Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.04.2005, Az. VIII ZR 44/04

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 4097

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 13. April 2005 Kirchgeßner, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

[X.] § 5 Abs. 2 Satz 1 Bei der Beantwortung der Frage, ob der Vermieter ein geringes Angebot an ver-gleichbaren Räumen ausgenutzt hat, ist auf das gesamte Gebiet der Gemeinde und nicht lediglich auf den Stadtteil abzustellen, in dem sich die Mietwohnung befindet. Das Tatbestandsmerkmal des "geringen Angebots" ist deshalb nicht erfüllt, wenn der Wohnungsmarkt für vergleichbare Wohnungen nur in dem betreffenden Stadtteil [X.], im übrigen Stadtgebiet aber entspannt ist.

[X.], Urteil vom 13. April 2005 - [X.] - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. April 2005 durch die Vorsitzende Richterin [X.] und [X.] [X.], [X.], Dr. Leimert und Dr. Frellesen für Recht erkannt: Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil der [X.] des [X.] vom 27. Januar 2004 auf-gehoben und das Urteil des [X.] vom 4. Sep-tember 2003 abgeändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen Tatbestand: Der Kläger begehrt von den Beklagten die teilweise Rückzahlung der [X.] nach überhöhten Miete. Mit [X.] mietete der Kläger von den [X.] ab dem 15. Oktober 1996 eine im 4. Obergeschoß eines [X.] in [X.], [X.]

