Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.03.2013, Az. XI ZR 228/11

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 7039

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI ZR 228/11

vom

26. März
2013

in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der XI.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.],
die Richter Dr.
Joeres,
Dr.
Ellenberger
und
Dr.
Matthias
sowie die Richterin Dr.
Menges

am 26.
März
2013

beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird das Urteil des 6.
Zivilsenats des [X.] vom 14.
April 2011 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens der Beklagten, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revi-sion in dem Urteil des 6.
Zivilsenats des [X.]
vom 14.
April 2011 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die durch ihre Nichtzulassungsbeschwerde ent-standenen Kosten.
Insoweit beträgt der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens für die Gerichtskosten 24.220,37

Kosten 123.420,37

zur Beklagten nur zu 1/5
anzusetzen sind ([X.], Beschluss vom 15.
Juli 2004 -
V
ZR 343/02, juris).
-
3
-
Gründe:
I.
Die Klägerin nimmt die beklagte Bank aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes (im Folgenden: Zedent) auf Rückabwicklung von
Beteiligungen
an der

V.

3 GmbH & Co. KG (im Folgenden: V
3)
sowie der

V.

4 GmbH & Co. KG (im Folgenden: V
4) in Anspruch.
Der Zedent zeichnete nach vorheriger Beratung durch einen Mitarbeiter der Beklagten am 30.
Juni 2003 eine Beteiligung an V
3 im Nennwert von 30.000

Dezember 2004 eine Beteiligung an V
4 in Höhe von 50.000

wobei ein Anteil in Höhe von 45,5% der [X.] an V
4 durch ein endfälliges Darlehen der H.

finanziert wurde.
Nach dem Inhalt der Verkaufsprospekte sollten 8,9% der jeweiligen Zeichnungssumme sowie das jeweilige Agio in Höhe von 5% zur [X.] (V
3) beziehungsweise Eigenkapitalvermittlung, Platzierungsgaran-tie und Finanzierungsvermittlung (V
4) durch die V.

AG (im Folgenden: [X.]) verwendet werden. Die [X.] durfte ausweislich der Prospekte ihre Rechte und Pflichten aus der [X.] übertragen. Die Beklagte erhielt für den Vertrieb der Anteile Provisionen in [X.] von mindestens 8,25% der jeweiligen Zeichnungssumme, ohne dass dies dem Zedenten im Beratungsgespräch offengelegt wurde.
Die Klägerin verlangt mit ihrer Klage unter Berufung auf mehrere Aufklä-rungs-
und Beratungsfehler die Rückzahlung des in V
3 eingesetzten Kapitals in Höhe von 31.500

i-1
2
3
4
-
4
-
gungs-
und Agiosumme von V
4, jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozent-punkten über dem Basiszinssatz, wenigstens in Höhe von 8% seit dem 30.
Juni 2003 für V
3 bzw. seit dem 8.
Dezember 2004 für V
4, jeweils Zug um Zug ge-gen Übertragung der Beteiligung sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechts-anwaltskosten in Höhe von 3.308,20

die Feststellung des Annahmeverzuges der Beklagten mit der Rücknahme der [X.], die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz jeden Schadens, der dem Zedenten im Zusammenhang mit dem Erwerb der [X.] über die Klageforderung hinaus entstanden ist oder noch entstehen wird,
sowie die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung des Betrages, der der Schuld des Zedenten aus dem aufgenommenen Darlehen entspricht.
Die Klage hatte in den Vorinstanzen überwiegend Erfolg.
Das [X.] hat die Revision nicht zugelassen und seine Entscheidung, soweit für die Beschwerde der Beklagten von Bedeutung, im Wesentlichen damit [X.], dass zwischen dem Zedenten und der Beklagten ein Beratungsvertrag zustande gekommen sei,
aufgrund dessen die Beklagte verpflichtet gewesen sei, den Zedenten darauf hinzuweisen, dass sie von den Fondsgesellschaften
aufklärungspflichtige Rückvergütungen in Höhe von mindestens 8,25% des je-weiligen [X.] erhalten habe. Diese Verpflichtung habe die [X.] schuldhaft verletzt. Insbesondere habe sich die Beklagte nicht in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum befunden. Für den Anleger streite die Vermu-tung aufklärungsrichtigen Verhaltens, die die Beklagte nicht widerlegt habe.

