Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.04.2013, Az. XI ZR 325/10

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 6864

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI ZR 325/10

vom

9. April 2013

in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der XI.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.] und [X.]
Ellenberger, [X.], Dr.
Matthias und Pamp

am 9. April 2013

beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird das Urteil des 17.
Zivilsenats des [X.] vom 31.
August 2010 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
Beschwerdeverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.
Streitwert: bis 110.000

Gründe:
I.
Die Klägerin nimmt die beklagte Bank aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes (im Folgenden: Zedent) auf Rückabwicklung einer Beteiligung an der

V.

3 GmbH &
Co.
KG (im Folgenden: V
3) sowie der

V.

4 GmbH &
Co.
KG (im Folgenden: V
4) in Anspruch.
Der Zedent zeichnete nach vorheriger Beratung durch einen Mitarbeiter der Beklagten am 8.
Juli 2003 eine Beteiligung an V
3 im Nennwert von 25.000

Juni 2004 eine Be-1
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3
-
teiligung an V
4 im Nennwert von 75.000

i-talanteil
nebst Agio in Höhe von 44.625

e-teiligungssumme wurde durch ein endfälliges Darlehen der H.

finanziert.
Nach dem Inhalt der Verkaufsprospekte sollten 8,9% der jeweiligen Zeichnungssumme sowie das jeweilige Agio in Höhe von 5% zur [X.] (V
3) bzw. Eigenkapitalvermittlung, Platzierungsgarantie und Finan-zierungsvermittlung (V
4) durch die V.

AG (im [X.]: V.
AG) verwendet werden. Die V.
AG durfte ausweislich der Prospekte ihre Rechte und Pflichten aus der [X.] übertragen. Die Beklagte erhielt für den Vertrieb der Anteile Provisionen in Höhe von [X.] 8,25% der jeweiligen Zeichnungssumme, ohne dass dies dem Zedenten im Beratungsgespräch offengelegt wurde.
Die Klägerin verlangt mit ihrer Klage unter Berufung auf mehrere Aufklä-rungs-
und Beratungsfehler die Rückzahlung des eingesetzten Kapitals nebst Zinsen seit Zeichnung der jeweiligen Anlage Zug um Zug gegen Abtretung der Beteiligungen und insofern Feststellung des Annahmeverzugs. Weiter begehrt sie die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, die für V
4 zu erbringen-den Darlehensaufwendungen des Zedenten und alle weiteren Schäden des Zedenten zu ersetzen. Ferner verlangt sie Ersatz vorgerichtlicher [X.]. Das [X.] hat der Klage bis auf einen Teil der Zinsen statt-gegeben. Die Berufungen beider Parteien hiergegen sind erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen und seine Entschei-dung im Wesentlichen damit begründet, dass zwischen dem Zedenten und der Beklagten konkludent [X.] zustande gekommen seien, aufgrund derer die Beklagte verpflichtet gewesen sei, den Zedenten darauf hinzuweisen, dass sie von der V.
AG aufklärungspflichtige Rückvergütungen erhalten habe. 3
4
-
4
-
Diese Verpflichtung habe die Beklagte schuldhaft verletzt. Die Vermutung auf-klärungsrichtigen Verhaltens habe die Beklagte nicht widerlegt.