gelegene, ca. 69 m² große Dreizimmer-Dachgeschoßwohnung. Das Wohnhaus ist zwischen 1948 und 1960 erbaut worden. Vor dem Einzug des [X.] hatten die Beklagten die Wohnung durch Umbaumaßnahmen vergrößert und umfassend renoviert. Die - 3 - als Staffelmiete vereinbarte Nettokaltmiete betrug zunächst 1.281,- DM, ab dem 1. Februar 1998 1.306,60 DM, ab dem 1. Februar 1999 1.332,70 DM und ab dem 1. Februar 2000 1.359,40 DM. Das Mietverhältnis endete im Oktober 2000. Der Kläger macht geltend, die vereinbarte und von ihm in voller Höhe gezahlte Miete sei im Sinne des § 5 [X.] überhöht gewesen, weil bei [X.] im [X.] Stadtgebiet bzw. in [X.] ein geringes Angebot an Dreizimmerwohnungen mit etwa 70 m² [X.] habe. Unter Berücksichtigung der Lage und Ausstattung der Wohnung und unter Zugrundelegung des [X.] Mietspiegels sowie eines Zuschla-ges von 20 % ergebe sich eine höchstzulässige Miete von 11,17 DM/m². Aus der Differenz zu der vereinbarten und gezahlten Miete errechne sich für die [X.] vom 1. Januar 1997 bis 31. Oktober 2000 eine Überzahlung von insgesamt 24.980,02 DM. Nachdem die Beklagten vorprozessual eine Rückzahlung [X.] hatten, hat der Kläger den genannten Betrag mit seiner Klage geltend gemacht. Das Amtsgericht hat nach Einholung eines Gutachtens zu der Frage, ob im September 1996 in [X.] ein geringes Angebot an vergleichbarem Wohnraum bestanden habe, der Klage im wesentlichen stattgegeben. Die hier-gegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das [X.] zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihr Ziel der Klageabweisung weiter. - 4 - Entscheidungsgründe: [X.] Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Zu Recht und mit zutreffender Begründung sei das Amtsgericht auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens davon ausgegangen, daß bei [X.] in [X.] ein geringes Angebot an vergleichbaren Wohnungen bestanden habe. Dies sei bereits dann der Fall, wenn das örtliche Angebot die vorhandene Nachfrage nicht wenigstens spürbar übersteige. Dabei komme es auf den regionalen Teilmarkt im Stadtteil [X.] an. Der [X.], daß nach dem Sachverständigengutachten im [X.]punkt der Anmietung der Wohnungsmarkt nur in diesem Teilmarkt angespannt gewesen sei, während er in den übrigen Stadtteilen [X.]s entspannt gewesen sei, sei nicht ent-scheidend. Der Stadtteil [X.] sei mit den anderen Bezirken nach Lage, Bebauung und Besiedlung nicht vergleichbar. Auch die Tatsache, daß der [X.] Mietspiegel für das gesamte Stadtgebiet und nicht für einzelne Stadtteile erstellt werde, führe nicht zu einem anderen Ergebnis. Soweit die Be-rücksichtigung der Vergleichsmiete zu einer Schmälerung der Rendite der [X.] führe, sei dies nach dem von [X.] Betrachtungsweise geprägten [X.] Mietrecht hinzunehmen. Schließlich könnten die Beklagten auch nicht mit ihren Einwänden gegen die Einordnung der Wohnung in die Baual-tersklasse 1948 bis 1960 gehört werden. Der vorgenommene Umbau und die Sanierung der Wohnung reichten nicht aus, um ihr den Charakter einer [X.] zu geben. Nach alledem habe der Kläger einen bereicherungs-rechtlichen Anspruch auf Rückzahlung der überzahlten Miete. - 5 - I[X.] Die Erwägungen des Berufungsgerichts halten der rechtlichen [X.] in den entscheidenden Punkten nicht stand. 1. Zutreffend ist zunächst der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungs-gerichts, daß die Vereinbarung einer Miete, die die ortsübliche Miete für ver-gleichbare Wohnungen in einer Gemeinde bei Ausnutzung eines geringen An-gebots an vergleichbaren Räumen um mehr als 20 % übersteigt, insoweit un-wirksam ist (§ 5 [X.], § 134 BGB) und der Mieter deshalb bereits gezahlte Miete in diesem Umfang nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Berei-cherung zurückverlangen kann. Die weitere Begründung des Berufungsurteils trägt die Entscheidung jedoch nicht, weil sie - wenn auch nur durch pauschale Bezugnahme - sich lediglich die knappen und unzutreffenden Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils zum Tatbestandsmerkmal der "Ausnutzung" eines geringen Angebots an vergleichbaren Räumen (§ 5 Abs. 2 Satz 1 [X.]) zu eigen gemacht hat. Nicht gefolgt werden kann dem Berufungsgericht auch inso-fern, als es bei der Beantwortung der Frage, ob ein geringes Angebot in diesem Sinne vorgelegen hat, ausschließlich auf den Wohnungsmarkt im [X.] Stadtteil [X.] abgestellt hat. 2. Es bestehen schon Bedenken gegen die Auffassung der Vorinstanzen, ein geringes Angebot im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 1 [X.] bestehe bereits dann, wenn das Angebot an Wohnraum der betreffenden Art die Nachfrage nicht wenigstens spürbar übersteige (so aber die h.M., außer der Zivilkammer 16 des LG [X.] z.B. [X.], [X.] 1999, 181; [X.], [X.], 349; [X.]/[X.], Miete, 2. Aufl., § 535 [X.]. 445; Bub/[X.], Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., [X.]; [X.], [X.], 2. Aufl., § 5 [X.] [X.]. 24; Schmidt-Futterer/[X.], Mietrecht, - 6 - 8. Aufl., [X.]. 72 nach § 535 BGB/§ 5 [X.]). Nach dem allgemeinen Sprach-verständnis bezeichnet der Begriff "gering" im vorliegenden Zusammenhang eine relative Knappheit einer Menge oder eines Gutes. Das könnte dafür spre-chen, ein geringes Angebot nur dann anzunehmen, wenn es die Nachfrage nicht erreicht, und es bereits dann zu verneinen, wenn Angebot und Nachfrage ausgeglichen sind (so wohl [X.], [X.], 167) oder das Angebot die Nachfrage, sei es auch nur geringfügig, übersteigt.