5
-
5
-
II.
Die
Revision ist nach §
543 Abs.
2 Satz
1 Nr.
2 Fall
2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, da das angegriffene Urteil den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör aus Art.
103 Abs.
1 GG verletzt (vgl. Senatsbeschlüsse
vom 11.
Mai 2004 -
XI
ZB 39/03, [X.]Z 159,
135, 139
f. und vom 18.
Januar 2005 -
XI
ZR 340/03, [X.]-Report 2005, 939
f.). Aus dem-selben Grund ist das angefochtene Urteil gemäß §
544 Abs.
7 ZPO aufzuheben und der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an
das [X.] zurückzuverweisen.
1. Rechtsfehlerfrei und von der Nichtzulassungsbeschwerde nicht [X.] ist das Berufungsgericht
allerdings davon ausgegangen, dass zwischen dem Zedenten und der Beklagten stillschweigend ein Beratungsvertrag
zustan-de gekommen ist, aufgrund dessen die Beklagte verpflichtet war, den Zedenten über die von ihr vereinnahmten Rückvergütungen aufzuklären, und dass eine ordnungsgemäße Aufklärung des Zedenten über diese Rückvergütungen weder mündlich noch durch die Übergabe von Informationsmaterial erfolgt ist (vgl. Se-natsurteil vom 8.
Mai 2012 -
XI
ZR 262/10, [X.]Z 193, 159 Rn.
15
ff. [X.]). Auch hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei und von der Nichtzulassungsbe-schwerde unangegriffen insoweit ein Verschulden der Beklagten bejaht (vgl. Senatsurteil vom 8.
Mai 2012 -
XI
ZR 262/10, [X.]Z 193, 159 Rn.
24
f. [X.]).
2. Gleichfalls rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht im Grundsatz da-von ausgegangen, dass die Beklagte die Darlegungs-
und Beweislast für ihre Behauptung
trägt, der Zedent hätte die Beteiligungen auch bei gehöriger Auf-klärung über die Rückvergütungen erworben.
Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ist derjenige, der vertragliche oder vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt hat, beweis-6
7
8
9
-
6
-
pflichtig dafür, dass der Schaden auch eingetreten wäre, wenn er sich [X.] verhalten hätte, der Geschädigte den Rat oder Hinweis also unbeachtet gelassen hätte. Diese "Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens" gilt für alle Aufklärungs-
und Beratungsfehler eines Anlageberaters, insbesondere auch dann, wenn Rückvergütungen pflichtwidrig nicht offengelegt wurden. Hierbei handelt es sich nicht lediglich um eine Beweiserleichterung im Sinne eines An-scheinsbeweises, sondern um eine zur Beweislastumkehr
führende widerlegli-che Vermutung (Senatsurteil vom 8.
Mai 2012 -
XI
ZR 262/10, [X.]Z 193, 159 Rn.
27
ff. [X.]; [X.], [X.], 164 Rn.
20).
3. Das angegriffene Urteil verletzt jedoch den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör nach Art.
103 Abs.
1 GG.
a) Art.
103 Abs.
1 GG verpflichtet das Gericht, den Vortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen ([X.]E 60, 247, 249; 65, 293, 295
f.; 70, 288, 293; 83, 24, 35; [X.], [X.] 2001, 1006, 1007). Die Vorschrift gebietet außerdem die Berücksichti-gung erheblicher Beweisanträge, gewährt allerdings keinen Schutz dagegen, dass das Gericht Vorbringen der Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt lässt ([X.], [X.], 492, 493 [X.]). Ein Verstoß gegen Art.
103 Abs.
1 GG setzt dabei eine gewisse Evidenz der Gehörsverletzung voraus, d.h. im Einzelfall müssen besondere
Umstände vorliegen, die deutlich ergeben, dass das Vorbringen der Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung
ersichtlich nicht erwogen worden ist ([X.]E 86, 133, 146; 96, 205, 216
f.; [X.], [X.], 131; Senatsbeschluss vom 20.
Januar 2009

XI
ZR
510/07, [X.], 405 Rn.
8).
b) Nach diesen
Maßgaben ist Art.
103 Abs.
1 GG hier verletzt.
10
11
12
-
7
-
aa) Die Beklagte hat in ihren Schriftsätzen vom 4.
November 2009, 1.
März 2010 und 17.
März 2011 vorgetragen, dass für den Zedenten bei sei-nem Anlageentschluss allein die Steuerersparnis und allenfalls noch [X.] sowie das Sicherungskonzept der Schuldübernahme relevant gewe-sen seien. Diese für die Anlageentscheidung maßgeblichen Umstände habe der Zedent dem Mitarbeiter der Beklagten im [X.] mitgeteilt. Zum Nachweis dieser Behauptungen hat sich die Beklagte auf das Zeugnis des [X.] sowie das ihres Mitarbeiters T.