II.
Die Revision ist nach §
543 Abs.
2 Satz
1 Nr.
2 Fall
2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, da das angegriffene Urteil den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör aus Art.
103 Abs.
1 GG verletzt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 11.
Mai 2004 -
XI
ZB 39/03, [X.], 135, 139
f. und vom 18.
Januar 2005 -
XI
ZR 340/03, [X.] 2005, 939
f.). Aus dem-selben Grunde ist das angefochtene Urteil gemäß §
544 Abs.
7 ZPO aufzuhe-ben und der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen.
1. Rechtsfehlerfrei und von der Nichtzulassungsbeschwerde nicht [X.] ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass zwischen dem Zedenten und der Beklagten stillschweigend ein Beratungsvertrag [X.] gekommen ist, aufgrund dessen die Beklagte verpflichtet war, den Zedenten über die von ihr vereinnahmten Rückvergütungen aufzuklären, und dass eine ordnungsgemäße Aufklärung des Zedenten über diese Rückvergütungen weder mündlich noch durch die Übergabe von Informationsmaterial erfolgt ist (vgl. Se-natsurteil vom 8.
Mai 2012 -
XI
ZR 262/10, [X.], 159 Rn.
15
ff. [X.]). Auch hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei und von der Nichtzulassungsbe-schwerde unangegriffen insoweit ein Verschulden der Beklagten bejaht (vgl. Senatsurteil vom 8.
Mai 2012 -
XI
ZR 262/10, [X.], 159 Rn.
24
f. [X.]).
2. Gleichfalls rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht im Grundsatz da-von ausgegangen, dass die Beklagte die Darlegungs-
und Beweislast für ihre 5
6
7
-
5
-
Behauptung trägt, der Zedent hätte die Beteiligungen auch bei gehöriger Auf-klärung über die Rückvergütungen erworben.
Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ist derjenige, der vertragliche oder vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt hat, beweis-pflichtig dafür, dass der Schaden auch eingetreten wäre, wenn er sich [X.] verhalten hätte, der Geschädigte den Rat oder Hinweis also unbeachtet gelassen hätte. Diese "Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens" gilt für alle Aufklärungs-
und Beratungsfehler eines Anlageberaters, insbesondere auch dann, wenn Rückvergütungen pflichtwidrig nicht offengelegt wurden. Hierbei handelt es sich nicht lediglich um eine Beweiserleichterung im Sinne eines An-scheinsbeweises, sondern um eine zur Beweislastumkehr führende widerlegli-che Vermutung (Senatsurteil vom 8.
Mai 2012 -
XI
ZR 262/10, [X.], 159 Rn.
27
ff. [X.]; [X.], ZIP
2012, 164 Rn.
20).
3. Entgegen der Rechtsansicht der Nichtzulassungsbeschwerde bedurfte es auch keiner Erörterung durch das Berufungsgericht, ob von dieser [X.] zugunsten der Klägerin nur dann auszugehen ist, wenn der Zedent bei gehöriger Aufklärung vernünftigerweise nur eine [X.], er sich also nicht in einem Entscheidungskonflikt befunden hätte. Wie der erkennende Senat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden und [X.] begründet hat, ist das Abstellen auf das Fehlen eines solchen Entschei-dungskonfliktes mit dem Schutzzweck der Beweislastumkehr dafür, wie sich der Anleger bei gehöriger Aufklärung verhalten hätte, nicht zu vereinbaren, weshalb die Beweislastumkehr bereits bei einer -
wie hier
-
feststehenden Aufklärungs-pflichtverletzung eingreift (Senatsurteil vom 8.
Mai 2012 -
XI
ZR 262/10, [X.], 159 Rn.
30
ff. [X.]).

8
9
-
6
-
4. Das angegriffene Urteil verletzt jedoch den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör nach Art.
103 Abs.
1 GG.
a) Art.
103 Abs.
1 GG verpflichtet das Gericht, den Vortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen ([X.]E 60, 247, 249; 65, 293, 295
f.; 70, 288, 293; 83, 24, 35; [X.],
NJW-RR 2001, 1006, 1007). Die Vorschrift gebietet außerdem die Berücksichti-gung erheblicher Beweisanträge, gewährt allerdings keinen Schutz dagegen, dass das Gericht Vorbringen der Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt lässt ([X.], [X.], 492, 493 [X.]). Ein Verstoß gegen Art.
103 Abs.
1 GG setzt dabei eine gewisse Evidenz der Gehörsverletzung voraus, das heißt, im Einzelfall müssen besondere Umstände vorliegen, die
deutlich ergeben, dass das Vorbringen der Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Ent-scheidung ersichtlich nicht erwogen worden ist ([X.]E 86, 133, 146; 96, 205, 216
f.; [X.], [X.], 131; Senatsbeschluss vom 20.
Januar 2009 -
XI
ZR 510/07, [X.], 405 Rn.
8).
b) Nach diesen Maßgaben ist Art.
103 Abs.
1 GG hier verletzt.
aa) Die Beklagte hat mit ihrem Schriftsatz vom 24.
März 2010 unter Be-weisantritt vorgetragen, dass der Zedent vor Zeichnung von Anteilen an V
3
und V
4 bereits eine Beteiligung an dem Filmfonds M.