3. Die Frage bedarf hier jedoch keiner abschließenden Entscheidung; denn es fehlt jedenfalls an einer tragfähigen Begründung für die tatrichterliche Annahme, die Beklagten hätten das (unterstellte) geringe Angebot an ver-gleichbarem Wohnraum "ausgenutzt". Wie der Senat in seinem nach Erlaß des Berufungsurteils ergangenen Urteil vom 28. Januar 2004 ([X.] ZR 190/03, [X.], 1740 = [X.], 381 = [X.], 410 = Grundeigentum 2004, 540 unter [X.]) ausgesprochen hat, darf bei dem Tatbestandsmerkmal der "Ausnutzung" nicht allein auf das Verhal-ten des Vermieters und die objektive Lage auf dem maßgeblichen Wohnungs-markt abgestellt werden. Angesichts der Vielgestaltigkeit der denkbaren Motiv-lage des Mieters für den Vertragsschluß muß sich vielmehr dieses Merkmal auch auf die Person des Mieters beziehen; wer die geforderte Miete ohne [X.] oder aus besonderen persönlichen Gründen zu zahlen bereit ist, wer [X.] eine objektiv bestehende Ausweichmöglichkeit nicht wahrnimmt, wird nicht "ausgenutzt". Ausnutzen bedeutet nach seinem Wortsinn das bewußte [X.] einer für den anderen Teil ungünstigen Lage (vgl. [X.], [X.] vom 21. Oktober 1999, [X.], 684 = [X.], 18 unter II 3 b; Schmidt-Futterer/[X.] aaO [X.]. 76); dazu gehört mindestens, daß der Vermieter erkennt oder in Kauf nimmt, daß der Mieter sich in einer - 7 - Zwangslage befindet, weil er aus nachvollziehbaren gewichtigen Gründen nicht auf eine preiswertere Wohnung ausweichen kann. Zu alledem hat der Tatrichter, dem das Senatsurteil vom 28. Januar 2004 noch nicht bekannt sein konnte, bislang keine Feststellungen getroffen und mangels entsprechenden Vortrags des [X.] offenbar auch nicht treffen [X.]. Hierauf kommt es jedoch nicht entscheidend an, weil sich die Klage unter einem anderen Gesichtspunkt als unbegründet erweist. 4. Das Berufungsgericht ist bei der Prüfung des Tatbestandsmerkmals des "geringen Angebots an vergleichbaren Räumen" im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 1 [X.] rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, daß auf den Wohnungs-markt lediglich eines Stadtteils abzustellen sei. a) In Rechtsprechung und Literatur besteht Einigkeit darin, daß auf den "Teilmarkt" abzustellen ist, zu dem die Wohnung gehört (statt vieler [X.] aaO unter II 3 a; [X.]/[X.] aaO § 535 [X.]. 445; [X.] aaO [X.]. 26), daß die Mangelsituation demgemäß getrennt nach [X.] festzustellen ist. Das ergibt sich zwangsläufig schon daraus, daß es im Rahmen des § 5 [X.] auf die Vergleichbarkeit der Räume ankommt und [X.] sich wiederum nach den preisbildenden Faktoren Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage bestimmt. Streitig ist jedoch, worauf sich das Merkmal der "Lage" der Wohnung bezieht. Nach überwiegender Ansicht ist maßgebend der Stadtteil (das "[X.]"), in dem sich die betreffende Wohnung befindet ([X.], [X.] 1999, 181; LG [X.], Zivilkammer 16, [X.], 522; LG [X.], [X.], [X.], 94 und [X.], 180; [X.], [X.], 404; [X.]/[X.] aaO; Bub/[X.] aaO [X.]; Schmidt-Futterer/[X.] aaO - 8 - [X.]. 72). Nach der Gegenmeinung kommt es auf die Marktlage im gesamten Stadtgebiet an ([X.], [X.], 167; [X.] aaO [X.]. 