, sondern Pflichten, die sich aus dem [X.]fall selbst ergeben (BF[X.]-Urteil vom 17. Februar 1965 I 400/62 U, BF[X.]E 82, 296, [X.]I 1965, 354), stellt auch die [X.]schaftsteuer keine Aufwendung zur Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht an den geerbten Wirtschaftsgütern dar (vgl. BF[X.]-Urteil in [X.], 253, [X.] 1984, 27, zur Schenkungsteuer). Sie ist vielmehr Folge der durch den unentgeltlichen Erwerb erlangten Verfügungsmacht. Insofern unterscheidet sie sich von der Umsatzsteuer oder der Grunderwerbsteuer, die aufgewendet werden, um Wirtschaftsgüter von der fremden in die eigene Verfügungsmacht zu überführen. Deshalb schließt der Grundsatz der systemgerechten Besteuerung zwar die gleichzeitige Erfassung desselben Vermögenszuwachses mit [X.]schaft- und Grunderwerbsteuer aus, steht aber der kumulativen Erhebung von [X.]schaftsteuer und Einkommensteuer nicht entgegen.

b) Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 [X.] liegt auch nicht darin, dass ein Abzug von Aufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a [X.] nur in Betracht kommt, wenn ein steuerlicher Transfer von Einkünften stattfindet. Der erkennende Senat hat es u.a. in seinem Beschluss vom 25. März 1996 [X.] ([X.] 1996, 739) abgelehnt, Zahlungsverpflichtungen, bei denen kein solcher Einkünftetransfer stattfindet, im Rahmen der genannten Norm zu berücksichtigen. Das [X.] hat durch Beschluss vom 15. August 1996 2 BvR 1185/96 ([X.] 1996, 623) die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

c) Nach Aufhebung des § 35 [X.] a.[X.] ab dem Veranlagungszeitraum 1999 bis zur Einführung des § 35b [X.] durch das [X.]schaftsteuerreformgesetz vom 24. Dezember 2008 ([X.], 3018, [X.], 140) mit Wirkung ab 2009 waren u.a. Renten, Nutzungen und Leistungen sowohl mit Einkommensteuer als auch mit [X.]schaftsteuer belastet. Dies ist im [X.]inblick auf die unterschiedlichen Besteuerungsgegenstände von Einkommensteuer und [X.]schaftsteuer nicht verfassungswidrig (vgl. BF[X.]-Urteil vom 17. Februar 2010 II R 23/09, BF[X.]E 229, 363, [X.], 641; [X.]/[X.], 198. Lfg., § 35 [X.] [X.] 6). Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] hat der Gesetzgeber bei der Wahl des [X.], also der [X.], einen weiten Gestaltungsspielraum. Mithin besteht auch kein Verfassungssatz des Inhalts, dass alle Steuern aufeinander abgestimmt sein müssten, also etwa keine Lücken entstehen dürften bzw. mehrfache Belastungen vermieden werden müssten ([X.]-Beschluss vom 8. Januar 1999  1 BvL 14/98, [X.] 1999, 152). Im Übrigen kennt das Steuerrecht auch andere Einnahmen, die mit mehreren Steuern belastet sind (z.B. das Nebeneinander von Einkommen- und Gewerbesteuer, das durch § 32c [X.] a.[X.] bzw. § 35 [X.] n.[X.] nicht völlig egalisiert wird).

d) Schließlich führt die Abschaffung des § 35 [X.] a.[X.] auch nicht zu einer übermäßigen Besteuerung. Nach dem BF[X.]-Urteil in BF[X.]E 189, 413, [X.] 1999, 771 ist dem [X.] kein Gebot zu entnehmen, dass Steuern auf das Einkommen und den Gewerbeertrag auf höchstens 50 % des Gesamtbetrags der Einkünfte oder des zu versteuernden Einkommens zu begrenzen sind. Der [X.]. Senat des BF[X.] sah eine Gesamtbelastung mit Einkommensteuer und Gewerbeertragsteuer in [X.]öhe von ca. 60 % nicht als verfassungswidrig an. Das [X.] hat mit Beschluss vom 18. Januar 2006  2 BvR 2194/99 ([X.] 115, 97) die hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen. Aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 [X.] lasse sich keine allgemein verbindliche, absolute Belastungsobergrenze in der Nähe einer hälftigen Teilung ("[X.]albteilungsgrundsatz") ableiten. Im Streitfall sei nicht erkennbar, dass eine verfassungsrechtliche Obergrenze zumutbarer Belastung durch Einkommen- und Gewerbesteuer erreicht wäre. Das Einkommen- und Gewerbesteuerrecht sei auch für hohe Einkommen gegenwärtig nicht so ausgestaltet, dass eine übermäßige Steuerbelastung und damit eine Verletzung der Eigentumsgarantie festgestellt werden könne. Diese Überlegungen des [X.] lassen sich auf den Streitfall übertragen. Selbst wenn die Gesamtbelastung der Klägerin mit Einkommensteuer und [X.]schaftsteuer --entsprechende Feststellungen des [X.] fehlen-- mehr als die [X.]älfte ihres zu versteuernden Einkommens betragen würde, ist ihre steuerliche Belastung nicht so hoch, dass der wirtschaftliche Erfolg grundlegend beeinträchtigt wird und damit nicht mehr angemessen zum Ausdruck kommt (vgl. [X.]-Beschluss in [X.] 115, 97, unter [X.]).

Meta

X R 63/08

18.01.2011

Bundesfinanzhof 10. Senat

Urteil

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 12. Juni 2008, Az: 11 K 312/06, Urteil

§ 10 Abs 1 Nr 1a EStG 2002, § 12 Nr 3 EStG 2002, § 35 EStG 2002, § 23 ErbStG 1997, Art 3 Abs 1 GG, Art 14 GG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 18.01.2011, Az. X R 63/08 (REWIS RS 2011, 10403)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 10403

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2 BvR 2194/99

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