berufen.
bb) Dieser unter Beweis gestellte Vortrag der Beklagten zum Motiv des Zedenten, sich an V
3 und V
4 zu beteiligen, ist erheblich (vgl. Senatsurteil vom 8.
Mai 2012 -
XI
ZR 262/10, [X.]Z 193, 159 Rn.
52
ff.). [X.] hat sich damit nicht befasst, sondern im Hinblick auf das Urteil des [X.] vom 24.
Juni 2009 ([X.], 828
ff.) lediglich die Frage erörtert, ob der Zedent
verpflichtet war, sich nach etwaigen Vergütungen der Beklagten zu erkundigen. Dies ist nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] (vgl. nur Senatsurteil vom 8.
Mai 2012 -
XI
ZR
262/10, [X.]Z 193, 159 Rn.
17 [X.]) nicht der Fall. Die Tatsache, dass ein Anleger nicht von sich aus dazu verpflichtet ist, nach möglichen Vergütungen der ihn beratenden Bank durch Dritte zu fragen, sagt aber nichts darüber aus, wie sich der Anleger im Falle einer ungefragten Offenlegung der vereinnahmten [X.] durch die Bank verhalten hätte. Dass das Berufungsgericht dem-gegenüber den Vortrag der Beklagten zum Nichteingreifen der
Vermutung auf-klärungsrichtigen Verhaltens völlig übergangen hat, lässt sich nach den [X.] nur damit erklären, dass es
dieses Vorbringen der [X.] bei seiner Entscheidung überhaupt nicht erwogen hat.
4. Die unterlassene Vernehmung des Zedenten sowie des [X.] als Zeugen für diese Behauptungen verletzt den Anspruch der Beklagten 13
14
15
-
8
-
auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise, denn das Berufungs-urteil beruht auf dieser Verletzung. Diese Voraussetzung ist schon dann erfüllt, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Berufungsgericht bei Be-rücksichtigung des übergangenen Vorbringens anders entschieden hätte
([X.]E 7, 95, 99; 60, 247, 250; 62, 392, 396; 89, 381, 392
f.). Die Gehörsver-letzung führt nach §
543 Abs.
2 Satz
1 Nr.
2
Fall
2 ZPO zur Zulassung der Re-vision, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entschei-dung des [X.] erfordert ([X.], Beschluss vom 27.
März 2003

V
ZR
291/02, [X.]Z 154, 288, 296
f.), und rechtfertigt gemäß §
544 Abs.
7 ZPO die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung der Sache.
5. [X.] wird die oben genannten Beweise zu erheben und zusammen mit den vorgetragenen Indizien (Senatsurteil vom 8.
Mai 2012

XI
ZR
262/10, [X.]Z 193, 159 Rn.
42
ff.) sowie dem Vortrag der Beklagten, der Zedent habe sich bereits vor der Zeichnung der streitgegenständlichen [X.] an dem geschlossenen Medienfonds A.

beteiligt und sei dort anhand des rechtzeitig ausgehändigten und inhaltlich zur Kenntnis ge-nommenen Emissionsprospekts darüber aufgeklärt worden, dass die Beklagte für den dortigen Vertrieb eine
Provision von jeweils 8,5% der [X.] erhalten habe, was ihn aber nicht von der Zeichnung abgehalten habe, zu würdigen haben. Sollte das Berufungsgericht nach erneuter Verhandlung die Kausalitätsvermutung in Bezug auf verheimlichte Rückvergütungen als wider-legt ansehen, wird es sich auch mit den von der Klägerin behaupteten weiteren Verletzungen vorvertraglicher Aufklärungspflichten durch u.a. unrichtige Anga-ben der Anlageberater der Beklagten über durch Kapitalgarantien [X.] Banken sichergestellte hundertprozentige Geldrückflüsse auseinanderzu-setzen haben (vgl. Senatsbeschluss vom 19.
Juli 2011 -
XI
ZR
191/10, [X.], 1506 Rn.
13
ff.; [X.], [X.], 153
ff.).
16
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9
-
III.
Hinsichtlich der Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung und erfordert weder zur Fortbil-dung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] (§
543 Abs.
2 Satz
1 ZPO). Insoweit wird von einer näheren Begründung gemäß §
544 Abs.
4 Satz
2 Halbs.
2 ZPO ab-gesehen.

[X.]

Joeres

Ellenberger

Matthias

Menges

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 16.12.2009 -
5 [X.]/08 -

O[X.], Entscheidung vom 14.04.2011 -
I-6 U 1/10 -

17

Meta

XI ZR 228/11

26.03.2013

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.03.2013, Az. XI ZR 228/11 (REWIS RS 2013, 7039)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 7039

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XI ZR 228/11

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