26). b) Der Senat teilt die letztgenannte Auffassung. aa) Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 28. Januar 2004 (aaO un-ter [X.] a) betont hat, ist bei der Auslegung des Begriffs der "Ausnutzung eines geringen Angebots an vergleichbaren Räumen" in § 5 Abs. 2 Satz 1 [X.] zu berücksichtigen, daß die Vorschrift das Prinzip der Vertragsfreiheit (Art. 2 GG) und die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG einschränkt. Diese Einschränkung ist unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten daher nur insoweit gerechtfer-tigt, als sie auf der Sozialbindung des Eigentums beruht, wobei diese Bindung - jedenfalls in zivilrechtlicher Hinsicht - in erster Linie dem Schutz des Mieters vor Ausnutzung einer bestehenden Mangellage dient. Der sozialstaatliche Schutz des Mieters gebietet es aber nicht, besonderen persönlichen Wünschen des Mieters Rechnung zu tragen, die nicht auf gewichtigen sachlichen Gründen beruhen. Das gilt auch für die Wahl der [X.]. Vergleichbarkeit der Lage bedeutet nicht Identität des Stadtteils. Sie kann ebenso in einer anderen Wohngegend gegeben sein, die nach ihrer Lage und Struktur dem Stadtteil ähnlich - also vergleichbar - ist, in welchem sich die gemietete Wohnung [X.]. [X.]) Gegen die Maßgeblichkeit eines bestimmten Stadtteils bei der Fest-stellung eines geringen Angebots an vergleichbarem Wohnraum spricht im üb-rigen auch der Wortlaut des § 5 Abs. 2 Satz 1 [X.]. Für die Ermittlung des üblichen Entgelts (als Vergleichsmaßstab der vereinbarten Miete) stellt die Be-stimmung auf die Entgelte ab, die "in der Gemeinde" für die Vermietung von Räumen vergleichbarer Art usw. vereinbart worden sind. Es erscheint daher wenig konsequent, wenn hiervon abweichend für die Frage, ob für eine ver-- 9 - gleichbare Wohnung ein geringes Angebot auf dem Wohnungsmarkt bestanden hat oder besteht, ausschließlich die Situation in einem begrenzten Teil der Ge-meinde ohne Rücksicht auf die Lage in anderen Stadtteilen ausschlaggebend sein soll. [X.]) Überdies überzeugt das Abstellen auf einen bestimmten Stadtteil auch deshalb nicht, weil es häufig kein brauchbares Kriterium für die Qualität der [X.] bildet. So kann ein Stadtteil in verschiedenen Straßen un-terschiedliche Lärmbelastungen, Einkaufsmöglichkeiten oder Freizeitangebote aufweisen; nicht ohne Grund hat der Kläger auf die hohe Lärmbelastung der [X.] als wohnwertmindernden Umstand hingewiesen, die für den Stadtteil [X.] nicht typisch sein dürfte. c) Nach alledem ist es entgegen der Auffassung der Vorinstanzen nicht gerechtfertigt, ein geringes Angebot an vergleichbaren Wohnungen allein des-halb anzunehmen, weil im maßgebenden [X.]punkt - September 1996 - der Wohnungsmarkt in [X.] als einzigem Stadtteil [X.]s noch ange-spannt war, während er in anderen, nach objektiven Gesichtspunkten ver-gleichbaren Stadtteilen sich bereits entspannt hatte. Damit ist ausgeschlossen, daß sich der Kläger etwa auf ein Gebiet minderer Wohnqualität verweisen [X.] müßte. II[X.] Aus den dargelegten Gründen kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da weitere Feststellungen nicht mehr zu erwarten sind, hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Wie ausgeführt, ist der von dem Kläger geltend gemachte Rückzahlungsanspruch nicht begründet, so daß mit der Aufhebung des [X.] das erstinstanzliche Urteil dahin abzuändern ist, daß die Klage ins-gesamt abgewiesen wird.

[X.] Dr. [X.] [X.]
Dr. Leimert Dr. Frellesen

Meta

VIII ZR 44/04

13.04.2005

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.04.2005, Az. VIII ZR 44/04 (REWIS RS 2005, 4097)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 4097

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.