GmbH & Co. KG gezeichnet hatte. In dem dortigen, dem Zedenten vor [X.] ausgehändigten Prospekt sei auf Seite
28 angegeben, dass die Beklagte für die Eigenkapitalvermittlung eine Vergütung von 8,5% des [X.] erhalte. Diese Mitteilung der Vertriebsprovision habe den Zedenten nicht von einer Zeichnung abgehalten.

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12
13
-
7
-
bb) Dieser Vortrag der Beklagten zum früheren Anlageverhalten ist er-heblich (vgl. Senatsurteil vom 8.
Mai 2012
XI
ZR
262/10, [X.], 159 Rn.
50
f.). Das Berufungsgericht hat sich damit nicht befasst, was sich nach den Umständen des Falles, insbesondere der Begründung des eine Tatbestandser-gänzung zurückweisenden Beschlusses vom 6.
Oktober 2010, nur damit erklä-ren lässt, dass es dieses Vorbringen der Beklagten bei seiner Entscheidung überhaupt nicht erwogen hat.
5. Die unterlassene Würdigung des unstreitigen Vortrages der Beklagten verletzt den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör in entscheidungser-heblicher Weise, denn das Berufungsurteil beruht auf dieser Verletzung. Diese Voraussetzung ist schon dann erfüllt, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbrin-gens anders entschieden hätte ([X.]E
7, 95, 99; 60, 247, 250; 62, 392, 396; 89, 381, 392
f.). Die Gehörsverletzung führt nach §
543 Abs.
2 Satz
1 Nr.
2 Fall
2 ZPO zur Zulassung der Revision, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung
des Revisionsgerichts erfordert ([X.], [X.] vom 27. März 2003
V
ZR
291/02, [X.]Z 154, 288, 296
f.), und recht-fertigt gemäß §
544 Abs.
7 ZPO die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung der Sache.
6. Das Berufungsgericht wird das übergangene Vorbringen zu wür-
digen haben (vgl. dazu Senatsurteil vom 8.
Mai 2012
XI
ZR
262/10, [X.], 159 Rn.
51). Gegebenenfalls wird es auch den Mitarbeiter der Beklagten K.

und den Zedenten als Zeugen zu der Behauptung der Beklagten zu vernehmen haben, bei seinem Anlageentschluss sei für den Zedenten allein die Steuerersparnis und allenfalls noch Renditechancen sowie das [X.], andere Aspekte jedoch bedeutungslos gewesen. Diese für die Anlageentscheidung maßgeblichen Umstände habe der 14
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8
-
Zedent dem Mitarbeiter der Beklagten im [X.] mitgeteilt (vgl. dazu Senatsurteil vom 8.
Mai 2012

XI
ZR
262/10, [X.], 159 Rn.
42
ff.). Sollte das Berufungsgericht nach erneuter Verhandlung die Kausalitätsvermutung in Bezug auf verheimlichte Rückvergütungen als widerlegt ansehen, wird es sich auch mit den von der Klägerin behaupteten weiteren Verletzungen vorvertragli-cher Aufklärungspflichtverletzungen durch unter anderem unrichtige Angaben des Anlageberaters der Beklagten über durch Kapitalgarantien verschiedener Banken sichergestellte 100%ige Geldrückflüsse auseinanderzusetzen haben (vgl. Senatsbeschluss vom 19.
Juli 2011

XI
ZR
191/10, [X.], 1506 Rn.
13
ff.; [X.], [X.], 153
ff.).

[X.]

Ellenberger

[X.]

Matthias

Pamp

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 08.01.2010 -
2-20 O 411/08 -

O[X.], Entscheidung vom 31.08.2010 -
17 [X.] -

Meta

XI ZR 325/10

09.04.2013

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.04.2013, Az. XI ZR 325/10 (REWIS RS 2013, 6864)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 6864

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